Montag, 26. Juni 2017

Geld, Kreditwesen und Nachfrage


Was die herrschende Wirtschaftslehre nicht wahrnehmen will, ist die Tatsache, dass es keiner Ersparnisse bedarf, um Investitionen zu tätigen.

Das heisst, dass die Austerität in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft abwegig ist. Denn zunächst müssen Investitionen her, damit Ersparnisse entstehen können.

Das Geld wird nämlich in dem Moment geschaffen, wenn eine Bank einen Kredit gewährt. Die Bank braucht dazu keine Kunden-Einlagen. Der ganze Prozess geschieht mit einem Tastendruck auf dem Computer. 

Das heisst, dass das Geld elektronisch auf das Konto des Kreditnehmers fliesst. Das Geldschöpfen „out of thin air“ nennt Keynes die „elastic production of money“.

Das Geld oder der Kredit existiert daher nicht als das Ergebnis wirtschaftlicher Tätigkeit, sondern das Geld schafft die wirtschaftliche Tätigkeit, wie Ann Pettifor in ihrem neuen lesenswerten Buch (“The Production of Money”) adäquat beschreibt.

Das meiste Geld wird nicht von der Zentralbank, sondern von den privaten Banken geschöpft. Weniger Kreditaufnahme bedeutet, weniger Geld im Umlauf, und daher weniger Ersparnisse.


US-Laufzeitprämie (US term premium), im Durchschnitt: -0,3% zwischen 2000 und 2017, Graph: Gavyn Davies in: FT

Eine solche Schrumpfung des Kreditwesens trägt aber dazu bei, dass die Preise purzeln, die Löhne fallen und das Einkommen sinkt.

Mit anderen Worten impliziert die Kontraktion der Finanzierung via Kredit einen deflationären Druck. (*)


US-Laufzeitprämie im Vergleich mit dem Verlauf der Termin-Ertragskurve, Graph: Gavyn Davies in: FT


Ein Indikator, der das oben geschilderte Narrativ bestätigt, ist die Entwicklung der Laufzeitprämie der US-Staatsanleihen in den vergangenen Jahren.

Die Laufzeitprämie fällt seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise und weist im Durchschnitt (zwischen 2000 und 2017) einen Wert von minus 0,3% auf.

Das bedeutet, dass die Investoren keine Extra-Entschädigung (d.h. Rendite) fordern, um eine längerfristige Staatsanleihe zu halten, anstatt ein kurzfristiges Staatspapier zu halten oder zu kaufen.

Die Implikation ist, dass die Investoren offensichtlich die Forward Guidance der US-Notenbank in Bezug auf die Entwicklung der Zinsen nicht weitgehend in Frage stellen.

Aber sie sind allem Anschein nach bereit, festverzinsliche Papiere zu halten, auch wenn die erwartete Rendite negativ ist, weil sie ihr gesamtes Portfolio an Vermögenswerten vor dem Risiko eines grossen deflationären Schocks in Zukunft schützen wollen, wie Gavyn Davies in seiner Kolumne bei FT argumentiert.



Ann Pettifor: The Production of Money, Graph: Verso Books, 2017




(*) Fallende Preise lasten auf dem Gewinn der Unternehmen und führen zu Pleiten, die wiederum Arbeitslosigkeit auslösen. Und es ist weniger wahrscheinlich, dass die Menschen ohne Arbeit Kredit aufnehmen und Geld ausgeben. Das bedeutet, dass das Einkommen sogar im ganzen Land abnimmt.

Und das ist im Grunde genommen der Zeitpunkt, wo der Staat beginnen soll, eine expansive Fiskalpolitik zu führen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzuregen und die Beschäftigung zu stützen. 

Die einschlägigen Massnahmen zur Förderung der produktiven Projekte in der Wirtschaft würden dafür sorgen, dass das private Einkommen steigt, die Beschäftigung zunimmt und die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand anwachsen, womit am Ende auch die Staatsschuldenquote wieder abnimmt.

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