Samstag, 30. November 2013

US-Banken verdienen 36 Mrd. USD im dritten Quartal 2013

Geschäftsbanken und Sparkassen, die von der US-Einlagensicherungsbehörde (FDIC) gedeckt werden, haben im 3. Quartal 2013 insgesamt einen Netto-Gewinn von 36 Mrd. USD verbucht.

Das entspricht einem Rückgang von 1,5 Mrd. USD im Vergleich dem Vorjahresquartal. Damit haben die amerikanischen Banken im Jahresvergleich zum ersten Mal seit 17 Quartalen weniger Geld verdient. Zuletzt war der Gesamtertrag der Banken im 2. Quartal 2009 auf Jahresbasis zurückgegangen.

Der Ergebnisrückgang ist im Wesentlichen auf einen Anstieg der Prozesskosten in Höhe von 4 Mrd. USD einer Institution zurückzuführen. Weitere Gründe sind erstens niedrigere Einnahmen aus dem Hypotheken-Geschäft und niedrigere Gewinne aus Anlagen-Verkäufen.

Die Hälfte der von der FDIC erfassten Banken hat gegenüber dem Vorjahr ein Ergebniswachstum gemeldet, während die andere Hälfte über Gewinnrückgang berichtet. Der Anteil der Banken, die unrentabel waren, ist im Jahresvergleich von 10,7% auf 8,6% gesunken.

Die positive Entwicklung, die wir im Sektor im Allgemeinen beobachten, hat sich im 3. Quartal 2013 fortgesetzt, sagte Martin Gruenberg, FDIC-Vorsitzender. Nur wenige Institute haben Quartalsverluste gemeldet. Die Kreditqualität verbessere sich weiter. Und mehr Banken kommen aus der „Problem-Liste“ heraus. Nur wenige Banken sind gescheitert, ergänzt Gruenberg.



US-Banken Netto-Gewinn im Quartal 2008.2013, Graph: FDIC
US-Banken haben im 3Q2013 insgesamt 36 Mrd. USD verdient

Freitag, 29. November 2013

Ungleichheit und Wachstum

Boris Johnson, Bürgermeister von London hat neulich in einer Rede den Eindruck hinterlassen, als ob der Neid, mit den Nachbarn mithalten zu wollen, ein wertvoller Impuls wäre, um die Wirtschaftstätigkeit zu fördern.

Das ist eine Strohpuppe, meint das Blog „Stumbling and Mumbling“ dazu. Denn niemand argumentiert für die vollständige Gleichstellung. Im Grunde genommen geht es um die Frage, ob die Ungleichheit für das Wachstum förderlich ist oder nicht.

Fest steht, dass (1) das Wachstum derzeit schwach ist, auch wenn die Ungleichheit, gemessen am Einkommen von 1%, steigt. Das Wachstum verlief (2) in den 1950er und 1960er Jahren angemessen, obwohl die Ungleichheit damals geringer war als heute.

Diese Beobachtung beweist aber nichts. Denn es gibt unzählige mögliche Parameter, die auf den BIP-Trend einwirken als auf die Ungleichheit. Wahrscheinlich ist es nicht einmal möglich, alles zu steuern. Aber sie deuten auf einige Mechanismen hin, die die Ungleichheit verursachen können:




Ungleichheit und Wachstum, Graph: Blog „Stumbling and Mumbling

Donnerstag, 28. November 2013

TBTF-Status als Wettbewerbsvorteil

Die Finanzkrise hat u.a. deutlich vor Augen geführt, wie das Bankensystem der Wirtschaft unnötige Risiken auferlegt. Gemeint sind z.B. die Verzerrungen, die von Banken, die als „systemrelevant“ gelten, ausgehen.

Die TBTF-Banken haben einen Anreiz, weiter zu wachsen und komplexer zu werden. Die Aussicht darauf, im Notfall vom Staat gerettet zu werden, veranschaulicht nicht nur das Moral Hazard-Problem, sondern deutet auch auf einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen hin.

JP Morgan Chase ist TBTF. Das wissen alle, weil die US-Bank von der öffentlichen Hand gerettet wird, wenn sie in einer Finanzkrise zusammenzu brechen droht. Vor diesem Hintergrund möchte JamesKwak wissen, warum die TBTF-Bank aber ein schlecht geführtes Unternehmen? Weil es zu gross ist, geleitet zu werden.

Ein weiterer Grund, worauf Kwak hindeutet, ist, dass die vermeintliche Heilung des schlechten Managements i.d.R. durch die sog. „Markt für Unternehmenskontrolle“ (market for corporate control)* erfolgt. Das heisst, dass das Unternehmen wegen des schlechten Managements übernommen wird und der entsprechende Leiter des Unternehmens seinen Job verliert. Das kann z.B. jemand sein wie eine „Heuschrecke” (corporate raider) oder eine Private Equity-Firma.  Auf alle Fälle hat schlechtes Management Konsequenzen und es scheint eine „Lösung“ (Übernahme) zu bieten.

Das trifft aber für TBTF-Banken nicht zu. Die TBTF-Banken sind unmöglich in einem Stück zu akquirieren, schlussfolgert Kwak. Keine andere Bank kann JPMorgan übernehmen, selbst es wenn die Regel, dass kein Bankkonzern mehr als 10% aller US-Einlagen haben darf, nicht gäbe.

Mittwoch, 27. November 2013

Staatsfonds für Deutschland? Keine gute Idee

Daniel Gros und Thomas Mayer schlagen in einem neulich in der FAZ veröffentlichten ordo-liberal durchtränkten Artikel („Ein Vermögensbildungsfonds für Deutschland“) vor, mit den Überschüssen aus der Leistungsbilanz einen Staatsfonds in Deutschland zu errichten.

Die Idee mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen. Aber sie hilft nicht, die seit langem bestehenden Ungleichgewichte im Euro-Raum zu bekämpfen, geschweige denn den gegenwärtigen Kurs der Geldpolitik der EZB zu erleichtern.

Genaugenommen stützen sich die Autoren auf das Interbankenzahlungssystem Target 2 ab, wonach Deutschland 561 Mrd. EUR an die EZB zur Weiterleitung an die Defizitländer verliehen hat. Die mit deutscher Staatsgarantie vergebenen Kredite seien der Natur nach ein Staatsfonds, behaupten die Autoren.

Das Hauptmotiv der Autoren ist jedoch, „die deutschen Sparer vor der schleichenden Enteignung durch Inflation zu schützen“, obwohl sie selber das Faktum ansprechen, dass die Deflation derzeit eine grössere Gefahr darstellt als die Inflation. Es ist also die alte Leier.

Gros und Mayer hatten bereits im Sommer 2012 in einem Artikel („Eurozone needs a German sovereign wealth fund“) in FT hervorgehoben, dass der deutsche Staatsfonds den Sparern als ein sicheres Medium einen positiven Realzins garantieren kann, mit der Möglichkeit, die Kapitalerträge wiederanzulegen.

Die EZB biete deutschen Banken einen Nominalzins von Null, was laut Autoren eine negative Rendite für deutsche Sparer bedeute. Ausserdem bietet die EZB deutschen Sparern keine langfristige Anlagemöglichkeit an, unterstreichen die Autoren mit Nachdruck, als ob die EZB allein für die niedrigen Zinsen verantwortlich wäre. 

Die zero lower bound ist mittlerweile seit beinahe fünf Jahren die Situation, in der die grössten Volkswirtschaften stecken. Die Leitzinsen der führenden Notenbanken sehen wie folgt aus. Fed: 0-0,25%, EZB: 0,25%, BoJ: 0-0,10%, SNB: 0-0,25%, BoE: 0,50%



Arbeitslosigkeit und Entlohnung in Europa, Graph: Prof. Heiner Flassbeck in flassbeckeconomics

Dienstag, 26. November 2013

Okuns Gesetz trifft auch heute zu wie vor fünfzig Jahren

Okuns Gesetz beschreibt die Korrelation zwischen Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit in einer Volkwirtschaft. Eine negative Wachstumsrate des BIP geht mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit ein, während ein Anstieg des BIP zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit führt.

Das okunsche Gesetz ist in der Tat mehr als eine Faustregel, bemerkt Tim Taylor in seinem Blog. Jeder Anstieg des realen BIP  um 1% führt dazu, dass die Arbeitslosigkeit um 0,3% fällt.

Arthur Okun hat es im Jahr 1962 in einer Forschungsarbeit „Potential GNP: Its Measurement and Significance“ formuliert.

Drei Ökonomen im Dienst der Fed St. Louis untersuchen in einer aktuellen Analyse, in wie fern Okuns Gesetz für die US-Wirtschaft, die gegenwärtig mit einem schleppenden Wirtschaftswachstum und einem frustrierend trägen Rückgang der Arbeitslosigkeit ringt, zutrifft.

Das Ergebnis: Okuns Gesetz hat sich über die Zeit ganz gut gehalten.



Okuns Gesetz auf die Wirtschaft von heute angewandt, Graph: The Regional Economist, Fed St. Louis in: Output and Unemployment: How Do They Relate Today?

Montag, 25. November 2013

Griechische Banken mit weniger Schulden und mehr Eigenkapital als deutsche Banken

Die Finanzkrise legt nahe, dass eine staatliche Regulierung der Eigenkapitalanforderungen für Banken unerlässlich ist. Es muss endlich für eine deutliche Erhöhung der Eigenkapitalfinanzierung der Banken gesorgt werden. Doch die „systemrelevant“ geltenden Banken profitieren nach wie vor von impliziten Garantien.

Paul De Grauwe und Yuemei Ji deuten in einer heute vorgelegten Studie („Strong Government, Weak Banks“) auf die Verzerrungen, die von staatlichen Garantien und Subventionen ausgehen, hin. Die Banken verfügen in Europa noch immer über zu wenig Eigenkapital.

Der Eigenkapitalanteil der europäischen Banken belief sich 2013 auf nur 7,6% der gesamten Aktiva. Bemerkenswert ist die Dichotomie im Euro-Raum:

Während die Banken im Kern der EU über einen sehr niedrigen Eigenkapitalanteil von 5% oder weniger verfügen, beträgt der Eigenkapitalanteil der Banken in der Peripherie der EU mehr als 10%.

Warum? Weil in Nordeuropa die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit deutlich niedriger ist als die Rendite der entsprechenden Staatsanleihen in Südeuropa. Das schafft eine Art "Moral Hazard"-Problem. Die Banken im Norden fühlen sich von den Regierungen gestützt.

De Grauwe und Ji zeigen auf, dass es eine wesentlich positive Relation gibt: Banken in den EU-Ländern mit niedrigen Renditen der Staatsanleihen haben wenig Eigenkapital. Banken in den EU-Ländern mit hohen Renditen der Staatsanleihen haben viel Eigenkapital. Die Variation des Eigenkapitalanteils (equity ratio) lässt sich auf diese Weise zu 50% erklären, wie in der zweiten Abbildung zu sehen ist.



2012: Eigenkapital + Reserven im Verhältnis zu Bilanzsumme, Graph: Paul De Grauwe und Yuemei Ji in:Strong Government, Weak Banks


Trugschlüsse in der Erklärung der Finanzkrise

Ein Argument, welches viele Spitzenpolitiker und Mainstream-Ökonomen zur Erklärung der Finanzkrise seit 2008 gern vortragen, lautet, dass es sich bei der Finanzkrise um eine reine Liquiditätskrise handelt.

Die Auffassung lenkt davon ab, warum die Banken gegenüber Verlusten so anfällig waren und warum die Regulierung so locker gehandhabt wurde. Die Aufmerksamkeit wird dadurch von wichtigen Fragen abgelenkt, warum die Banken z.B. in Sachen Risikomanagement und Risikokontrolle versagt haben.

Im Vorfeld der Krise gingen die Banken viele Risiken ein, die sie vor der eigenen Unternehmensleitung und den Anlegern versteckt haben. Die Liquiditätsinterpretation der Krise hält die Menschen von dem Versuch ab, die Solvenzprobleme und ihre Ursachen zu verstehen, schreiben Anat Admati und Martin Hellwig in ihrem Buch „Des Bankers neue Kleider“

In diesem Zusammenhang nennt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Essay („Four Fallacies of the Second Great Depression“) in Project Syndicate vier Trugschlüsse, die im Sog der Finanzkrise als Erklärung immer wieder auftauchen.

Der eine ist „die schwäbische Hausfrau“. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat mehrfach gesagt, dass man einfach nur die schwäbische Hausfrau hätte fragen sollen: „Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben“.

Samstag, 23. November 2013

Negative Laufzeitprämie in Euro

Die Laufzeitprämie in EUR (10Jahre) ist negativ. Eine Korrektur ist erst dann zu erwarten, wenn das systemische Risiko sich zurückbildet.

In USD war die Laufzeitprämie noch im Sommer 2013 negativ. Die „Normalisierung“ von Term Premium zeigt, dass die sich abzeichnende Bereitschaft der US-Notenbank, die Wertpapierkäufe allmählich zu reduzieren (tapering), keine starke Turbulenzen am Anleihemarkt auslösen muss.




Laufzeitprämie (term premium) USD versus EUR, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 22. November 2013

Warum Sozialleistungen erhöht werden sollen

Für diejenigen Menschen, die in Washington („inside the Beltway“) ernst genommen werden, gilt seit vielen Jahren eine überwältigende Regel, die lautet, dass man seine Bereitschaft zur Kürzung der Sozialleistungen erklären muss, und zwar im Rahmen der Reform von Social Security, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Expanding Social Security“) am Freitag in NYTimes.

Es ging nie um Zahlen, die die Vorstellung sowieso nicht unterstützen, dass die soziale Sicherheit in einer akuten Krise steckt. Es hat stattdessen mit einer Art Erklärung von Identität zu tun, zu zeigen, dass man zum Establishment gehört und willens ist, anderen Menschen im Namen der haushaltspolitischen Verantwortung unnötiges Leid zuzufügen.

Eine komische Sache ist aber, erklärt Krugman, was sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat, dass jetzt eine Diskussion darüber stattfindet, die Social Security nicht zu kürzen, sondern auszudehnen. Die Rede von der Ausweitung der sozialen Sicherheit hat sogar mittlerweile den Weg zum Senat gefunden, wo Tom Harkin das Gesetz für die Erhöhung der Sozialleistungen vorgestellt hat. Ein paar Tage später hat Senatorin Elizabeth Warren einen mitreissenden Vortrag über die Vorteile der Vorsorgeleistungen gehalten.

Wo kommt das Ganze jetzt her? Eine Antwort ist, dass die Defizit-Schimpfer, die Sozialleistungen abbauen wollen, verdientermassen, in den vergangenen Jahren viel an Glaubwürdigkeit verloren haben. Darüber hinaus steckt Amerikas Rentensystem in grossen Schwierigkeiten.

Viele Arbeitnehmer hatten bislang leistungsorientierte Pensionspläne gehabt; Pläne, wonach ein regelmässiges Einkommen nach der Pensionierung durch die Arbeitgeber garantiert war. Und eine ganze Reihe von Senioren profitieren heute noch von solchen Plänen.

QE, Laufzeitprämie und säkulare Stagnation

Während die Notenbanken laut und deutlich darüber nachdenken, wie und wann die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (genannt QE: quantitative easing) allmählich zurückgefahren werden kann, rückt plötzlich die „secular stagnation“-Hypothese in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte in den USA.

Die Frage ist, ob der Weltwirtschaft eine langanhaltende Stagnation droht? 

Larry Summers hat auf einer Konferenz des IWF neulich darauf hingewiesen, dass die Nachfrage an einem Überschuss von Ersparnissen in Bezug auf Investitionen leidet.

Der ehemalige US-Finanzminister hat insbesondere betont, dass der Realzins negativ ist. Das heisst, dass es selbst unter günstigen Finanzierungsbedingungen nicht zu Investitionen kommt. Wie soll aber die gesamtwirtschaftliche Nachfrage angekurbelt werden?

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass die Laufzeitprämie (term premium) sich nach und nach normalisiert, was nahelegt, dass die Risikobereitschaft am Markt, wenn die Fed tatsächlich mit dem Tapering beginnen sollte, davon nicht so schlimm tangiert werden würde.

Die Laufzeitprämie war noch im Juni 2013 negativ.
 


Normalisiert sich die Laufzeitprämie?, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 21. November 2013

Normalisierung der Geldpolitik ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten

Rückt eine Normalisierung der Geldpolitik näher?

Das ist die Frage, die im Mittelpunkt des heutigen Referats von Fritz Zurbrügg, dem Mitglied des SNB-Direktoriums gestanden ist. Die Antwort ist ein klares Nein.

Im Angesichts der rekord-tiefen Zinsen und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit hat Zurbrügg darauf hingedeutet, dass die expansive Geldpolitik in den grossen Volkswirtschaften eine Zeit lang bestehen bleiben dürfte, zumal die Produktionslücke (output gap) geöffnet bleibt.

Offensichtlich extreme Situationen erfordern weiterhin lockere Geldpolitik. Das gilt nicht nur für die Schweiz und die Eurozone, sondern auch für die USA, Japan und Grossbritannien, was sich an den Markterwartungen ablesen lässt.

Die Future-Märkte rechnen damit, dass die erste Zinserhöhung durch die Fed im zweiten Quartal 2015, durch die EZB im vierten Quartal 2015 und durch die SNB erst im ersten Quartal 2016 erfolgen dürfte.



Es gibt keine Zinserhöhung im Jahr 2014, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB in: “Monetary policy and financial markets: Is a return to normal on the horizon?

Euro-Raum zwischen Deflation und Stagnation

Die Inflation ist im Euro-Raum niedrig. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine Deflation gerät. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem hohen Niveau (12,2%). Was sagt das aus? Eine vernünftige Antwort nach dem Lehrbuch würde lauten, dass die Geldpolitik zu straff ist, m.a.W. nicht locker genug.

Was sagt Jens Weidmann dazu? Der Präsident der deutschen Bundesbank spricht sich in einem aktuellen Interview gegen weitere Zinssenkungen. Zur Erinnerung: Die EZB hat vergangene Woche die Zinsen auf 0,25% gesenkt. Weidmann hatte der Zinssenkung nicht zugestimmt.

Paul Krugman fühlt sich dadurch „alarmiert“, wie er in seinem Blog zum Ausdruck bringt. Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor hält Weidmanns Bemerkungen für einen „reinen Glauben an die erlösende Kraft der Schmerzen, die andere Leute erleiden, um seiner selbst willen zu rechtfertigen.

Das ist eine ziemlich klare Aussage, die darauf hindeutet, wie die wahren Ursachen der Krise im Euro-Raum durch Verfechter der Austeritätspolitik in Europa verdreht werden: Zu hohe Staatsausgaben hätten angeblich zu Schuldenkrise geführt. Die Austerians halten am Wettbewerb als Dogma fest, koste es was es wolle. Paul De Grauwe spricht sogar von „ugly nationalism among German economists“.

Mittwoch, 20. November 2013

Was ist "Secular Stagnation"-Theorie?

Larry Summers hat mit seinem aktuellen Vortrag auf der jährlichen Research-Konferenz des IMF vergangene Woche eine neue Debatte ins Rollen gebracht: Es gibt keine einfache Rückkehr zur Normalität vor der Krise in den fortentwickelten Volkswirtschaften. Was meint der ehemalige Chef des US-Schatzamtes damit? Ein beunruhigende Zukunft mit einer chronisch schwachen Nachfrage und einem schleppenden Wirtschaftswachstum: secular stagnation.

Summers ist nicht der erste Ökonom, der auf eine langanhaltende Stagnation der Wirtschaft hindeutet. Paul Krugman hat bereits vor genau zwei Jahren in seinem Blog hervorgehoben, dass die Hypothese von secular stagnation, die in den frühen Nachkriegszeiten populär war, heute im Angesicht der fortbestehenden angeschlagenen Wirtschaft wieder an Brisanz gewinne.

Die Vorstellung beruht darauf, dass die geplanten Ersparnisse die geplanten Investitionen bei Weitem übersteigen. Die überschüssigen Einsparungen legen nahe, dass der Staat die Ärmel hochkrempeln soll, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln und eine nachhaltige Basis für die Vollbeschäftigung zu legen.

Heute liegen die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound), sodass der Rückgang der Nachfrage durch Zinssenkungen nicht ausgeglichen werden kann. Die Zinsen sind übrigens im Sog der Finanzkrise auf der Null-Grenze aufgeprallt, als Nachspiel des Schulden-Überhangs, den die Immobilienmarkt-Blase hinterlassen hat. Die Wirtschaft bleibt angeschlagen, weil sie nach dem Platzen von Bubble in eine Liquiditätsfalle gerutscht ist, wo die natürlichen Realzinsen im Allgemeinen niedrig sind. Das heisst, dass damit eine langanhaltende Stagnation bevorsteht.

Welche Implikationen erwachsen aber daraus? Was ist zu tun?



Effective Fed Funds Rate, Graph: FRED Fed St. Louis

Dienstag, 19. November 2013

Abenomics gegen Deflationsgespenst

Japans Verbraucherpreise steigen wieder. Die japanische Regierung scheint bei der Bekämpfung der Deflation voranzukommen. Der langanhaltende Preisverfall ist allem Anschein nach gestoppt worden.





Japan: Verbraucherpreise (CPI), Graph: Morgan Stanley

Montag, 18. November 2013

Wettbewerb ist kein Strassenkampf

Die Finanzkrise, die die Great Recession ausgelöst hat, ist per Definition vor vier Jahren zu Ende gegangen. Dennoch bleibt die Depression auf beiden Seiten des Atlantiks bestehen, mit schweren Folgen für Millionen von Menschen.

Die makrokonomischen Ungleichgewichte rücken vor diesem Hintergrund immer mehr ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Die anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschland stehen besonders geprägt in der Kritik. Die EU-Kommission hat inzwischen sogar eine Prüfung der deutschen Aussenhandelspolitik angekündigt.

Deutschland reagiert auf die Kritik aus dem Ausland empört, zumal Berlin wegen der Abhör-Affäre im Vorfeld bereits gereizt war. „Wir sind ein starkes Exportland und stolz darauf“, antworten Politiker darauf. Der Sachverständigenrat nimmt zum Leistungsbilanzsaldo im Gutachen vom 13. November 2013 nicht einmal direkt Stellung.

Die Bundesregierung hat bereits im November 2011 die EU-Kommission aufgefordert, bei der Beurteilung von makroökonomischen Ungleichgewichten die Überschussländer zu ignorieren. Begründung: Der Rest der Eurozone soll seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Das ist aber nicht möglich, weil Wettbewerbsfähigkeit ein relatives Konzept ist. Die Ausgaben des einen sind die Einahmen des anderen. Deutschland hat gewaltige Überschüsse und die Peripherie gewaltige Defizite. Das kann nicht funktionieren.

Ist langanhaltende Stagnation neue Normalität?

„Normalisierung“ ist das Wort, das die geldpolitischen Entscheidungsträger oft verwenden. Was ist aber, wenn die Welt, in der wir in den vergangenen fünf Jahren leben, die neue Normalität ist? Was ist, wenn die Depression-ähnlichen Bedingungen sich festfahren, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für Jahrzehnte?

Das ist die Frage, die Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („A Permanent Slump?“) am Montag in NYTimes aufwirft.

Larry Summers hat auf der IWF Research Conference neulich auf die Gefahr einer „Japan-ähnlichen Generation von langanhaltender Stagnation“ hingedeutet.

Solche Überlegungen werden im Grunde genommen in erster Linie mit radikalen Randgruppen in Verbindung gebracht. Das Argument stammt aber von Summers. Wenn Summers damit Recht hat, dann liegen alle ansehliche Ökonomen falsch, was sie über die Wirtschaftspolitik sagen, unterstreicht Krugman bewundernd.

Wir haben eine Wirtschaft, wo der normale Zustand eine unzureichende Nachfrage ist, zumindest eine milde Depression und welche sich nur dann in Richtung Vollbeschäftigung nähert, wenn sie von Blasen getragen wird, so Krugman.

Warum? Eine Antwort lautet Verlangsamung des Bevölkerungswachstums. Eine wachsende Bevölkerung schafft Nachfrage nach neuen Häusern, neuen Bürogebäuden, und so weiter. Wenn das Wachstum abnimmt, fällt auch die Nachfrage zurück.

Ein weiterer wichtiger Faktor sind anhaltende Defizite im Aussenhandel, was sich in den 1980er Jahren einsetzte und seither schwankt, aber nie weggeht.



Verschuldung der privaten Haushalte (US) im Vergleich zum BIP, GraphProf. Paul Krugman

Samstag, 16. November 2013

No One’s World

Buchbesprechung:

Charles A. Kupchan: No One’s World. The West, the Rising Rest and the Coming Global Turn. Oxford University Press, Oxford, New York 2013.



2010 haben die Weltbank und der IWF sich einverstanden erklärt, das Stimmrecht der Entwicklungsländer in Asien, Afrika und Südamerika zu erhöhen. Eine Veränderung, die auf Kosten des entwickelten Westens zustande kam. Eine Mehrzahl der Experten ist sich mittlerweile einig, dass die Welt an der Schwelle zu einem Global Turn steht.

In den vergangenen 200 Jahren haben Europa und die USA die Natur der modernen Welt geprägt. Die westliche Vorrangstellung scheint aber inzwischen zu vergehen. Brasilien, China, Indien, die Türkei, um die meist zitierten Protagonisten zu nennen, erheben sich. Zum ersten Mal in der Geschichte entsteht eine unabhängige Welt ohne ein Zentrum als Anziehungskraft.

Das 21. Jahrhundert wird nicht den USA, China oder Asia gehören, sondern niemandem, schreibt Charles A. Kupchan in seinem neuen Buch. Eine globale Ordnung, wenn sie sich entwickelt, wird eine Mischung aus diversen politischen Kulturen und zueinander in Konkurrenz stehenden Konzeptionen von einheimischen und internationalen Ordnungen sein, argumentiert der an der Georgetown University lehrende Professor für internationale Beziehungen.

Der Autor verfolgt mit diesem Werk zwei Ziele: (1) ein analytisches Ziel, um die Ursachen und die Folgen der bevorstehenden globalen Wende (global turn) zu erkunden, und (2) ein verordnendes Ziel in Form eines Entwurfs, wie der Westen sich auf das 21. Jahrhundert einstellen kann.

Zunächst erklärt Kupchan, wie der Westen einem einzigartigen und bedingten Weg gefolgt ist: Der Haupttreiber des Aufstiegs des Westens war das sozioökonomische Ferment: Europa und Amerika haben gemeinsam eine politische Ordnung geschmiedet, die von den Grundsätzen wie „liberal democracy, industrial capitalism“ und „secular nationalism“ definiert war.

Freitag, 15. November 2013

Warum sind die Zinsen so tief?

Seitdem die EZB ihren Leitzins vergangene Woche auf 0,25% gesenkt hat, sind die niedrigen Zinsen wieder in aller Munde. Das viel zu billige Geld als Stein des Anstosses. Alle schimpfen auf die Billigzinsen. Öfters ist sogar von „Enteignung“ und „Repressions“ die Rede. Die niedrigen Zinsen werden von einer Reihe von Experten längst als die Ursache der Finanzkrise ausgemacht.

Bereits im Fahrwasser der Finanzkrise von 2008 waren aber die kurzfristigen und langfristigen Zinsen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften auf historisch niedrigem Niveau. In Folge der Finanzkrise und sich daraus ergebenden Folgen haben die Zentralbanken weltweit reagieren müssen: 

(1) mit Zinssenkungen und (2) mit unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen.

Die Entwicklung der Zinsen hat aber nicht nur mit der Geldpolitik zu tun; sie reflektiert ökonomische und finanzielle Umstände, wie Jean-Pierre Danthine gestern in einem interessanten Referat („Ursachen und Folgen der tiefen Zinsen“) gestern erklärt hat.

Dahinter stehen laut dem Vizepräsidenten der SNB v.a. zwei Phänomene: (I) Der langanhaltende Abwärtstrend (secular) seit den 1980er Jahren und (II) Der zyklische Rückgang (cyclical) im Sog der Finanzkrise.

Der zyklische Rückgang hat wiederum in den vergangenen Jahren zu extrem niedrigen Zinsen geführt, wobei nicht nur die Geldpolitik, sondern auch die erhöhte Nachfrage nach sicheren Anlagen dazu beitrugen. Als Fazit lässt sich inzwischen festhalten, dass die Zinsen im Allgemeinen wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse und die Antwort der Geldpolitik darauf widerspiegeln.
Warum sind Zinsen tief?


Die tiefen Zinsen das Ergebnis eines langanhaltenden Abwärtstrends und der Rezession,  Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB in: "Causes and consequences of low interest rates"

Euro zwischen Wut und Verachtung

Die neuen Daten zur Entwicklung der Konjunktur in Europa lassen viel zu wünschen übrig. Die Industrieproduktion im Euro-Raum ist im September um 0,5% gefallen. Das deutsche BIP ist im dritten Quartal um 0,3% gewachsen. Die Stagnation hält an. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem Rekordhoch.

Vor diesem Hintergrund schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Money Trap“) am Freitag in NYTimes, dass die europäischen Behörden vor nicht lange her erklärten, dass der Kontinent über den Berg sei. Aber jetzt droht das Gespenst der Deflation über weite Strecken Europas. Und die EZB hat vergangene Woche die Zinsen gesenkt. Die Aktion macht bestenfalls nur einen marginalen Unterschied aus. Aber es ist dennoch ein Schritt in die richtige Richtung, hält Krugman fest.

Doch der Zinsschritt ist enorm umstritten. Und der Streit nimmt eine bedrohliche Form an, zumindest für alle, die sich an Europas schreckliche Geschichte erinnern.

Die Streitigkeiten über europäische Geldpolitik sind nicht nur eine Schlacht der Ideen, sondern sie klingen auch wie der Streit unter Nationen.

Zum Beispiel: Wer hat gegen die Zinssenkung gestimmt? Die beiden deutschen Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der EZB, begleitet von Vertretern der niederländischen und der österreichischen Zentralbanken.

Wer hat sonst ausserhalb der EZB die Zinssenkung kritisiert? Deutsche Ökonomen greifen nicht nur die Substanz der zinspolitischen Massnahme der EZB an, sondern auch die Nationalität von Mario Draghi, dem Präsidenten der EZB, der ein Italiener ist.



Europa im Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung während der Great Depression in den 1930er Jahren und der Great Recession 2008- bis heute, GraphProf. Paul Krugman


Donnerstag, 14. November 2013

Eurozone im Gewand von Moralfabel

André Kühnlenz macht wie immer wieder eine kluge Beobachtung: Im aktuellen Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank kommt das Wort „Staatsschuldenkrise“ ein einziges Mal vor. Im Vergleich 2012: 34x. Und mittlerweile reden die Verfasser des Berichtes korrekterweise von „Schuldenkrise“, nicht mehr von „Staatsschuldenkrise“.

Von Anfang an hat die deutsche Bundesregierung die Finanzkrise als „Staatsschuldenkrise“ vorgestellt. Die massiven wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euro-Raum wurden als Moralfabel dargestellt. Merkel und Schäuble haben wiederholt behauptet, dass die Ursache der Euro-Krise die unverantwortliche Haushaltsführung ist. Das makroökonomische Problem wurde in einem moralischen Gewand vorgetragen. Gläubiger-Länder haben dann Schuldner-Ländern harsche Sparmassnahmen auferlegt. Ängste wurde geschürt: Wenn jetzt keine Austeritätspolitik stattfinde, drohe „Hellenisierung“ des ganzen Euro-Raums.

Die gesamtwirtschaftliche Trends in eine Moralfabel umzudeuten, ist aber immer falsch. Warum? Weil es dann heisst, dass, wenn die privaten Haushalte die Gürtel enger schnallen müssen, auch der Staat sparen muss. Oder dass Rezessionen eine Strafe für die vergangenen Sünden sind.

Simon Wren-Lewis erklärt in seinem Blog das ganze Phänomen in einer Währungsunion (z.B. EWU) mit zwei Ländern „G“ und „R“. Was passiert, wenn das eine Mitglied vom Inflationsziel (z.B. 2%) der Währungsunion abweicht? Angenommen aufgrund der Exzesse in „R“ steigt die Inflation im Land „R“ auf 3%. Erfüllt die EZB ihren Auftrag, um die Inflation im Durchschnitt auf 2% zu halten, fällt die Inflation im Land „G“ auf 1%. „G“ wird dann „zu wettbewerbsfähig“.



Kurzfristige Zinsen und Verbraucherpreise (CPI) im Euro-Raum, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis

Mittwoch, 13. November 2013

Sachverständigenrat fordert Haushaltskonsolidierung mitten im Sparparadoxon

Der Sachverständigenrat hat heute sein Jahresgutachten 2013/14 zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgelegt. Es trägt den Titel „Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik“.

Hier ist die interessanteste Abbildung aus dem Bericht, wo deutlich zu sehen ist, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit im Euro-Raum gesteigert hat: durch Abwertung. Deutschland hat den Rest der EU-Länder in Sachen Lohnstückkosten regelrecht unterboten.




Reale effektive Wechselkurse im Euro-Raum, Graph: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in: Jahresgutachten 2013/14

Deutschland als Niedriglohnland

Im Gefolge der Finanzkrise scheint sich eine neue EU-Realität zu entwickeln. Der Entscheidungsprozess verlagert sich von Brüssel in Richtung nationale Hauptstädte der EU-Mitgliedsstaaten. 

Auffallend ist Berlins Gewicht, wesentlich mitzuprägen, wie die Geld- und Fiskalpolitik im Euro-Raum aussehen sollen. Die deutsche Regierung hat die Euro-Krise von Anfang an als Staatssschuldenkrise dargestellt und die Schuldner-Länder als Schuldige erklärt. Die harschen Sparmassnahmen wurden aus dieser ideologischen Agenda hergeleitet.

Der Rest der Welt schläft aber nicht. Nun wird Kritik laut. Im Mittelpunkt der internationalen Kritik steht Deutschlands Handelsbilanzüberschuss. Vor allem hat der vor rund einer Woche veröffentlichte Bericht des US-Schatzamtes an den amerikanischen Kongress für heikle Schlagzeilen gesorgt.

Jetzt spricht Adam Posen, der renommierte amerikanische Ökonom in einem Interview mit CNBC Klartext. Das ehemalige Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der britischen Notenbank (BoE: Bank of England) nimmt kein Blatt vor den Mund. Deutschlands Wirtschaftspolitik ist in vielerlei Hinsicht falsch: 

(1) Es zahlt seinen Arbeitnehmern keinen mit der Produktivität im Einklang stehenden Lohn und prellt damit die Arbeitskräfte. 

(2) Es investiert nicht, weder im öffentlichen Sektor noch in der Privatwirtschaft. 

(3) Das bedeutet, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb als Niedriglohn-Wirtschaft agiert. 

(4) Es neppt sowohl Europa als auch den Rest der Welt, wo es seine Ausfuhren (resultierend aus einem schwächeren Euro als es mit der D-Mark der Fall gewesen wäre) subventioniert  und 

(5) Es schnappt sich durch den Export von Deflation weltweit Marktanteile weg, während in der Welt hohe Arbeitslosigkeit vorherrscht.


Lohnstückkosten: Deutschland versus Rest der EMU, Graph: Prof. Heiner Flassbeck

Dienstag, 12. November 2013

Negative Renditen für Geldmarktbuchforderungen

Die kurzfristigen Zinsen bleiben in den fortentwickelten Volkswirtschaften im historischen Vergleich nach wie vor ausgesprochen niedrig. Es besteht weiterhin eine hohe Nachfrage nach sicheren Anlagen.

Auf der Versteigerung von Geldmarktpapieren mit drei Monaten Laufzeit hat sich in der Schweiz heute erneut eine negative Rendite ergeben. Es gingen Gebote in Höhe von 5,2 Mrd. CHF ein. Zugeteilt wurden 1 Mrd. CHF. Die Rendite belief sich auf minus 0,099%.

Es handelt sich dabei um die 38. Auktion mit einer negativen Rendite in Folge für Papiere in CHF mit drei Monaten Laufzeit. Es gab seit Jahresbeginn insgesamt 45 Versteigerungen, die alle mit einer Rendite unterhalb der Null-Marke abgeschlossen sind.




Schweizer Geldmarktzinsen, Graph: SIX Swiss Exchange

Montag, 11. November 2013

Der Preis der „one-size-fits-all“-Geldpolitik

(Nur für Streber)

Die „one-size-fits-all“-Geldpolitik funktioniert im Euro-Raum offensichtlich nicht. Das Dilemma ist, an wessen Volkswirtschaft sich die EZB orientieren soll, wenn es um die Gestaltung der Geldpolitik geht: Deutschland oder Irland?

Man denke an den Euro-Raum als ganzes: einzelne Schocks oder fiskalpolitische Massnahmen wirken sich sowohl auf Deutschland als auch auf den Rest des Euro-Raums, einschliesslich Peripherie aus.

Ein Beispiel: Angenommen es kommt zu einer scharfen fiskalischen Kontraktion in Südeuropa. Welche makroökonomische Implikationen würden daraus hervorgehen? Die Geldpolitik müsste gelockert werden, um via Zinssenkung kontraktiven Effekten der Austerität entgegenzuwirken. Paul Krugman zeigt den Verlauf des Ganzen anhand eines einfachen IS-LM-Modells.

Die EZB müsste also auf den Fiskal-Schock mit Zinssenkung reagieren. Da Deutschland aber nicht so harsche Sparmassnahmen getroffen hat wie Südeuropa, würde die Zinssenkung in Deutschland eine Wirtschaftsleistung über dem Potenzialwachstum auslösen und zu einem Anstieg der Inflation führen, wodurch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit negativ tangiert würde.

Das ist, wie das Ganze sich nach dem Lehrbuch abspielen würde. Es ist aber in der Praxis nicht der Fall. Warum nicht? Weil die EZB sich zurückhält, eine expansive Geldpolitik zu betreiben, trotz der restriktiven Fiskalpolitik an der EU-Peripherie, wie Simon Wren-Lewis erklärt. Die EZB hat in der Tat zu lange gewartet und erst vergangene Woche die Zinsen gesenkt. Daher findet sie sich jetzt plötzlich nahe Nullgrenze (zero lower bound).



Primary Financial Balance: Deutschland versus Euro-Raum, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis

Finanzierungssaldo ohne Zinszahlungen auf den Schuldenstand

Frankreich-Bashing und Anhänger der Austerität

Standard & Poor’s hat am Freitag Frankreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft. Die Bonität-Senkung hat für Schlagzeilen gesorgt, mit Hinweisen darauf, dass Frankreich in einer Krise steckt.

Die Märkte haben mit Gähnen darauf reagiert. Warum? Die Antwort ist, dass es wirklich viele Leute gibt, die schlecht darüber reden, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Plot Against France“) am Montag in NYTimes.

Es ist ein klarer Beweis dafür, dass die Defizit-Schimpfer sich nicht um Defizite kümmern, sondern die Angst vor Schulden benutzen, eigene ideologische Agenda voranzutreiben.

Angesichts einer solchen Rhetorik erwartet man, aus den Daten von Frankreich das Schlimmste zu sehen. Was man stattdessen erfährt ist ein Land mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, im Allgemeinen genauso gut wie seine Nachbarn oder sogar etwas besser als die meisten seiner Nachbarn. Welches Land hat aber heute keine ökonomische Schwierigkeiten?

Inzwischen sieht Frankreichs fiskalpolitischer Ausblick nicht beängstigend aus, hält Krugman fest. Das Haushaltsdefizit ist seit 2010 stark gesunken. Gemessen an Daten verdient Frankreich keine besondere Schmach. Worum geht es also?

Krugman gibt einen Hinweis: Vor zwei Monaten hat Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Währungsfragen, einer der treibenden Kräfte hinter der harschen Austeritätspolitik, Frankreichs scheinbar vorbildliche Finanzpolitik abqualifiziert. Warum? Weil sie auf Steuererhöhungen beruht, nicht auf Ausgabenkürzungen. Steuererhöhungen würden, erklärte Rehn, das Wachstum zerstören und die Schaffung von Arbeitsplätzen behindern.



Leistungsbilanz in Prozent des BIP: Frankreich, Deutschland und Spanien im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman

Samstag, 9. November 2013

Tapering und Fed Fund Futures

Während die Marktteilnehmer sich zwanghaft auf das Datum ausrichten, wann die Fed mit der Reduktion der Wertpapierkäufe (tapering) beginnen wird, stellen die Forscher bei der Fed Überlegungen an, wie die Geldpolitik danach aussehen könnte.

Dazu gibt es zwei Forschungspapiere (William B. English und Dave Reifschneider) , die zur Zeit von sich viel zu reden machen. Beide Studien sind auf der jährlichen IWF-Forschungskonferenz (annual IMF research conference) vorgestellt worden.

Gayvn Davies fasst in seinem Blog bei FT die beiden Papiere zusammen: Das Tapering dürfte irgendwann ziemlich bald stattfinden. Aber die Zinsen dürften bis 2017 nahe null verharren. Ob die Marktteilnehmer daran glauben, mag dahin gestellt sein. Die Anleihehändler erwarten nämlich, dass mit Tapering höhere Zinsen einhergehen werden.

Für die Fed scheint es daher wie ein hartes Stück Arbeit, die Marktteilnehmer zu überzeugen, dass Tapering  und kurzfristige Future Zinssätze zwei paar Schuhe sind.

Was sagen aber heute die Fed Fund Futures? Die erste Zinssenkung kommt erst im November 2015.



Fed Fund Futures, Graph: Morgan Stanley

Inflation fällt an der Peripherie schneller als im Kern

Die Deflation beschleunigt sich in Griechenland. Im Oktober ist der Verbraucherpreisindex (CPI) auf den niedrigsten Wert seit 51 Jahren gefallen. Die Preise für Güter und Dienstleistungen sind im vergangenen Monat auf Jahresbasis um 2% gesunken.

Die jährlichen Preise im Durchschnitt verzeichnen einen Preisrückgang von 0,4% im Vergleich zu der Inflationsrate von 1,8% vor einem Jahr. Griechenland befindet sich das sechste Jahr in Folge in Rezession. Das verfügbare Einkommen ist um mehr als 30% gefallen. Die Löhne sind in den vergangenen zwei Jahren um 12% gesunken. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf 27%.

Bemerkenswert ist, dass die Deflationsrisiken an der Peripherie schwerer sind als im Kern der Eurozone. Die Preise fallen nämlich in der Peripherie trotz der Erhöhung von indirekten Steuern und der durch die Behörden kontrollierten Preise schneller als im Kern. Und oben darauf sind die austeritätspolitischen Massnahmen in der Peripherie harscher als im Kern.

Das alles deutet darauf hin, wie schmerzhaft die Anpassung (rebalancing) im Euro-Raum stattfindet. Die historischen Präzedenzfälle legen nahe, wie schlimm die Auswirkungen des Schuldenabbau-Prozesses (deleveraging) und der Austerität (fiscal austerity) in einem deflationären Umfeld sind.



Euro-Raum: Inflation ist in der Peripherie niedriger als im Kern, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 8. November 2013

Euro-Raum sendet deflationäre Signale

Die EZB hat mit der Zinssenkung am Donnerstag mehr oder weniger die drohende Deflationsgefahr unterstrichen. Mario Draghi hat es auf der Pressekonferenz vorsichtig formuliert: „Wir erleben einen längeren Zeitraum niedriger Inflation“.

Es darf daran erinnert werden, dass die EZB ein Inflationsziel von 2% anstrebt. Die jährliche Inflationsrate ist im Euroraum im Oktober auf 0,7% gesunken. Das heisst, dass der Zielwert deutlich unterschritten wird, was einen Verstoss gegen die Preisstabilität darstellt.

Das global economics team von Morgan Stanley erwartet zwar nicht eine vollständige „Japanification“ im Euroraum. Aber die Analysten betonen „das sehr reale Deflationsrisiko“ in Europa. Begründung: 

(a) Überkapazitäten, 

(b) verfassungsrechtlich eingeschränkte Fiskalpolitik, 

(c) hohe Verschuldung und 

(d) eine „one size fits all“-Geldpolitik, die insbesondere für die Peripherie „zu straff“ ist, was darin zum Ausdruck kommt, dass die financial transmission aufgrund des Eigenkapital-Mangels der Banken unterentwickelt ist.



Im Euro-Raum signalisieren Überkapazitäten deflationäre Tendenzen, Graph: Morgan Stanley, Nov 8, 2013

Langzeitarbeitslosigkeit und Schäden für die Wirtschaft

Der IWF befasst sich auf der jährlichen Forschungskonferenz (Annual Research Conference) in Washington mit dem Thema „Krisen“. Es geht um die Ursachen und Folgen von Wirtschaftskrisen.

Paul Krugman, der an der Konferenz als Referat teilgenommen hat, macht in seiner lesenswerten Kolumne („The Multilated Economy“) am Freitag in NYTimes auf ein "Blockbuster-Paper" aufmerksam, wonach die Duldung der hohen Arbeitslosigkeit riesige Schäden in Bezug auf die langfristigen Aussichten anrichtet.

Seit die US-Wirtschaft in eine Rezession geriet, sind fünf Jahre und elf Monate vergangen. Die offizielle Arbeitslosigkeit bleibt hoch und sie wäre sogar noch höher, wenn nicht so viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden wären. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist heute viermal so hoch wie vor der Rezession, unterstreicht Krugman. Die trockenen Zahlen bedeuten Millionen von menschlichen Tragödien – verlorene Häuser, zerstörte Karrieren und junge Menschen, die mit dem Leben nichts anfangen können.

Viele Menschen haben sich an die Politik gewandt, die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Vordergrund zu rücken. Diese Bitten wurden jedoch von der herkömmlichen Besonnenheit überdröhnt, beschreibt Krugman weiter: Wir können nicht mehr Geld für die Arbeitsplätze ausgeben, weil es mehr Schulden bedeuten würden, lauten die Stimmen. Wir können nicht einmal die Arbeitslosen beschäftigen, um Strassen , Tunneln, Schulen usw. zu bauen. Kurze Sicht spielt keine Rolle. Wir müssen an die Zukunft denken.

Die bittere Ironie ist also, dass das Versagen, das Problem der Arbeitslosigkeit anzupacken, gleichzeitig die Opferung der Zukunft bedeutet. So sagen die Forscher von der Fed in der oben zitierten Analyse. Und Krugman bedauert es, zu sagen, dass er ihnen glaubt.



Die Langzeitarbeitslosigkeit ist heute in den USA viermal so hoch wie vor der Rezession, Graph: FRED Fed St. Louis

Donnerstag, 7. November 2013

Europas Problem mit Inflation

Inflation bedeutet eine anhaltende Abnahme des Geldwertes. Deflation ist das Gegenstück zu Inflation. Das heisst: Ein allgemeiner Rückgang des Preisniveaus, über längere Zeit.

Es ist aber kein Grund zum Feiern, dass die jährliche Inflationsrate im Euroraum im Oktober auf 0,7% gesunken ist. Zum Einen, weil die EZB ein gemeinsam festlegtes Inflationsziel von 2% verfolgt und es jetzt deutlich unterschreitet. Zum Anderen, weil eine gemässigte Inflation in der Tat eine gute Sache wäre, und zwar aus zwei Gründen.

Auf der Nachfrageseite: Inflation verringert das Problem, das entsteht, wenn die Zinsen auf der Null-Grenze aufprallen (zero lower bound). Die Nominalzinsen können nicht unter Null fallen. Aber die Realzinsen schon, weil i.d.R. eine mässige Inflation in den Erwartungen eingebettet ist.

Auf der Angebotsseite: Inflation reduziert das Problem der nach unten starren Löhne (downward nominal wage rigidity). Da niemand gern Lohnsenkungen in Kauf nimmt oder akzeptiert, stellt die Lohnrigidität eine Einschränkung dar, wenn die Löhne „tatsächlich“ fallen müssen.

Beide Probleme sind heute sowohl in den USA als auch in Europa zu beobachten, schildert Paul Krugman in seinem Blog. Im Euro-Raum ist das Problem aber besonders schlimm,und zwar wegen der Austeritätspolitik. Da die Fiskalpolitik sowohl im Kern als auch an der Peripherie der Eurozone restriktiv ist, bleibt die Geldpolitik als die einzige Möglichkeit übrig, um die Euro-Krise zu bekämpfen. Die Länder in Südeuropa werden daher gezwungen, die Preise und Kosten via „interne Abwertung“ (internal devaluation) anzupassen.



Fallende Preise im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley, Nov 2013