Samstag, 17. Februar 2018

Love in the Air? Frankreich versus Deutschland


Die folgende Abbildung spricht Bände.

Peter Praet, Direktoriumsmitglied der EZB hat am Donnerstag im Rahmen eines Referats in Paris ein paar aufschlussreiche Charts präsentiert.

Was wir hier sehen, ist, dass die Lohnstückkosten in Deutschland zum Zeitpunkt der EUR-Einführung beginnen, dramatisch zu fallen.

In Frankreich hingegen steigen sie an, entsprechend dem jeweiligen Wert der Inflation plus Produktivität.

Was steckt dahinter?

In einer Währungsunion wie der EWU beschliessen die Mitgliedstaaten in Übereinstimmung, auf die Ausführung einer autonomen Geldpolitik zu verzichten. 

Die Aufgabe wird einer gemeinsamen Zentralbank, nämlich der EZB übertragen. Und die Währungsbehörde definiert und setzt dann die Geldpolitik um.

Die Mitgliedstaaten einigen sich im Gegenzug, eine gemeinsam festgelegte Zielinflationsrate anzustreben. Das ist im Euro-Raum von der EZB vorgegeben und beträgt rund 2 Prozent. Alle müssen sich daranhalten. Das ist eine Grundvoraussetzung der Währungsunion.

Da die Mitgliedstaaten über keine eigene Landeswährung mehr verfügen, sondern "nur" den EUR, also die Gemeinschaftswährung haben, können sie einseitig nicht mehr abwerten, um an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.


Der Verlauf der Lohnstückkosten seit der EUR-Einführung: Deutschland versus Frankreich, Graph: Peter Praet, ECB in: "Strengthening France's economy and the Eurozone", Febr 15, 2018, Paris


Der einzige Weg, der übrig bleibt, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit rasch zu verbessern ist, die Kosten zu senken. Und das geht über die Löhne. 

Via Lohn-Dumping kann sich ein Mitgliedstaat im Aussenhandel Vorteile verschaffen und die anderen Länder vom Markt verdrängen. 

Zur Erinnerung: Die Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept. Das heisst, dass der Gewinn des einen der Verlust des anderen ist. Die Welt als Ganzes kann daher ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern. Alle können produktiver werden, aber alle können nicht gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden.

Ein aggressiver Ansatz im Aussenhandel kann andere Länder in die Verschuldung treiben.

Es ist vor diesem Hintergrund erstaunlich, dass CDU/CSU und SPD sich im neuen Koalitionsvertrag weiterhin zu der "schwarzen Null"-Politik bekennen.

Das heisst, dass die öffentliche Hand weiterhin sparen soll, während die privaten Haushalte seit einer langen Zeit sparen und inzwischen auch der Unternehmenssektor zum Netto-Sparer geworden ist.

Wo sollen aber die Ausgaben herkommen? Vom Ausland. Die dummen Ausländer sollen die deutschen Waren kaufen, und zwar auf Pump. Das ist das Wirtschaftskonzept der neuen Koalition in Berlin, wie es nach bisher vorliegenden Erkenntnissen aussieht. (*)

Wenn in einer Volkswirtschaft aber mehr gespart werden soll, dann wird es auch notwendig sein, dass sich die Schulden ausweiten.

Für Investitionen sind keine Ersparnisse erforderlich. Jeder gesparte Groschen muss gleich-grossen Schulden entsprechen. Jeder gesparte Cent des einen ist die Verbindlichkeit eines anderen. Jeder gesparte Groschen ist Schulden eines anderen. 

Ersparnisse dienen nicht zur Finanzierung; sie müssen finanziert werden, wie Andrea Terzi es in seinem lesenswerten Artikel zum Ausdruck bringt.




Der Verlauf des realen BIP und der Binnennachfrage seit der EUR-Einführung: Deutschland versus Frankreich, Graph: Peter Praet, ECB in: "Strengthening France's economy and the Eurozone", Febr 15, 2018, Paris

Mit dem merkantilistischen Ansatz der Export-Überschüsse verstösst Deutschland nicht nur gegen das Inflationsziel der EZB, indem es die Zielmarke unterbietet, sondern auch das eigene Stabilitätsgesetz (das Ziel eines aussenwirtschaftlichen Gleichgewichts).

In der EU gibt es ausserdem Schwellenwerte für den Leistungsbilanzsaldo im Verhältnis zum BIP: für Überschüsse gilt eine Marke von 6% und für Defizite -4%

Nach aktuell vorliegenden Daten weist die deutsche Wirtschaft einen Leistungsbilanzüberschuss (**) von rund 8% des BIP auf. Und damit liegt auch hierbei ein Verstoss gegen die EU-Regeln vor.

Fazit: Frankreich hat sich an die EU-Regeln gehalten. Deutschland nicht. Paris wird aber trotzdem (zu Unrecht) ständig getadelt. Frankreich-bashing, wie wir es in den Mainstream-Medien öfters erleben, hat keine Grundlage. Es ist absurd. Das führt Peter Praet, ECB-Volkswirt anhand von ein paar Charts deutlich vor Augen. 





(*) Weniger Kreditaufnahme bedeutet weniger Geld im Umlauf. Schrumpfung der Finanzierung geht mit fallenden Preisen, fallenden Löhnen und fallenden Einkommen einher. Die Kredit-Kontraktion löst deflationäre Kräfte aus. Fallende Preise lasten auf Umsatz von Unternehmen. Beschäftigung leidet. Kein Wunder, dass die Inflation kaum vom Fleck kommt.


(**) Brüssel kann das makroökonomische Ungleichgewichtsverfahren (MIP: macroeconomic imbalance procedure) in die Wege leiten.

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