Samstag, 18. April 2015

Volkswirtschaftslehre aus alter Zeit

Amerika hat sich aus der Finanzkrise noch nicht vollständig erholen können. Trotzdem scheint es fair, zu sagen, dass wir bislang einen grossen Schritt nach vorne getan haben, wohlgemerkt, dass bei weitem nicht alles am verlorenen Boden wieder gutgemacht werden konnte, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („That old-time economics“) am Freitag in NYTimes.

Das gleiche kann aber für die Eurozone nicht gesagt werden, ergänzt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor. Warum hat Europa so schlecht abgeschnitten? In den vergangenen Wochen gab es eine Reihe von Reden und Artikeln, die darauf hindeuten, dass das Problem in der Unzulänglichkeit unseres Wirtschaftsmodells liege. Die makroökonomische Theorie habe es versäumt, eine nützliche politische Orientierung zu bieten.

Ist dies aber die wirkliche Geschichte, die dahinter steckt? Nein, sagt Krugman. Modelle in den Standard-Lehrbüchern haben sich sehr gut entwickelt. Das Problem ist, dass die politischen Entscheidungsträger entschlossen waren, diese Grundmodelle zugunsten von alternativen Ansätzen, die innovativ, spannend und völlig falsch waren, zurückzuweisen, argumentiert Krugman.

In Amerika sind das Weisse Haus und die Fed dem Standard Keynesianismus treu geblieben. Inzwischen ignoriert die US-Notenbank die ominösen Warnungen, dass der US-Dollar vollkommen entwertet werde.

In Europa hingegen waren die politischen Entscheidungsträger bereit und eifrig, Standardbücher über die Volkswirtschaftslehre zugunsten von neuen Ansätzen aus dem Fenster zu werfen.

Die Europäische Kommission hat eifrig die angebliche Evidenz für „expansive Sparpolitik“ (expansionary austerity) aufgegriffen.  Die EZB hat die Warnungen vor Inflation sich zu Herzen genommen und die Zinsen 2011 angehoben, obwohl die Arbeitslosigkeit noch auf hohem Niveau verharrte.

Europäische Politiker suchten nach Rechtfertigungen, um den harschen Kurs aus politischen und ideologischen Gründen den Schuldnerstaaten entschlosen aufzuerlegen.  Und sie verehrten Ökonomen wie Harvard’s Alberto Alesina, Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, die diese Rechtfertigung bereitzustellen liefern schienen. Wie es sich herausstellte, war die spannende neue Forschung zutiefst fehlerhaft, auf eine oder andere Weise, erklärt Krugman weiter.

Und während neue Ideen abgestürzt sind und brennen, gewinnt die old-time Volkswirtschaftslehre nach und nach an Kraft.

Der Punkt ist laut Krugman, dass es falsch ist, zu behaupten, dass die Wirtschaftspolitik gescheitert sei, weil die ökonomische Theorie nicht hervorragende Orientierungshilfe geboten habe, die die Politiker gebraucht hätten. In der Wirklichkeit hat die Theorie ausgezeichnete Handlungsempfehlungen geboten, wenn nur die Politik ein offenes Ohr gehabt hätte. Die Politiker waren leider nicht bereit, hinzuhören. Und sie sind heute immer noch nicht so weit.

Wenn Sie sich wirklich deprimiert über die Zukunft Europas fühlen wollen, lesen Sie den Meinungsartikel von Wolfgang Schäuble, dem deutschen Finanzminister in NYTimes am Mittwoch. Es ist eine glatte Ablehnung von allem, was wir über die Makroökonomie wissen, und von allen Erkenntnissen, die die europäische Erfahrung in den letzten fünf Jahren bestätigt. In der Welt von Schäuble führt die Austerität zum Vertrauen, Vertrauen schafft Wachstum und wenn es in Ihrem Land nicht funktioniert, dann ist es so, dass Sie es nicht richtig machen.

Zurück zu der Frage der neuen Ideen und ihrer Rolle in der Politik legt Krugman dann dar, dass es schwer sei, gegen die neuen Ideen im Allgemeinen zu diskutieren. In den letzten Jahren waren jedoch innovative wirtschaftliche Ideen, weit davon entfernt, eine Abhilfe zu schaffen, sondern ein Teil des Problems. 

Hätten wir an der Makroökonomie aus der alten Zeit, die besser ist als je zuvor, festgehalten, wären wir heute viel besser dran, hält Krugman als Fazit zu der in der amerikanischen Blogosphäre erneut entfachten Diskussion über die Rolle der Wirtschaftsmodelle im Zuge der Great Recession fest.

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