Dienstag, 19. April 2016

Was war zuerst da: Austerität oder Niedrigzinsen?

Die Debatte über die Zinspolitik der EZB setzt sich in den deutschen Medien ungestüm fort. Eine Aussage, die immer weiter in den Mittelpunkt rückt, ist, dass Deutschlands Sparer durch Mario Draghi, den EZB-Präsidenten enteignet werden.

Schliesslich ist die Notenbank für die Zinsen, zumindest am kurzen Ende, verantwortlich. Warum die Zinsen aber so niedrig, wird im Wesentlichen selten erforscht.

Präsentiert wird ständig eine horrende Summe, wie viel Zinseinnahmen den Bürgern entgehen. Dass auch die Soll-Zinsen gesunken sind, findet kaum eine Erwähnung.

Doch fordert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble neuerdings lautstark höhere Zinsen von der EZB. 

Die nominalen Zinsen liegen aber nahe Null-Zinsgrenze (zero lower bound), weil es an Nachfrage mangelt und die Inflation nicht steigt, weil die Löhne stagnieren. Das grösste technische Problem ist eine Besessenheit mit der unangemessenen Haushaltskonsolidierung (austerity), schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Die EZB wird in der Eurozone gezwungen, die Zinsen bis in den Negativ-Bereich zu senken, um die Auswirkungen der Austeritätspolitik abzuwehren. Und der Mann, der für diese Besessenheit verantwortlich ist, ist Wolfgang Schäuble, argumentiert der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor aus London.




Negativ-Zinsen in der Eurozone, Graph: Bloomberg


Worüber wir uns unterhalten sollen, ist, warum die Regierungen die öffentlichen Investitionen nicht erhöhen. In Deutschland und Grossbritannien beispielsweise scheint Erhöhung der Investitionen im öffentlichen Sektor ausser Frage.

Barry Eichengreen meint dazu in einem lesenswerten Artikel in Project Syndicate, dass es die ordnungspolitische (ordoliberal) Betonung der persönlichen Verantwortung ist, die eine vernunftlose Feindseligkeit gegen die Idee schafft, dass Aktionen, die individuell verantwortlich sind, nicht automatisch für die Gesamtheit wünschenswerte Ergebnisse liefern. Und das ist laut Eichengreen der Ursprung der deutschen Allergie gegen die Makroökonomik.

Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor sagt m.a.W., dass das einzelwirtschaftliche Denken (micro) für die Gesamtheit (macro) falsch ist. Das ist auch der Grund, warum die Schuldner in den deutschen Mainstream-Medien geflissentlich zu Schuldigen erklärt werden.

Was sich in einem wirtschaftlichen Umfeld mit nahezu Null-Realzinsen für langfristige Staatsanleihen und einer dringenden Notwendigkeit für Investitionen in die Infrastruktur bietet, ist der starke Grund, davon auszugehen, dass das deficits pending das langfristige fiskalische Bild verbessern würde, weil die die Zinslast so niedrig wäre und das hohe Wirtschaftswachstum künftige Einnahmen der öffentlichen Hand erhöhen würde.

Der Spielraum für die europäischen Regierungen, mehr Geld für die Erforschung grüner Technologien auszugeben ist riesig, legt Wren-Lewis dar. Doch in Grossbritannien hat die Regierung vor kurzem die Ausgaben (F&E) für die erneuerbaren Energien gekürzt, obwohl der Bedarf dafür dringend ist.

Während der im Anschluss der Finanzkrise von 2008 erfolgten Great Recession wurden Millionen von Menschen in den USA arbeitslos. Die Regierung hat ein Haushaltsdefizit auflaufen lassen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Erholung der Wirtschaft hat nun dazu beigetragen, dass die Einnahmen der öffentlichen Hand gestiegen sind, womit auch ein Grund vorliegt, die Ausgaben wieder zu zügeln.









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