Montag, 31. August 2015

Warum die Zinsen nicht zu niedrig sind

“Das Argument für eine Anhebung der Zinsen ist einfach: wie bei jeder Ware sollte der Preis für die Kreditaufnahme, d.h. der Zinssatz, von Angebot und Nachfrage bestimmt werden, nicht durch Manipulation via ein Ungeheur im Markt. Im Wesentlichen hat das kluge QE-Programm eine weit verbreitete Fehlbewertung der Risiken von verschiedenen Finanzanlagen, die wir kaufen, verursacht.”

Das schreibt William Cohan in NYTimes. Es mag sich auf Anhieb vernünftig anhören. Aber die Aussage ist grundfalsch. Warum, erklärt Paul Krugman in seinem Blog im selben Blatt.

Cohans Theorie der Zinsen reflektiert die alte Vorstellung vom Modell der Kreditmärkte (loanable funds): der Zinssatz wird von Angebot und Nachfrage an und nach Kredit bestimmt.

Wie Keynes und Hicks vor drei Generationen erklärten, ist es eine völlig unzureichende Story, weil es die Realität übersieht, dass das Einkommensniveau nicht festgelegt ist  und Veränderungen im Einkommen das Angebot und die Nachfrage in Sachen Kredit beeinflussen. 

Das Modell loanable funds bestimmt den Zinssatz nicht; alles was es tut, ist, eine Beziehung zwischen Zinsen und Einkommen zu definieren.



IS-LM-Modell, Graph: Paul Krugman in NYTimes

Sonntag, 30. August 2015

Ursachen der Niedriginflation

Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat am Freitag an einer Paneldiskussion im Rahmen des 39. Economic Symposiums in Jackson Hole über ein interessantes Thema gesprochen:

“Die Übertragung internationaler Einflüsse auf die Inflationsdynamik und eine unabhängige Geldpolitik: Erfahrungen aus Schweizer Sicht”

Die Erfahrungen der Schweiz seit der Finanzkrise von 2008 bestätigen, dass die Kontrolle der Inflation für kleine, offene Volkswirtschaften manchmal schwierig werden kann, betont Jordan.

Die Spillover-Effekte könnten laut Jordan nicht vollständig kompensiert werden, wenn die konventionelle Geldpolitik nicht mehr greift und die Landeswährung als “sicheren Hafen” wegen der markanten Kapitalzuflüssen überbewertet werde.

Wegen des Rückgangs der Importpreise müssen kleine, offene Volkswirtschaften manchmal “mit temporär suboptimaler Inflation” leben, so Jordan weiter.


Inflation und Schweizer Franken (CHF) nominal effective exchange rate, Graph: Thomas Jordan, SNB in: “The impact of international spillovers on inflation dynamics and independent monetary policy: the Swiss experience”, Aug 28, 2015 in Jackson Hole


Internationale Einflüsse auf die Inflationsdynamik in der Schweiz

Die SNB hat am Donnerstag ein neues Datenportal (data.snb.ch) vorgestellt. Ab sofort stehen statistische Daten online zur Verfügung.

Danke SNB!

Ich habe die Chance wahrgenommen und die von mir gewünschten Daten heruntergeladen, um die Entwicklung der Inflation in der Schweiz zwischen Juli 2008 und Juli 2015 darzustellen. So sieht das Ergebnis aus.

Die SNB verfehlt das eigene Inflationsziel seit rund sieben Jahren gemessen an dem getrimmten Mittelwert (trimmed mean inflation), und noch länger gemessen an der Kerninflation (core inflation).

Thomas Jordan, SNB-Präsident hat am Freitag in Jackson Hole Wert darauf gelegt, anhand von internationalen Einflüssen auf die Inflationsdynamik in der Schweiz zu erklären, warum die Niedriginflation verharrt.




Swiss inflation; measured by trimmed mean inflation and core inflation, Graph: ACEMAXX-ANALYTICS

Samstag, 29. August 2015

Inflationserwartungen und Timing für Zinserhöhung

Die Reaktion der Staatsanleihen auf die Ankündigung der chinesischen Währungsreform am 11. August 2015 und der anschliessende Kursabsturz der Aktien waren seltsam, um es milde auszudrücken.

Während die Aktien im Allgemeinen um 9% an Wert verloren, stiegen die Renditen querfeldein Länder weit.

Interessant ist, dass die Nominal-Swap-Sätze mit 10 Jahren Laufzeit in etwa flach verlaufen sind, während die Real-Renditen mit 10 Jahren Lauzeit um 17 Basispunkte geklettert sind, wie Morgan Stanley mit der folgenden Abbildung unterstreicht.



Nominal-Renditen vs. Real-Renditen, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 28. August 2015

Die niedrigen Zinsen und die faulen Ausreden

Eine konstante Komponente, die die öffentliche Debatte seit der Finanzkrise von 2008 begleitet, ist die Erklärung der nüchtern klingenden Leute, dass die Fed verantwortlich agieren und die Zinsen erhöhen müsse, und zwar jetzt-jetzt-jetzt, wie Paul Krugman in seinem Blog beschreibt.

Die Inflationserwartungen (gemessen an 5y5y forward inflation swap rate) belaufen sich heute im Euro-Raum auf 1,61%. Und sie sind damit niedriger als zum Zeitpunkt, wo die EZB die QE-Politik (genannt PSPP) gestartet hat.

Es ist der niedrigste Stand seit Februar und tiefer als der Durchschnitt von 2,14% der letzten fünf Jahre. Als die EZB im März angefangen hat, Anleihen am offenen Markt zu kaufen, betrug die Inflation laut Bloomberg rund 1,74%.

Vor ein paar Jahren hiess es, dass die Rohstoffpreise steigen und Haufen Geld in die sog. Schwellenländern zufliesse und damit die Gefahr steige, dass die Inflation durch die Decke schiesse. Nun stürzen die Rohstoffpreise ab und das Geld fliesst aus den Schwellenländern ab. Und es heisst wieder, dass die Fed das Richtige tun müsse: die Zinsen erhöhen.


Realer Weltzins, Graph: FazitBlog

Paper: “Measuring the “world” real interest rate”, Mervyn King and David Low


Schweizer Wirtschaft in Hard Stop

Im ersten Quartal war die Schweizer Wirtschaft noch um 0,2% geschrumpft. Im Zweiten Quartal ist das BIP entgegen den Erwartungen doch noch nicht per Definition in die Rezession gerutscht. Das BIP ist um 0,2% gestiegen.

Es waren der Konsum der privaten Haushalte und des Staates und die Investitionen, die das BIP im zweiten Quartal 2015 stützten, meldet das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).

Die negativen Daten aus dem Detailhandel und dem Gastgewerbe deuten aber nicht auf eine nachhaltige Entwicklung des privaten Verbrauchs hin, zumal die Situation am Arbeitsmarkt nach wie vor gespannt bleibt.

Gemäss einer aktuellen Umfrage unter 50 Schweizer Unternehmen (mit einem Jahresumsatz weniger als 1 Mrd. CHF im Jahr) ist in der Schweizer jeder fünfte Arbeitsplatz in Gefahr.




Schweizer Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2015, Graph: SECO, Aug 29, 2015 

Mittwoch, 26. August 2015

Die chinesische Wirtschaft hält die Weltwirtschaft in Atem

Die Bank of Israel (BoI) hat am Montag den Referenzzinssatz bei 0,1% unverändert belassen. Am Dienstag hat Gouverneurin Karnit Flug in einem TV-Interview gesagt,  dass die BoI den Benchmark-Zinssatz unter Umständen unter Null senken kann. 

Die Chefin der israelischen Notenbank hat darauf hingewiesen, dass es heute eine Reihe von Ländern mit negativen Zinsen gibt und “wir auch dorthin kommen können”.

Die Inflationsrate gemessen am CPI beträgt in Israel annualisiert minus 0,3%. Bemerkenswert ist, dass die BoI mit einem Wirtschaftswachstum von 3% für 2015 und 3,7% für 2016 rechnet.


ILS-Wechselkurs (handelsgewichtet), Graph: Morgan Stanley

China sucht adäquate monetäre Bedingungen

Der gewichtete Durchschnittssatz für die Kreditvergabe ist zwar laut PBoC von 6.04% im Juni auf 5,97% im Juli gesunken. 

Die Finanzierungskosten verharren aber real gesehen aufgrund der PPI-Deflation nach wie vor hoch, wie in der folgenden Abbildung von Morgan Stanley deutlich zu sehen ist.

Das deutet darauf hin, dass die PBoC nicht darum herum kommt, den Mindestreservesatz (RRR) weiter zu senken, um die Liquidität und das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren.



China: Finanzierungskosten (real), Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 25. August 2015

China: Mindestreservesatz und Geldmultiplikator

Die chinesische Notenbank (PBoC: People’s Bank of China) hat heute auf die Abkühlung der Wirtschaft mit Zinsenkungen reagiert: Der einjährige Kreditzinssatz wurde um 25 Basispunkte auf 4,6% gesenkt.

Der Einlagensatz wurde um 0,25% auf 1,75% gekürzt. Chinas Währungshüter haben auch den Mindestreservesatz (RR-Satz) um 0,50% auf 18% zurückgezogen.

Da Peking befürchtet, dass die RMB-Abwertung zu einem verstärkten Abfluss des ausländischen Kapitals führen kann, ist es vernünftig, den RR-Satz zu senken. Die RRR-Kürzung reduziert nämlich die Notenbankgeldmenge (monetary base) und kurbelt den Geldmultiplikator (money multiplier) an.

Wenn die Banken die Sichteinlagen, die sie bei der PBoC deponieren, wieder zurückziehen, nimmt die Notenbankgeldmenge (Giroguthaben der Banken bei der Zentralbank + Noten im Umlauf) ab.

Angesichts der aktuellen Grössenordnung der Einlagen im Banking-Sektor, lässt jede RRR-Reduzierung um 100 Basispunkte (1%) im Durchschnitt 1’200 Mrd. RMB Liquidität frei, wie FTAlphaville berichtet.

Da in der zweiten Jahreshälfte genau soviel Kapital abfliessen könnte wie in der ersten Jahreshälfte, kann der RR-Satz im Grunde genommen bis auf 6% gesenkt werden, um Kreditschöpfung anzuregen.


China; Notenbankgeldmenge und M2, Graph: CEIC, HSBC via FTAlphaville

Von wegen! Wenn in China ein Sack Reis umfällt

Ein Crash am chinesischen Aktienmarkt löst weltweit heftige Turbulenzen aus. Was sich in China abspielt, tangiert den Rest der Welt. 

Warum? Weil die chinesische Wirtschaft eine ziemlich grosse Wirtschaft ist. Chinas Abschwung bleibt daher nicht ohne Folgewirkungen anderswo in der Welt.

Da die RMB-Abwertung zu einem verstärkten Abfluss des ausländischen Kapitals führen könnte, erwägt die chinesische Zentralbank (PBoC), wie das WSJ berichtet, den Mindestreservesatz, den sog. RRR (required reserve ratio) für Banken zu senken, um das Bankensystem mit Liquidität zu unterstützen.

Ziel ist, die Banken in die Lage zu versetzen, mehr Kredit an private Haushalte und Unternehmen zu verleihen. Die Banken hätten damit theoretisch mehr Liquidität zur Verfügung, je weniger RRR sie aufbringen müssen.

Peking will u.a. die Banken animieren, mit dem Geld neue Anleihen (zur Finanzierung von Infrastruktur-Projekten), die zentrale und lokale Regierungen begeben, zu zeichnen.

Die Bemühungen der Behörden, die monetären Rahmenbedinungen zu lockern, sollten sich an der Entwicklung des M2-Wachtums erkennen lassen. Hier ist dazu eine interessante Abbildung von Morgan Stanley.


China; Geldmenge M2, Graph: Morgan Stanley

Montag, 24. August 2015

Es gibt keinen Grund für Zinserhöhung

Während an den Märkten Sorgen um Chinas Wachstumsschwäche zunehmen, schickt sich die US-Notenbank an, die Zinsen zu erhöhen. Die Frage, ob die Fed bereits in der September-Sitzung die Leitzinsen zum ersten Mal seit 2006 anheben wird, erhitzt die Gemüter.

Zinserhöhung wäre ein schwerwiegender Fehler; alle drei grossen Ziele der Fed, Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung und Stabilität des Finanzsystems würde davon gefährdet, schreibt Larry Summers in einem lesenswerten Kommentar (“The Fed looks set to make a dangerous mistake”) in FT am Montag.

Wie die meisten grossen Zentralbanken hat auch die Fed ein Inflationsziel von 2 Prozent. Das grösste Risiko ist, dass die Inflation unter die Zielmarke fällt; ein Risiko, das durch die Straffung des geldpolitischen Kurses verstärkt werden würde, unterstreicht der Professor für Wirtschaftswissenschaften.

Eine Straffung der Geldpolitik würde sich ausserdem negativ auf die Beschäftigung auswirken. Höhere Zinsen steigern den Wert des US-Dollars, was die Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen beeinträchtigt und zu einer Zeit wachsender Ungleichheit besonders beunruhinged wäre, betont der ehemalige Finanzminister.

Sonntag, 23. August 2015

Wie steht es um die globale Wirtschaft?

Während Europa’s Wirtschaft von deutschen politischen Entscheidungen zurückgehalten wird, sieht die US-Wirtschaft relativ stark aus, schreibt Justin Fox in einem lesenswerten Artikel in BloombergView.

In wirtschaftlicher Hinsicht gibt es sogar eine Menge Parallelen zwischen der aktuellen Situation und der Mitte der 1990er Jahre:

Ölpreise fallen. Schwellenländer ringen um Währungen. Chinas Wirtschaftswachstum schwächt sich ab. Russland ist ein ökonomisches Durcheinander.




Anteil der USA an der Weltwirtschaft steigt wieder, Graph: Justin Fox in BloombergView

Schweizer Notenbankgeldmenge versus Inflation

Der von der SNB berechnete getrimmte Mittelwert (TM15) hat im Juli den fünften Monat in Folge einen negativen Wert verbucht: -0.4%.

Das gilt auch für die Kerninflation, die im fünften Monat in Folge unter der Null-Marke verweilt: -0.6%.

Bemerkenswert ist, dass die Inflation nicht steigt, obwohl die Notenbankgeldmenge (Notenumlauf + Girokonten inländischer Banken bei der SNB) im vergangenen Monat auf einen neuen Rekordwert geklettert ist: 463,9 Mrd. CHF. Beim Ausbruch der globalen Finanzkrise belief sich die Geldbasis (monetary base) Ende 2008 auf 49,5 Mrd. CHF. 




Schweiz: Notenbankgeldmenge vs. Inflation (CPI), von Juli 2014 bis Juli 2015, Graph: ACEMAXX-ANALYTICS
Quelle: SNB, Statistisches Monatsheft, August 2015

Samstag, 22. August 2015

Mehr Staatsausgaben wären gerade richtig

Ob Sie es glauben oder nicht: Es gibt einen vernünftigen Grund zur Annahme, dass ein Teil von dem, was die Weltwirtschaft derzeit belastet, die Tatsache ist, dass die Staaten nicht genug Schulden haben, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne (“Debt is good”) am Freitag in NYTimes.

Das mag sich verrückt anhören. Immerhin haben wir die letzten fünf oder sechs Jahre in einem Zustand der Fiskal-Panik gelebt, wo die Very Serious People (VSP) uns erklären, dass wir das Haushaltsdefizit kürzen müssen, und zwar jetzt sofort, weil wir sonst so enden wie Griechenland, mit der Betonung auf Griechenland, hebt der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor hervor.

Die Antriebskraft des Defizit-Schimpfers bezog sich aber immer um den Siegszug der Ideologie über die Beweise. Und eine wachsende Anzahl von ernsthaften Menschen argumentiert gleichzeitig, dass wir mehr Staatsverschuldung brauchen, nicht weniger.

Warum?

Eine Antwort darauf ist, dass die USA offensichtliche Mängel in Sachen Strassen, Schienen, Wassersystemen und mehr erleiden. Unterdessen kann der Staat zu historisch niedrigen Zinsen Kapital aufnehmen. Es ist also ein sehr guter Zeitpunkt, Kredit aufzunehmen und Investitionen in die Zukunft zu tätigen.



Grossbritanniens Staatsverschuldung, Graph: Paul Krugman in NYTimes

Tenge schwankt frei

Nach der RMB-Abwertung durch Peking ist auch Kasachstan dazu übergegangen, den Wechselkurs seiner Währung frei schwanken zu lassen.

Der Tenge (KZT) ist darauf hin in zwei Tagen um 26% abgestürzt. Kelimbetov, Präsident der Zentralbank (NBK) hat gesagt, dass die Geldpolitik sich von jetzt an an Inflationsziel (inflation targeting) orientieren will, während der Wechselkurs durch die Faktoren Nachfrage und Angebot bestimmt werde.

Im neuen politischen Rahmen wolle die NBK nicht in den Markt eingreifen. Es sei denn, die FX-Volatilität drohe die Finanzstabilität drohe. 

Der Übergang zu einem flexiblen Wechselkurs ist in erster Linie durch den Ölpreisrückgang ausgelöst worden. Auf Öl, Gas und Öl-Produkte entfallen 73% der gesamten Exporte von Kasachstan, berichten Analysten von Morgan Stanley in einer am Freitag vorgelegten Studie. 

Fallende Rohstoffpreise führten zu einem Rückgang der Ausfuhren um 34% in der ersten Jahreshälfte 2015.



Kasachstan hebt das Trading Band für Tenge auf, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 21. August 2015

Türkei-China Handelsverbindung mit Fragezeichen

Wie die meisten Volkswirtschaften reflektieren die Aussenhandelszahlen der Türkei Chinas Integration in die Weltwirtschaft, schreibt das CEEMEA-Team von Morgan Stanley in einer aktuell vorgelegten Studie.

Während Chinas Anteil an Einfuhren der Türkei von 2,2% im Jahr auf 11,1% im Jahr 2015 angestiegen ist, bleibt der Anteil der Ausfuhren mit 1-2% beinahe unverändert.

Folglich ist das türkische Handelsdefizit mit China von 700 Mio. USD im Jahr 2001 auf 22,7 Mrd. USD im Jahr 2015 angeschwollen, was 29% dem gesamten Handelsdefizit der Türkei entspricht.



Das wachsende Handelsdefizit der Türkei mit China, trotz der TRY-Schwäche, Graph: Morgan Stanley

US-Notenbank und China-Faktor

Während die Fed seit geraumer Zeit den Beginn zur Straffung der Geldpolitik gegen Jahresende andeutet, sorgen die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft und die aktuelle RMB-Abwertung zur Zeit für zunehmende Unsicherheit.

Auch der anhaltende Rückgang des Ölpreises (der tiefste Wert seit sechs Jahren) nährt Bedenken, ob die von der Fed anvisierten Konditionen für einen Zinsschritt tatsächlich gegeben sind oder nicht.

Tim Duy schreibt in seinem Blog, dass die Fed-Minutes der FOMC-Sitzung vom 28-29. Juli bereits nicht mehr frisch nicht, die von den Ereignissen rasch überholt werden. Da die Fed sehr gut daran ist, genaue Absichten nicht besonders gut zu signalisieren, lässt sich viel in die Sitzungsnotizen der Fed hineininterpretieren.

Möglicherweise ist die Fed für die Störungen auf den Finanzmärkten weniger empfänglich als im grössten Teil des Zeitraums nach dem Ausbruch der Finanzkrise, da die US-Wirtschaft sich allmählich in Richtung Vollbeschäftigung bewegt, kommentiert der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.

Narayana Kocherlakota spielt hingegen mit den Gedanken, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, das Inflationsziel (inflation target) der US-Notenbank anzuheben, um auf diese Weise Risiken in Bezug auf die Finanzstabilität zu verringern. Der Fed soll dadurch die Arbeit erleichtert werden, für die Preisniveaustabilität zu sorgen und die Vollbeschäftigung zu erlangen.



Die US-Notenbank verfehlt das eigene Inflationsziel (gemessen an PCE) seit 2009 um 0,50% im Durchschnitt pro Jahr, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 20. August 2015

Emerging Markets in Sogkraft von China

In den Schlagzeilen von heute fallen exotische Währungen auf: Tenge, Dong, Ringgit und andere. Auslöser ist die RMB-Abwertung.

Seitdem die chinesische Führung die Bereitschaft angedeutet hat, die Landeswährung RMB möglichst rasch frei schwanken lassen zu wollen, ist auch die Region Asien ohne Japan davon tangiert.

Erhöht das eine Land das Trading Band für die eigene Währung, folgt das andere Land. Abwertung über Abwertung. Und die FT aus London berichtet, dass in den vergangenen 13 Monaten rund 1’000 Mrd. USD aus der Region abgeflossen sind.



Der deflationäre Trend lastet auf Umsatz und Gewinn von Unternehmen, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 19. August 2015

Was heisst eigentlich eine niedrige Realrendite?

Je länger die träge Erholung der Wirtschaft anhält, desto mehr rückt das Thema “niedrige Realzinsen” ins Zentrum der ökonomischen Analyse.

Ben Bernanke  hat sich damit mit seinem ersten Eintrag in seinem neuen Blog auseinandergesetzt und hervorgehoben, dass es sich dabei nicht um eine kurzfristige Abweichung, sondern um einen langfristigen Trend handelt.

Larry Summers spricht in diesem Zusammenhang von “secular stagnation”.

Stephen Williamson deutet heute in seinem Blog auf einen interessanten Aspekt hin: Die Teilnehmer an der Diskussion scheinen zum Teil davon auszugehen, wie wenn die Rendite der Staatsanleihen und der Ertrag von Kapitaleinsatz übereinstimmen würden.

Gemessen an herkömmlichen Messwerten ist die Rendite der Staatspapiere zwar niedrig, aber der Ertrag auf das Kapital nicht, hält der Vice President der Economic Research Abteilung der Fed St. Louis fest.



Reale Kapitalerträge, Graph: Paul Gomme, B. Ravikumar and Peter Rupert, Secular Stagnation and Returns on Capital in: Economic Research, Fed St. Louis

Dienstag, 18. August 2015

Chinas Überschuss an Arbeitskräften sinkt

Ergänzend zum Blog-Eintrag vom Samstag zum Thema Arbeitskräfte Chinas ist es lehrreich, auf eine Analyse von Credit Suisse vor viereinhalb Jahren zurückzublicken.

Das Research-Team der Schweizer Bank unterstreicht in der Studie die Bedeutung des Arbeitskräfte-Wachstums als entscheidend für Chinas wirtschaftliche Performance und die Entwicklung in den vergangenen drei Jahrzehnten und hält fest, dass die chinesische Wirtschaft in einem historischen Wendepunkt stehe.

Das ist der Anfang vom Ende einer Ära: China als die Fabrik der Welt. Und das ist der Anfang vom Ende einer Ära: China als Anker globaler Disinflation.

Die Analysten kommen zum Schluss, dass Chinas Überschuss an Arbeitskräfte falle und das Land vor einem erheblichen Anstieg der Arbeitsnachfrage stünde. Das Wachstum der Arbeitskräfte und der Bevölkerung werde sogar zu Beginn von 2017 resp. 2032 negativ.

Die aktuellen Daten aus China bestätigen heute, wie angemessen die Analyse vor rund fünf Jahren war.

Wegen der anhaltenden Überkapazitäten in gewissen Sektoren und Provinzen sinken nun auch die Investitionserträge.



China: Arbeitsangebot versus Arbeitnachfrage, Graph: Credit Suisse

Montag, 17. August 2015

QE für Menschen und Helicopter Money

Der von Jeremy Corbyn, dem Kandidaten für den Parteivorsitz der Labour Party geprägte Ausdruck “People’s QE” ist zur Zeit in Grossbritannien in aller Munde.

Die Art und Weise, wie der Begriff bisher von einigen Makroökonomen verwendet wurde, unterscheidet sich aber, was v.a. die dazu grundlegende Idee betrifft, erklärt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

People’s QE ist im Grunde genommen eine andere Bezeichnung für Helicopter Money (Geldabwurf aus dem Hubschrauber). Das Helicopter Money war zum ersten Mal von Milton Friedman benutzt, um die Geldschöpfung durch die Zentralbank und die direkte Verteilung an die Menschen zu beschreiben. 

Der Geldabwurf aus dem Hubschrauber wird als einen sicheren Weg zur Ankurbelung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch die Notenbank angesehen, was die Ökonomen manchmal ein durch Geld finanziertes Konjunkturprogramm (money financed fiscal stimulus) vorstellen.

Die Idee wurde neulich von Adair Turner wiederbelebt, mit dem Zweck, die Great Recession rasch zu beenden, wegen der Tatsache, dass die konventionelle Geldpolitik an Zugkraft verliert, wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound): 

Die Zentralbanken sollen Geld schöpfen, um Finanzanlagen (v.a. Staatsanleihen) zu kaufen: Die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik wird Quantitative Easing genannt. Daraus leitet sich der Begriff “QE für Menschen” als “Helicopter Money” ab: statt dass die Notenbank Geld schafft, um Vermögenswerten zu kaufen, soll sie Geld schöpfen und es den Menschen geben.

Was Corbyn vorschwebt, ist aber etwas anders. Richard Murphy, Corbyns Berater hat es neulich erläutert: Eine Green Infrastructure QE soll dazu beitragen, neue Anleihen, die von der Green Investment Bank zur Finanzierung von nachhaltiger Energie, ausgegeben werden, zu kaufen. (*)

Sonntag, 16. August 2015

Wettbewerb unter Nationen

Der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Länder in der Eurozone hat mit dem internationalen Wettbewerb nichts zu tun. Doch hängt die Vorstellung, die die Schulder zu Schuldigen erklärt, von Beginn der Euro-Krise an wie ein Damoklesschwert über Europa.

Es ist das einzelwirtschaftliche Denken, das das Zepter schwingt: Die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge werden nach dem Ansatz der schwäbischen Hausfrau betrachtet.

Der Wettbewerb unter Nationen hat aber mit dem sinnvollen Wettbewerb unter Unternehmen nichts zu tun. Wenn das Land A mit seiner Standortpolitik das Land B bekämpft, schadet es nicht nur dem Konkurrenten Land B, sondern gleichzeitig einem Kunden.

Das einzelwirtschaftliche Denken ist für die Gesamtheit falsch, wie Heiner Flassbeck vor einigen Jahren in einem lesenswerten Interview treffend festgehalten hat.

Es kann nicht lange funktionieren, wenn Deutschland gewaltige Überschüsse erwirtschaftet, während die Peripherie gewaltige Defizite hat. Ohne Ausgleich geht es nur im Wettbewerb unter Unternehmen, unterstreicht der ehemalige Chef-Ökonom von UNCTAD in Genf. Die Ausgaben des einen sind nämlich die Einnahmen des anderen. Das ist in der ökonomischen Literatur als „Paradox of thrift“ bekannt.

Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept. Die Eurozone kann als Ganzes die Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern. Daher macht ein von der neoliberalen Wirtschaftskonzeption gefördertes rat race unter Nationen keinen Sinn.

Der internationale Wettbewerb ist weit weniger wichtig als die Legende als Erzählung, hält Paul Krugman in seinem Blog fest. Das Wirtschaftswachstum ist ziemlich unempfindlich gegenüber Politik.


Das reale BIP für die Bevölkerung (*) im erwerbstätigen Alter (15-64), Graph: Paul Krugman in NYTimes

Wie Deutschland von Griechenlands Krise profitiert

Michael Burda nimmt in einem Artikel in Royal Academic Society zu den kritischen Ansichten einer nicht geringen Anzahl von Ökonomen aus den USA und Grossbritannien über den makroökonomischen Zustand der deutschen Wirtschaft Stellung.

Die anglo-amerikanische Welt hat sich schon lange vor der Finankrise gegen Deutschland verbündet, was sich seit dem Ausbruch der ausweglosen Situation Griechenlands noch mehr verstärkt hat, beklagt Burda. Namentlich erwähnt er dazu Paul Krugman, Martin Wolf, Wolfgang Münchau und Simon Wren-Lewis.

Der an der Berliner Humbolt University lehrende Wirtschaftsprofessor vertritt die Meinung, dass es nichts Besonderes oder Ungewöhnliches über die deutsche Wirtschaft gibt.

Es gehe nicht um ordnungspolitische Religion, sondern um eine Mischung aus nationalem Egoismus und einem gesunden Misstrauen, gewonnen durch die Erfahrung, die die Wirtschaftspolitik heute in Deutschland leite.

Man könnte sich aber vorstellen, dass Griechenlands Rettung, aber auch die Rettung der anderen Staaten an der EU-Peripherie ein deutliches Beispiel dafür liefert, dass die Idee der europäischen Solidarität das vermeintliche Eigenintesse überwindet, antwortet Simon Wren-Lewis in seinem Blog in einem lesenswerten Eintrag auf Burda.

In der Tat hat Deutschland in vielerlei Hinsicht von der Mitgliedschaft in der europäischen Zone profitiert. Henning Meyer deutet auf eine Studie durch die IWH hin, dass Deutschland dank seinem Status als “sicheren Hafen” von 2010 bis 2015 mehr als 100 Mrd. EUR an Schuldzinsen gespart hat.

Der grösste Nutzen, den Deutschland aus der Eurozone zieht, geschieht durch die Unterbietung der anderen Mitgliedstaaten seit rund 10 Jahren, unterstreicht der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Samstag, 15. August 2015

Der wichtigste Chart aus China

Einer der Faktoren, die Peking unter Druck gesetzt hat, einem sich andeutenden Abschwung mittels RMB-Abwertung entgegenzusetzen, betrifft alternde Bevölkerung und strukturell schwächere Auslandsnachfrage, die längst auf der chinesischen Wirtschaft lasten.

China geht zugleich gegen die massiven Überkapazitäten in bestimmten Sektoren und Provinzen vor, während die anhaltende Deflationsgefahr das Management der Schulden-Dynamik erheblich erschwert.

Die chinesische Wirtschaft ist bekanntlich wahnsinnig unausgeglichen: Der Anteil des Konsums am BIP ist sehr gering; der Anteil der Investitionen hingegen sehr hoch.

Das kann nicht lange klappen, v.a. wenn das extreme rasche Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden soll.


China: Nachfrage nach Arbeit ist grösser als das Angebot an Arbeit, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 14. August 2015

China’s Minsky Moment

Was wir in China beobachten, sind die ungewöhnlich länglichen Folgen eines Minksy Moments, schreibt John Cassidy in The New Yorker (“China’s long Minsky moment”).

Es sieht in der Tat so aus, wie wenn Europhorie durch Pessimismus abgelöst würde: Die Vermögenspreise beginnen zu sinken. Und die Kreditgeber machen sich Sorgen, ob die Kreditnehmer die Kredite nicht weiter verlängern würden. Zeichnet sich ein konjunktureller Abschwung ab?

Steve Keen legt nahe, dass die Verschuldung des Privatsektors in China von rund 100% im Jahr 2007 auf 180% im Jahr 2014 gestiegen ist.

Der an der University of Western Sydney, Australien lehrende Wirtschaftsprofessor prognostiziert seit geraumer Zeit einen massiven Crash in China. 




China Schulden, Graph: Steven Keen in: Global Debt Deflation, Outlook 2015


Donnerstag, 13. August 2015

Warum strebt China Reservewährung-Status an?

Peking will, dass der Renminbi (RMB) international als Reservewährung akzeptiert wird. Die Anfrage wird vom Internationalen Währungsfonds (IWF) überprüft, ob Chinas Landeswährung in den Kreis der grossen Reservewährungen aufgenommen werden kann oder nicht.

Es handelt sich dabei um die sog. Sonderziehungsrechten (SZR) im Währungskorb (USD, EUR, JPY, GBP) des IWF. Da der RMB an den USD gekoppelt ist, fordert der IWF China auf, vorerst für einen freien Wechselkurs zu sorgen.

China behauptet nun, dass es RMB nicht abgewertet hat, um Wettbewerbsvorteile im internationalen Handel zu erlangen, sondern um die Flexibilisierung von RMB als Reservewährung vorzubereiten.

Das ist aber eine höchst unglaubwürdige Geschichte. Aber es mag auch zutreffen, wenn China unter Druck steht, die Kapitalverkehrskontrollen zu lockern, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog dazu.

Was ist aber der Vorteil davon für ein Land , über eine Reservewährung zu verfügen?



Der Trade Weighted US Dollar Index, Graph: Morgan Stanley

“The Broad Index” vergleicht den Wert des USD mittels eines Währungskorbs aus 26 Währungen.
Der Index (der handelsgewichtete Durchschnitt im Vergleich zu diesen Währungen) ist nach der Bekanntgabe der RMB-Abwertung sofort angestiegen.

China und Trilemma des Wechselkursregimes

Man kann nonchalant argumentieren, dass Pekings Abwertung fast unvermeidbar war, weil die wirtschaftlichen Aussichten des Landes sich seit geraumer Zeit verschlechtern.

Ein wesentlicher Grund ist die quasi Anbindung von Renminbi (RMB), der chinesischen Währung an den US-Dollar. 

Die geplante allmähliche Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen durch die Fed in den kommenden Monaten überträgt sich daher auch in Chinas Wirtschaft. Peking hat den Würgegriff des US-Dollars irgendwie über eine Abwertung der eigenen Währung lockern müssen.

Es gibt jedoch einen weiteren fundamentalen Grund für die Abwertung: China steht dem Trilemma des Wechselkursregimes (impossible trinity) gegenüber, wie David Beckworth in seinem Blog hervorhebt.

Das Impossible Trinity-Modell beschreibt einen Zielkonflikt: feste Wechselkurse, geldpolitische Autonomie und freie Kapitalbewegung. Maximum zwei Ziele können gleichzeitig erreicht werden. Alle drei Ziele gleichzeitig zu erreichen, gilt als unmöglich.



China Erzeugerpreis-Index (PPI), Graph: Morgan Stanley