Dienstag, 31. März 2015

Hall of Mirrors

Buchbesprechung:

Barry Eichengreen: Hall of Mirrors: The Great Depression, The Great Recession, and the Uses – and Misuses – of History, Oxford University Press, London, New York, 2015.


Queen Elizabeth II, die englische Königin hat im November 2008 an der London School of Economics (LSE) aufgrund der dramatischen Ereignisse an den Finanzmärkten gefragt, warum niemand die Krise hat kommen sehen.

Die Frage ist mehr als berechtigt und vernünftig, da die Great Recession (2008-2009) und die Great Depression (1929-1933) im Zusammenhang stehen und die zwei grössten Finanzkriesen unseres Zeitalters darstellen.

Die unübersehbaren Parallelen (Kredit-Booms, zweifelhafte Banking-Praktiken und ein fragiles globales Finanzsystem usw.) zwischen diesen Abschnitten sind zudem im Kreis von Menschen mit Verantwortung für die Wirtschaftspolitik gut bekannt. Der praktische Ansatz, die Krise aus der Perspektive der 1930er Jahre zu betrachten, wurde beispielsweise am Anfang von Ben Bernanke, dem Fed-Präsidenten und Christina Romer, der Wirtschaftsberaterin des Präsidenten Obama augenfällig vorgestellt.

Dass die Erfahrung aus der Great Depression die Wahrnehmung und die Reaktion auf die Great Recession geprägt hat, ist weitverbreitet. Aber zu verstehen, wie die Geschichte daraus gebraucht und missbraucht wurde, erfordert einen genauen Blick nicht nur auf die Depression, sondern auf die Entwicklungen seither, bemerkt Barry Eichengreen im Vorwort seines neuen, grossartigen Buches.

Der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor geht daher vorerst auf die 1920er Jahre zurück und erläutert, wie Regierungen und Märkte auf solche Finanzkrisen im Allgemeinen reagieren, und zwar unabhängig davon, ob die Amtsleute dabei wie Herbert Hoover Englisch oder wie Heinrich Brüning Deutsch sprechen.

Montag, 30. März 2015

Wenn der ehemalige Fed-Präsident bloggt

Bernankes Blogging ist in aller Munde. Der ehemalige Fed-Chef nimmt in seinem ersten Blog-Eintrag die US-Notenbank in Schutz: Die Fed hält die Zinsen nicht künstlich niedrig, so der Grundtenor. Die Sparer sind nicht die Verlierer. Ersparnisse werden durch die Fed nicht geschreddert.

Bernanke artikuliert sich klar und wiederholt im Grunde genommen einige derselben Argumente, die Paul Krugman in diesem Zusammenhang in seinem Blog macht, und zwar seit einer graumen Zeit.

Der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht dennoch zwei Aspekte: Erstens ist das Bild der kleinen Dame, die abhängig vom Sparkonto von der Hand in den Mund lebt, eine Fiktion. Die meisten pensionierten Amerikaner sind für den Grossteil ihres Einkommens auf die Social Security angewiesen und beziehen sehr wenig Zinseinkünfte.

Der Rückgang der Zinsen betrifft daher in erster Linie nur eine Minderheit der sehr wohlhabenden Senioren.

Bernanke bloggt, warum die Zinsen so niedrig sind

Die Zinssätze sind zur Zeit auf der ganzen Welt niedrig, sowohl kurzfristig als auch langfristig. Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit beträgt rund 1,96%. In Deutschland beläuft sich die Rendite mit der vergleichbaren Laufzeit auf 0,20%. Und in der Schweiz ist sie sogar negativ.

Ben Bernanke hat neulich ein eigenes Blog lanciert. Der ehemalige Präsident der US-Notenbank (Fed) befasst sich in seinem ersten Blog-Eintrag mit der Frage, warum die Zinssätze so niedrig sind.

Niedrige Renditen sind aber laut Bernanke keine kurzfristige Abweichung, sondern Teil eines langfristigen Trends. Die Entwicklung der Zinsen ist i.d.R. vom Anstieg und dem Rückgang der Inflation abhängig. Ist die Inflation hoch, verlangen die Investoren einen höheren Zinssatz, um sich gegen die sinkende Kaufkraft zu schützen. Heute ist aber auch die Rendite der inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS) sehr niedrig: Die Realrendite der US-Treasury Bonds mit 5 Jahren Laufzeit notiert derzeit auf minus 0,34 Prozent.

Fragt man eine Person auf der Strasse, warum die Zinsen heute so niedrig sind, bekommt man als Antwort, dass es die Fed sei, die die Zinsen niedrig halte. Es ist zwar richtig, dass die Fed die kurzfristigen Zinsen festlegt: Die Fed-Politik ist die primäre Determinante der Inflation und der Inflationserwartungen über einen längeren Zeitraum, wie Bernanke hervorhebt.

Worauf es aber für die Wirtschaft ankommt, ist der Realzins (d.h. um die Inflation bereinigte Zinssatz). Am wichtigsten ist der Realzins für Investitionsentscheidungen.


US Zinsen und Inflation, Graph: Prof. Ben Bernanke 

Samstag, 28. März 2015

US-Importpreise aus China, Japan und Europe

Das ist eine bemerkenswerte Abbildung, die zeigt, dass die chinesischen  Importpreise aus Sicht der amerikanischen Wirtschaft zuletzt nicht so wie die japanischen und europäischen  Importpreise gefallen sind.

Die Entwicklung legt nahe, zu erklären, warum es zuletzt nicht zu einem wesentlichen Rückgang der Güterpreise (core goods), die von dem amerikanischen Konsumentenpreis-Index erfasst werden, gekommen ist, wie die Analysten von Morgan Stanley in einer gestern vorgestellten Studie unterstreichen.

Die gegenwärtigen chinesischen Importpreise implizieren daher nur eine geringfügige Deflation in Bezug auf die Kern-Güter (Gewichtung von 50% im core CPI) im amerikanischen CPI-Index, die auf die Importpreise aus China empfindlich sind.


US-Importpreise aus China, Japan und Europe, Graph:  Morgan Stanley

Kern-Güter (core goods CPI) machen rund 20% der allgemeinen Inflation (headline CPI) in den USA aus.

Freitag, 27. März 2015

Deflation, Abwertung und Reflation

Die Inflation fällt auf der ganzen Linie weiter. Im November gab es laut Morgan Stanley 16 Länder, in denen die Inflationsrate höher lag als noch vor einem Jahr. Heute sind es nur noch 5 Länder: Es betrifft die Währungen RUB, BRL, CLP, COP and SEK.

Insbesondere die Eurozone schimmert Reflationspolitik, während fallende Rohstoffpreise Niedriginflation (lowflation) verschärfen.

Europa profitiert viel von dem schwächeren Euro, der mit einer de facto Pause in Sachen Austeritätspolitik einhergeht, schreibt Paul Krugman in NYTimes.


Das Thema Deflation bleibt im Brennpunkt, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 26. März 2015

Interview: Prof. Larry Ball, Johns Hopkins University

Laurence Ball is a professor of economics at Johns Hopkins University


How reasonable is it to stick to the Fed’s choice of 2% inflation targeting per year in a depressed economy like today?

It is not reasonable. The primary goal of policy should be to restore full employment, which is still far away. It does not matter very much whether inflation is 2% or somewhat higher.

What is your take on the suggestions for the Fed to add “a healthy rate of nominal wage growth” to the list of monetary policy objectives?

I certainly think it would be desirable to have more rapid wage growth, but I am not sure whether it makes sense for the Fed to target that variable directly. The main way the Fed can contribute to a healthy economy is to promote strong growth in output and employment.

Warum die Fed eine hohe Inflation dulden kann

Die Fed soll die kurzfristigen Zinsen lange genug nahe null halten bis die Arbeitslosigkeit unter 5% fällt, auch wenn es bedeutet, dass die Inflation üben den Zielwert von 2% der Fed hinausgeht, sagt Larry Ball laut einem Bericht von Pedro Nicolaci da Costa in WSJ.

Der an der Johns Hopkins University lehrende Wirtschaftsprofessor argumentiert, dass die Fed dafür sorgen soll, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Die Fed kann ruhig zulassen, dass die Arbeitslosenquote deutlich unter 5% fällt, zumindest vorübergehend.

Das könnte dazu beitragen, dass einige entmutigte Arbeitnehmer wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen und die Langzeitarbeitslose einen Job finden, so Prof. Ball in einer neulich vorgelegten Studie.


Die Fed unterläuft das eigene Inflationsziel (inflation targeting) seit fast drei Jahren, Graph: WSJ 

Mittwoch, 25. März 2015

Inflationssteuerung als geldpolitische Massnahme in Depression

Seitdem die Zentralbanken im Kampf gegen die Great Recession auf unkonventionelle Mittel zurückgriffen, steht auch Sinn und Zweck der direkten Inflationssteuerung  im Mittelpunkt des Interesses, v.a. wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist und die Nominalzinsen nahe null (zero lower bound) liegen.

Es handelt sich dabei um einen von der Zentralbank veröffentlichten Zielwert oder Zielkorriodor, der mit dem Ziel der Geldwertstabilität als vereinbar betrachtet wird. Da die Inflationsrate nicht direkt angesteuert werden kann, sind Inflationsprognosen dazu notwendig. Die Mehrzahl der Zentralbanken (wie z.B. Fed, EZB und SNB) vergleicht heute Inflationsprognosen mit der angestrebten Zielwert von 2 Prozent.

Warum 2%? Kann es sein, dass die avisierte Inflationsrate von 2% unter gewissen Umständen (z.B. in einer Liquiditätsfalle und/oder auf Nullzins-Grenze) zu niedrig ist?

Die Entscheidung der US-Notenbank Mitte der 1990er Jahre eine Zielinflationsrate von 2% festzulegen, hing damals von drei Tatsachen, oder besser gesagt von drei Dingen ab, die damals als Fakt gehalten wurde, schreibt Brad DeLong in seinem Blog.

Dienstag, 24. März 2015

Audit the Fed – Surreale Geldpolitik der Parteigänger

Einige amerikanische Politiker, die als Vorwand die Meinung vertreten, dass die Fed sich mit dem QE-Programm im Kampf gegen die Great Recession zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, wollen unter dem Motto „Audit the Fed“ nach dem eigenen Gutdünken den Handlungsspielraum der US-Notenbank beschränken.

Senator Rand Paul, die führende Persönlichkeit der Bewegung „Audit the Fed“, erklärt das Ziel wie folgt: Die Amerikaner sollen genau informiert werden, wie ihr Geld in Washington aufgewendet wird. Eine Bemerkung: Pauls Vater hat die Bewegung „End the Fed“ ins Leben gerufen.

Natürlich kontrolliert die Fed nicht, wie das Geld in Washington ausgegeben wird, unterstreicht David Andolfatto in seinem Blog zu dem Thema.

Die Fed druckt Geld, um Staatsanleihen zu kaufen. Manchmal verlängert sie Kredite gegen erstklassige Sicherheiten (colateral). Alles, was man über die Kredite, die die Fed vergibt und die Wertpapiere, die die Fed kauft, ist öffentlich zugänglich, hebt der Vize-Präsident der Fed St. Louis hervor.

Das heisst im Grunde genommen, dass Pauls Initiative mit dem Gesetzesvorschlag von Anfang an im Sand verläuft.

EZB’s Engagement in Griechenland und Arbeitslosigkeit

Mario Draghi hat gestern vor Abgeordneten des Europäischen Parlaments unterstrichen, dass die Abhängigkeit der griechischen Banken von der Finanzierung via EZB zugenommen hat.

EZB-Präsident hat zugleich betont, dass die EZB sich in Griechenland mit 104 Mrd. EUR engagiert habe, was 65% des griechischen BIP entspreche.

Draghi hat die Kritik (insbesondere aus Deutschland via Jens Weidmann, Bundesbank-Präsident) zurückgewiesen:

Es sei zweifelhaft, dass ein Rückgang der Kreditkosten für die Mitgliedstaaten in der Eurozone den Appetit auf Strukturreformen automatisch schwäche: „Glauben Sie wirklich, dass ein hohes Zinsniveau einen Anreiz für eine Regierung bieten würde, das Bildungssystem oder die Justiz oder das Wahlsystem zu verbessern?“, so Draghi.


Wann erholt sich die Wirtschaft in der Eurozone?, Graph: FT in: Eurozone Recovery, March 23, 2015

Sonntag, 22. März 2015

Escape from Balance Sheet Recession

Buchbesprechung:

Richard Koo: The Escape from Balance Sheet Recession and the QE Trap, Wiley, Singapore, 2015.


Ich habe dieses Buch geschrieben, um Europa zu retten, sagt Richard Koo in 
einem aktuellen Interview mit Finanz und Wirtschaft im März 2015.

In seinem neuen Werk beschreibt Chefökonom von Nomura Research Institute, was unter einer Bilanzrezession (balance sheet recession) zu verstehen ist und welche Erfahrungen Japan in den 1990er Jahren damit gemacht hat.

Koo unterscheidet zwischen zwei Arten von Rezession. Die gewöhnliche Rezession ist die Art von konjunkturellem Abschwung, den die Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kennt. 

Der Auslöser ist i.d.R. eine zu restriktive Geldpolitik der Zentralbank. Die seltene, aber gefährlichere Art von Rezession ist die sog. Bilanzrezession, die durch eine Preisblase entsteht, welche wiederum von einer übermässigen Kreditübernahme im Privatsektor angetrieben wird:

Unternehmen und Verbraucher erleiden massive Vermögenseinbussen. Das ist eine  Situation, in der jeder versucht, seine Vermögenswerte zu verkaufen, um Schulden abzubauen, und auf diese Weise die eigene Bilanz zu sanieren. Wenn die Mehrzahl von Wirtschaftssubjekten im Privatsektor gleichzeitig versucht, die Bilanz durch Schuldenabbau (deleveraging) in Ordnung zu bringen, kommt es zu einem deflationären Schub, da es an Nachfrage mangelt.

Die Frage ist aber, welcher Art von Stimulus es bedarf, um die Nachfragelücke zu schliessen, vor allem während der Prozess des Schuldenabbaus im Privatsektor anhält. Schliesslich kann eine Volkswirtschaft als Ganzes nicht sparen. Jemand muss das angesparte Geld aufnehmen, d.h. sich verschulden, um es zu investieren. Da der Privatsektor für die Ersparnisse keine Verwendung findet, kann die öffentliche Hand in die Bresche springen, z.B. mit Ausgaben für die Infrastruktur.

Das neue Schlagwort von Janet Yellen

Die Zusage des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der Fed, „geduldig“ (patient) zu sein, um die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität einzuläuten, gehört inzwischen der Vergangenheit an. Auch die Hinweise wie „beträchtliche Zeit“ (considerable time) und „Schwelle (threshold) für die Arbeitslosigkeit, die in diesem Zusammenhang gemacht wurden, gelten nicht mehr.

Das neue Schlagwort (buzzword), das von Janet Yellen geprägt wird, lautet „recht zuversichtlich“ (reasonably confident). Damit beschreibt der FOMC unter der Regie von Yellen die Notwendigkeit, die gespürt werden müsse, um ziemlich sicher zu sein, dass die Inflation auf dem Weg zurück in Richtung von 2%-Zielwert ist, bevor die Zinsen erhöht werden (liftoff).

Auf der Pressekonferenz am 18. März 2015 hat die Fed-Chefin erläutert, was „reasonably confident“ bedeutet. Sie habe keine mechanische Antwort. Aber es gebe vier Ziele, auf die es ankomme:

(1) Arbeitsmarkt

Ein erholter Arbeitsmarkt mit wenig Flaute (slack) ist ein Faktor, der tendenziell ihre Zuversicht erhöhen würde, so die Vorsitzende der US-Notenbank.

Ein Messwert für die Schwäche des Arbeitsmarktes ist die Arbeitslosenquote, die im Februar auf 5,5% lag. Der FOMC hat nun ihre Schätzung in Bezug auf die längerfristige Arbeitslosigkeit (NAIRU: non-acceleration inflation rate of unemployment) auf 5-5,2% nach unten korrigiert.


US-Kerninflation, Graph: Bloomberg in: “Yellen is watching these four indicators for signals on when to raise rates

Samstag, 21. März 2015

Auch Deflation hängt von Angebot und Nachfrage ab

John Cochrane verweist in seinem Blog auf eine neue Forschungsarbeit über Deflation ("The costs of deflations").

In der von der BIS (Bank for International Settlements) veröffentlichten Analyse kommen die Autoren zum Schluss, dass die Preis-Deflation in der Vergangenheit sowohl mit positiven als auch mit negativen Wachstumsraten zusammengefallen ist.

Ein Vergleich aller Inflation- und Deflation-Jahren legt nahe, dass das Wachstum unter dem Strich in Inflation-Jahren nur etwas höher lag. Die Differenz in den durchschnittlichen Wachstumsraten ist nur während der Zwischenkriegszeit am höchsten und statistisch signifikant, insbesondere im Zeitraum 1929-38, einschliesslich der Great Depression.

In der Tat war die Wachstumsrate in der Nachkriegszeit, wo eine transitorische Deflation vorherrschte, höher als als in Deflation Jahren: 3,2% versus 2,7%.

Die Sorge betrifft heute nicht eine scharfe grosse Deflation wie in den 1930er Jahren, sondern eine moderate, aber anhaltende Deflation wie Japan sie in den 1990er Jahren erlebt hat, unterstreicht Cochrane.



Korrelation zwischen Deflation und dem schwachen Wirtschaftswachstum, Graph: BIS, Claudio Borio, Magdalena Erdem, Andrew Filardo and Boris Hofmann, March 2015

Renditen für deutsche Staatsanleihen auf Rekordtief

Obwohl das Staatsanleihenkaufprogramm (PSPP) der EZB vor rund zwei Wochen gestartet wurde, sind die Auswirkungen kaum übersehbar: Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit hat sich inzwischen halbiert und einen neuen historischen Tiefstand erreicht.

Der Rendite-Rückgang in Europa ist umso bemerkenswerter, als sie nun unter dem Niveau der Rendite der vergleichbaren japanischen Staatsanleihen gehandelt werden.


Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit hat sich halbiert, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 20. März 2015

Rezessionen in der Zeit der Postmoderne

Richard Koo unterscheidet zwei Arten von Rezession: Während die gewöhnliche durch eine zu restriktive Geldpolitik der Zentralbank verursacht wird, entsteht die andere, genannt Bilanzrezession, durch eine Preisblase im Zuge einer übermässigen Kreditaufnahme im Privatsektor.

Die Frage im Anschluss ist natürlich, wie die Nachfragelücke geschlossen werden kann. Das heisst, welche Art von Stimulus man braucht, um Vollbeschäftigung in einer voll ausgelasteten Wirtschaft zu erreichen.

Die Art von wirtschaftlicher Erholung aus einer Rezession, die man erwartet, hängt von den Quellen dieser Rezession ab, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog.

Der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor hatte bereits vor dem Niedergang von Lehman Brothers geschrieben, dass heute zwischen modernen und post-modernen Rezessionen unterschieden werden muss.

Vor der Zeit der Great Moderation wurden Rezessionen durch die Fed verursacht, durch Zinserhöhung, um die Inflation zu senken, und dann durch die Lockerung der geldpolitischen Zügeln, um eine V-förmige Erholung herbeizuführen.

In der Zeit der Great Moderation, wo die Inflation niedrig und stabil war, wurde dann zugelassen, dass die Booms ihren Verlauf nahmen, sodass die Rezessionen aus dem sich übernommenen Privatsektor hervorgingen. Und die Fed hatte es viel schwerer, für eine Erholung der Wirtschaft zu sorgen, erklärt Krugman. Das trifft v.a. für die Zeit nach 2007 zu, nachdem die Nominalzinsen an die eine Art Null-Grenze gerieten (zero sort-of lower bound).


US-Leitzins und Kern-Inflation, Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes

Warum Unterbietung des Inflationsziels eine Fehlentwicklung ist

Die US-Inflation hat im Januar mit minus 0,2% zum ersten Mal seit Oktober 2009 einen negativ Wert verbucht. Auch die annualisierte Inflationsrate gemessen am PCE-Index verläuft seit mehreren Monaten unter dem Inflationsziel der US-Notenbank.

Eine Deflationsgefahr ist entfernt, aber wenn die niedrige Inflation weiter anhält, dürfte es für die US-Wirtschaft sehr unangenehm werden, die nächste Rezession zu bekämpfen, schreibt Greg Ip in einem lesenswerten Artikel in WSJ. Weil die Fed über zu wenig Mittel verfügen würde, um den Abschwung anzupacken. Eine Stagnation à la Japan in den 1990er Jahren wäre laut Ip durchaus denkbar.

Warum droht aber eine niedrige Inflation, die Handlungsfähigkeit der Fed zu beschränken? Die Fed steuert Ausgaben in der Wirtschaft mit dem Einsatz von Realzinsen, d.h. Nominal-Zinsen minus Inflationsziel.

Im historischen Vergleich sorgt ein Realzins von rund 2% für eine vollständige Auslastung in der Wirtschaft, ohne Inflationsdruck zu erzeugen. Bei einem Inflationsziel von 2% der Fed würde sich daraus ein Nominalzins von 4% ergeben. Das bedeuet, dass die Fed einen Spielraum von 4% hat, um auf Schocks zu reagieren. Die Fed kann daher den Realzins bis auf minus 2% senken.



US-Notenbank unterläuft das eigene Inflationsziel, auch gemessen an Kerninflation, Graph: Greg Ip in: WSJ

Donnerstag, 19. März 2015

Schwedens Negativzinsen und Ökonomenstreit

Die schwedische Zentralbank hat Zinsen weiter gesenkt: Der Leitzins wurde um 0,10% auf minus 0,25% reduziert. Zugleich hat die Riksbank gestern in Stockholm mitgeteilt, dass sie den Ankauf von Staatsanleihen auf 30 Mrd. SEK (rund 3,2 Mrd. EUR) erhöhen will. Im Februar hatte sie noch ein Anleihekaufprogramm von 10 Mrd. SEK angekündigt.

Die Riksbank versucht, mit unkonventionellen Massnahmen wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Zentralbank von Dänemark die Deflationsgefahr abzuwehren. Die SEK hat im vergangenen Monat um 4% gegenüber dem EUR an Wert gewonnen. Die schwedische Inflationsrate hat zum ersten Mal seit sieben Moanten im Februar annualisiert einen positiven Wert verbucht.

Die Riksbank will nach eigenen Angaben minus 0,25% bis in die zweite Jahreshälfte von 2016 beibehalten. Bemerkenswert ist, dass Per Jansson, Vize-Gouverneur der Riksbank vor zwei Tagen in einem Interview („Krugman is told to read more, write less“) mit Bloomberg versucht hat, die unhaltbare Geldpolitik zu verteidigen. Gemeint ist die Straffung der geldpolitischen Zügeln im Sommer 2010 bzw. Sommer 2011, als die schwedische Zentralbank die Zinsen von 0,25% auf 2% anhob.

Dass das ein Armutszeugnis ist, erläutert Lars E.O. Svensson, der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Riksbank in seinem Blog ausführlich.


Riksbank: Schweden‘s Leitzinsen, Graph: WSJ

Wirtschaftspolitische Konzeption hinter den Niedrigzinsen

Martin Wolf geht in seiner Kolumne („Strong currents that keep interest rates down“) am Dienstag in FT auf das Phänomen der Niedrigzinsen ein.

Die ultra-niedrigen Zinsen sind nicht ein Komplott der Zentralbanken, sondern eine Folge der kontraktiven Kräfte in der Weltwirtschaft, schreibt Chef-Kommentator der Financial Times aus London.

Diejenigen, die auf einen Anstieg der Zinsen wetten und einen ungeordenten Rückzug aus den Anleihemärkten erwarten, werden bitter enttäuscht sein. Denn die historisch niedrigen Zinsen dürften noch eine ganze Weile bestehen bleiben, so Wolf.

Als die plausibelste Erklärung für die Niedrigzinsen nennt der britische Ökonom (1) eine Flut von Einsparungen (glut of savings) und (2) ein Mangel an guten Investitionsprojekten.

Was im Artikel leider nicht ausschliesslich erwähnt wird, sind Nullzinsgrenze (zero lower bound) und Fiscal Austerity. Für die Austeritätspolitik ist v.a. die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik (supply-side economics) verantwortlich, die über dem Euro-Raum wie ein Damoklesschwert hängt.


USA versus Euro-Raum, Realzinsen (gemessen an inflationsgeschützten Staatsanleihen) und Inflationserwartungen, Graph: Martin Wolf in FT

Mittwoch, 18. März 2015

Einlagenabflüsse in Griechenland

Banken aus Europa haben ihre Exposition in Griechenland inzwischen erheblich abgebaut, von rund 200 Mrd. EUR zu Beginn des Jahres 2010 auf rund 35 Mrd. EUR Ende 2014.

Aus dieser Sicht erscheint Griechenlands Situation heute nicht (mehr) systemisch zu sein. Da aber griechische Sparer ihr Geld in Sicherheit bringen wollen, bleibt das Risiko eines Ansturms auf Banken (bank run) aufgrund der steigenden Einlagenabflüssen bestehen.


Exposure der europäischen Banken in Griechenland ist inzwischen erheblich reduziert, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 17. März 2015

Phänomen der Negativrenditen im historischen Vergleich

Wenn alle Wirtschaftssubjekte gleichzeitig auf Sparpolitik setzen, führt die geringere Nachfrage zu geringerem Wachstum. Die Wirtschaft stagniert und Arbeitslosigkeit nimmt zu.  Und die Zinsen fallen in einem von einer restriktiven Fiskalpolitik und Nachfrageschwäche geprägten Umfeld.

Das Volumen von Staatsanleihen mit Negativrendite beläuft sich mittlerweile nach Angaben von JPMorgan auf mehr als 2‘000 Mrd. USD. Das Phänomen der negativen Renditen wirft u.a. die Frage auf, ob sich unterdessen eine Blase (bond market bubble) am Anleihenmarkt gebildet hat. Schliesslich kaufen Menschen Anleihen auf lange Sicht, um in vielen Fällen weniger zu bekommen als die Zielinflationsrate von 2% der Zentralbanken.

Während der Privatsektor mit Schuldenabbau (deleveraging) beschäftigt ist, kommt es mit dem Start des Kauf-Programms der EZB in Europa sogar zu einer Verknappung von als sicher wahrgenommenen Staatsanleihe.

Mario Draghi hat mitgeteilt, dass die EZB beim Kauf von Anleihen bis zum Einlagezinssatz (der zur Zeit bei minus 0,20% liegt) runter gehen will, was das Renditeniveau betrifft, was im Grunde genommen einem Kursverlust entspricht, wenn die Anleihe bis zur Endfälligkeit gehalten wird.


Verlauf der Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 2, 3, 5, 7 und 10 Jahren Laufzeit, Graph: ZKB

Weltanschauungen und Niedrigzinsen

Die Niedrigzinsen machen nicht nur langfristige Geldanlagen wenig attraktiv, sondern verhindern auch Wirtschaftswachstum, sagt Bill Gross, der amerikanische Fondsmanager.

Das heisst, dass die Niedrigzinspolitik demnach (1) eine Gefahr für langfristige Investoren wie Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen darstelle, und (2) die Sparer, die um die Erträge ihrer Ersparnisse gebracht würden, in eine Notlage geraten lasse. Schliesslich lebe Kapitalismus von der Aussicht auf eine Rendite.

Das ist natürlich völlig aus der Luft gegriffen.  Es ist nicht die Geldpolitik der Notenbanken, sondern die von einer bestimmten Weltanschauung geprägte Wirtschaftspolitik, die Unsicherheiten schafft und Vermögenspreis-Blasen fördert.

Wer hat eine Welt geschaffen, in der niedrige Zinsen nur zu Spekulation führen und nicht zu Investitionen? Wer hat denn die Regulierungen beseitigt, um den Banken den Weg in die Finanzmärkte freizumachen? Waren das die Notenbanken oder waren es die Parlamente? Wer hat die Arbeitsmärkte „liberalisiert“, so dass heute niedrige Zinsen keine positiven Einkommens- und Nachfrageerwartungen schaffen können? So lautet die lesenswerte Stellungnahme von Heiner Flassbeck dazu in seinem Blog.


Investoren haben in Staatsanleihen mit Negativ-Renditen v.a. in Europa inzwischen mehr als 2‘000 Mrd. USD gesteckt, Graph: FT

Montag, 16. März 2015

Wie Staatsanleihen Analysten und Investoren zum Narren machen

Hier eine bemerkenswerte Abbildung, die Joseph Weisenthal via Bloomberg liefert. Im Chart ist zunächst einmal der Verlauf der Rendite der US-Staatanleihen mit 10 Jahren Laufzeit abgebildet.

Die Rendite lag vor dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 auf rund 5 Prozent. Heute notierte sie rund 2 Prozent.

Die punktierten Linien in Form von wehenden Flaggen (von links nach rechts oben steigend) stellen die Erwartungen der meisten Analysten an der Wall Street dar. Das heisst, dass die Analysten mit ihren Prognosen, dass die Renditen der US-Staatsanleihen steigen würden, in den vergangenen sechs Jahren stets gescheitert sind.

Wenn man eine einzige Prognose heraus suchen müsste, mit der Investoren und Analysten fast immer falsch zu liegen scheinen, ist die Richtung der Rendite der langfristigen US-Treasury Bonds. Analysten sagen seit Jahren steigende Renditen voraus. Doch setzen die Renditen den Abwärtstrend fort.


Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und die Prognosen der Analysten, Graph: Joe Weisenthal Bloomberg

Wie lange die Fed vor Straffung noch Geduld hat

Die Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der US-Notenbank am 17. /18. März steht ohne Zweifel im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses diese Woche. Das Augenmerk richtet sich v.a. auf das Signalwort „patient“ („geduldig“).

Die Frage aus Sicht von einer Vielzahl von Experten ist nämlich, ob die Fed das Wortpatient“ aus ihrer Erklärung zur Sitzung weglassen und damit eine mögliche Zinswende einläuten wird.

Die Fed dürfte mit dem Weglassen oder Abändern ihres Wortlauts einen weiteren Schritt in Richtung der ersten Zinserhöhung gehen. Wie lange wir aber bis zur ersten Zinserhöhung noch warten müssen, hängt von der aktuellen Datenlage ab, und wie die Fed sie bewertet, bemerkt Tim Duy in seinem Blog.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, zu beobachten, was der Shadow Funds Rate zur Zeit darüber aussagt? Der Satz beläuft sich per Ende Februar 2015 auf minus 1,97%.

Das ist ein von der Fed Atlanta ermittelter Messwert, der basierend auf die Rendite der US-Staatsanleihen zeigt, wo die Tagesgeldsätze (overnight rates) liegen sollten, wenn sie nicht unter null fallen können.


Der Shadow Federal Funds Satz, Graph: Wu-Xia Fed Atlanta

Samstag, 14. März 2015

Der starke Dollar und der schwache Euro

Der EUR ist gegenüber dem USD auf den tiefsten Wert seit 12 Jahren gesunken. Die allgemeine Erwartung ist, dass die Gemeinschaftswährung im Sog der PSPP-Politik (Anleihekaufprogramm) der EZB weiter an Wert verliert.

Die Entwicklung hat mit der relativen Stärke des USD zu tun. Während die Fed sich anschickt, die Geldpolitik wieder zu normalisieren, startet die EZB eine mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (sprich: QE, quantitative easing).

Das letzte Mal, als USD mehr kostete als EUR, war im Dezember 2002, fast drei Jahre nach der Einführung der Gemeinschaftswährung Europas. Danach ist EUR bis auf 1,59 USD hoch geklettert. 

Alan Greenspan, Fed-Präsident hat sich sogar 2007 gewundert, ob EUR den USD ersetze. Gisele Bundchen hat darauf beharrt, ihre Gage in EUR auszahlen zu lassen in USD, wie Matt O‘ Brien in einem lesenswerten Artikel in WaPo  zusammenfasst.

Heute ist ein EUR gleich 1,0496 USD. Der EUR hat sich gegenüber dem USD in weniger als ein Jahr um 24% abgewertet. Während die Rendite der Staatsanleihen in EUR (German Bund) rund 0,25% beträgt, werfen US-Staatsanleihen (US-Treasury) eine Rendite von 2,1% ab. Die Arbeitslosigkeit ist in den USA auf 5,5% gefallen. In der Eurozone hingegen bleibt sie auf einem hohen Niveau von 11,2%.


Euro ist auf 12-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar gefallen, Graph: Matt O`Brien in WaPo