Donnerstag, 14. April 2016

Warum der niedrige Ölpreis die Wirtschaft nicht stimuliert

Der Ölpreis hat sich seit Jahresbeginn deutlich erholt. Nach jüngsten Spekulationen, wonach Russland sich mit Saudi-Arabien auf eine Senkung der Ölproduktion geeinigt hätte, kam es in den vergangenen Tagen zu einem wesentlichen Preisauftrieb. Die Inflationserwartungen sind aber nicht gestiegen, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.

Billiges Öl hätte eigentlich das Wirtschaftswachstum fördern sollen. Das ist aber nicht passiert. Warum?

Wegen der Null-Untergrenze (zero lower bound), sagt Maury Obstfeld, der neue IWF-Chefökonom. Der Rückgang des Ölpreises führt zu einem Rückgang der Inflationserwartungen, weil die Zinsen nicht weiter fallen können. Realzinsen hingegen steigen und lasten damit auf der Wirtschaft, erklärt der Wirtschaftsprofessor von der University of California, Berkeley.

Matt O’Brien teilt aber die Ansicht nicht. Wie er im Wonkblog von WaPo bemerkt, hat Japan Null-Zinsen viel länger als jedes andere Land auf der Welt. Da es Öl importiert, ist die Erwartungshaltung die einzige Möglichkeit, dass teureres Öl helfen könnte. Das ist aber nicht der Fall.

Warum? Weil Ölschocks die Beschäftigung, Industrieproduktion und die Verbraucherausgaben vielmehr beeinträchtigen als sonst, wenn die Zinsen nahe null liegen. Mit anderen Worten sind höhere Ölpreise laut O’Brien immer kontraktiv. Und sie sind bei Null-Untergrenze am meisten kontraktiv.



Ölpreisanstieg versus Inflationserwartungen, Graph: Morgan Stanley


Auch Paul Krugman betrachtet Obstfeld These skeptisch. Der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor vertritt zwar in seinem Blog bei NYTimes die Meinung, dass wir angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, über unsere üblichen Annahmen nachdenken sollten. Aber er legt dar, dass die fallenden Ölpreise die Inflationsrate von Nicht-Öl-Produkten und Dienstleistungen in erster Linie nicht tangieren würden.

Selbst wenn man die Markterwartungen zugrunde legt, ist festzustellen, dass die Realzinsen (trotz der fallenden Ölpreise) gesunken sind. Wie ist es angesichts der Null-Zinsuntergrenze (zero lower bound) möglich? Das hat alles mit Zinsstrukturkurve (term structure) zu tun, erläutert Krugman.

Die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve (yield curve) sind nicht null. Und die langfristigen Zinsen sind während des jüngsten Öl-Crashs genug tief gefallen, um den Rückgang in den Inflationserwartungen auszugleichen.

Die Ölpreis-Enttäuschung rührt laut Krugman aus zwei Fakten her: Öl ist jetzt ein grosser Investition-Antreiber, via Schiefer, und den Ölexporteuren mangelt es in diesen Tagen an Cash: Und sie haben v.a. eine „höhere“ Grenzneigung zu sparen.

Es ist keine Frage, dass die niedrigen Ölpreise ein grosser Glücksfall für die Verbraucher sind, schreibt James Hamilton in seinem Blog.

Heute geben die Amerikaner 180 Mrd. USD weniger im Jahr für die Energie Waren und Dienstleistungen aus als im Jahr 2014, was etwa 1% des BIP entspricht. Der Anteil der Ausgaben an Energie hat vor einem Jahr rund 5,4% der Konsumausgaben ausgemacht. Heute beläuft sich die Quote auf 3,7%.

Aber wir sehen nicht viele Beweise dafür, dass die Verbraucher diese Gewinne für andere Waren oder Dienstleistungen ausgeben, erklärt der an der University of California, San Diego lehrende Wirtschaftsprofessor gestützt auf ein von Paul Edelstein und Lutz Killian entwickeltes Modell.

Auch eine Studie, die von JP Morgan Chase erstellt wurde, legt nahe, dass die Konsumenten den grössten Teil des Geldregens (durch billiges Öl) nicht für andere Gegenstände ausgeben.

Eine Unterscheidung zwischen Mikro und Makro zeigt keinen signifikanten Anstieg der Ausgaben insgesamt, sodass angenommen werden kann, dass andere Faktoren im Spiel sind, wie z.B. das träge Einkommenswachstum und vorsorgliche Sparneigung, so Hamilton.

Er spricht damit die Last (verursacht durch die niedrigeren Ölpreise) auf dem Einkommen von Ölproduzenten an: Der Rückgang der Investitionen ist leicht an den BIP-Daten zu lesen. Die Ausgaben für die Förderung, Exploration, Wellen und Räder sind Ende 2015 im Vergleich zu dem dritten und dem vierten Quartal 2014 um 65 Mrd. USD zurückgegangen, was einem halben Prozent BIP entspricht.

Auch wenn die Mehrausgaben der Verbraucher genau der Menge der reduzierten Ausgaben der Hersteller entspricht, kommt es zu einem Netto BIP-Rückgang.

Der Grund ist, dass es, wenn jemand z.B. in New York einmal mehr in der Woche ausgeht und ein Restaurant besucht, einem anderen, der Sand für die Frackers in Texas verkauft, nicht hilft. Unternehmen, die diejenigen, die in der Ölproduktion arbeiten, mit Produkten beliefern, erleben einen Nachfrage-Rückgang und sehen sich u.U. gezwungen, Mitarbeiter zu feuern. Aufgrund der Entlassungen fallen die Netto Verluste in Texas höher aus als die Gewinne in New York.

Hamilton hat bereits im Jahr 1988 in einer Forschungsanalyse gezeigt, dass der Rückgang des Ölpreises in einem Land, das sein eigenes Öl herstellt, zu einer höheren Arbeitslosigkeit als sonst führt, weil es eine Weile dauert, bis die Menschen, die in den öl-herstellenden Regionen arbeiten, in andere Regionen umziehen, um eine neue Stelle zu suchen.

In diesem Sinne hat Heiner Flassbeck in seinem Blog vor rund eineinhalb Jahren festgehalten, dass billiges Öl kein Konjunkturprogramm für die Welt bedeuten kann.

„Der entscheidende Unterschied zu einem „echten“ Konjunkturprogramm ist, dass bei einem echten Konjunkturprogramm die Nachfrage nach Kapital am Kapitalmarkt der Auslöser für eine konjunkturelle Wende ist und nicht die Umverteilung von Einkommen.“

Die entscheidende Frage für die Konjunktur ist, wie die Produzenten und Konsumenten von Öl jeweils auf die Einkommensentwicklung mit ihrer Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen reagieren, erläutert Flassbeck weiter.

Und heute widerlegt der ehemalige Chef-Ökonom von UNCTAD in Genf einen wunderlichen Artikel in der NZZ überzeugend, dass es nicht reicht, zur Konjunkturbelebung auf ein Sinken des Ölpreises zu setzen.



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