Montag, 5. Oktober 2015

Europas kläglich gescheiterte Wirtschaftspolitik

Ben Bernanke zieht in einem lesenswerten Meinungsartikel (“How the Fed Saved the Economy”) in WSJ eine konsequente Resümee mit Seitenhieb, wie die US-Notenbank die Wirtschaft gerettet hat. 

Die Fed hat ihren Job gemacht: Vollbeschäftigung ohne Inflation ist in Sicht. Was ist aber mit allen anderen?, so der ehemalige Fed-Präsident.

Es ist lehrreich, die jüngste Entwicklung der US-Wirtschaft mit der von Europa zu vergleichen, einer grossen Industriewirtschaft von ähnlicher Grösse: Es gibt viele Unterschiede zwischen den USA und Europa.

Aber ein kritischer Punkt ist, dass Europas wirtschaftliche Orthodoxie bis vor kurzem weitgehend den Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik verhindert hat, um die Erholung der Wirtschaft zu unterstützen, erklärt Bernanke, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wirtschaftsphilosophie, nicht Machbarkeit ist die Einschränkung: Griechenlands Optionen mögen limitiert sein. Aber Deutschland zum Beispiel hat Möglichkeiten. Und die EZB hat eine breitere geldpolitische Macht als die Fed, betont Bernanke weiter.


Inflation-Ausblick im Anleihemarkt im Rückgang, Graph: Bloomberg



Europas Versäumnis, nach der Finanzkrise aggressiv Geld- und Fiskalpolitik zu verwenden, ist ein wichtiger Grund, dass Europas Output heute rund 0,8% unter dem Vorkrisenniveau Höchstpunkt liegt. Im Gegensatz ist der Output der US-Wirtschaft mit 8,9% über dem früheren Höchstpunkt.

Das ist ein enormer Unterschied, betont Bernanke und nennt Ross und Reiter: Es war Wolfgang Schäuble, Deutschlands Finanzminister, der es als “ahnungslos” zurückwies, als die Fed im November 2010 die zweite Runde von Quantitative Easing (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) startete.

Zu dem Zeitpunkt lag die Arbeitslosenquote in den USA auf 9,4% und in Europa auf 10,2%. Heute beträgt der Wert für die USA rund 5% und für Europa 10,9%, d.h. höher als damals.

Das spricht Bände für die neoliberal geprägte und von Brüssel und Berlin tatkräftig erzwungende Wirtschaftspolitik: Die Austeritätspolitik führt nicht zu mehr Investitionen. 

Ganz im Gegenteil: Die Investitionen fallen und damit schrumpft auch die zukünftige Kapazität der Wirtschaft. Und das grösste wirtschaftliche Risiko dabei ist der sog. Hysterese-Effekt. In einer von der Austerität ausgelaugten Wirtschaft wird nicht investiert. Es bedarf mehr Ausgaben durch die öffentliche Hand. Europas Entscheidungsträger weigern sich aber, zur Vernunft zu kommen. Millionen von Menschen bleiben auf der Strecke.




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