Montag, 4. November 2013

Handelsvorteile auf Kosten des Auslands

Deutsche Beamte sind auf Amerika wütend, und nicht nur wegen der Sache mit Angela Merkels Handy, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Those Depressing Germans“) am Montag in NYTimes.

Was sie jetzt wütend gemacht hat, ist ein (langer) Absatz in einem Bericht des US-Schatzamtes. In diesem Absatz argumentiert das amerikanische Finanzministerium, dass Deutschlands riesiger Überschuss in der Leistungsbilanz (ein Messwert für die Handelsbilanz) schädlich ist, was eine deflationäre Tendenz für den Euro-Raum sowie die Weltwirtschaft auslöst.

Die Deutschen weisen dieses Argument verärgert als „unverständlich“ zurück. „Es gibt keine Ungleichgewichte in Deutschland, welche eine Korrektur unserer wachstumsfreundlichen Wirtschafts- und Fiskalpolitik erfordert“, erklärte ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums.

Das US-Schatzamt liegt aber richtig. Und die deutsche Reaktion ist störend, so Krugman. Zum einen war es Indikator für die anhaltende Weigerung der politischen Entscheidungsträger in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt, sich der Natur der wirtschaftlichen Probleme anzunehmen.

Zum anderen zeigt es Deutschlands bedauernswerte Tendenz, auf jede Kritik an seiner Wirtschaftspolitik mit dem Ausruf der ungerechten Behandlung zu reagieren.

Fünf Jahre nach dem Fall von Lehman ist die Weltwirtschaft immer noch depressiv, die unter einem anhaltenden Mangel an Nachfrage leidet. In diesem Umfeld betreibt ein Land mit Überschuss im Aussenhandel „beggar thy neighbour“-Politik (*). Es leitet die Ausgaben weg von Waren und Dienstleistungen der Nachbar-Länder ab in die eigenen Waren und Dienstleistungen, um dadurch Arbeitsplätze wegzunehmen.


Leistungsbilanz-Überschüsse: China (vorher) versus Euro-Raum (nachher), Graph: Prof. Paul Krugman

Deutschland teilt ferner eine Gemeinschaftswährung mit seinen Nachbarn, wo von deutsche Exporteure profitieren, die ihre Waren mit einem schwachen Euro kalkulieren als mit der DEM, die sich nun sicherlich kräftig aufwerten würde.

Doch leistet Deutschland seinerseits keinen Beitrag dazu, eine europäische Depression zu vermeiden. Es müsste viel mehr ausgeben als seine Nachbarn, die jetzt gezwungen sind, die Ausgaben zu kürzen. Deutschland hat es aber nicht getan, argumentiert Krugman.

Deutsche Beamte wollen dies natürlich nicht einsehen. Sie betrachten ihr Land als ein leuchtendes Vorbild und nehmen die unangenehme Tatsache, dass nicht alle Länder einen Überschuss aufweisen können, nicht wahr.
Und die Sache ist laut Krugman, dass es nicht nur um die Deutschen geht. Deutschlands Handelsüberschuss richtet aus demselben Grund auch für die Essensmarken und Arbeitslosengelder, die in Amerika nun gekürzt werden, Schaden ein, was Arbeitsplätze vernichtet. Und republikanische Politiker sind gegenüber der Kritik, die auf ihre Fehler hindeutet,  in etwa so empfänglich wie deutsche Beamte.

Im sechsten Jahr der globalen Wirtschaftskrise begreifen viele Politiker es immer noch nicht, dass das wesentliche Problem nicht-genug-Ausgaben ist. Und es sieht so aus, wie wenn sie es nie verstehen würden.

PS:

Mit Beggar-my-Neigbour Politik wird der Versuch eines Landes beschrieben, Exportüberschüsse zu erzielen, um auf diese Weise im Inland Einkommen und Beschäftigung zu erhöhen.

Keine Kommentare: