Freitag, 28. April 2017

Überschussländer und makroökonomische Ungleichgewichte


Die makroökonomischen Ungleichgewichte sind zumindest seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise von 2008 offensichtlich und in aller Munde.

Was ist zu tun? 

Soll man Fiskalpolitik (z.B. einen expansiven resp. restriktiven Kurs) einsetzen oder die Handelspolitik (z.B. mit Protektionismus) neugestalten?

Der IWF findet, dass die Fiskalpolitik im Gegensatz zur Handelspolitik einen erheblichen Einfluss auf das externe Gleichgewicht hat.

Wenn die Überschuss-Länder eine expansive Fiskalpolitik ausführen, stimulieren sie die Nachfrage im Binnenmarkt und steigern ihre Einfuhren. Eine lockere Fiskalpolitik führt i.d.R. zu einer restriktiven Geldpolitik, die wiederum dazu beiträgt, dass die Landeswährung aufwertet.

Und wenn die Defizit-Länder eine restriktive Fiskalpolitik verfolgen, reduzieren sie das Nachfragewachstum im Inland und schränken die Einfuhren ein. Unternehmen in Defizit-Ländern beginnen dann, nach Märkten Ausschau zu halten, wo eine expansive Fiskalpolitik eingesetzt wird und Nachfrage vorhanden ist.


Veränderungen im strukturellen Haushalt im Ländervergleich, Graph: Brad Setser

(*) Basierend auf IWF-Daten tragen Deutschland und die Niederlande am meisten zu der Haushaltskonsolidierung im Euroraum bei, und zwar seit 2014.

Mittwoch, 26. April 2017

Wo ist der Stimulus für die US-Wirtschaft?


Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hatte anfangs unter Investoren Zuversicht in Sachen Wachstum ausgelöst. 

Inzwischen mehren sich die Zeichen, dass die soft-Data von hard-Data nicht gestützt werden.

Der sog. „reflation-Trade“ flacht sich nach und nach ab. Und die Inflationserwartungen bilden sich zurück.

Trump hat vor diesem Hintergrund nun eine Steuersenkung für Unternehmen (von 35% auf 15%) angekündigt.

Ob die US-Administration damit für mehr Stimulus sorgen kann, mag dahingestellt sein. 

Jan Hatzius von Goldman Sachs sagt in einem Interview mit dem Bloomberg TV, dass er nicht mit einem BIP-Wachstum von 3% für das kommende Jahr rechnet.



Der neutrale Zinssatz für die US-Wirtschaft, Graph: Bloomberg


Dienstag, 25. April 2017

Bundesbank erklärt den Geldschöpfungsprozess

Hyman Minsky hat darauf hingedeutet, dass das Geld nicht einfach durch zentrale Behörden geschaffen werde. 

Geldschöpfung geschieht, jedes Mal Geschäftsbanken Geld leihen, d.h. Kredit gewähren, weil die Kreditvergabe die Kaufkraft derjenigen erhöht, die das Geld borgen.

Es ist daher die Nachfrage nach Kredit durch die Geschäftsbanken und die privaten Haushalte in der Wirtschaft, die die Geldmenge (money supply) bestimmen.

Geld wird in der Realwirtschaft deswegen als endogen bezeichnet und es ist nicht unabhängig von der Herstellung von Waren und Dienstleistungen.

Das ist die Erkenntnis, die das Herzstück der modernen Geldtheorie (modern money theory) bildet.

Es ist vor diesem Hintergrund aufschlussreich, wie die Deutsche Bundesbank im aktuellen Monatsbericht (April 2017) die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess beschreibt.

Die Kredit- und Geldschöpfung ist das Ergebnis komplexer Interaktionen zwischen Banken, Nichtbanken und Zentralbank, so die Bundesbank.

Und sie erklärt weiter, dass die Fähigkeit der Banken dabei, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, nicht davon abhängt, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen.


Geldmenge und Zentralbankguthaben, Graph: Bundesbank in: Monatsbericht (April 2017)

Sonntag, 23. April 2017

Can we avoid another financial crisis?

Buchbesprechung

Steve Keen: Can we avoid another financial crisis? Polity Books, Cambridge, 2017


Die Makroökonomie lässt sich von der Mikroökonomie nicht ableiten. Es ist daher abwegig, von z.B. „Schweiz AG“ oder „Deutschland AG“ zu reden, wenn es um die Wirtschaftspolitik geht.

Dass Unternehmer einzelwirtschaftlich denken, ist in Ordnung. Aber es bedarf der öffentlichen Hand, die für die Gesamtwirtschaft sorgt. 

Steve Keen gibt uns im ersten Kapitel seines lesenswerten Buches einen erkenntnisreichen Überblick über die Wirtschaftsmodelle der neoklassischen Schule.

Das RBC-Modell (Real Business Cycle) und das nachfolgende DSGE-Modell (Dynamic Stochastic General Equilibrium) beruhen alle auf Mikrofundierung (microfounded macroeconomics), d.h. dem Versuch, Makroökonomie auf dem „rationalen Verhalten“ von Individuen und Unternehmen zu begründen.

Die herrschende Lehre propagiert die direkte Ableitung makroökonomischer Verhaltensgleichungen aus dem einzelwirtschaftlichen Maximierungsverhalten (Nutzenmaximierung der Haushalte und Gewinnmaximierung der Unternehmungen).

Das ist auch der Grund dafür, warum in diesen Modellen der Finanzsektor und damit im Grunde genommen auch das Geld (money illusion) ausgeklammert werden.

Freitag, 21. April 2017

Inflation und der seine Bilanzen reparierende Privatsektor

Die Bilanzsumme der EZB reflektiert die expansive Geldpolitik der EZB unmittelbar. Da niemand Geld leihen will, wirkt die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (genannt QE-Policy) kaum. 

Trotz der Null-Zinsen sparen nämlich die privaten Haushalte. In Deutschland macht die Quote rund 6% des BIP aus. Auch Unternehmen sind Netto-Sparer.

Obwohl die Notenbankgeldmenge (monetary base) sich in den vergangenen Jahren vervielfacht hat, kommt die Inflation nicht vom Fleck, abgesehen von einigen „Beulen“, ausgelöst durch die Preisanstiege für Rohstoffe und Energie.

Das neu geschaffene Geld kommt in der Realwirtschaft nicht an, weil der Privatsektor immer noch damit beschäftigt ist, die Bilanzen zu reparieren (Balance Sheet Recession), wie Richard Koo in einem lesenswerten Interview mit der Finanz und Wirtschaft beschreibt.



Die Bilanzsumme der EZB im Vergleich zum BIP (Wirtschaftsleistung), Graph: Peter Praet, ECB auf der Hyman Minsky Konferenz in New York am 19. April 2017 

Donnerstag, 20. April 2017

Macro-Paradoxes im Überblick


Auch wenn es sich für manche “intuitiv” nicht realistisch anhört, führt die Erhöhung des Mindestlohnes nicht zu weniger, sondern zu mehr Beschäftigung.

Im Grunde genommen gibt es eine Reihe von Macro-Paradoxen. Das bekannteste ist sicherlich das Sparparadoxon (paradox of thrift). 

Keynes hat erklärt, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, wenn in schlechten Zeiten alle sparen, wodurch auch die gesamten Ersparnisse am Ende zurückgehen, aufgrund des rückläufigen Konsums und des abnehmenden Wirtschaftswachstums. 

Wenn alle privaten Haushalte ihre Ausgaben kürzen, sinkt der Gesamtverbrauch und damit auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. 

In diesem Kontext liefert Marc Lavoie in seinem im Jahr 2015 weiter verarbeiteten Buch eine aufschlussreiche Abbildung, um alle Macro-Paradoxes kurz zu erläutern.


Macro-Paradoxes im Überblick, Graph: Prof. Marc Lavoie in: Post-Keynesian Economics: New Foundations, Edward Elgar Publishing, 2015.

Dienstag, 18. April 2017

Interview: Prof. James Kwak, University of Connecticut School of Law

James Kwak is a professor at the University of Connecticut School of Law.


The picture ordinary people get nowadays from the news about economy is all about cacophony of economic ideas. What can economists resp. universities do to adequately illuminate the complex real-world issues?

I think one problem has been that some economists have been too quick to make sweeping pronouncements based on simple economic models that are not actually supported by empirical facts.

So, for example, one model says that under certain assumptions literally everyone benefits from international trade (because people who lose their jobs in the low-skill sector get new jobs in the high-skill sector).

But, in practice, we know that some people benefit and some people lose. So these simplistic arguments have misled policymakers and, perhaps more importantly, have discredited the field of economics for much of the public.

Montag, 17. April 2017

Deutschlands Löhne im Visier der USA

Das US-Finanzministerium kritisiert in einem am Freitag veröffentlichten Bericht Deutschlands exportorientierte Wirtschaftspolitik. 

Das amerikanische Schatzamt (US-Treasury) legt dem Kongress alle sechs Monate eine „Monitoring List“ („Foreign Exchange Policies of Major Trading Partners of the United States“) vor, wo es die Wechselkurspolitik der wesentlichen Handelspartner der USA überprüft.

Die grösste Volkswirtschaft innerhalb des Euroraums soll wirtschaftspolitische Massnahmen ergreifen, insbesondere mit dem Einsatz von Fiskalpolitik, um das Wachstum der Binnennachfrage stärker zu fördern sowie externe Ungleichgewichte zu verringern, steht im Bericht zu lesen.

Deutschland, das im Jahr 2016 einen Leistungsbilanz-Überschuss in Höhe von 8,3% des BIP verbucht hat, verfügt mit 65 Mrd. USD über einen sehr grossen bilateralen Warenhandelsüberschuss mit den USA.

Mit rund 300 Mrd. USD hat Deutschland damit den weltweit grössten Überschuss in der Leistungsbilanz. 

Das US-Schatzamt deutet in diesem Kontext auf eine relativ schwache Währung und eine schwache Inlandsnachfrage in Deutschland hin:


Leistungsbilanz-Überschüsse im Vergleich, chart US-Treasury in: “Foreign Exchange Policies of Major Trading Partners of the United States”, April 2017.


Sonntag, 16. April 2017

Arbeitsmarkt, Friktionen und Mindestlohn

Wenn es um den Arbeitsmarkt geht, ist es entscheidend, zu verstehen, was es für Unternehmen bedeutet, wenn die privaten Haushalte kein Geld haben. 

Ganz einfach: Die Unternehmen haben dann keine Kunden. Keine Kundschaft bedeutet kein Umsatz. Und das führt zum Teil zu Produktionseinstellungen und zum Personalabbau.

Denn die Einnahmen des einen sind die Ausgaben des anderen. 

Und die zunehmende Ungleichheit löst vor diesem Hintergrund einen Teufelskreis der Nachfrageschwäche aus. Am Schluss sind alle davon betroffen.

Bemerkenswert ist in diesem Kontext der fatale Widerstand gegen die Erhöhung des Mindestlohnes in Politik und in Teilen der Mainstream-Medien.

Eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 15 USD pro Stunde würde jedes Jahr rund 450 Mrd. USD in die US-Wirtschaft einspritzen, was Millionen von armen und einkommensschwachen Bürgern mehr Kaufkraft geben würde. 

Und so würden der Konsum, die Produktion und die Beschäftigung angeregt, wie Nicolas J. Hanauer in einem lesenswerten Artikel bei Bloomberg View beschreibt.

Der Privatunternehmer sagt mit Nachdruck, dass er seine (niedrig-bezahlten) Arbeitnehmer nicht als Kostenstelle betrachte, sondern als Kunden seines Unternehmens, die gepflegt werden müssten.

Und das ist in der Tat die Logik dahinter, warum der Arbeitsmarkt nicht wie der Kartoffelmarkt funktioniert.


Arbeitsmarkt und Mindestlohn, Graph: James Kwak, in: Economism

Freitag, 14. April 2017

EZB, Inflation, Zinsen und Produktionslücke

Während Jens Weidmann einen baldigen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik der EZB fordert, weist Mario Draghi die Kritik an Nullzins-Politik zurück. 

Der EZB-Präsident vertritt die Ansicht, dass ein Ende der akkommodierenden Geldpolitik angesichts der schwachen Inflationsaussichten weiterhin kein Thema ist.

Was sagen die Future-Märkte darüber?

Die Kontrakte legen nahe, wie Morgan Stanley mit der folgenden Abbildung zeigt, dass die Inflation in den nächsten acht Jahren unterhalb des Zielwertes der EZB verbleiben würde, wobei die Händler von einer Bandbreite von 1,7% bis 2,0% ausgehen.

Einer aktuellen Schätzung der Märkte nach dürfte die erste Zinserhöhung der EZB um 25 Basispunkte (0,25%) nicht vor dem Dezember 2018 erfolgen. 

Die Schätzung schwankt genau genommen seit einer geraumen Zeit zwischen dem Dezember 2018 und dem März 2020, wie in der zweiten Abbildung zu sehen ist.


Der vom Markt implizierte Verlauf der Inflation und die erwarteten Zinserhöhungen der EZB, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 13. April 2017

Das Thema Reflationierung und Renditen

Das ist eine bemerkenswerte Abbildung, die die Allianz Global Investors gestern vorgelegt hat.

Zu sehen ist jeweils die Dividenden-Rendite weltweit in Relation zu der Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit.

Auffallend sind Unternehmen aus Italien, Spanien und Portugal mit hohen Dividenden-Renditen. 

Die Dividenden-Rendite der europäischen Unternehmen, die sich im internationalen Vergleich ausschüttungsfreundlich zeigen, wie die Verfasser der Studie ausdrücken, lag Ende 2016 bei durchschnittlich ca. 3,5%.

Im Vergleich zu europäischen Unternehmen erscheint die Dividenden-Rendite der US-Firmen moderat. 

Allerdings darf ein Faktor dabei nicht vergessen werden, dass die amerikanischen Unternehmen statt Dividendenausschüttungen Aktienrückkaufprogramme bevorzugen.



Dividenden-Rendite im Vergleich zu Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen, Graph: Allianz Global Investors, April 2017.

Mittwoch, 12. April 2017

Die Fed und der niedrige neutrale Zinssatz


Niedrigwachstum, Niedrigzinsen, Niedriginflation. Das ist mehr oder weniger das Umfeld der Wirtschaft in den fortentwickelten Ländern zumindest seit der globalen Rezession von 2008.

Die Fed schickt sich zwar an, die Zinsen schrittweise anzuheben. Aber die Weltwirtschaft wird nach wie vor von einer glanzlosen Erholung begleitet. 

Die Nullzins-Grenze scheint, wie eine neue Studie nahelegt, bestehen zu bleiben, schreibt Justin Wolfers in einem lesenswerten Artikel („The Economy May Be Stuck in a Near-Zero World“) in NYTimes.

Der Verdacht liegt nahe, anzunehmen, dass, wenn die Fed die Zinsen nicht so senken kann wie erforderlich, um eine träge Erholung der Wirtschaft zu bekämpfen, dann Rezessionen häufiger und schmerzhafter vorkommen könnten. 

Wir müssen daher schlechten News aus der Wirtschaft entgegenwirken, vorzugsweise, bevor sie kommen. Wenn die Geldpolitik nicht ausreicht, wird es vielleicht die Fiskalpolitik richten, argumentiert der an der University of Michigan lehrende Wirtschaftsprofessor.

Es gibt in der Tat kaum Zeit für die Selbstzufriedenheit. 

Vor diesem Hintergrund macht sich auch David Andolfatto in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog Gedanken über die Niedrigzinsen.

Der Vize-Präsident der Economic Research Abteilung der US-Notenbank St. Louis packt v.a. das Thema Gleichgewichtszins (natural rate of interest) an und hält von Anfang an fest, dass der sog (r*) schwankt und sein Pfad sich im Trend im Laufe der Zeit verschiebt.


US-Pro-Kopf-Konsumwachstum, Graph: David Andolfatto, Fed St. Louis

Montag, 10. April 2017

Fed versus Anleihemärkte


Die US-Notenbank ist bemüht, mit der Wirtschaft möglichst angemessen zu kommunizieren, was die Normalisierung der Geldpolitik in den kommenden Jahren betrifft.

Zuletzt hat die Fed (*) den geldpolitischen Kurs im vergangenen Monat gestrafft. Der Zinssatz, zu dem sich US-Banken gegenseitig Geld leihen, wurde um 0,25% erhöht (auf 0,75% - 1,0%).

Die Fed-Präsidentin Janet Yellen hat dabei angedeutet, dass im laufenden Jahr je nach wirtschaftlicher Situation und der Arbeitsmarktlage drei weitere Schritte folgen könnten.

Das würde bedeuten, dass die längerfristigen Kreditaufnahmekosten sich verteuern würden, da die Fed seit der globalen Finanzkrise von 2008 als einen grossen Käufer von US Treasury Bonds und Hypothekenschuldtiteln tätig ist.

Die Händler gehen aber von 2 Zinserhöhungen im laufenden Jahr aus, während Fed Projektionen (FOMC dot-plot) 3 Zinserhöhungen signalisieren.



US-Staatsanleihen: Die Rendite-Differenz zwischen 10 und 2 Jahren Laufzeit, Graph: FT

Sonntag, 9. April 2017

Economism

Buchbesprechung

James Kwak: Economism – Bad Economics and the Rise of Inequality, Pantheon Books, New York, 2017.


Der Arbeitsmarkt funktioniert nicht wie der Kartoffelmarkt, weil am Arbeitsmarkt Angebot und Nachfrage nicht unabhängig voneinander sind.

Das Gleichgewicht bei der Preisbildung lässt sich daher nicht einfach mit der Zeichnung der Nachfrage- und Angebotskurve aus dem Lehrbuch herstellen. 

Es ist deshalb eine Illusion zu glauben, dass die Beschäftigung steigen würde, wenn die Löhne fielen. Dieselbe Analogie gilt auch für andere Bereiche des ökonomischen Lebens, wie James Kwak in seinem neulich erschienenen BuchEconomism“ erläutert.

Das Phänomen, das wettbewerbsorientierte Marktmodell, das in der Volkswirtschaftslehre (Economics 101) ganz am Anfang gelehrt wird, eins zu eins mit eigenartigen Interpretationen radikal auf die Welt anzuwenden, nennt der an der University of Connecticut School of Law lehrende Wirtschaftsprofessor „Economism“.

Economism ist so tonangebend, dass die gesamte zeitgenössische Kultur des politischen und des intellektuellen Lebens davon geprägt bzw. geplagt wird. Angesichts der wachsenden Ungleichheit droht sogar mit der Zeit das soziale Gefüge zu zerbrechen. 

Samstag, 8. April 2017

Warum mehr Eigenkapital für Banken notwendig ist


Im jährlichen Aktionärsbrief richtet Jamie Dimon sein Augenmerk auf die öffentliche Politik und Finanzmarkt-Regulierung.

CEO von JPMorgan Chase schreibt u.a., dass das TBTF-Problem gelöst sei und die Steuerzahler nicht die Zeche zahlen müssten. Darüber hinaus vertritt der Vorstandsvorsitzende der US-Investmentbank den Standpunkt, dass die Banken eindeutig zu viel Eigenkapital hätten.

Neel Kashkari ist anderer Meinung. Der Minneapolis Fed-Präsident antwortet darauf in seinem Blog postwendend, dass Dimons Behauptungen nachweislich falsch sind.

Nichts ist Verlust absorbierendes als das Eigenkapital, wie wir aus früheren Finanzkrisen (einschliesslich GFC von 2008) gelernt haben, hält Kashkari fest.

Es sind die Anteilseigner (equity holder), die die Verluste in den USA tragen, nicht die Anleihe-Inhaber (debt holder), wie Dimon behauptet, so Kashkari.

Ganz in Gegenteil: Die Anleihe-Investoren der systemisch-relevanten Banken wurden bisher sowohl in den USA als auch auf der ganzen Welt immer wieder mit diversen bailouts gerettet.

Warum? Weil während einer Krise Regierungen zögern, wegen der Ansteckungsgefahr im Finanzsektor, die Verluste einer TBTF-Bank allein auf die Schultern der Gläubiger zu legen. 


Das Diagramm veranschaulicht das minimale Niveau an Verlust absorbierende Kapazität, die eine GSIB US Bank hätte, wenn die geplante Regulierung (Eigenkapitalanforderungen + Kapitalpuffer) gelten würde, Graph: Fed Analyse (2015)

GSIB: Global Systematically Important Bank

Donnerstag, 6. April 2017

Unternehmen als Netto-Sparer in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft


Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Erholung der Wirtschaft seit der globalen Rezession (GFC: Global Financial Crisis) von 2008 durch das Sparverhalten des Privatsektors gebremst wird.

Das heisst m.a.W., dass es eindeutig an Nachfrage mangelt. Die privaten Haushalte und die Unternehmen sparen. Und wichtig ist zu betonen, dass Unternehmen mittlerweile zum Netto-Sparer geworden sind.

In einer neuen Forschungsarbeit überprüfen Peter Chen, Loukas Karabarbounis und Brent Neimann die Muster der sektoralen Einsparungen in den vergangenen drei Jahrzehnten für eine grosse Gruppe von Ländern. 

Und sie bewerten den Fluss der Unternehmenseinsparungen als „nicht ausgeschüttete Gewinne“. Ersparnisse der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand ergeben in diesem Zusammenhang das nationale Sparen.

Die Autoren beobachten dabei einen globalen Wandel in der Zusammensetzung der Einsparung - weg von privaten Haushalten ab in Richtung zum Unternehmenssektor.

In der folgenden Abbildung zeigen sie die Ersparnisse der Unternehmen, der privaten Haushalte und des Staates als Bruchteil des globalen BIP.


Finanzierungssalden der Sektoren: Ersparnisse, Graph: The global corporate saving glut in: Voxeu

Mittwoch, 5. April 2017

Das abnehmende Angebot und der Renditerückgang im Euroraum


Das ist eine auffällige Abbildung, die fastFT am Dienstag geliefert hat. Zu sehen ist der sich ausweitende Rendite-Abstand (spread) zwischen den deutschen und französischen Staatspapieren mit 2 Jahren Laufzeit.

Die Rendite-Differenz ist drei Wochen vor den französischen Präsidentschaftswahlen auf das höchste Niveau (0,4725%) seit der Krise der Eurozone gestiegen. 

Der 2y-Spread gibt an, welche Prämie (d.h. zusätzliche Rendite) die Investoren fordern, um ein französisches Staatspapier mit 2 Jahren Laufzeit gegenüber einem vergleichbaren deutschen Staatspapier zu halten (bzw. zu kaufen).

Ein Faktor ist sicherlich das Flimmern über Marine Le Pen’s Chance, Frankreichs Präsidentschaftswahl zu gewinnen. 

Ansonsten spielen technische Faktoren für den Anstieg des Rendite-Abstands eine gewichtige Rolle.

Benoît Cœuré, Mitglied des EZB-Gremiums, hat in diesem Sinne am Montag in einem langen Referat auf die scharfe Entkopplung von Renditen der kurzfristigen Staatspapiere Deutschlands und den Swap-Sätzen im Markt hingewiesen.


Die Rendite-Differenz zwischen 2-jährigen Staatspapieren Deutschlands und Frankreichs, Graph: fastFT

Montag, 3. April 2017

Der (ewig) falsche Alarm für die Inflation

Fast jeder Notruf in Sachen Inflation ist, zumindest seit der globalen Finanzkrise von 2008, ein blinder Alarm.

Noch vor zwei Wochen wurde in den Mainstream-Medien der Teufel an die Wand gemalt: Inflation schiesst durch die Decke. Verantwortlich dafür ist die expansive Geldpolitik der EZB.

Nach den in dieser Woche vorgelegten Daten ist die Inflation wieder im gesamten Euroraum im Abstieg.

Die jährliche Inflation im Euroraum ist im März nach erster Schnellschätzung des Eurostat auf 1,5% gesunken, gegenüber 2% im Februar 2017.


Inflation im Euroraum: der grösste Rückzug seit Dezember 2014, Graph: fastFT 

Samstag, 1. April 2017

Politik - Soft Data versus Hard Data

Das ist eine atemberaubende Abbildung, die Graham Secker und Matt Hornbach von Morgan Stanley liefern.

Die Grafik zeigt die Divergenz zwischen den sog. soft (Stimmung) und hard (quantifizierbar) Data nach der Präsidentschaftswahl in den USA.

Der Unterschied ist umwerfend. Die Überraschungen aufwärts scheinen völlig durch die soft-Data getrieben zu werden, während die hard-Data, die veröffentlicht werden, so ankommen wie erwartet.

Die Fed hat zuletzt nach der Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) im März die eigene Wirtschaftsprognose nur geringfügig geändert. Es gab kaum eine auffällige Überarbeitung.

Die hard-Data stehen daher nach wie vor im Einklang mit dem Ausblick der Fed für 2017.


US-Wirtschaft: Der Unterschied zwischen soft-Data und hard-Data, Graph: Morgan Stanley