Freitag, 2. Mai 2014

Warum ist die Volkswirtschaftslehre durchgefallen?

Paul Krugman schreibt in seiner lesenswerten Kolumne („Why Economics Failed“) am Freitag in NYTimes, dass er am Mittwoch beim Abschluss seiner Vorlesung „The Great Recession“ die quälende Frage stellen musste, warum die Volkswirtschaftslehre durchgefallen ist, und zwar gerade dann, wo sie am meisten gebraucht wurde?

Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises will damit nicht sagen, dass die Volkswirtschaftslehre für die Politik nutzlos war. Das Lehrbuch Makroökonomie hat sich seit dem Fall von Lehman Brothers sehr gut geschlagen, während einige Ökonomen die Krise kommen sahen, hält der von Princeton nach New York (CUNY) wechselnde Ökonom fest.

In welchem Sinn hat die Volkswirtschaftslehre aber gut funktioniert? Ökonomen, die die Lehrbücher ernst nahmen, diagnostizierten die Art der Wirtschaftsmisere schnell: Wir erleiden eine unzureichende Nachfrage in einer schwer angeschlagenen (depression) Wirtschaft.

Und die Diagnose hatte klare politische Implikationen. Es war kein Zeitpunkt, um sich über Haushaltsdefizite Sorgen zu machen und die Ausgaben der öffentlichen Hand zu kürzen: Ganz im Gegenteil, wir brauchten mehr Staatsausgaben, nicht weniger, um die Lücke, die wegen der Konsumflaute der privaten Haushalte entstanden ist, zu schliessen.

Aber wir sehen seit 2010 einen starken Rückgang der diskretionären Staatsausgaben und einen beispiellosen Rückgang der Haushaltsdefizite. Und das Ergebnis ist seither ein träges Wirtschaftswachstum und Langzeitarbeitslosigkeit auf einer Skala, die seit den 1930er Jahren nicht mehr gesehen wurde.



US Staatsausgaben in der Rezession von 2001 und in der Great Recession von 2008 im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman in: „The New Normal?“, April 2014

Warum haben wir aber unser Wirtschaftswissen nicht gebraucht, fragt Krugman weiter. Eine Antwort ist, dass die meisten Meschen die Logik der Politik in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft kontra-intuitiv finden.

Und sogar die angeblich gut informierten Menschen widersetzen sich der Vorstellung, dass eine einfach schwache Nachfrage so viel Schaden anrichten kann.

Sicherlich bestehen sie laut Krugman nun darauf, dass wir strukturelle Probleme hätten, wie z.B. Arbeitsnehmer, denen die richtigen Fähigkeiten (right skills) fehlen. Das hört sich ernst und intelligent an. Aber wie alle Beweise nahelegen, ist es völlig falsch.


Wo soll die Nachfrage herkommen, wenn die privaten Haushalte und der Staat gleichzeitig die Ausgaben senken, Graph: Prof. Paul Krugman in: „The New Normal?“, April 2014

Die Defizit-Panik wurde von starken politischen Fraktionen, die auf die Demontage des sozialen Netzes hinaus sind, als einen wirksam Weg gefördert, um eigene politische Tagesordnung durchzusetzen.

Und solche Leute wurden als die „trashion des nerds“ unterstützt und angestiftet, beschreibt Krugman weiter: Das ist die Bereitschaft von einigen Ökonomen, die den Menschen mit Macht erzählen, was sie gern hören wollen, z.B. dass die Kürzung der Staatsausgaben wegen der damit ermöglichten Vertrauensgewinnung in der Tat expansiv sei oder dass die Staatsverschuldung auf das Wirtschaftswachstum irgendwie nachteilig auswirke, selbst wenn die Zinsen niedrig verlaufen.

Was auch immer die Gründe für den Beiseite-Schub der Grundlagen der Volkswirtschaftslehre (VWL) sind, ist das Ergebnis bislang tragisch gewesen. Wir haben das Wissen und die Instrumente, um Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Aber die politischen Entscheidungsträger finden immer wieder Gründe, nicht das Richtige zu tun, fasst Krugman als Fazit zusammen.




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