Samstag, 12. Januar 2013

Unabhängigkeit einer Zentralbank in Depression


Ein neues, insbesondere in der amerikanischen Blogosphäre lebhaft diskutiertes, hochspannendes Thema ist die Unabhängigkeit einer Zentralbank, wenn v.a. die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt.

Izabella Kaminska hat am Dienstag in FTAlphaville auf eine neue Forschungsarbeit („Helicopter Money“) von Zoltan Pozsar und Paul McCulley hingewiesen. Es handelt sich dabei im Grunde genommen um eine Wandkarte (wall map) im Hinblick auf QE (quantitative easing), d.h. die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik, wenn die Wirtschaft nach einem Finanz-Schock schwer angeschlagen ist.

Pozsar hatte vor rund vier Jahren eine gigantische Wandkarte für das Shadow Banking im Dienst von New York Federal Reserve angefertigt, um geldpolitische Entscheidungsträger anzuregen, darübernachzudenken, wie das Finanzsystem heutzutage funktioniert oder nicht, wie Gillian Tett in einem lesenswerten Artikel („Fed’s mapmaker charts central bank “) in FT in Erinnerung ruft. McCulley, der frühere Investment-Manager von Pimco ist der Mann, der das Wort „Shadow Banking“ (Schattenbanken System) geprägt hat.

McCulley und Pozsar argumentieren nun, dass es Zeit ist, wenn die Wirtschaft sich mitten in einem säkularen Schuldenabbau-Zyklus (private deleveraging cycle) befindet, die monetäre Orthodoxien wie die Unabhängigkeit der Zentralbank zu überdenken.

Die Autoren reden von einem Paradigmenwechsel: „Schwarz wird zu weiss und unorthodox wird zu orthodox“. Die weit verbreitete Annahme, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank immer eine gute Sache ist, halte nicht mehr, so McCulley und Pozsar.


Das globale Macro-Schachbrett, Graph: Zoltan Pozsar and Paul McCulley in: „Helicopter Money“, Jan 7, 2013

Die langfristigen Schulden-Zyklen neigen dazu, diametral entgegengesetzte Beschaffenheiten der Welt hervorzurufen, und zwar in zwei verschiedenen Feldern, welche in einer Abbildung als Achsen gezeichnet werden können. Manchmal befinden sich Gläubiger im privaten Sektor in einer „leveraging“-Laune (Schuldenaufbau), manchmal in einem „deleveraging“-Modus (Schuldenabbau). Genau so geht es im öffentlichen Sektor ab. Manchmal ist die Fiskalpolitik restriktiv (via Austerität). Manchmal ist sie stimulierend (via Konjunkturprogramme der Regierung).


Geldpolitik ist nicht allmächtig, Graph: Zoltan Pozsar and Paul McCulley in: „Helicopter Money“, Jan 7, 2013

Wenn man diese beiden Faktoren als zwei verschiedene Achsen auf einer Abbildung aufzeichnet, ergeben sich vier Quadranten, die verschiedene Punkte der Wirtschaft darstellen. Wenn öffentliche und private Aktivität stimulierend ist, dann gibt es einen Kredit-Boom, wo die Zentralbanken intervenieren müssen, um einen Anstieg der Inflation zu verhindern.

Wenn in einem Sektor Schuldenabbau (deleveraging) stattfindet, ist das Muster gemischt. Aber wenn beide Sektoren (sowohl öffentlich als auch privat) Schulden zurückfahren (deleveraging), gibt es öfters Deflation und eine Liquiditätsfalle: Kreditnehmer halten sich mit Kredit-Aufnahme zurück, unabhängig davon, wie billig das Geld zu haben ist, was wiederum die Wirksamkeit der Geldpolitik beeinträchtigt.

Die Geldpolitik und expansive Fiskalpolitik müssen stimulierend wirken, da die lockere Geldpolitik allein nicht funktioniert, heben die Autoren hervor. Pozsar und McCulley erinnern daran, dass Ben Bernanke im Jahr 2003, bevor er zum Fed-Präsidenten gewählt wurde, gesagt hatte, dass es wichtig sei, anzuerkennen, dass die Rolle einer unabhängigen Zentralbank in inflationären und deflationären Umgebungen unterschiedlich ist. Im Angesicht der Inflation ist es eine Tugend, die Fähigkeit zu haben, der Regierung „nein“ zu sagen. In einer Zeit, wo im privaten Sektor Schuldenabbau stattfindet, ist eine grössere Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken und Finanzbehörden keineswegs mit der Unabhängigkeit der Zentralbanken unvereinbar. Bemerkenswert! Es ist jedoch zweifelhaft, ob Bernanke eine solche Aussage heute machen würde.

Bemerkung:

(Nur für Streber)

Eine Zentralbank ist immer ein Agent des Schatzamtes, wie Izabella Kaminska in FTAlphaville zum Ausdruck bringt. Die beiden sind in der Tat ein verheiratetes Paar. Wenn es jemals eine Zeit gegeben hat, die Haltung in Bezug auf die Unabhängigkeit einer Zentralbank zu überdenken, ist es jetzt, wie beispielsweise die aktuelle US-Debatte über die Prägung von Münzen aus Platin, um die Schuldenobergrenze zu umgehen, aufzeigt.

Diese Art der Denkweise steht im Übrigen im Mittelpunkt der Modern Monetary Theory (MMT), obwohl auch Paul Krugman heute sich der Argumentation bedient, auf die Kritik zu reagieren, dass Money Printing derzeit, während die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, keine Rolle spielt. Es kommt also nicht darauf an, ob die Regierung eine Anleihe ausgibt, um die Schulden zu decken, oder Geld druckt oder sogar Münzen aus Platin prägt, um die Schuldenobergrenze (debt ceiling) zu umgehen. Es besteht keine Inflationsgefahr. Zumal die gesamtwirtschaftliche Nachfrage mangelhaft ist und die Produktionslücke (output gap) weit geöffnet verharrt. 

Es gibt aber eine Einschränkung (caveat), wie die MMT-Anhänger aber auch McCulley und Pozsar betonen. Diese Denkweise gilt nur für Volkswirtschaften, die Schuldtitel in der eigenen Währung ausgeben können, also über die monetäre Souveränität verfügen und eine relativ stabile Nachfrage nach Staatspapieren durch globale Investoren geniessen. Dieser Denkakt bezieht sich nicht auf kleine, offene Volkswirtschaften oder solche, die die Landeswährung an einer anderen Währung koppeln. Die Länder der Euro-Zone sind ein klares Beispiel dafür, dass sie von diesem Ansatz ausgeschlossen sind.

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