Donnerstag, 31. März 2016

Monopolmacht und fallende Zinsen & Investitionen

Die Rentabilität ist ein allgemein bekanntes Kriterium zur Messung des finanziellen Erfolgs eines Unternehmens. Es handelt sich dabei um das Verhältnis von Gewinn zum eingesetzten Kapital.

Unternehmensgewinne sind heute in den USA nahe Rekordhoch. Auch die Marktkapitalisierung der Aktien im Unternehmenssektor im Verhältnis zum BIP ist heute ungewöhnlich hoch.

Investitionen bleiben aber zurück, obwohl der Ertrag auf das neu eingesetzte Kapital für Investitionen aussergewöhnlich hoch ist. Ein hoher Marktwert von Unternehmen bedeutet, dass das alte Kapital hoch bewertet ist und demzufolge auf hohe Kapitalrückflüsse auf das neu eingesetzte Kapital hindeutet.

Dass die Investitionen trotzdem kaum vom Fleck kommen, begründet Larry Summers in seinem Blog mit dem Hinweis auf die secular stagnation Theorie.

Das zentrale Element der secular stagnation ist ein Rückgang der Neigung, zu investieren, was zu einer chronischen Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führt und es erschwert, dass Realzinsen mit Vollbeschäftigung in Einklang kommen.




USD 10y Swap Spreads, Graph: Larry Summers

Swap Spreads = Swap Sätze – UST Rendite

Mittwoch, 30. März 2016

Kommunikation in Geldpolitik mit Nullzinsen

Die Erkenntnis, dass die Transparenz die Wirksamkeit der Geldpolitik verbessert, ist in demokratischen Gesellschaften im Allgemeinen unbestritten. Die Kommunikationsstrategie dient schliesslich dazu, die Erreichung der Ziele der Zentralbank zu erleichtern. Jede Zentralbank ist natürlich selbst verantwortlich dafür, wie eine wirkungsvolle Kommunikationspolitik in der Praxis ausgestaltet wird.

Die langfristigen Zinsen verharren heute auf einem niedrigen Niveau und die Inflationserwartungen bleiben unter Druck. Während die EZB und die BoJ vor diesem Hintergrund negative Zinsen erforschen, schickt sich die Fed an, die Zinsen allmählich anzuheben.

Was mögen aber die Märkte? Niedrige oder hohe Zinsen?

Ein wichtiger Faktor ist dabei die sog. Money Illusion: Die Unterscheidung zwischen nominalen und realen Zinsen. Die Verwirrung ist zum Teil durch die Kommunikationsstrategie der Zentralbanken motiviert, die von der asymmetrischen Art ihrer Inflationsziele irgendwie besessen zu sein scheinen, schreibt Antonio Fatas in seinem Blog.

Wenn die Zentralbank eine aggressive Geldpolitik an den Tag legt, ist zu erwarten, dass die Zinsen fallen, wenn man in puncto real denkt. Was damit angestrebt wird, ist, dass die Zinsen unter das Inflationsniveau fallen. Wenn Inflationserwartungen aber niedriger sind als von der Zentralbank gewünscht, strebt die Zentralbank mit der aggressiven Geldpolitik erhöhte Inflationserwartungen an, was am Schluss zu höheren nominalen Zinsen führen würde, wie Fatas erklärt.



QE-Politik und Inflationserwartungen (gemessen an Breakeven-Sätzen), Graph: Antonio Fatas

Dienstag, 29. März 2016

Warum Austerität für steigende Hauspreise verantwortlich ist

Die EZB-Geldpolitik trifft deutsche Sparer hart. Die historisch niedrigen Zinsen bringen Sparer zur Verzweiflung. Niedrigzinsen kosten deutsche Sparer 300 Mrd. EUR. Wer rettet die deutschen Sparer vor der EZB? Enteignung der Sparer. So lauten einige der Überschriften in den Mainstream-Medien in Deutschland.

Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, wie wenn die EZB oder die anderen Zentralbanken (Fed, BoJ, SNB usw.) die Zinsen künstlich niedrig halten würden. Die niedrigen Zinsen sind aber eine Folge der Finanzkrise von 2008, nicht die Ursache.

Die wirtschaftspolitische Konzeption hinter den Niedrigzinsen entstammt dem neoliberalen Dogma: restriktive Fiskalpolitik. Es sind die kontraktiven Kräfte, die disinflationäre bzw. deflationäre Tendenzen auslösen.

Schliesslich ist die EZB für die kurzfristigen Zinsen verantwortlich. Die längerfristigen Zinsen werden durch realwirtschaftliche Faktoren bestimmt. Dafür ist die von den EU-Behörden bevorzugte Wirtschaftspolitik mit Lohn-Moderation) und Haushaltskonsolidierung (unabhängig davon, wie schwer die Wirtschaft angeschlagen ist) ausschlaggebend.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung von Simon Wren-Lewis heute in seinem Blog, dass die Austeritätspolitik auch für den anhaltenden Anstieg der Immobilienpreise in Grossbritannien verantwortlich ist, wo es für junge Leute immer schwieriger wird, in London zu wohnen und zu arbeiten.

Montag, 28. März 2016

Wie ist der Zusammenhang zwischen Ölpreis und Inflation?

In einem aktuellen Eintrag im Blog iMFdirect gehen Maurice Obstfeld, Gian Maria Milesi-Ferretti und Rabah Arezki der Frage nach, warum die Wirtschaft auf den Rückgang des Ölpreises so schwach reagiert.

Die Autoren postulieren, dass der hohe Realzins die Ursache für die fallenden Inflationserwartungen ist.

Auch wenn Öl heute ein weniger wichtiger Produktion-Input ist als es vor drei Jahrzehnten war, sollte es in umgekehrter Richtung gelten, dass die fallenden Ölpreise zu fallenden Produktionskosten, zu Mehr-Beschäftigung und zum Rückgang der Inflation führen, argumentieren die Verfasser der Studie.

Dieser Kanal funktioniere aber heute nicht, weil die nominalen Zinsen nahe null liegen. Und weil die Zentralbank die Zinsen nicht weiter senken kann, erhöht der Rückgang der aktuellen und erwarteten Inflation den Realzins, was auf der Nachfrage lastet und den potentiellen Anstieg in Produktion und Beschäftigung beeinträchtigt.

Die Autoren verweisen als Beleg für die „deprimierende Wirkung niedriger erwarteten Ölpreise“ auf die Inflationserwartungen auf die folgende Abbildung, die einen starken direkten Zusammenhang zwischen den US-Öl-Futures-Preisen und den marktbasierten langfristigen Inflationserwartungen zeigt.




Ölpreise versus Inflationserwartungen, Graph: „Oil Prices and the Global Economy“, in: iMFdirect, March 2016

Donnerstag, 24. März 2016

Notenbankgeldmenge und stagnierende inländische Endnachfrage

Die SNB hat heute den Geschäftsbericht 2015 vorgelegt. Der Rechenschaftsbericht enthält zahlreiche sehenswerte Abbildungen.

Aufgrund des wachsenden Spektrums der Staatsanleihen mit Negativ-Renditen ist es interessant, sich den Verlauf der Notenbankgeldmenge (Geldbasis) und der Inflation etwas näher anzusehen.

Die Schweizer Notenbankgeldmenge ist im Jahr 2015 im Vergleich zum Jahr 2014 um 80 Mrd. CHF gestiegen. Die Geldbasis besteht aus dem Notenumlauf und den Sichtguthaben der Banken bei der SNB.

Der Anstieg ist auf die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik durch die SNB zurückzuführen, v.a. auf die Devisenkäufe am offenen Markt. 

Der Hauptteil des Anstiegs der Notenbankgeldmenge entfällt auf höhere Sichtguthaben der Banken bei der SNB. Die SNB stellt nach eigenen Angaben keine Bargeldhaltung grösseren Aussmasses fest.


Notenbankgeldmenge , Graph: SNB in Quarterly Bulletin 1, March 2016

Dienstag, 22. März 2016

Warum parken Banken die Liquidität bei der EZB?

Bloomberg TV zeigt anhand der folgenden Abbildung, dass die Einlagen, die die Banken bei der EZB parken (ausschliesslich der erforderlichen Mindestreserven), trotz der Negativ-Zinsen steigen.

Das bedeutet, dass die Banken die Kreditvergabe immer noch nicht ankurbeln. Warum? 

Wolfgang Münchau sagt per Twitter, dass es in der Eurozone nicht an Liquidität mangelt, sondern an Eigenkapital. Die Kredit-Nachfrage sei schwach, nicht das Angebot, so der Direktor von EuroIntelligence.

Das sei auch der Grund, warum das von der EZB neulich vorgelegte Programm (TLTRO II) zur Erleichterung der Kreditvergabe nicht viel beitragen würde.



Anstieg der Bankeinlagen (Verzinsung zu minus 0,40%) bei der EZB, Graph: Bloomberg TV

Montag, 21. März 2016

Lohnerhöhungen sind besser als Helicopter Money

Während die konservativen Leit-Medien die Idee des Helikopter Abwurfs aus ideologischen Gründen strikt ablehnen, macht Flassbeck Economics auf eine aktuelle IWF-Studie aufmerksam.

Die Verfasser des Papers erläutern, dass der Weg zum Wirtschaftswachstum über Lohnerhöhungen führt. Dafür legen sie ein 4-Punkt-Program vor:

Die Löhne, die seit 1995 stagnieren, sind in Japan nur um 0,55% gestiegen. In Japan sind nicht nur die Lohnstückkosten, sondern auch die nominalen Stundenlöhne gesunken.



Reallohn Entwicklung bleibt hinter der Produktivität, Graph: IMF in: „Japan: Time to Load a Fourth Arrow – Wage Increases“, March 13, 2016

Samstag, 19. März 2016

Ist Helicopter Money die letzte Rettung?

Die lockere Geldpolitik spielt sicherlich eine wichtige Rolle in der gegenwärtig anhaltenden Krise. Das ist nicht abzustreiten. Aber wir sollten uns dabei nicht nur auf die Geldpolitik verlassen, die ja in erster Linie den Interessen der Banken, Kreditgebern und Eigentümern von Kapital dient, schreibt George Magnus in einem Kommentar in FT.

Trotz der Fortsetzung der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (genannt QE, quantitative easing), der Nullzinspolitik (ZIRP) und neuerdings auch der Negativzinsen (NIRP) ist immer noch kein Licht am Ende des konjunkturellen Tunnels zu erblicken.

Seit 2008-2009 wenden die Politiker die gleiche Marke von Geldpolitik an, die die Austerität verstärkt und die Ungleichheit in Generationen weiter fördert, wie der Senior Wirtschaftsberater der UBS Investmentbank weiter darlegt. Nun sei es Schluss mit der Besessenheit von Geldpolitik, bevor es zu spät wird. Erforderlich sind seiner Ansicht nach erhöhte Staatsausgaben, um Investitionen zu stützen.

Auch Ben Bernanke bemerkt in seinem Blog am Freitag, dass Anzeichen sich inzwischen mehren, dass die Geldpolitik sowohl in den USA als auch in anderen Industrieländern an ihre Grenzen gestossen ist, was es noch wichtiger mache, dass eine kollektive Reaktion auf die Wachstumsschwäche andere politische Massnahmen einschliessen müsse: insbesondere die Fiskalpolitik.

Eine ausgewogene geld- und fiskalpolitische Antwort wäre wirksam und würde zugleich die Notwendigkeit verringern, immer länger unkonventionelle Instrumente einzusetzen, unterstreicht der frühere Fed-Präsident.


Der (real) effektive US-Leitzins (Fed Funds Rate), Graph: Ben Bernanke

Freitag, 18. März 2016

Nachfrage, Inflation und Zinsen auf Talfahrt

Die norwegische Notenbank hat gestern ihren Leitzins um 0,25% auf 0,50% gesenkt. Sollte die norwegische Wirtschaft zu neuen grossen Schocks ausgesetzt werden, schliesst der geldpolitische Rat der Norges Bank die Möglichkeit nicht aus, dass der Leitzins (key policy rate) negativ wird.

Zur Erinnerung: Die EZB hatte vor einer Woche angekündigt, den Einlagesatz um 0,10% auf minus 0,40% zu senken. Und die Fed hat am Mittwoch beschlossen, das Tempo der Zinserhöhungen von 4x auf 2x in diesem Jahr zu verlangsamen.

Bemerkenswert ist, dass die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte in Deutschland im Februar gegenüber dem Vorjahresmonat (Febr 2015) um 3% gesunken sind, wie das destatis heute mitgeteilt hat. Gegenüber dem Vormonat (Jan 2016) sind die Produzentenpreise (PPI) um 0,5% gefallen.

Die Preise ab Werk in Deutschland sind damit annualisiert den 31. Monat in Folge zurückgegangen.

Wie die letzten Daten von Eurostat zeigen, scheint die Eurozone in Deflation zu rutschen. Im Februar sind die Verbraucherpreise jährlich um 0,2% gesunken. Von Januar auf Februar kam es zu einem Preisanstieg von 0,2%.



Staatsanleihen (USD, EUR, JPY und CHF): Zinskurve im Vergleich, Graph: FuW, März 2016

Donnerstag, 17. März 2016

Balanced Budget als Verfassungszusatz

Die Fed hat gestern mitgeteilt, dass sie sich Sorgen um die Aussichten für die Weltwirtschaft und die globalen Finanzmärkte macht. Nach der zweitätigen Sitzung hat die US-Notenbank die eigene Zinsprognose zurückgeschraubt.

Noch im Dezember hatte Janet Yellen, Fed-Präsidentin vier Zinserhöhungen bis Ende 2016 in Aussicht gestellt. Nun signalisiert sie stattdessen nur noch zwei Erhöhungen. Am Kurs der Geldpolitik wird also nichts geändert. Der mildere Ton (dovish) von Yellen war allerdings nicht zu überhöhen.

Trotzdem rückt in den USA die krude Idee eines ausgeglichenen Haushalts als Verfassungszusatz plötzlich wieder ins Zentrum der politischen Tagesordnung.

Einige namhafte US-Ökonomen haben gestern in einem lesenswerten Brief an die Politiker unterstrichen, dass der geplante Verfassungszusatz („a balanced budget amendment“) eine „sehr unsolide Politik“ wäre, die auf der Wirtschaft lasten würde.

Die Unterzeichner des Briefs an den US-Kongress heben hervor, dass in einer Rezession Steuereinnahmen fallen und manche Ausgaben (wie z.B. Arbeitslosengeld) steigen. Solche (automatischen) Stabilisatoren würden zwar das Haushaltsdefizit erhöhen, aber zugleich einen Rückgang des Einkommens nach Steuern und die Abnahme der Kaufkraft begrenzen.

Mittwoch, 16. März 2016

Negative Zinsen: Wer zahlt die Zeche?

Die SNB hat im Rahmen ihrer unkonventionellen Geldpolitik im Dezember 2014 Negativzinsen eingeführt. Damit werden die CHF-Guthaben (*) der Banken bei der SNB belastet.

Die Einlagen stammen hauptsächlich von inländischen Banken, von Versicherungen, dem Bund und ausländischen Banken. Zur Erinnerung: Die Pensionskassen können keine Einlagekonten bei der SNB eröffnen.

Die Belastung durch Negativzinsen hängt von dem jeweiligen Geschäftsmodell ab. Für Inlandbanken gelten Freibeträge (in 20-facher Höhe der erforderlichen Mindestreserven). Für Auslandbanken werden individuelle Freibeträge festgelegt.

Da ein Institut mit grossem Retailkunden-Geschäft i.d.R. höhere Mindestreserven halten muss, fällt sein Freibetrag höher aus. Credit Suisse hat dazu gestern in einer Analyse folgende sehenswerte Abbildungen geliefert.



Nicht alle Banken werden von Negativ-Zinsen gleich betroffen, Graph: Credit Suisse in: „Monitor Schweiz“, März 2016.

Dienstag, 15. März 2016

Draghi fordert Fiskal-Politik als Revieranspruch

Vielleicht ist es untergegangen. Aber Mario Draghi hat am 10. März zum dritten Mal (*) innert wenigen Monaten zum Thema Fiskal-Politik mit klaren Worten Stellung genommen.

Am Ende seiner Vorstellung der neuen geldpolitischen Massnahmen hat EZB-Präsident noch einmal unterstrichen, dass die Fiskal-Politik (in Übereinstimmung mit den Haushaltsregeln der EU) die wirtschaftliche Erholung unterstützen sollte.

Die vollständige und korrekte Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sei zwar entscheidend, aber alle Länder sollten zugleich eine wachstumsfreundliche Zusammensetzung der Fiskalpolitik anstreben.

Draghi ruft damit in Erinnerung, dass die Geldpolitik an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) an Zugkraft verliert und die Eurozone eine angemessene Wirtschaftspolitik braucht, die auch die Fiskal-Politik einschliesst, um endlich aus der schweren Rezession herauszukommen.

Ansonsten bleiben Millionen von Menschen auf der Strecke, weil die Gefahr des Hysterese-Effekts droht.


Fiskal-Politik im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Montag, 14. März 2016

Null für Europa: Null-Haushaltsdefizit & Null-Zinsen

Vitor Constancio liefert auf der Internetseite der EZB einen interessanten Kommentar zur Verteidigung der gegenwärtigen Geldpolitik im Euro-Raum.

Der EZB Vize-Präsident unterstreicht mit Nachdruck, dass die Anhänger der Strukturreformen eine Politik verfolgen, die kurzfristig zu niedrigen Löhnen und Preisen führe, was nicht helfe, die Inflation zu normalisieren.

Es liegt auf der Hand, dass die Arbeitslosigkeit steigt, wenn die Löhne sinken.

Vor diesem Hintergrund bemerkt Constancio weiter, dass die Struktur-Reformen für das langfristige Potenzialwachstum zwar unerlässlich sind, aber es sei schwer zu sehen, wie sie das Wachstum in den nächsten zwei Jahren anspornen können, wenn das aktuelle Problem Mangel an globaler Nachfrage ist.

Der Euro-Raum hat in der Tat ein Nachfrageproblem. Es ist daher bedenklich, wie Berlin weiterhin auf dem Sparkurs („Schwarze Null“) pochen kann, während die EZB die Geldpolitik weiter lockert. Damit konterkariert Deutschland im Grunde genommen die gegenwärtige Geldpolitik der EZB.

Die deutsche Regierung will nämlich die Gürtel enger schnallen, während die EZB die Kreditvergabe erleichtert. Die Zinsen fallen weiter. Und die deutschen Leit-Medien beklagen sich über die Enteignung der deutschen Sparer. 



Geldmultiplikator, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 11. März 2016

Europas Wirtschaftspolitik: Berlin versus Frankfurt

Die EZB hat am Donnerstag die Zinsen (*) weiter gesenkt, das Anleihekaufprogramm ausgeweitet (von 60 Mrd. EUR auf 80 Mrd. EUR) und die Liquidität (TLTRO II) (**) an die Banken aufgestockt.

Während aber Frankfurt die Geldschleusen öffnet, stellt sich Berlin demonstrativ dagegen: Merkel und Schäuble pochen hartnäckig auf Sparkurs.

Die deutsche Regierung will also an der sog. „Schwarze-Null“-Politik (Haushaltskonsolidierung) festhalten, unabhängig davon, wie schwer die europäische Wirtschaft angeschlagen ist. Die EZB hingegen erhöht den Spielraum für Regierungen in der Eurozone, durch staatliche Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln.

Mario Draghi versucht, mit noch niedrigeren Zinsen im Negativ-Bereich die Inflation anzuheizen, das Wachstum zu fördern und die Beschäftigung zu stützen. Doch Deutschland als grösste Volkswirtschaft, die rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung im Euro-Raum ausmacht, verordnet, die Gürtel enger zu schnallen.

Worum geht es?


Rendite der Staatsanleihen vorwiegend unter der Null-Marke, Graph: Bloomberg

Interview: Prof. Robert J. Gordon, Northwestern University

Robert J. Gordon is Stanley G. Harris Professor of the Social Sciences at the Northwestern University.



You are talking about the death of innovation. How do you measure innovation? What metrics are you using?

Economists measure the impact of innovation by the growth in "total factor productivity," which is the growth rate of output minus a weighted average of labor and capital input.


Central banks are seen to have great power. But the years since the financial crisis of 2008 has not been the success of expansionary monetary policies (standard and non-standard). Are growth and employment without fiscal stimulus possible in a depressed economy?

The situation of the US and northern Europe shows that economic growth is possible without fiscal stimulus. The economic problems of Japan and southern Europe are unique to these countries and do not involve monetary or fiscal policy.

Donnerstag, 10. März 2016

Ist die Geldpolitik „the only game in town“?

Die Zentralbanken in den fortentwickelten Volkswirtschaften verwenden seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 (GFC: Great Financial Crisis) eine auffällig expansive Geldpolitik. Seit einer geraumen Zeit werden sogar unkonventionelle Mittel eingesetzt. Aber es gelingt trotzdem nicht, die Niedriginflation aufzurütteln.

Dabei hat die herrschende Lehre es bei jeder Gelegenheit an die grosse Glocke gehängt, dass Inflation ein monetäres Phänomen ist und die Zentralbanken, die Geld drucken können, auch Inflation erzeugen können.

Dem ist es offenbar nicht so: Die EZB beispielsweise kann das eigene Inflationsziel nicht mehr erfüllen. Den Zielwert von ca. 2% unterbietet sie mittlerweile seit rund drei Jahren. Das heisst, dass die Preisstabilität im Euro-Raum nicht gewährleistet ist.

Wie in der folgenden Abbildung deutlich zu sehen ist, hat sich die von den Zentralbanken gesteuerte Geldbasis (monetary base) seit der GFC vervielfacht. Die Inflation ist aber nicht gestiegen. Ganz im Gegenteil ist sie in den negativen Bereich gefallen.

Wir beobachten, wie der Transmissionsmechanismus zusammenbricht. Aber warum? Die Antwort ist einfach: Die Wirtschaft steckt in einer Liquiditätsfalle.

Im Übrigen: Die Geldbasis ist nicht gleich Geldmenge. Und das ist die empirische Evidenz dafür, was die Theorie der Liquiditätsfalle im Besonderen aussagt:



Der starke Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) in G4-Ländern, Graph: Morgan Stanley

Die Notenbankgeldmenge (Notenumlauf + Giroguthaben der Banken bei der Zentralbank)

Mittwoch, 9. März 2016

New Abnormal: Wirtschaftspolitik als Zweikampf?

Sieben Jahre unkonventionelle Geldpolitik – Immer noch kein Land in Sicht. Etwa so kann man die aktuelle Lage um die Wirtschaftspolitik in den fortentwickelten Volkswirtschaften beschreiben.

Die Mehrzahl der vernünftigen Ökonomen ist sich zwar einig, dass die globale Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle festsitzt. Aber der Teufel steckt im Detail. Oder nicht?

Nachdem die konventionelle Geldpolitik an der Nullzinsgrenze an Zugkraft verloren hat, griffen moderne Zentralbanken auf unkonventionelle Instrumente zurück:

ZIRP (zero interest rate policy),
Interventionen am Devisenmarkt,
QE (quantitative easing),
QQE (quantitative-qualitative easing),
NIRP (negative interest rate policy).

Während der ideologische Diskurs immer noch einen Schatten auf die Wirtschaftspolitik, die heute angemessen wäre, wirft, ist noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Dabei sollte die Wissenschaft als Prozess zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten dienen.

Wo liegt der Haken?


Die EZB verfehlt ihr eigenes Inflationsziel (nach unten), Graph: Simon Tilford und Christian Odendahl in: „Time for Regime Change in Frankfurt

Dienstag, 8. März 2016

Wie bindend ist die Nullzinsgrenze?

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) befasst sich in einem am Sonntag vorgelegten Bericht mit Negativ-Zinsen.

Die Einführung von mässig negativen Leitzinsen durch die vier Zentralbanken, DN, EZB, Riksbank und die SNB hat im Grossen und Ganzen im Rahmen der bereits bestehenden operativen Rahmenbedingungen stattgefunden, schreibt die „Bank der Zentralbanken“ mit Sitz in Basel.

Die bisherigen Erfahrungen legen nahe, dass mässig negative Zinsen sich in die Geldmarkt-Zinsen übertragen lassen. Es scheint zudem, dass sie auch auf die Zinssätze mit längeren Laufzeiten auswirken können.

Die Verfasser des Berichts verweisen in diesem Zusammenhang auf die Schweiz, wo die Hypothekenzinsen trotz der negativen Zinsen am Geldmarkt gestiegen sind.



Hypothekenzinsen sind in der Schweiz trotz Negativ-Zinsen gestiegen, Graph: BIS in: „How have central banks implemented negative policy rates?“, March 6, 2016

Sonntag, 6. März 2016

Unabhängige Zentralbanken und Besessenheit von Austerität

Merkel und Schäuble pochen auf Sparkurs, meldet FAZ in der online-Ausgabe„Ein Haushalt ohne neue Schulden ist gerade in einem Land mit alternder Bevölkerung vernünftig“, sagt Merkel in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“. Trotz Flüchtlingsfrage wollen die Kanzlerin und der Finanzminister an der „schwarzen Null“ festhalten.

Das ist ohne Zweifel eine bemerkenswerte Austerität-Story, als ob eine Volkswirtschaft wie ein Privathaushalt funktionieren würde. Dass dem nicht so ist, zeigt das Standard-Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre am Beispiel von „paradox of thrift“ überzeugend auf:

Das einzelwirtschaftliche Denken („schwäbische Hausfrau“-Politik) für die Gesamtheit ist falsch. Die Ausgaben des einen sind nämlich die Einnahmen des anderen.

Wenn in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft alle sparen, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und dadurch verringert sich auch das Wirtschaftswachstum.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aus politischer Sicht die Rollenzuteilung zwischen dem Schatzamt und der Zentralbank.

In der Nachkriegszeit bis zu den Anfängen der 1970er Jahre gab es einen Konsens in den USA und in Grossbritannien, dass es zu den Prioritäten der Regierung gehört, für ein angemessenes Niveau der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zu sorgen und die Inflation unter Kontrolle zu halten.

Das bedeutete im Grunde genommen, dass die Regierungen mit Keynesianismus vertraut sein müssten. Ein keynesianisches Rahmenwerk war also im öffentlichen Diskurs weitgehend akzeptiert. Auch Milton Friedman hat ein theoretisches Modell à la Keynes verwendet.

Samstag, 5. März 2016

Fallende Inflationserwartungen und Zweitrundeneffekte

Die jährliche Inflation ist im Euro-Raum im Februar auf minus 0,20% gesunken, wie eurostat am 29. Februar gemeldet hat.

Die EZB hat den Rückgang der Teuerung bislang stets mit den gesunkenen Preisen für Erdöl und andere Rohstoffen begründet. Das heisst im Grunde genommen, dass keine Deflationsgefahr vorliegt, solange die Kerninflation um 1% notiert.

Bemerkenswert ist, dass Jens Weidmann vergangene Woche in der Eingangsstellungnahme zur Vorstellung des Bundesbank-Jahresabschlusses 2015 vor Deflation-Angst gewarnt hat.

Präsident der Deutschen Bundesbank vertritt auch die Meinung, dass „die nochmals gefallenen Energiepreise den ohnehin nur schleppenden Anstieg der Inflation in Richtung der Definition von Preisstabilität des EZB-Rats weiter verzögern“.

Für die Geldpolitik sei der kurzfristige Inflationsausblick weniger entscheidend. Rechnet man Energiepreisschwankungen heraus, liegt die entsprechende Inflationsrate im Euro-Raum derzeit bei 1%, so Weidmann weiter.

Allerdings ist die Kerninflation inzwischen auf 0,7% gefallen.

Für die Geldpolitik sind die mittelfristigen Preisaussichten entscheidend. Und bei Ihnen kommt es v.a. darauf an, wie gross das Risiko von Zweirundeneffekten des Ölpreisrückganges und der niedrigen Inflationsraten ist, ergänzt Weidmann.



Kreditübertragungskanal im Euro-Raum, Graph: Pictet WM via Bloomberg

Freitag, 4. März 2016

Renditekurve als Buch mit sieben Siegeln?

Gleich in sechs Ländern notieren die Renditen für Staatsanleihen mit fünf Jahren Laufzeit im negativen Bereich, einschliesslich der Schweiz, Deutschland und Japan. In der Schweiz weisen die Staatspapiere sogar bis auf 20 Jahre (-0,00012%) eine Negativ-Rendite auf.

Während sich die Mehrzahl der Investoren über Negativ-Renditen beklagt, bietet eine einzige Staatsanleihe, die weltweit als sicher, liquid und hochwertig gilt, zumindest nominal eine positive Rendite an: US-Treasury Bonds.

Was viel wichtiger ist, dass die Renditen am langen Ende der Ertragskurve (yield curve) höher sind als am kurzen Ende. In den vergangenen vier Jahrzehnten war die Differenz (spread) zwischen 2- und 10-jährige US-Treasury Bonds immer positiv.

Eine Ertragskurve mit einer negativen Neigung gab es in den vergangenen 30 Jahren nur dreimal, wie FT aus London berichtet. Und jedes Mal mündete die Entwicklung in einer Rezession.

Die Rendite-Differenz ist heute so tief wie seit der Finanzkrise von 2008 nicht mehr. Das heisst, dass sofort die Warnlichter blinken müssten.




US-Renditekurve; Spread zwischen den 2- und 10-jährigen US-Staatsanleihen, Graph: FT

Donnerstag, 3. März 2016

Der Fall für Investitionen in die Infrastruktur

Eine Tatsache ist, dass das amerikanische Wirtschaftswachstum seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 immer noch enttäuschend niedrig ist.

Während die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit unter 2% verläuft, ist es schwer, sich eine bessere Zeit für erweiterte Investitionen in die Infrastruktur vorzustellen, zumal der Anteil von Infrastrukturinvestitionen am BIP niedriger ist als es seit 1947 je gewesen ist, wie Larry Summers in einem lesenswerten Beitrag im Blog Capital Ideas hervorhebt.

Sein Vorschlag vor diesem Hintergrund lautet, dass die privaten Investitionen in die Infrastruktur gefördert werden sollen.

Auch Mark Thoma befasst sich mit dem Thema Infrastrukturinvestitionen. Der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht in einem Artikel in CBS Money Watch Amerikas erheblichen Bedarf an Infrastruktur.

Der Fall ist laut Thoma aus zwei weiteren Gründen besonders attraktiv: 

(1) Die Investitionen in die Infrastruktur können die Produktionskapazität verbessern und das Wirtschaftswachstum erhöhen. 

(2) Die Löhne stagnieren seit langer Zeit und der Arbeitsmarkt hat sich noch nicht ganz erholt. Die öffentlichen Ausgaben für die Infrastruktur würden für mehr Beschäftigung für Menschen sorgen. Und so würden mit der sukzessiven Erholung der Arbeitsmärkte auch die Löhne allmählich steigen.



Die Wirtschaft scheint immer noch in einer Liquiditätsfalle zu stecken, Graph: Paul Krugman in NYTimes

Dienstag, 1. März 2016

Negative Renditen und Mythen der Krise

Japan hat am Dienstag zum ersten Mal eine Staatsanleihe mit 10 Jahren Laufzeit mit einer Negativ-Rendite verkauft: -0,024%.

Auf der Versteigerung, wo das Verhältnis der Gebote zum Angebot mit mehr als das 3-fache auffiel, wurden 19,4 Mrd. USD (2'200 Mrd. JPY) zugeteilt.

Die Kommentare meinen, dass es sich dabei um eine Deckung von Short-Positionen (in Erwartung von Negativ-Renditen) handelt, da in erster Linie Händler und Spekulanten an der Auktion teilgenommen hätten.

Interessant ist aber die Beobachtung, dass Japan mit einer Verschuldung im Verhältnis zum BIP von 250% (debt-to-GDP ratio) überhaupt eine Staatsanleihe mit Negativ-Rendite verkaufen kann.

Die konservativen Anhänger der neoklassischen Lehre erzählen uns zumindest seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 tagein tagaus, dass die Confidence Fairy (Vertrauen Fee) die Regierungen, die ihre Haushaltsdefizite abbauen, durch die Ankurbelung des privaten Verbrauchs belohnen würde.

Sonst würden die sog. Bond Vigilantes solche Regierungen, die mit hohen Haushaltsdefiziten arbeiten, bestrafen, sodass die Renditen durch die Decke schiessen würden.



Negativ-Rendite auf der Versteigerung von japanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FT

Sparpolitik an der Nullzinsgrenze

Die annualisierte Inflation im Euro-Raum ist im Februar unter die Null-Marke gefallen. Wie es aus einer von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union am Montag veröffentlichten Schnellschätzung hervorgeht, ist die jährliche Inflation auf minus 0,2% gesunken.

Auch die Kerninflation beläuft sich nun auf weniger als 1 Prozent: 0,7%. Das dürfte den Bemühungen der EZB, die Wirtschaft anzukurbeln, entgegenwirken. Denn wenn die Preise fallen, erhöht sich die reale Last der bestehenden Schulden.

Wenn die Preise um 1% fallen, und die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound) liegen, bedeutet dies, dass die Realzinsen 1% betragen. Und wenn dies zu hoch ist, um Wachstum im Einklang mit Kapazitäten zu fördern, wären negative Nominal-Zinsen erforderlich.

Es sieht demnach so aus, wie wenn die EZB im März die Zinsen tiefer in den negativen Bereich senken müsste.

Die Nullzinsgrenze ist in der Tat ein Hindernis für die Ausgestaltung einer optimalen Geldpolitik. Der Euro-Raum braucht aber mehr als eine optimale Geldpolitik; sondern eine angemessene Wirtschaftspolitik, die auch Lohnpolitik mit einschliesst.



Inflation im Euro-Raum fällt unter Null-Grenze im Februar, Graph: Bloomberg