Samstag, 31. Mai 2014

House of Debt

Buchbesprechung:

Atif Mian & Amir Sufi: House of Debt. How They (and You) Caused the Great Recession, and How We Can Prevent It From Happening Again, University of Chicago Press, Chicago, 2014.


Die Wirtschaftspolitik seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 war auf beiden Seiten des Atlantiks ein kläglicher Misserfolg. Eine Wiederholung der Great Depression wurde zwar verhindert. Die wirtschaftliche Erholung verläuft aber seit fünf Jahren schleppend und die Langzeitarbeitslosigkeit ist heute höher als zu Beginn der Krise.

Die harschen Sparrmassnahmen (fiscal austerity) scheinen andererseits nicht der einzige Grund für die träge Erholung der Wirtschaft zu sein. Tatsache ist, dass die schwere Schuldenlast der privaten Haushalte, die die Konsumausgaben hemmt, wie ein Klotz am Bein der Wirtschaft wirkt.

Das zentrale Argument dieses hervorragenden Buches lautet, dass die Immobilienkrise in Kombination mit der übermässigen Verschuldung des Privatsektors die wesentliche Treiberin der Konjunkturschwäche ist.

Die Feststellung der Autoren, dass es auf die Verteilung der Verluste auf die Schuldner und Gläubiger ankommt, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Es hat vor diesem Hintergrund keinen Sinn, mit dem Finger auf die eine oder die andere Seite zu zeigen. Es braucht zwei für einen Tango. Ausserdem hat die ganze Problematik mit Moral Hazard nichts zu tun. Der grösste Fehler der Politik war, dass eine wichtige Massnahme, nämlich Schuldenabschreibung nicht energisch vorangetrieben wurde. Mian und Sufi unterstreichen immer wieder, dass die Obama Regierung, v.a. aber der Finanzmininster Tim Geithner sich um einen Schuldenerlass nicht redlich bemüht hat.

Dabei kommt es auf die Differenzen in der Grenzneigung des Konsums (marginale Konsumquote) an, heben die Autoren hervor. Das heisst, dass die Verteilung der Verluste auf die reichen und armen Menschen entscheidend ist.

FDIC schliesst eine kleine Bank in Maryland

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Maryland geschlossen.

Damit ist in diesem Jahr die neunte Bankverstaatlichung vollzogen worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen im Jahr 2013 markiert mit 24 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 140,1 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 111,1 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank beträgt für die öffentliche Hand  schätzungsweise 6,6 Mio. $.

Bankpleiten:

2014: 9
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 30. Mai 2014

Globale Erwärmung und die Kosten für Massnahmen

Nächste Woche wird die Environmental Protection Agency Neuregelung der Begrenzung der Erderwärmung verkünden.

Obwohl wir die Details noch nicht kennen, sagen Anti-Umweltgruppen jetzt schon enorme Kosten und den wirtschaftlichen Untergang voraus. Glauben Sie ihnen nicht, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Cutting back on Carbon“) am Freitag in NYTimes.

Alles, was wir wissen, legt nahe, dass wir grosse Senkung der Treibhausgasemissionen zu geringen Kosten für die Wirtschaft erreichen können, unterstreicht der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Man braucht einfach die amerikanische Handelskammer zu fragen. Das ist aber nicht die Botschaft, die die amerikanische Handelskammer versucht, in einem Bericht, der am Mittwoch vorgelegt wurde, mitzuteilen, erklärt Krugman. Es soll damit den Eindruck hinterlassen werden, dass die EPA-Neuregelung Schaden anrichtet. Aber wenn man sich auf den Berichtsinhalt konzentriert anstatt auf die Rhetorik, entdeckt man, dass die Zahlen erstaunlich klein sind.

Der Bericht betrachtet insbesondere ein CO2-Programm, welches wesentlich ambitionierter ist als wir tatsächlich sehen werden. Und es kommt zu dem Schluss, dass das Programm zwischen heute und 2030 Kosten in Höhe von 50,2 Mrd. USD pro Jahr verursachen werde. Das soll wie eine grosse Sache klingen. Heutzutage ist es aber nicht viel Geld, so Krugman.

Die monetäre Entwicklung im Euro-Raum

Die Entwicklung der Geldmenge M3 im Euro-Raum ist rückgängig. Im April hat sich das Geldmengenaggregat um 0,8% zurückgebildet. Im drei Monate-Durchschnitt hat die Geldmenge M3 (d.h. M2 + Termineinlagen in EUR) um 1% abgenommen.

Im Unterschied zu Notenbankgeldmenge (monetary base) bestehen die Geldmengen M1, M2 und M3 hauptsächlich aus Geld, das die Banken geschaffen haben.

Der Rückgang des Geldmengenwachstums verdeckt, dass die gesamte Kreditvergabe im Euro-Raum (einschliesslich Regierungen) mit einer konstanten Rate von 2,2% (annualisiert) zurückgegangen ist.



Geldmenge und Kreditwachstum im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 29. Mai 2014

IWF-Bericht über Schweizer Wirtschaft und Franken

Der Internationale Währungsfonds (IWF) unterstreicht in einem gestern vorgelegten Bericht im Rahmen der sog. „Article IV Consultation“ über die Schweiz, dass die Schweizer Wirtschaft an Dynamik gewinnt, aber die Inflation nahe null bleibe.

Es gab laut IWF keine neue Interventionen am Devisenmarkt durch die Schweizer Nationalbank (SNB). Aber der Schweizer Franken (CHF)  hat als Zufluchtsort trotz des jüngsten Vertrauenszuwachs im Euro-Raum nicht an Attraktivität verloren, so der IWF.

Die Situation im Immobilienmarkt bleibe ausserdem kritisch. Die Kapitalstärkung und die Neustrukturierung der systemischen Banken seien trotz der inzwischen erfolgten Fortschritte immer noch nicht abgeschlossen.

Der IWF hebt hervor, dass die SNB zurecht am Mindestkurs als ein notwendiges Instrument der Geldpolitik festhalte, da die Inflation am Ende des als mit der Preisstabilität kompatibel definierten Bereichs verlaufe und ein erneuter Aufwertungsdruck auf den CHF deflationäre Kräfte wiederaufleben könnte.




Der Schweizer Franken ist nach wie vor mässig überbewertet, Graph: IMF in Switzerland, May 2014

Der IWF bemerkt, dass der CHF nach der Methode „External Balance Assessmentum ca. 7% überbewertet ist.

Der aktuelle Finanzstabilitätsbericht der EZB für den Euro-Raum

Die EZB ist besorgt. Die Suche nach Rendite, die sich zuspitze, könnte Ungleichgewichte entstehen lassen und eine scharfe und ungeordnete Abwicklung der jüngsten Kapitalflüsse auslösen. So steht es jedenfalls in dem gestern vorgelegten Finanzstabilitätsbericht für den Euro-Raum zu lesen.

Eine Art Warnung vor Finanzmarkt-Crash? Wer weiss!

Im Wesentlichen gibt es laut EZB drei Risiken für die finanzielle Stabilität im Euro-Raum im Hinblick auf die nächsten 18 Monate.

(1) Eine abrupte Umkehr der globalen Suche nach Rendite inmitten von Illiquidität und einer verzerrten Entwicklung der Vermögenspreise. Gemeint ist damit die „Möglichkeit einer ungeordneten Anpassung in den Finanzmärkten“. Finanzinstitutionen seit laut EZB auf ausreichend Kapital-Puffer angewiesen, um einer solchen Situation stand zu halten.

(2) Anhaltende geringe Profitabilität und der „Bilanz-Stress“ der Banken in einer Umgebung mit niedriger Inflation und einem geringen Wirtschaftswachstum. Weitere Massnahmen seien daher erforderlich, um die Skepsis im Hinblick auf die Bankbilanzen im Euro-Raum zu mindern.



Staatsschulden und Haushaltsdefizite im Euro-Raum, Graph: ECB Financial Stability Review, May 28, 2014

Mittwoch, 28. Mai 2014

Sharing Economy, Gemeinschaftskonsum und die Tücken

Carsharing ist in einigen Ländern sehr beliebt. Wer will nicht gern etwas vorübergehend benutzen, bewohnen und bewirtschaften, vorausgesetzt, dass das Eigentum vom Anbieter zur Verfügung gestellt wird.

Das Konzept gewinnt mittlerweile immer mehr an Bedeutung. Aufgefallen sind in den vergangenen Wochen insbesondere Unternehmen wie Airbnb und Uber, wobei beide inzwischen eine Marktkapitalisierung in Milliardenhöhe erreicht haben.

Die „sharing economy“ ist daher in aller Munde. Viele Förderer übersehen aber in ihrem Überschwang über das „next big thing“ die Realität, dass das neue Geschäftsmodell grösstenteils auf die Umgehung von Vorschriften beruht und das Gesetz bricht, bemerkt Dean Baker in einem Kommentar in The Guardian.

Die Nachteile des systematischen Ausleihens müssen ernst genommen werden, unterstreicht Baker weiter. Aber das bedeutet nicht, dass die gegenwärtige Steuer- und Regulierungsstruktur perfekt ist. Viele bestehende Vorschriften müssen geändert werden, da sie ursprünglich entworfen wurden, um Eigeninteressen zu dienen und/oder ihre praktische Nützlichkeit ist überdauert.

Dienstag, 27. Mai 2014

Europawahl und Nachfragedefizit

Es war im Grunde genommen nicht die Volkswirtschaftslehre, sondern die Politik, die versagt hat, auf die Krise angemessen zu reagieren. Die Politik hat sich nicht am VWL-Lehrbuch gehalten.

Die in Folge der Finanzkrise von 2008 erfolgte Rezession war durch ein Nachfragedefizit gekennzeichnet. Die Antwort darauf wäre ein Konjunkturprogramm (fiscal stimulus) gewesen.

Die Politik hat jedoch vorgeschlagen, die Gürtel enger zu schnallen. Dass es zu einem Nachfragedefizit gekommen ist, erkennt man daran, dass die nominalen Zinsen schnell auf der Null-Grenze (zero lower bound) aufgeprallt sind, praktisch in allen grossen Volkswirtschaften.

Die Politik hat später mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (d.h. QE: quantitative easing) befürwortet, um die Nachfragelücke zu schliessen. Finanzpolitischer Stimulus wäre das bessere Mittel gewesen.

Financial Times (FT), die britische Wirtschaftszeitung aus London legt heute in einem unauffälligen Leitartikel als Europawahl-Analyse für Frankreich nahe, dass der einzig gangbare Weg Steuersenkungen und Staatsausgabenkürzungen ist, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sicherzustellen.

Montag, 26. Mai 2014

Kapitalbeschaffungskosten für Unternehmen im Euro-Raum

Seit Mario Draghis‘ „whatever it takes“ Rede im Juli 2012 stocken europäische Banken ihre Bestände an Euro Staatsanleihen auf. Banken besitzen wieder mehr Staatsanleihen.

Vor allem Banken in den von der Krise am stärksten betroffenen Staaten haben im Vorfeld des Stresstestes vermehrt Anleihen ihrer Heimatländer gekauft.

Die Renditedifferenzen (spreads) der Staatsanleihen aus z.B. Italien, Portugal und Spanien haben sich gegenüber Bundesanleihen deutlich zurückgebildet.

Bemerkenswert ist jedoch, dass die Kapitalbeschaffungskosten auf dem Privatsektor nicht gesunken sind, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.

Gleichzeitig ist nicht zu übersehen, dass die EUR-Aufwertung den disinflationären Druck im Euro-Raum weiter erhöht.



Unternehmen Finanzierungskosten im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 25. Mai 2014

Negative Netto-Investitionen im Euro-Raum

Die durchschnittlichen Netto-Investitionen der Euro-Staaten sind erstmals 2013 unter die Null-Linie gerutscht. Das ist das Ergebnis (h/t to NachDenkSeiten) des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Im Vergleich zu 2009 sind die Netto-Investitionen im Euro-Raum insgesamt um 73 Mrd. EUR zurückgegangen.

Damit wird noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass der harsche Sparkurs der EU gescheitert ist. Wie soll die hohe Arbeitslosigkeit bekämpft werden, wenn nicht einmal in die Infrastruktur investiert wird?




Die staatlichen Investitionen im Euro-Raum, Graph: IMK, in: Impuls 9/2014

Neue Arten von klimabedingten Katastrophen

Der dritte National Climate Assessment Bericht warnt uns vor unserer gefährdeten Zukunft, schreibt Robert Shiller in einem lesenswerten Artikel („Buying Insurance Against Climate Change“) am Sonntag in NYTimes.

Wir müssen Tatsachen ins Auge sehen: Es gibt ein reales Risiko neuer Arten von klimabedingten Katastrophen. Wir gehen ein grosses Risiko ein, was unsere Umwelt betrifft. Überraschungen sind laut Shiller daher vorprogrammiert.

Im März hat ein Bericht der Vereinten Nationen (UN) mit „hohem Vertrauen“ eine Reihe von Risiken identifiziert, die verschiedene Menschen ungleich heimsuchen werden.

Kurz: Wir müssen uns über das Potenzial für Katastrophen grösser als erwartet Sorgen machen, v.a. jene, die jetzt ihren Zorn auf bestimmte Orte oder Umstände richten, die wir nicht vorhersagen können, unterstreicht der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Samstag, 24. Mai 2014

FDIC schliesst eine kleine Bank in Ohio

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Ohio geschlossen.

Damit ist in diesem Jahr die achte Bankverstaatlichung vollzogen worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen im Jahr 2012 markiert mit 51 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 36,5 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 29,5 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank beträgt für die öffentliche Hand  schätzungsweise 5,3 Mio. $.

Bankpleiten:

2014: 8
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Dänemarks Erfahrung mit negativen Zinsen

Die dänische Zentralbank (DNB) hat zwischen dem 5. Juli 2012 und dem 24. April 2014 einen negativen Einlagenzinssatz  eingesetzt. Es handelt sich dabei um eine aussergewöhnliche Massnahme. Denn die Banken mussten für die Einlagen (i.d.R. für die Laufzeit von 7 Tagen), die sie bei der DNB deponieren, eine Art Gebühr zahlen.

Pia Hüttl befasst sich in einem lesenswerten Artikel mit den Auswirkungen der negativen Zinsen auf den Wechselkurs der dänischen Krone (DKK) und die Finanzmärkte Dänemarks.

Dänemark ist seit 1973 Mitglied der EU und ein Teil des europäischen Wechselkursmechanismus (ERM II). Das Wechselkursabkommen legt eine maximale Bandbreite von +/- 15% um den Kurs von DKK zum EUR fest. Dänemark hat jedoch eine engere Bandbreite von +/- 2,25%.

Die DNB verwendet Geldpolitik (Zinssenkungen und/oder Zinserhöhungen) und interveniert am Devisenmarkt (durch Kauf und Verkauf von DKK gegen den EUR),  um den Kurs der Landeswährung stabil zu halten.

Die Investoren haben im Sog der Lehman-Pleite von Mitte 2011 bis Mitte 2012 so verstärkt auf Dänemarks Währung als sicheren Hafen als Hedge gegen einen eventuellen Verfall des EUR zurückgegriffen, dass die DNB die Zinsen hat weiter senken müssen. Aufgrund der Interventionen der DNB am Devisenmarkt haben sich die Währungsreserven Dänemarks in diesem Zeitraum verdoppelt.

Im Angesicht des zunehmenden Wachstums der Kapitalzuflüsse hat die DNB im Juli 2012 zum ersten Mal offiziell negative Zinsen eingeführt. Das primäre Ziel war, die enormen Kapitalzuflüsse nach Dänemark zu unterbinden.

Lockere Geldpolitik durch die EZB und Schweizer Franken

Was passiert, wenn die EZB am 6. Juni den geldpolitischen Kurs im Euro-Raum weiter lockert?

Als die „magische“ Marke von 1,40 USD pro EUR in den vergangenen Wochen näher rückte, intervenierte die EZB verbal. Einige Mitglieder des EZB-Rates haben sogar öffentlich vor einer allzu raschen EUR-Aufwertung gewarnt.

Mario Draghi hat dann im Anschluss der Diskussionen andeuten lassen, dass die EZB auf der kommenden Sitzung des Zentralbankrats im Juni geldpolitische Lockerung beschliessen könnte.

Frankreich hat bereits offiziell eine aktive Steuerung des Wechselkurses von EUR gefordert. Die Kombination „geringe Inflation-starke Währung“ scheint im Euro-Raum angesichts der anhaltenden trägen Erholung der Wirtschaft Sorge zu bereiten.

Die EZB ist m.a.W. alarmiert. Draghi könnte den Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte (refi rate) von derzeit 0,25% auf null senken.

Die Frage, die in den Devisen-Märkten die Runde macht, ist, ob die Schweizerische Nationalbank (SNB) reagieren muss, wenn der EUR sich abschwächt? Könnte also der Mindestkurs von 1,20 CHF per EUR, der von der SNB im September 2011 festgelegt wurde, unter Druck geraten?


EUR CHF Wechselkurs und EZB-Aktionen, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 23. Mai 2014

Europas Elite, Preisstabilität und Demokratie

Das europäische Projekt ist in einer tiefen Krise, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Crisis of the Eurocrats“) am Freitag in NYTimes.

Der Kontinent hat noch Friede. Aber es fällt kurz in Sachen Wohlstand und auf subtilere Weise in Sachen Demokratie. Und wenn Europa wackelt, dann ist es eine sehr schlechte Sache, nicht nur für Europa, sondern auch für die Welt als Ganzes, unterstreicht der Träger des Wirtschaftsnobelpreises.

Warum ist Europa aber in Schwierigkeiten? Das unmittelbare Problem ist die schwache Wirtschaftsleistung. Der Euro sollte den Höhepunkt der Schritte in Bezug auf die wirtschaftliche Integration  markieren. Die Gemeinschaftswährung hat sich aber als Falle erwiesen, so der seit neuem am Graduierten-Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor.

Zunächst kam es zu einer gefährlichen Selbstgefälligkeit, als Investoren riesige Mengen Gelder nach Südeuropa schickten, ungeachtet des Risikos. Und dann, nach dem Platzen des Booms fanden sich die Schuldnerländer nicht mehr in der Lage, die verlorene Wettbewerbsfähigkeit wiederzugewinnen, mit einer hohen Arbeitslosigkeit wie in einer Depression als Folge.

Die anhaftenden Probleme des Euro sind durch schlechte Wirtschaftspolitik verschärft worden. Europäische Staats- und Regierungschefs bestehen immer noch darauf, dass die Krise  (trotz der gegenteiligen Beweise) mit haushaltspolitischer Verantwortungslosigkeit zu tun hat. Und sie haben dazu wilde Sparmassnahmen ergriffen, was die Situation  noch schlimmer machte.



Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, EU-Japan-USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Mit einer schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und ohne Nachfrageschub dürfte Europa sehr wahrscheinlich einen deutlich niedrigeren Zinssatz (natural real rate of interest rate) in den kommenden Jahren haben.

Kreditgeberin in letzter Instanz (lender of last resort)

Die Fed hat am verhängnisvollen Lehman-Wochenende Mitte September 2008 u.a. aussergewöhnliche Massnahmen getroffen. Verschiedene Beamte unterstrichen, dass das Gesetz es aber nicht zulasse, dass die Fed Kredite an insolvente Institute verleiht.

Stephen G. Cecchetti und Kermit L. Schoenholz stellen vor diesem Hintergrund in einem lesenswerten Eintrag im Money & Banking Blog Überlegungen an, was es damit auf sich hat.

Sie erinnern daran, dass die Kreditvergabe durch die Zentralbank ein Grundsatz ist, der auf Walter Bagehot im 19. Jahrhundert zurückgeht. Es gilt, daher über das Ganze noch einmal nachzudenken.

Es gibt drei grosse Gründe, dass eine Zentralbank nicht ein bankrottes Institut nicht Kredit geben soll, betonen die Autoren:

(1) Die Zentralbank macht durch die sichere Kreditvergabe an eine insolvente Geschäftsbank die Anleihegläubiger nachrangig. Die Massnahme sorgt für Gewinner und Verlierer. In einer Demokratie stellen solche Entscheidungen i.d.R. das Privileg der gewählten Beamten dar, nicht der Notenbanker.



Fed Discount Window, Graph: Federal Reserve Bank of New York

Donnerstag, 22. Mai 2014

Verteilung der Verluste auf reiche und arme Menschen

John Maynard Keynes hat 1936 erklärt, wie wichtig die Einkommensverteilung für die makroökonomische Stabilität ist.

Atif Mian und Amir Sufi repräsentieren eine neue Generation von Ökonomen, die einzelne mikroökonomische Daten analysieren, um die makroökonomischen Zusammenhänge zu erklären, womit u.a. auch nahelegt wird, wie die Ungleichheit das Wachstum und die Stabilität in der Wirtschaft beeinträchtigt.

In ihrem neulich veröffentlichten Buch (The House of Debt) zeigen die Autoren, in welchem Ausmass die Verteilung der Verluste aus der Immobilienkrise (housing bubble) auf die reichen und armen Menschen die Rezession im Anschluss der Finanzkrise von 2008 verschärft hat.

Hätten die politischen Entscheidungsträger mit Schuldenerlass auf die Krise reagiert, wäre die Great Recession verhindert worden. Es war vielmehr das Kreditangebot und nicht eine erhöhte Kreditnachfrage durch die Verbraucher, das die Bubble angetrieben und die Schuldenlast vergrössert hat, unterstreichen Mian und Sufi.

Sie zeigen anhand von akribisch gesammelten Daten auf, dass zwischen dem Wachstum der Hypothekarkredite und dem Einkommen der privaten Haushalte zwischen 2002 und 2005 eine negative Korrelation gab. Das heisst, dass der Kredit in den Landkreisen durch die Decke geschossen ist, während das Einkommen der Menschen zurückgegangen ist.

Mittwoch, 21. Mai 2014

Bankenrettung und Wirtschaft

Es war der Zusammenbruch der Immobilienpreise in Kombination mit übermässiger Verschuldung der privaten Haushalte, der die US-Wirtschaft 2008 hat ins Schleudern geraten lassen, wodurch eine ausgewachsene Bankenkrise entstand und Amerika die schwerste Rezession seit fast 80 Jahren erlebte.

Vor diesem Hintergrund fragt die New York Times in Room for Debate eine Reihe von renommierten Experten, ob die Bankenrettung genug für die Realwirtschaft getan hat.

Es war der grösste politische Fehler des Finanzministers Tim Geithner, die Immobilienkrise nicht angemessen angepackt zu haben, bemerkt Amir Sufi in seiner Antwort.

Geithner hätte eine Politik an den Tag legen können, wo die Insolvenz-Richter im Rahmen des Konkursrechts (Chapter 13) die Abschreibung („mortgage cram down“) von Hypothekenschulden hätten ermöglichen können.

Der damalige Chef des US-Schatzamtes hätte ferner Eigenheimbesitzern erlauben können, sich mit niedrigeren Zinsen zu refinanzieren. Das ist ausgeblieben, unterstreicht der an der University of Chicago Booth School of Business lehrende Wirtschaftsprofessor.

Der Staat muss bei der Stabilisierung des Finanzsystem während einer Bankenkrise eine aktive Rolle spielen. Es führt aber zu unklugen Entscheidungen, wenn man das Augenmerk nur auf die Rettung der Banken legt, so Sufi.

Dienstag, 20. Mai 2014

Zeit des Frühlings für die Banken, aber nicht für die Familien

Die Wirtschaftspolitik in den USA seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 hält Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Springtime for Bankers“) am Montag in NYTimes für einen kläglichen Misserfolg.

Es ist wahr, dass eine vollständige Wiederholung der Great Depression vermieden wurde. Aber die Beschäftigung beginnt sich, erst sechs Jahre danach wieder auf das Vorkrisen-Niveau hoch zu krallen, beschreibt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises weiter.

Tim Geithner, der in den vier von diesen sechs Jahren Finanzminister war, hat neulich ein Buch über seine Erfahrungen veröffentlicht. Und er denkt, dass er eine verdammt gute Arbeit geleistet hat.

Das Buch widmet sich zum grössten Teil der Verteidigung der Rettung des US-Finanzmarktes, was Geithner als eine grosse Erfolgsgeschichte ansieht.

Es mag sein, wenn man die Wiederherstellung des Vertrauens im Finanzmarkt als Selbstzweck betrachtet, fügt Krugman hinzu. Aber wo ist die Erholung der Wirtschaft geblieben? Wo sind die Arbeitsplätze?

Ein Grund für die schleppende Erholung der Wirtschaft ist, dass die US-Wirtschaftspolitik die Fokussierung zu früh von Jobs auf Haushaltsdefizite geschwenkt hat.

Geithner weist zwar die Verantwortung zurück. Seine Aussage stimmt aber mit der unabhängigen Berichterstattung nicht überein, argumentiert Krugman: Geithner hat sich über „fiscal stimulus“ lustig gemacht. Ein Konjunkturpaket sei ein Zucker, der keinen langfristigen Nutzen bringe.

Montag, 19. Mai 2014

IWF betrachtet Mindestlohn in Deutschland als hilfreich

Der IWF fordert  in einem heute vorgelegten Bericht Deutschland auf, Investitionen in die Infrastruktur (v.a. in den Verkehrssektor) zu erhöhen, was auch dem Rest des Euro-Raums zugute käme.
             
In der im Rahmen der sog. Artikel IV-Konsultationen mit Deutschland erfolgten Stellungnahme heisst es ferner, dass der neue bundesweite Mindestlohn helfe, die wachsende Lohnungleichheit zu reduzieren, obwohl sich zugleich Risiken in Bezug auf die Arbeitslosigkeit in einigen Regionen verschärfen dürften.

Samstag, 17. Mai 2014

Japanisierung der Eurozone ist keine Fiktion

Mario Draghi vertritt die Ansicht, dass es keine Japanisierung des Euro-Raums gibt.

Heiner Flassbeck hat schon vor Jahren darauf hingedeutet, dass das, was entscheidend ist, warum Japan deflationäre Kräfte nicht los werden kann, die niedrigen Einkommen für die Masse der Menschen sind: In Japan sind die Löhne 20 Jahre lang gesunken.

Im Euro-Raum versuchen alle Länder ihre wirtschaftlichen Probleme seit fünf Jahren über Lohnsenkungen zu lösen, während die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Folge der Finanzkrise 2008 bereits besonders mangelhaft ist. Das Ergebnis kann also nichts anderes als Deflation sein.

In einer am Freitag vorgelegten Analyse vergleichen die Analysten von Credit Suisse anhand von zahlreichen Abbildungen die inflationären Trends zwischen dem Euro-Raum und Japan. Es gibt verblüffende Ähnlichkeiten.

Nur mit einem leistungsfähigen Fiscal Stimulus (Konjunkturbelebungsmassnahmen) ist es Japan gelungen, dem Nachfrageausfall entgegenzuwirken. Der private Verbrauch begann dann zu steigen. Und folglich haben auch Unternehmen angefangen, zu investieren.



25% der Preise im Warenkorb in der Eurozone fallen. Und 50% der Preise im Warenkorb steigen weniger als 1% im Jahr, Graph: Credit Suisse

FDIC schliesst eine kleine Bank in Illinois

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Illinois geschlossen.

Damit ist in diesem Jahr die siebte Bankverstaatlichung vollzogen worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen im Jahr 2012 markiert mit 51 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 66.3 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 65 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank beträgt für die öffentliche Hand  schätzungsweise 18 Mio. $.

Bankpleiten:

2014: 7
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Donnerstag, 15. Mai 2014

Schweizer Inflation und internationale Faktoren

Der Schweiz Produzenten- und Importpreise Index ist im April 2014 um 0,3% gegenüber dem Vormonat gesunken. Innert Jahresfrist sank das Preisniveau um 1,2%.

Bemerkenswert ist, dass der Importpreisindex gegenüber April 2013 um 2,0% gesunken ist. Das zeigt, wie es viel mehr auf internationale inflationäre Faktoren ankommt, die die nationalen Inflationsraten antreiben als binnenwirtschaftliche Faktoren.


Schweizer Erzeugerpreise-Index im April 2014, Graph: Bundesamt für Statistik (BFS)

Dienstag, 13. Mai 2014

Inflationsausblick für Amerika

Die Preisstabilität ist heute vorrangiges Ziel einer jeden Zentralbank in der modernen Welt. In den fortentwickelten Volkswirtschaften setzt man Preisstabilität mit einem Anstieg der Verbraucherpreise von weniger als 2% im Jahr gleich.

Die US-Notenbank (Fed) hat im Jahr 2014 ein explizites Inflationsziel von 2% auf lange Sicht vorgestellt, und zwar gemessen an PCE (personal consumption expenditures).

Infolge der schweren Finanzkrise von 2008 läuft die Inflation aber in praktisch allen grossen Volkswirtschaften unter dem Zielwert der Zentralbanken.  Die Fed hat jüngst unterstrichen, dass die Inflationsprognose einer der wichtigsten Faktoren in Bezug auf die Gestaltung der künftigen Geldpolitik ist.

Zwei Ökonomen im Dienste der Fed San Francisco (FRBSF) untersuchen in einer aktuell vorgelegten Studie, was wir aus den Finanzmarktpreisen in Sachen Inflationsausblick lernen können.

Die Autoren fokussieren sich auf Finanzinstrumente mit sog. payoffs (d.h. Auszahlungen), die ausschliesslich an die Inflation gebunden sind. Es handelt sich dabei um sog. Inflation Derivate, die die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer in Bezug auf die künftige Inflation widerspiegeln.

Die Preise von Inflation Derivaten geben Auskunft über den prognostizierten Weg der künftigen Inflation und die Unsicherheit über diese Prognose.



Inflationsausblick (CPI) in den USA, Graph: Financial Market Outlook for Inflation in: FRBSF Economic Letter

Montag, 12. Mai 2014

Nullzinsgrenze: Die meist bekannte Friktion

Wenn die hoch verschuldeten Verbraucher als Konsequenz der geplatzten Immobilienblase ihre Ausgaben kürzen, um ihre Bilanzen wieder in Ordnung zu bringen, nimmt die Kreditnachfrage ab. Und die Ersparnisse steigen. Folglich fallen die Zinsen, weil niemand Kredit aufnehmen will.

Die Zentralbanken reagieren mit Zinssenkungen, um die Sparer zu Mehrausgaben zu animieren. Das Ziel ist, die Lücke, die durch den Rückgang der Kreditnachfrage aufgegangen ist, durch die Ausgaben der Sparer und die Investitionen der Unternehmen wieder zu schliessen. Das heisst, dass die Zentralbanken versuchen, durch die Senkung der kurzfristigen Zinsen, gesamtwirtschaftliche Nachfrage wieder anzukurbeln.

Wenn die privaten Ausgaben zum Erliegen kommen, reduzieren die Unternehmen die Preise, damit die Verbraucher wieder an den Markt zurückkommen. In einem Land, das auf die Exporte angewiesen ist, geht der Rückgang der Preise mit der Abwertung der Landeswährung einher, womit die Ausfuhren sich verbilligen und die Waren dieses Landes für die Ausländer attraktiv werden.

Die Kombination von niedrigen Zinsen, tiefen inländischen Preisen und einer abgewerteten Währung legen nahe, wie ein negativer Nachfrage-Schock, der durch die Zurückhaltung der hoch verschuldeten privaten Haushalte verursacht wird, i.d.R. angegangen wird.

Die erwünschte Anpassung in der Wirtschaft findet jedoch öfters nicht statt. Der Grund sind Friktionen, die den Rückgang der privaten Nachfrage der hoch verschuldeten Verbraucher verstärken und zu einer schweren Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit führen.

Die meist bekannte Friktion ist die sog. Nullzinsgrenze, d.h. zero lower bound (ZLB). Die ZLB bedeutet, dass die nominalen Zinsen nicht genug tief fallen können, um die Sparer zum Konsum zu bewegen.

Sonntag, 11. Mai 2014

Verfehlen der Zielinflationsrate im Euro-Raum als Misserfolg

Die EZB hat nun die Bereitschaft unterstrichen, unkonventionelle Massnahmen zu ergreifen, um die Eurozone vor Deflation zu bewahren. EZB-Präsident Mario Draghi schätzt die Situation offenbar kritisch ein.

Es gibt aber Widersprüche: Ankäufe von Wertpapieren würden bedeuten, dass die Notenbankgeldmenge im Euro-Raum steigt. Fakt ist, dass die EZB seit einem Jahr dran ist, ihre Bilanz zu verkleinern, da Draghi keine echte Deflationsgefahr erkennen kann.

Trotz einer semantischen Wende scheint die EZB also alles in allem vorerst zuwarten zu wollen, bis die Deflation dinghaft vorliegt, um konkret zu handeln.

Was übersehen wird, ist aber die Tatsache, dass die EZB seit mehr als einem Jahr die gemeinsam festgelegte Inflationsrate von 2% (inflation target) im Euro-Raum unterläuft.

Das heisst, dass das Problem bereits da ist. Und es ist ein ernst zu nehmendes Problem, wenn die EU sonst nicht keine andere Massnahmen trifft, um die Wirtschaft anzukurbeln: Die nominalen Zinsen liegen nahe null (zero lower bound). Das heisst, dass die herkömmliche Geldpolitik an Wirksamkeit verloren hat. Und der Einsatz einer expansiven Fiskalpolitik ist aus dogmatischen Gründen ausgeschlossen.

Die Inflationserwartungen der Verbraucher sind zuletzt auf das niedrigste Niveau seit 2010 gefallen. Alles deutet darauf hin, dass die Inflationsrate in absehbarer Zeit nicht über die 1%-Marke klettert. Die Wirtschaft steckt also längst in einer Deflationsfalle.


EZB – Bilanzsumme im Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 10. Mai 2014

Schuldenabbau-Prozess hält noch viel länger an

Die Finanzkrise von 2008 und die Nachwirkungen waren eine Art Messzeit für die Ökonomen, und zwar in moralischer und intellektueller Hinsicht.

Man kann auch sagen, dass Ökonomen mit dem Lackmustest es schwer hatten, auch in Bezug auf die Auswirkungen der verschiedenen Massnahmen, die die Zentralbanken ergriffen, einvernehmliche Prognosen zu liefern.

Im Vergleich zu den Diskussion über die Weiterentwicklung der Wirtschaft in den 1970er Jahren gab es diesmal ziemlich absurde Vorhersagen. Beispielhaft ist die Behauptung, dass der starke Anstieg der Notenbankgeldmenge zu einer galoppierenden Inflation führen würde.

Der Hinweis auf Japans Erfahrungen in den 1990er Jahren und die Theorie der Liquiditätsfalle wurden vor allem von den Anhängern des neo-klassischen Dogmas regelrecht zurückgewiesen.

Doch die Geschichte legt nahe, dass die Great Deleveraging (Schuldenabbau im Privatsektor) noch viel länger anhält. Hier ist eine bemerkenswerte Abbildung dazu, die das Verhältnis zwischen Ausleihungen und Einlagen bei Banken zeigt.

 

The  loan-to-deposit ratio of Europe's Bank, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 7. Mai 2014

Wann wird die Niedriginflation eine Deflationsgefahr?

Die Inflationserwartungen der Verbraucher sind im April weiter gefallen. Der von der DG ECFIN ermittelte Wert markiert mittlerweile das niedrigste Niveau seit 2010.

Ein kurzlebiger Zeitraum negativer Inflationsraten ist vielleicht nicht unbedingt ein Grund zur Sorge. Worauf es ankommt, ist aber, was den deflationären  Druck erzeugt und ob es sich dabei um eine einmalige Anpassung handelt.

Die Disinflation und deflationäre Kräfte können v.a. in Bezug auf die Schuldentragfähigkeit ein Problem bereiten, wenn die wirtschaftliche Aktivitäten ohnehin stagnieren und die Finanzierungskosten angespannt sind. Schliesslich führt der Anstieg der Realzinsen zu einer erhöhten Last der Schulden, womit Europa eine harte Nuss zu knacken hat.

Der Euro-Raum erleidet seit fast fünf Jahren einen schmerzhaften Anpassungsdruck: (a) ausgelöst durch die Nachfrageflaute (infolge des anhaltenden Deleveraging-Prozesses) und (b) verursacht durch die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik der EU, die in Lohnsenkung als einzigen gangbaren Weg ansieht, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Man denke daran, dass die enorme Anpassung der Preise und Kosten in einem Umfeld stattfindet, wo die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound) und die Reallöhne deutlich weniger gestiegen sind als die Produktivität.




Inflationserwartungen der Konsumenten sind im April im Euro-Raum weiter gefallen, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 6. Mai 2014

Anteil an Stellen mit tiefen Löhnen

Im internationalen Vergleich führen die USA die Liste mit dem Anteil an Stellen mit tiefen Löhnen. 2001 lagen die USA noch auf dem fünften Rang.

Kein Wunder, dass in den USA derzeit eine hitzige Debatte über eine ausgewogene Verteilung der Einkommen auf die privaten Haushalte stattfindet.

Präsident Obama hat Ende Januar in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt, den Mindestlohn auf 10,10 USD zu erhöhen, um die wachsende Ungleichheit in den USA zu bekämpfen.

Die Arbeitsplätze mit niedrigem Lohn werden häufiger von Frauen und Jugendlichen besetzt, während die Republikanische Partei sich gleichzeitig dafür einsetzt, wichtige Leistungen im sozialen Bereich zu kürzen.


Anteil an Stellen mit tiefen Löhnen im internationalen Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Finanzkrisen und die Fehler, die die Ökonomen begehen

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Finanzkrise von 2008 v.a. in akademischen Kreisen ein Umdenken über die Art und Weise, wie die Volkswirtschaftslehre unterrichtet wird, ausgelöst hat.

Antonio Fatas fasst in seinem Blog die konkreten Fragestellungen und Lösungsvorschläge in Bezug auf die jüngste Entwicklung adäquat zusammen.

Der an der INSEAD lehrende Wirtschaftsprofessor ist sich aber nicht sicher, ob die jüngste globale Wirtschaftskrise den Hauptgrund darstellt, den Lehrplan für die Volkswirtschaftslehre (VWL) zu ändern.

Er räumt zwar ein, dass die Ökonomen gescheitert sind, viele Aspekte der Krise vorauszusehen. Aber es hat mit Mangel an Instrumenten oder Verständnis von der Materie nichts zu tun. „Wir haben genügend Modelle in der VWL, die die meisten Phänomene, die die weltweite Finanzkrise verursachten und verbreiteten, erklären können“, so Fatas.

Es gibt viele Modelle, wo Menschen nicht rational handeln, wo Finanzmärkte von Blasen geprägt sind und wo mehrere Gleichgewichte (multiple equilibria) neben einander bestehen, die verwendet werden können, um die vergangenen zehn Jahre zu fassen.

Die Frage ist jedoch, warum die Ökonomen sich nicht auf richtige Modelle und Methodik konzentrieren? Fatas zeigt in diesem Sinne, wo die Ökonomen versagt haben. Die Liste der Fehler, die die Ökonomen im VWL-Unterricht begehen, sieht wie folgt aus:

Montag, 5. Mai 2014

Wie die Deflation sich im Euro-Raum einbettet

Das ist die Preisentwicklung aus Sicht der Unternehmen im Euro-Raum. Die Hinweise verdichten sich, dass die Deflationsgefahr kein Aprilscherz gewesen ist.

Die Erzeugerpreise der Industrie sind im März 2014 gegenüber März 2013 um 1,6% zurückgegangen. Gegenüber dem Vormonat sind die Produzentenpreise (PPI) um 0,2% gefallen.

Wie eurostat meldet, verringerten sich die Erzeugerpreise der Industrie in nahezu allen Mitgliedstaaten: in Dänemark und den Niederlanden beispielsweise um jeweils 0,9%.

Der deflationäre Trend läuft sogar ohne die Preise für Energie noch tiefer, wie aus der Abbildung hervorgeht.



Erzeugerpreise der Industrie im Euro-Raum im März 2014, Graph: eurostat

Grosse Rezession: Schulden und Vermögensungleichheit

Die Hauspreise sind in den USA während der Great Recession um 5'000 Mrd. USD gesunken. Das ist ein enormer Betrag, wenn man v.a. die Grössenordnung der US-Wirtschaft in Vergleich setzt: 14‘000 Mrd. USD.

Angesichts des massiven Einschlags ist es offensichtlich, dass der Vermögenswert (net worth) der Hausbesitzer unter die Räder gekommen sein muss. Interessant wäre es aber, herauszufinden, wie die Verteilung dieses Verlustes aussieht. Wie stark sind z.B. die Kreditnehmer betroffen worden?

Atif Mian und Amir Sufi befassen sich in ihrem gemeinsam vorgelegten lesenswerten neuen Buch („House of Debt“) u.a. auch mit dieser Frage.

Der Nettowert eines privaten Haushaltes besteht i.d.R. aus zwei Arten von Anlageklassen (assets): (1) Finanzanlagen (financial assets) und (2) Wohnungsbauvermögen (housing assets).

Die Finanzanlagen umfassen Aktien, Anleihen, Bankeinlagen usw. Der Nettowert ist dann als „Finanzanlagen plus housing assets minus Schulden“ definiert. Hypotheken (mortgage) und Eigenkapital-Anteil für den Hauskauf (home-equity debt) machen weitgehend die wichtigsten Komponente der Haushaltsschulden aus: Der Wert belief sich z.B. für die USA im Jahr 2006 auf ca. 80%.

2007 gab es dramatische Unterschiede unter amerikanischen Haushalten, was den Nettowert und den Fremdkapital-Einsatz (leverage) betrifft, wie die Autoren hervorheben.


Eigenheimbesitzer in den USA: Anteil der gesamten Finanzanlagen gemessen an 5 Quintiles, Graph: Atif Mian und Amir Sufi in: House of Debt

Sonntag, 4. Mai 2014

Wettkampf der Nationen auf der Nullzinsgrenze

Die Inflation (headline inflation) in der Eurozone zog im April von 0,5% auf 0,7% an. Auch die Kernrate (core inflation) ist von einem Tief von 0,7% auf 1,0% gestiegen. Der leichte Preisauftrieb ist auf die Ostern-Ferien zurückzuführen, wo die Preise im Bereich Transport, Reise und Gastronomie stärker als üblich angestiegen sind.

Tatsache ist, dass die anhaltend niedrige Inflation die EZB weiter unter Druck setzt, gegen die Deflationsgefahr etwas zu unternehmen, zumal das Inflationsziel von knapp 2% seit einer langen Zeit unterboten wird.

Bemerkenswert ist, dass die EZB seither ihre Bilanz wesentlich verkleinert hat. Und in der Eurozone wird die schmerzhafte Angebotspolitik in Form von Lohnsenkung  auf Teufel-komm raus fortgesetzt. Brüssel und Berlin bestehen auf dem Wettkampf der Nationen (rat race).

Obwohl inzwischen in einigen Ländern (Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien) Minusinflation verzeichnet wurde, und in anderen die Inflationsrate nur knapp über der Null-Marke liegt (Italien), argumentiert die EZB, dass die Inflationserwartungen fest verankert sind.



Inflationserwartungen in der Eurozone, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 3. Mai 2014

Staatsanleihen gehören zu den besten Anlageklassen

Der geldpolitische Ausschuss (FOMC) der US-Notenbank schickt sich an, die „Normalisierung“ der Geldpolitik Schritt für Schritt herbeizuführen.

Die neue Fed-Chefin Janet Yellen zieht die Zügel der Geldpolitik an: Das Anleihekaufprogramm wird weiter zurückgefahren (das sog. Tapering), und zwar um 10 Mrd. USD pro Monat.

Doch der erwartete Anstieg der Marktzinsen ist ausgeblieben. Die Renditen der Staatsanleihen in den fortentwickelten Volkswirtschaften (DM) sind seit Anfang Jahr gesunken. Und die Kurse sind gestiegen.

Während ausländische Investoren nach wie vor sichere, liquide und hochwertige Anlagen suchen, schafft der Rückgang des Angebots an mit Hypotheken besicherten Anleihen eine zusätzliche Nachfrage nach Staatsanleihen mit bester Bonität. Die beiden Faktoren tragen dazu bei, dass das Renditeniveau im Allgemeinen gedrückt bleibt.



Die rollierenden Zehnjahresrenditen der Staatsanleihen, Graph: Morgan Stanley

66 starke Thesen zum Euro

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck: 66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum deutschen Wesen. Westend Verlag, Frankfurt/Main, 2014.



Anzeichen mehren sich, dass der Euro-Raum zu mehreren Jahren der Deflation und Stagnation verdammt ist. Wie kann aber der Euro gerettet werden? Oder was taugt die Währungsunion in der heutigen Konstellation? Wer profitiert davon? Wer leidet?

Bevor man mögliche Antworten sucht, ist in Erinnerung zu rufen, dass die Euro-Krise nicht gleich Staatsschuldenkrise ist. Die Krise kam nicht durch unverantwortliche Haushaltsführung in den einzelnen Staaten zustande. Irland und Spanien hatten am Vorabend der Krise Haushaltsüberschuss und wenig Schulden. Die Finanzkrise ist durch die Finanzinstitute verursacht worden. Die Banken hatten zu wenig Eigenkapital und zu viel Fremdkapital. Ist es aber eine abschliessende Erklärung v.a. für die Entstehung der Euro-Krise?

Heiner Flassbeck legt grossen Wert darauf, allgemeinverständlich zu erläutern, dass die gesamte Schuld nicht allein den Banken  in die Schuhe zu schieben ist, vor allem was die Euro-Krise in Bezug auf die Währungsunion angeht.

Die Rolle der Banken ist seiner Ansicht nach bisher in der Öffentlichkeit „ein grosses Rätsel“ geblieben. Die Mehrzahl der Krisen in der Vergangenheit waren Währungskrisen und auch die Euro-Krise ist eine, hält der ehemalige Chefvolkswirt der UNCTAD (Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen) in Genf fest:

Krisen entstehen wegen Über- und Unterbewertungen von Währungen, die eine Änderung von Währungsrelationen verlangen. Oder wie im Fall von Euro eine Änderung von Wettbewerbsrelationen über Lohnanpassungen.

Vorerst müssen also andere Fragen beantwortet werden, um Parameter für die Euro-Krise festzumachen. Was wird bei einer Währungsunion harmonisiert? Woher kommt die Inflation? Welche Rolle spielt die nationale Produktivität? Wie funktioniert der Arbeitsmarkt?