Mittwoch, 6. Februar 2013

Warum Banken mehr Eigenkapital annehmen müssen


Wäre es nicht schön, wenn es einen Weg gäbe, um die Banken sicherer, gesünder und fähig zu machen, mehr Kredite zu verleihen? Ja, es gibt einen Weg: Eigenkapital.

Wenn die Banken weniger stark verschuldet wären und sich mehr auf das nicht-geliehene Geld, d.h. auf das Eigenkapital (equity oder capital), verlassen würden, um Kredite und sonstige Aktiva zu finanzieren, könnten sie es vermeiden, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Sie wären besser in der Lage, weiterhin Kredite zu vergeben. Und das Finanzsystem wäre weniger zerbrechlich, schreiben Anat Admati und Martin Hellwig in einem lesenswerten Artikel („The Case Against Banking’s Case for Less Capital“) in Bloomberg.

Doch die Banker bekämpfen die Regulierung, die verlangt, dass sie mehr Eigenkapital aufbringen. Sie behaupten routinemässig, dass mehr Eigenkapital zu haben, die Eigenkapital-Rentabilität verringern würde. Eine niedrigere Rendite würde, sagen sie, ihren Aktionären schaden und Investitionen in ihre Aktien im Vergleich zu anderen Branchen unattraktiv machen. Das Urteil scheint zu sein, dass die Gesellschaft sich um die Eigenkapitalrentabilität der Banken sorgen müsste, es sei denn, ein spezifischer Ertrag würde an die Aktionäre der Banken geliefert. Ansonsten leiden wir alle. Diese Argumentation ist grundfalsch, heben die Autoren hervor.

Die Fokussierung auf Return on Equity (ROE) ist tief in der Kultur der Banken eingebettet. Die Vorstellung ist falsch. Wenn eine Bank in einem Jahr eine niedrige Rendite auf ihre Investitionen bringt, ist die ROE in der Tat höher, wenn die Bank mehr Eigenkapital hat.

Auch wenn die durchschnittliche EK-Rendite geringer ist, wenn eine Bank mehr Eigenkapital hat, müssen die Aktionäre davon keine Nachteile tragen. An den Finanzmärkten können Erträge nicht bewertet werden, ohne das eingegangene Risiko mitzuberücksichtigen. Und das Risiko für die Aktionäre wird direkt von der Höhe des Eigenkapitals (EK) betroffen.

Die Banker mögen selbst davon profitieren, wenn sie eine höhere EK-Rendite anstreben, aber sie belasten damit die Aktionäre, indem sie sie dem Risiko aussetzen, ohne sie dafür angemessen zu kompensieren, argumentieren Admati (Standford University) und Hellwig (Max Planck Institute).


The Bankers‘ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to Do about It. Princeton University Press, 2013.


Wenn die Banken stark Fremdkapital aufnehmen, erhöhen sie das Risiko für die Aktionäre, Gläubiger und das gesamte Finanzsystem. Und sie fügen damit der Wirtschaft Schaden zu und belasten Steuerzahler. Für die Banker mögen daraus, wenn sie stark mit Fremdmitteln arbeiten, fette Boni winken, wenn das Risikogeschäft aufgeht, oder die Risiken sich für eine Weile nicht materialisieren und hohe Gewinne eingestrichen werden können, ohne dafür bestraft zu werden.

Um die Mechanik der ROE zu verstehen, bieten die Autoren das folgende Beispiel mit einer Haus-Hypothek an:

Die Kate kauft sich ein Haus zu 300‘000 $ und zahlt 4% auf ihre Hypothek. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass sie am Ende des Jahres alle Zinsen und die Kreditsumme zurückzahlt und zu diesem Zeitpunkt das Haus weiterverkauft.

Fall (1): Wenn sie 30‘000 $ EK einsetzt:

EK=30‘000 $ und FK=270‘000 $

4% Zinsen machen 10‘800 $ aus und sie schuldet am Ende des Jahres 10‘800+270‘000= 280‘800 $ auf ihre Hypothek.

Wenn sie das Haus zu 345‘000 $ verkauft (d.h. mit einem Wertzuwachs von 15%), hat sie am Schluss nach der Tilgung des Kredits und der Zinszahlungen (345‘000-280‘800=) 64‘200 $. Das bedeutet einen Ertrag von (64‘200-30‘000=) 34‘200 $.

Das heisst eine ROE von 114%.

Fall (2): Wenn sie 60‘000 $ EK einsetzt:

EK=60‘000 $ und FK= 240‘000 $

4% Zinsen machen 9‘600 $ aus und sie schuldet am Ende des Jahres 9‘600+240‘000=249‘600 $ auf ihre Hypothek.

Wenn sie das Haus zu 345‘000 $ verkauft (d.h. mit einem Wertzuwachs von 15%), hat sie am Schluss nach der Tilgung des Kredits und der Zinszahlungen (345‘000-249‘600=) 95‘400 $. Das bedeutet einen Ertrag von (95‘400-60‘000=) 35‘400 $.

Das heisst eine ROE von 59%.

Fazit: Wenn sie mehr EK einsetzt, hat sie weniger (59% < 114%) ROE. Der Leverage funktioniert nach oben wunderbar, wenn die Erträge, die mit dem Fremdkapital (FK) erzielt werden, höher sind als die Kosten des Fremdkapitals.

Es gibt aber einen Haken. Was passiert, wenn der Wert des Hauses sinkt? Dann muss das EK der Kate nach der Tilgung des Kredites mehr Verluste absorbieren.

Wenn z.B. der Hauswert um 5% auf 285‘000 $ fällt. In Fall (1), wenn die Kate ein EK von 30‘000 $ eingesetzt hat, ergibt sich eine ROE von minus 86%. Mit anderen Worten verliert sie 86% ihrer Investition.

Im Fall (2), wenn sie ein EK von 60‘000 $ einsetzt, hat sie am Schluss 35‘400 $. Das heisst, dass sie 41% verliert. Die ROE beträgt nämlich minus 41%. Die ROE ist mit mehr EK höher, nicht weniger. Die ROE ist mit mehr EK immer höher, wenn der Wert des Hauses weniger als 4% für die Kreditzinsen zunimmt.

Der Einsatz des Fremdkapitals (leverage) verstärkt den Ertrag nach oben und nach unten. Es vergrössert das Risiko für jeden investierten Dollar. Der Kreditnehmer behält den Gewinn, solange das FK bezahlt wird. Aber auf der Kehrseite, mit weniger EK, bedarf es nicht viel, um das ganze EK auszulöschen. Auch wenn der Wert des Hauses um 5% abnimmt, hat die Kate am Schluss fast kein EK mehr. Fällt der Wert des Hauses unter 280‘800 $, hat die Kate im Fall (1), wo sie ein EK von 30‘000 $ einsetzt, am Schluss kein EK mehr.

Dasselbe gilt auch für Unternehmen und insbesondere für die Banken, die Fremdkapital aufnehmen.  Wenn ein Unternehmen mehr EK verwendet, ergibt sich am Schluss eine niedrigere ROE in guten Zeiten, wenn die Vermögenswerte mehr Rendite als der FK-Zins abwerfen. Aber die Verluste und die ROE werden grösser, wenn die Rendite der Vermögenswerte zurückbleibt, um die FK-Zinsen zu decken.

Mehr EK und weniger FK verringern die durchschnittliche ROE der Bank. Aber ein Rückgang der ROE bedeutet nicht, dass die Aktionäre geschädigt werden. Wo die Aktionäre weniger Rendite bekommen, tragen sie auch weniger Risiken. Infolgedessen erfordern sie weniger Rendite als Entschädigung für das Tragen von Risiken.


Das Buch dazu:

Anat Admati & Martin Hellwig: The Bankers‘ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to Do about It. Princeton University Press, February, 2013.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Interessant wäre jetzt der Grenzzinssatz in dem für Fall (1) schon Verlust gemacht wird und im Fall zwei noch Gewinn (2)...