Freitag, 30. November 2012

Ruppige Blockadepolitik und Rezession in Amerika


Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die USA nächstes Jahr in eine Rezession fallen, beträgt jetzt etwa 36%, schätzt Brad DeLong in einem lesenswerten Artikel („America’s Political Recession“) in Project Syndicate ein.

Die Gründe dafür sind ausschliesslich politischer Natur, hebt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor hervor. Die parteipolitische Polarisierung ist so gross wie nie zuvor und droht, die US-Wirtschaft über die „Fiscal Cliff“ zu stürzen.

„Obama verfolgt im Grossen und Ganzen weiterhin die Sicherheitspolitik Ronald Reagans, die Ausgabenpolitik George H.W.Bushs, die Steuerpolitik Bill Clintons, die parteiübergreifende Finanzmarktregulierungspolitik der SquamLake Group, die Einwanderungspolitik Perrys, die Klimapolitik John McCains und die Gesundheitspolitik Mitt Romneys. Und trotzdem konnte er kaum Republikaner dazu bewegen, ihre eigene Politik zu unterstützen“.

Dazu gibt es klare Gründe, erklärt der ehemalige Staatssekretär im amerikanischen Schatzamt.

Kampf der Klassen - 2012


Am Wahltag wurden die Parkplätze hinter dem Flughafen Logan International knapp, nicht für die Fahrzeuge, sondern für Privatjets. Grosse Spender sind in die Stadt geströmt, um an der Siegesparade von Mitt Romney teilzunehmen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne (“Class Wars 2012“) am Freitag in NYTimes.

Es hat sich herausgestellt, dass sie über die politische Wirklichkeit falsch informiert waren. Aber die enttäuschten Plutokraten lagen nicht falsch damit, wer auf ihrer Seite stand. Bei der Wahl ging es in der Tat darum, die Interessen von sehr Wohlhabenden gegen die der Mittelschicht und der Armen auszuspielen, legt Krugman dar.

Und die Obama-Kampagne hat v.a. durch die Missachtung von Warnungen der zimperlichen „Zentristen“ die Wahl gewonnen und die Klassenkampf-Aspekte der Konfrontation betonend sich an die Realität gewandt. Dies hat nicht nur sichergestellt, dass Präsident Obama bei Wählern mit geringerem Einkommen mit immensen Gewinnspannen gewann, sondern diese Wähler haben in grosser Zahl dazu beigetragen, Obamas Wahlsieg zu besiegeln.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass, während die Wahl vorbei ist, der Klassenkampf anhält. Dieselben Leute, die auf Romney setzten, und verloren, versuchen jetzt, durch List zu gewinnen, und zwar im Namen der haushaltspolitischen Verantwortlichkeit, des Terrains, wo sie in einer offenen Wahl verloren haben, argumentiert Krugman.

Man betrachte als Paradebeispiel den Druck, das Rentenalter zu erhöhen, und das Alter für die Förderfähigkeit für Medicare. Es wird nun erzählt, dass die Lebenserwartung schliesslich gestiegen sei. In Wahrheit wäre es ein äusserst regressiver Wechsel der Politik.

Griechenland: Schuldenrückkauf oder Schuldenschnitt?


Was bedeutet der Schuldenrückkauf durch Griechenland? Dem in der Nacht zum Dienstag geschnürten Hilfspaket zufolge wird Athen mit Unterstützung des EFSF Anleihen von privaten Investoren zurückkaufen, und zwar zu einem Drittel des Nominalwertes.

Auf diese Weise könnte der Schuldenstand Griechenlands um 10 Mrd. Euro gesenkt werden. Unklar ist jedoch, ob die Investoren auf das Angebot eingehen werden oder nicht. Die Politiker wollen andererseits von einem Schuldenschnitt nichts wissen.

Da aber beschlossen wurde, dass die Zinssätze aus dem ersten Programm für Griechenland um 100 Basispunkte gesenkt werden, was darauf hinaus läuft, dass Athen nur noch 50 Basispunkte über dem Euribor-Referenzsatz zahlen muss, stehen Verlierer fest: Italien und Spanien. Die beiden Länder werden die Gelder, die sie im Markt zu einem höheren Satz aufnehmen, zu einem tieferen Satz an Griechenland weiter leihen.

Wenn die Troika nicht gern von einem Schuldenschnitt redet, ist es nicht vermeidlich, dass aus dem vorgeschlagenen „Haircut“ am Schluss ein Schuldenschnitt wird, wenn die Geldgeber sich bereit erklären, Griechenlands Verschuldung weiter zu senken.


Wer hält Griechenlands Staatsanleihen und wie viel?, Graph: FT Alphaville

Der Anteil des „offiziellen Sektors“ (d.h. EFSF, Eurozone, IWF, EZB, Nationalbanken, Zentralbank von Griechenland und andere) beläuft sich auf 71% an ausstehenden griechischen Staatspapieren. Der Bestand der griechischen Finanzinstitutionen beträgt rund 10%.

Donnerstag, 29. November 2012

Schweizer Wirtschaft wächst weiter


Während die EU in einer schweren Rezession steckt, wächst die Wirtschaft in der Schweiz. Die Wirtschaftsleistung ist in der Schweiz im III. Quartal 2012 gegenüber dem II. Quartal 2012 um 0,6% gestiegen. Das Wachstum wurde im vergangenen Quartal v.a. durch die Staatsausgaben angetrieben. Die Konsumausgaben der öffentlichen Hand legten um 1,7% zu.

Im Vergleich zum III. Quartal 2011 ist das Schweizer BIP trotz der Euro-Krise um 1,4% gewachsen. Was macht den Unterschied aus? Die Antwort lautet: Austerität. Kontraktive Fiskalpolitik bleibt kontraktiv.

Während die EU-Führung ihre Zeit damit vergeudet, Südeuropa mit einem harschen Austeritätskurs an die Wand zu drücken, wird der Blick vom Thema Wachstum im Euroland immer weiter abgelenkt. Die EU-Politiker finden einfach keine Zeit, sich Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu kümmern.

Die Troika fordert Strukturreformen, während die von Brüssel und Berlin vorgeschriebene Austerität Strukturen vernichtet. Und die deutsche Bundesbank (*) warnt in Depression vor Inflation und Transferunion, obwohl die Inflation sich derzeit auf weniger als 2,0% beläuft. Die EZB hingegen weigert sich, die Rolle des lender of last resort in vollem Umfang wahrzunehmen. Das OMT-Programm kann nur umgesetzt werden, wenn die von der Krise am stärksten gebeutelten EU-Länder weitere schmerzhafte Austeritätsmassnahmen annehmen.


Schweiz Wirtschaftsleistung (BIP), Graph: SECO, Nov 29, 2012

Staatsfonds: Geldpolitik und Anlagepolitik


SNB-Präsident Thomas Jordan hat gestern in einem interessanten Referat zum Thema “Geldpolitik und Anlagepolitik der Nationalbank im Zeichen der Frankenstärke erneut erläutert, wie die SNB 2009 und 2010 am Devisenmarkt interveniert hat, um eine übermässige Aufwertung des Frankens zu bekämpfen.

Die SNB hat am 6. September 2011 einen Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR festgelegt, um schweren Schaden von der Schweizer Wirtschaft abzuwenden. Die SNB setzt diesen Mindestkurs seither konsequent um und ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.

Die unkonventionelle Geldpolitik schlägt sich andererseits in einer massiven Bilanzverlängerung nieder, was auch die Bedeutung der Währungsreserven verändert. Daraus entfalten sich Auswirkungen auf die Anlagepolitik der SNB.

Da die Geldpolitik Vorrang hat, hat sich die Anlagepolitik den Erfordernissen der Geldpolitik zu fügen. Derzeit steht die Bewirtschaftung der Währungsreserven im Zeichen der Durchsetzung des Mindestkurses. Die Aufgabe besteht laut Jordan darin, einen grossen Bestand an Devisen liquid, sicher und ertragsbringend zu diversifizieren.

Vor diesem Hintergrund taucht in konservativen Kreisen immer wieder die Idee auf, einen Staatsfonds (sovereign wealth fund, SWF) einzurichten, um die Währungsreserven der SNB besser zu bewirtschaften.

Mittwoch, 28. November 2012

Deleveraging: Wo und Wie?


Der jüngste Schuldenabbau (deleveraging) reflektiert hauptsächlich Abschreibungen, Zahlungsausfälle, Kapitalerhöhungen und Verkauf  von Vermögenswerten, nicht Ersparnisse, schreibt das Global Cross-Asset Strategy Team von Morgan Stanley in einer heute vorgelegten Forschungsarbeit.

Weitere Bilanz-Änderungen seien notwendig, um die Fremdverschuldung (leverage) zu reduzieren. Die Änderungen können aber einen Verkaufsdruck auf den Kapitalmärkten auslösen, heben die Autoren hervor. Die einfachste Möglichkeit wäre, die Bestände der Zentralbanken an Staatsanleihen zu annullieren.

Es waren nicht übermässige Ausgaben im Verhältnis zum Einkommen, sondern die Kreditaufnahme für den Kauf von bereits vorhandenen Vermögenswerten. Es waren also Veränderungen in der Bilanz, was die Entwicklung z.B. in Japan erklärt (balance sheet recession).


Kreditwachstum im Verhältnis zum BIP, Graph: Greg Peters, Gerard Minack, Jason Draho, Morgan Stanley, Global Cross-Asset Strategy Team

Die neue D-Mark wäre keine heile Welt


Die Idee, dass Deutschland zur D-Mark zurückkehren könnte, wenn Südeuropa aus der EWU nicht austrete, ist in konservativen Kreisen ziemlich populär. Wer aber heute glaubt, dass die Rückkehr zur D-Mark wieder in eine heile Welt führe, dürfte bitter enttäuscht werden, schreibt Peter Bofinger in seinem lesenswerten neuen Buch („Zurück zur D-Mark?“).

Denn es erginge Deutschland wahrscheinlich wie Japan. Die neue D-Mark würde zum Club der stabilen Währungen gehören, die grundsätzlich eine Aufwertungstendenz aufweisen.

Die Bundesbank würde als Verfechterin von Hard-Money Politik sehr lange warten, zu intervenieren, um die Aufwertung der neuen D-Mark zu stoppen. Warum? Weil es in die von Marktglaubwürdigkeit geprägte Welt der Bundesbank einfacht nicht passt, wenn eine staatliche Institution in Marktmechanismen eingreift, beschreibt der an der Universität Würzburg lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die kräftige Aufwertung der wiedereingeführten D-Mark würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft „gravierend beeinträchtigen“, sodass renommierte Ökonomen wie z.B. Hans-Werner Sinn auf den Plan treten würden, massive Lohnsenkungen zu fordern.

Sinkende Löhne würden den Weg in die Deflation einleiten, was wiederum die Schuldenstandsquote Deutschlands nach oben treiben würde, selbst wenn der deutsche Staat keine neuen Schulden mehr aufnähme, erläutert der deutsche Wirtschaftsweise. Bofinger ist seit 2004 im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung tätig.

Dienstag, 27. November 2012

Vermögenswert versus Eigenkapital


Finanzmarktaufsicht will, dass die Banken krisenfest werden. Wie? Mit mehr Eigenkapital. Der Standardsatz von Wall Street Lobbyisten lautet aber in diesen Tagen, dass man sich keine Sorgen über die Finanzinstitute, die als „ TBTF“ gelten, zu machen braucht, weil der Dodd-Frank Act angeblich das Problem lösen werde.

Die Implikation ist, dass der US-Kongress sich entspannen und keine weiteren Änderungen aufzwingen soll. Eine Verkleinerung der Grösse der Banken oder Vereinfachung der rechtlichen Strukturen der grossen Finanzunternehmen seien keine sinnvollen Massnahmen.

Vor diesem Hintergrund bemerkt Simon Johnson in einem lesenswerten Artikel („Fed’s Dudley Signals a Shift Toward Reform“) in Bloomberg, dass man sich von der undurchlässigen Diktion der Lobbyisten nicht verwirren lassen soll.

Die Standardzeile, die die Runde macht, lautet: „Banken haben Kapital“. Es ist aber das falsche Verb, hebt Johnson hervor. Weil es relativ uninformierte Leser veranlasst , Kapital als einen Vermögenswert (asset) zu betrachten, anstatt was es wirklich ist: eine Verbindlichkeit oder Eigenkapital (shareholder equity).

Bankwesen darf nicht im Schatten stehen


Während man die Einzelheiten der jüngsten Finanzkrise behandelt, taucht eine Frage auf, die lautet, wie es überhaupt geschehen konnte. 

Eines der Ergebnisse des Financial Stability Board (FSB) ist, dass das weltweite Schatten Bankensystem (shadow banking system) im Jahr 2007, kurz vor dem Ausbruch der Krise, auf einen Wert von 62‘000 Mrd. $ gewachsen ist, schreibt Gary Gorton in einem lesenswerten Artikel („Banking must not be left in the shadows“) in FT. Doch es geht nicht nur um die Messung des Schatten Bankensystems.

Bewertung ist die Wurzel der Wissenschaft. Unser Bewertungssystem, Volkseinkommen, regulatorische Einordnung und das Rechnungswesen sind nützlich, aber begrenzt, bemerkt der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor:  „Nun müssen wird ein nationales Risk Accounting System aufbauen“.

Die Finanzkrise ist passiert, weil das Finanzsystem sich auf sehr deutliche Art und Weise verändert hat. Das Bewertungssystem muss ebenso wesentlich geändert werden, argumentiert Gorton.

Die Anstrengungen, die bisher unternommen wurden, sind zumeist eine „bessere Daten-Sammlung“ oder eine „bessere Verwendung von bestehenden Daten“. Phrasen, die bestenfalls schwache Bemühungen nahelegen. Ein neues Bewertungssystem ist laut Gorton im Hinblick auf die Erkennung von möglichen Risiken potenziell zukunftsweisend.

Montag, 26. November 2012

Basis Swaps und Kreditmärkte


Die Investoren nehmen zwar nach wie vor einen Abschlag auf Euro-Verzinsung in Kauf, weil das Vertrauen in europäische Banken aufgrund der anhaltenden Euro-Krise angeschlagen ist.

Die Indikatoren für Finanzierung und Liquidität senden aber im Euro-Raum zumindest kurzfristig Erholungszeichen.

Negative EUR/USD Basis deuten darauf hin, dass die europäischen Banken gewillt sind, eine Prämie zu zahlen, um sich Zugang für Finanzierungen in US-Dollar zu verschaffen. Extrem-negative Werte sind Anzeichen von hohen Spannungen im Euro-Raum.


EUR/USD cross currency Basis Swap, Graph: Andrew Sheets, Morgan Stanley, Research Europe

Basis Swaps sind derivative Währungstauschgeschäfte zwischen dem Euro und dem US-Dollar. Der negative Wert zeigt, dass die Investoren bereit sind, im Austausch weniger Zinszahlungen auf Kapital, das in nicht-USD-Währungen ausgeliehen wurde, zu bekommen.

Fiskal-Phantom


Dies sind schwierige Zeiten für die Defizit-Schimpfer, die die politische Debatte seit fast drei Jahren beherrschen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Fighting Fiscal Phantoms“) am Montag in NYTimes.

Man könnte mit ihnen fast Mitleid haben, wenn sie vom anhaltenden Problem der unzureichenden Erholung der Wirtschaft die Aufmerksamkeit nicht ablenken und damit dazu beitragen würden, die katastrophal hohe Arbeitslosigkeit zu verewigen, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Was hat sich geändert? Zum einen, dass die Krise, die vorausgesagt wurde, nicht geschieht. Die Investoren flüchten aus den US-Staatsanleihen nicht. Ganz im Gegenteil: Da die Investoren immer noch US-Staatspapiere suchen, fallen die Renditen auf historische Tiefs. Darüber hinaus liegt die unmittelbare Gefahr für die US-Wirtschaft nicht darin, dass es nicht gelingt, das Haushaltsdefizit schnell abzubauen, sondern, dass das Defizit viel zu viel verringert wird, hält Krugman fest.

Im Angesicht dieser Realitäten hat die Bewegung der Defizit-Schimpfer ihre Schlagkraft verloren. Aber die Defizit-Schimpfer geben nicht auf. Nun rührt eine weitere Organisation (Fix the Debt) die Werbetrommel für die Kürzung von Social Security und Medicare (der staatliche Gesundheitsdienst für Rentner), auch wenn niedrigere Steuersätze ein „Grundsatz“ bleibt. 

Der letzte Teil macht keinen Sinn, wenn man auf die grossen Unternehmen schaut, von Goldman Sachs bis United Health Care, welche alle an den Anstrengungen beteiligt sind und von Steuersenkungen profitieren würden. Opfer bringen ist wohl für die kleinen Leute, bemerkt Krugman ironisch.

Kann man den Markt schlagen?


Eine der viel geschmähten Ideen in der Volkswirtschaftslehre ist die der efficient market hypothesis (EMH), schreibt Tim Harford in einem im Twitter (h/t to Mark Thoma) viel beachteten Artikel („Still think you can beat the market?“) in FT (auch in seinem Blog).

Die EMH hat verschiedene Formen, aber die Botschaft ist kurz zusammengefasst sehr einfach: ein einzelner Investor kann die Finanzmärkte dauerhaft nicht schlagen. Die Argumentation ist genau so einfach. Alles, was vernünftigerweise eingepreist werden könnte, wird bereits eingepreist sein. Und die Märkte reagieren stattdessen wirklich nur auf unerwartete Nachrichten, legt Harford dar.

Aber die EMH hat ein Problem: Forscher entdecken laufend vorhersagbare Muster in den Daten. Das ist ein wenig peinlich für die Theorie. Aber es wird ein grosses Problem, wenn die Anomalien anhalten, nachdem sie entdeckt worden sind. Doch es scheint zweifelhaft.

Eine neue Forschungsarbeit von David McLean und Jeffrey Pontiff überprüft ausschliesslich die Idee, dass die akademische Forschung in Anomalien ein sich selbst verleugnendes Bestreben ist. Aber was wirklich auffallend ist, dass eine Anomalie, nachdem sie veröffentlicht worden ist, schnell schrumpft, auch wenn es nicht verschwindet.

Sonntag, 25. November 2012

Ein unglaubwürdiges Argument für Glaubwürdigkeit


Niemand streitet es ab: Hätte Griechenland eine eigene Währung gehabt, hätte es eine massive Abwertung erfahren. Damit würde die Nachfrage nach Gütern im Inland erhöht und die Last der harschen Austerität etwas abgemildert. Der schmerzhafte und lang anhaltende Weg über internal devaluation („interne Abwertung“) wäre erspart gewesen.

Es gibt auf der anderen Seite eine bemerkenswerte Mischung aus Gegensatz und Ähnlichkeit zwischen den politischen Debatten in Grossbritannien und den Vereinigten Staaten. Wie Paul Krugman in seinem Blog darauf aufmerksam macht, verfügt jedes Land über seine eigene Währung und die Verschuldung beläuft sich auch auf die nationale Währung. Die Zinsen liegen in der Nähe von Rekordtief.

Die Very Serious People (VSP) erzählen jedoch sehr unterschiedliche Geschichten. In den USA sind die Finanzierungskosten des Staates angeblich trotz des hohen Haushaltsdefizits niedrig, weshalb die Empfehlungen von Bowles-Simpson sofort umgesetzt werden müssen, weil sonst die Bond Vigilantes angreifen. Ja, dieses mal werde es tatsächlich zu einer Attacke kommen.

In Grossbritannien hingegen lautet die offizielle Lesart, dass die Zinsen niedrig sind, weil die Austeritätspolitik funktioniert. Wenn aber gut informierte Menschen darauf hinweisen, dass die kurzfristigen Zinsen deswegen niedrig sind, weil die Investoren eine schwache Wirtschaft in Zukunft erwarten, reagieren die VSP verärgert und beleidigend.


Zinsen im Vergleich: Die USA und Grossbritannien, Graph: Prof. Paul Krugman

Zurück zur D-Mark?


Buchbesprechung

Peter Bofinger: Zurück zur D-Mark? Deutschland braucht den Euro. Droemer Verlag, 2012.


Eine Haushaltskonsolidierung in einer schweren Rezession (Depression und der hohen Arbeitslosigkeit) geht i.d.R. mit einem Nachfragerückgang einher. Die Debatte über die wahren Ursachen der Euro-Krise wird aber im Euroland durch ideologische Sichtweise der Defizit-Falken stark verzerrt geführt. Dem Dogma von Austerians entsprechend ist nie der Markt für wirtschaftliche Probleme verantwortlich, sondern immer der Staat.

Vor diesem Hintergrund zeigt Peter Bofinger in seinem lesenwerten Buch auf, wie die Währungsunion in eine existenzbedrohende Situation gesteuert wird.
Die einseitige Fixierung auf die Haushaltskonsolidierung, der ideologische Glauben an die Vertrauen Fee (confidence fairy) und das Ausblenden von gängigen Lehrbüchern der Makroökonomie hat drei grosse Krisenherde (das infernalisches Dreieck) entstehen lassen, die sich wechselseitig immer mehr verstärken: Banken-, Staatsschulden- und makroökonomische Krise.

Um die wechselseitige Eskalation von Staatsschuldenkrise und Bankenkrise zu stoppen, muss Bofingers Ansicht nach die makroökonomische Krise angegangen werden. Für den Autor besteht jedoch kein Zweifel, dass der Versuch gescheitert ist, die Krise innerhalb des gegebenen institutionellen Rahmens in den Griff zu bekommen. Es bedarf einer stärkeren fiskalpolitischen Integration. Nationale Egoismen sollen zugunsten eines gemeinsamen, solidarischen Vorgehens zurückgestellt werden, erläutert der an der Uni Würzburg lehrende Wirtschaftsprofessor.

Samstag, 24. November 2012

Bond Vigilantes und Angst-Taktik


Es gibt einen Gegensatz zwischen dem, was die Bosse der Finanzindustrie zur Zeit sagen, was sie beunruhigt und dem, was die Finanzmärkte sagen. Die Bosse erklären, wie Suzy Khimm in WAPO berichtet, dass das Scheitern der Bemühungen, ein Grand Bargain (*) zu erzielen, einen schädlichen Vertrauensverlust im Hinblick auf die finanzpolitischen Perspektiven des amerikanischen Staates auslösen würde, was zu einem Bond Run (**) führen würden, mit Zinsen, die durch die Decke schiessen.

Die Angst-Taktik von Bond Vigilantes ist aber tiefgründig. Denn es ist ziemlich schwer, nachzuweisen, dass ein Vertrauensverlust auf Realwirtschaft lasten würde, wie Paul Krugman aufgrund eines IS-LM-Modells aufzeigt. Ein möglicher Vertrauensverlust hätte zur Folge, dass der US-Dollar an Wert verlieren würde, was dadurch einen expansiven Effekt auslösen würde.

Na gut, es gibt den Fall Griechenland. Aber Griechenland hat nicht eigene Landeswährung. Was besagt aber das Modell, unter welchen Umständen ein Land, das über eine eigene Währung verfügt, und in dieser Währung Kredit aufnimmt, in einen Abschwung geraten würde, wenn Bond Vigilantes angreifen würden? Gibt es historische Beispiele.

Krugman deutet in seinem Blog auf Frankreich in den 1920er Jahren  hin. Das Land, das nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit Schulden belastet war, sah damals in der Tat einem Angriff der Spekulanten gegenüber.


Frankreich, Verlauf der Zinsen in den 1920er Jahren, Graph: Prof. Paul Krugman
Daten: Bank of France

Freitag, 23. November 2012

Politik und das Alter der Erde


Senator Marco Rubio, der von vielen als einen Anwärter für die Nominierung der republikanischen Präsidentschaftskandidatur 2016 gehandelt wird, wurde neulich gefragt, wie alt die Erde ist. Nach der Erklärung, Mensch! Er sei kein Wissenschaftler, machte der Senator ein verzweifeltes Ausweichmanöver: „Es ist eines der grossen Geheimnisse“, berichtet Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Grand Old Planet“) am Freitag in NYTimes.

Es ist eine lustige Sache, fährt Krugman fort. Konservative sagen, dass Rubio auf Launen der Wähler in den republikanischen Vorwahlen 2016 eingehe. Eine Behauptung, die uns aus irgendeinem Grund trösten sollte, erklärt Krugman weiter.

Aber wir sollten es nicht so einfach gelten lassen, so der Träger des Wirtschaftsnobelpreises. Rubios Unfähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse zu erkennen, spricht für die anti-rationale Einstellung, welche in seiner Partei die Oberhand gewonnen hat. In einem Interview hat Rubio die Lehre von Evolution mit der Taktik der kommunistischen Indoktrination verglichen.

Worüber hat sich Rubio in Sachen Wissenschaft beklagt? Dass es wahrscheinlich den Glauben der Kinder untergraben könne, was die Eltern lehren, woran die Kinder glauben sollen. Und genau hier ist die Haltung der modernen GOP zu sehen, nicht einfach gegen die Biologie, sondern gegen alles: wenn die Beweise dem Glauben zu widersprechen scheinen, dann müssen sie underdrückt werden.

Das offensichtlichste Beispiel anders als die Evolutionslehre ist der vom Menschen verursachte Klima-Wandel. Werden die Beweise für die Erwärmung der Erde immer stärker, und immer beunruhigender, versteckt sich die GOP tiefer in Verleugnung, begleitet von hektischen Bemühungen, alle, die von unbequemen Tatsachen berichten, zum Schweigen zu bringen und zu bestrafen.

Donnerstag, 22. November 2012

Trennung von Geld- und Fiskalpolitik?


Die EZB übernimmt bekanntlich aus dogmatischen Gründen keine Verantwortung für die finanzielle Stabilität im Euro-Raum. Die Defizit-Schimpfer wollen die EZB aus der Bewältigung der Euro-Krise weitestgehend heraushalten. Schliesslich werde mit unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen erhebliche Risiken übernommen.

Wie sinnvoll ist es aber, mitten in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise darauf zu bestehen, die Trennung zwischen Geld- und Fiskalpolitik wiederherzustellen? Eine weitere interessante Frage ist in diesem Zusammenhang, warum heute in der EU-Zone ein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik besteht?

Vor diesem Hintergrund hat sich Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in einem äusserst interessanten Referat gestern an der Uni Luzern mit dem Thema „Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik“ befasst. 

Zurbrügg veranschaulicht zuerst die Ziele und die Rollenverteilung der beiden Bereiche der Wirtschaftspolitik: Es gibt zwangsläufig kein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Schaut man sich die Ziele der Geld- und Fiskalpolitik an, stellt man fest, dass sie sehr ähnlich sind.

Die Geldpolitik wird heute in den meisten Industrieländern von unabhängigen Zentralbanken geführt und ist vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Dabei muss die Geldpolitik aber auch den Konjunkturverlauf berücksichtigen, erklärt Zurbrügg.


Ziele der Fiskal- und Geldpolitik, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012

Mindestkurs vermindert deflationäre Risiken


Die Kerninflation verbucht in der Schweiz den 13. Monat in Folge einen negativen Wert. Im Oktober belief sich die Inflation (ohne frische und saionale Produkte, Energie und Treibstoffe auf minus 1,0%), wie die SNB gestern in ihrem Statistischen Monatsheft (Nov 2012) mitgeteilt hat.

Der getrimmte Mittelwert (TM15), der wie die Kerninflation ein geeigneteres Bild der Entwicklung der allgemeinen Inflation liefert, blieb im vergangenen Monat unverändert, nach einem Rückgang um jeweils 0,1% im August und September.

Das breite Geldaggregat M3 ist im Oktober mit einer Jahresrate von 8,6% gewachsen (im Sept 8,9%). Der Anstieg der Notenbankgeldmenge ist verantwortlich dafür, dass die bereiten Geldaggregate in den vergangenen Monaten gestiegen sind. Inzwischen zeichnet sich aber eine Abkühlung ab.

Die Ausweitung der Notenbankgeldmenge ist wiederum auf die Devisenmarktinterventionen der SNB zurückzuführen. Die dadurch geschaffene Liquidität liegt aber zum grossen Teil in den Giroguthaben der inländischen Banken bei der SNB. Die Überschussreserven der Banken werden von der SNB (im Gegensatz zu Fed, die dafür 0,25% entrichtet) nicht verzinst.

Aus dem Wachstum der Geldbasis (monetary base) geht keine Inflationsgefahr aus. Ganz im Gegenteil: Es ist der SNB gelungen, mit der Festhaltung am Mindestkurs „die deflationären Risiken stark zu vermindern und einen drohenden Absturz der Schweizer Wirtschaft zu verhindern“, wie SNB-Präsident Thomas Jordan heute in einem Zeitungsinterview betont.


Schweiz: Kerninflation und der getrimmte Mittelwert, Graph: ACEMAXX ANALYTICS
Daten: SNB Monatsheft November 2012

Bemerkung: Der vorübergehende Anstieg der Teuerung im März 2011 ist im Wesentlichen auf einen Sondereffekt aufgrund eines höheren Erhebungsrhythmus der Preise für "Bekleidung und Schuhe" zurückzuführen.

Mittwoch, 21. November 2012

CNBC und Klassenkampf


Paul Krugman deutet in seinem Blog auf Ryan Chittums Artikel über CNBC. Der Wirtschaftskanal scheint sogar die Vortäuschung der journalistischen Objektivität verlassen zu haben und wirft sein ganzes Gewicht hinter den Defizit-Schimpfern. Das Netzwerk setzt sich im Grunde genommen völlig für 0,01% ein, bemerkt Krugman dazu.

Warum neigt aber CNBC dazu? Wieso wird der Sender von der falschen Defizit-Falken-Fraktion beherrscht? Es sind Leute, die sagen, dass Verschuldung schrecklich, schrecklich ist und weshalb die Steuersätze für die Reichen gesenkt werden müssten.

Die Zuschauer bestehen aber nicht ausschliesslich aus sehr reichen Menschen. Es sind möchte-gerne 1%, die denken, dass die TV-Sprecher ihnen die Geheimnisse verraten würden, reich zu werden, argumentiert Krugman.

Eine mögliche Antwort ist, dass wir uns etwas ansehen, was die Sponsoren präsentieren, nicht etwas, was die Zuschauer sehen wollen. Aber es ist nicht die Hauptgeschichte, legt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor dar. Wenn es tatsächlich Millionen von Menschen gäbe, die begierig darauf wären, Wirtschaftsnachrichten mit einem keynesianischen Geschmack zu konsumieren, würde Wall Street mit Abscheu alle Anzeigen aufkaufen, vermutet Krugman.

Bernanke und Verzinsung von Überschussreserven


Fed-Chef Ben Bernanke hat gestern in einem bemerkenswerten Referat („The Economic Recovery and Economic Policy“) im New York Economic Club die Politik aufgerufen, im Haushaltsstreit eine Einigung zu erzielen.

Die Unsicherheit darüber, wie die Fiscal Cliff angegangen wird, scheint laut Bernanke die privaten Ausgaben und Investitionen bereits unmittelbar zu beeinträchtigen. Mit Hinweis auf Euroland hat Fed-Präsident den Eindruck hinterlassen, als ob Austerität seine Hauptsorge wäre.

In der anschliessenden „Frage & Antwort“ Stunde hat sich Bernanke ausserdem für die Beibehaltung der Verzinsung der Überschussreserven der Banken bei der Fed ausgesprochen. Es gibt Kritik, wonach die Banken dadurch, dass sie auf ihre bei der Fed geparkten Reserven Zinsen bekommen, einen Anreiz wahrnehmen, nichts zu tun.

Die Abschaffung von IOER (interest on excess reserves) würde laut Bernanke kaum dazu beitragen, dass die Banken Kredite vergeben würden. Eine Null-Verzinsung würde hingegen „mechanische Probleme“ im Markt auslösen. Die Beibehaltung von IOER sei daher ein wichtiges Instrument, um den geldpolitischen Kurs in Zukunft leicht zu straffen.

Neue Republikaner?


Es wird seit der Präsidentschaftswahl viel über die mögliche Entstehung einer neuen Fraktion innerhalb der Republikanischen Partei in den USA geredet. Die neuen Republikaner seien angeblich bereit, sich zu kulturellen Fragen mehr zu öffnen, mehr Verständnis für Einwanderer zu bringen und Zweifel an trickle-down-Theorie hegen und Arbeitnehmerfamilien lieber direkt helfen wollen.

Vor diesem Hintergrund befasst sich Paul Krugman in seinem Blog damit, was davon zu halten ist. Wie sollen z.B. diese neuen Republikaner genannt werden? „Demokraten?“.

Es gibt laut Krugman drei Dinge, die man in diesem Zusammenhang verstehen muss:

(1) Die moderne Demokratische Partei ist heute in Sachen Wirtschaftspolitik, was man einst „Mitte“ (centrist) oder sogar „Mitte-Rechts“ (center-right) genannt hätte.

(2) Die heutige Republikanische Partei ist ein Bündnis  aus den Plutokraten und den Predigern plus einigen Opportunisten mit auf dem Weg. Bei der ganzen Partei geht es um niedrige Steuern für die Spitze (und geringe Vorsorgeleistungen für den Rest) plus konservative soziale Werte und Religion in den Schulen. Es gibt keinen anderen Anlass.

Eines Tages mag vielleicht eine andere Partei mit dem selben Namen für einen ganz anderen Themenkatalog entstehen. Aber es wird eine lange Zeit in Anspruch nehmen und es wird bestimmt nicht dieselbe Partei sein, legt Krugman dar.

Dienstag, 20. November 2012

Goldstandard Aufzählungspunkte


David Andolfatto erklärt in seinem Blog mit Aufzählungspunkten den Goldstandard.

Unter einem Goldstandard verspricht die Regierung, ihr Geld für Gold zu einem festgelegten Preis zu tauschen. Das US-Schatzamt stand z.B. von dem 19. Jahrhundert bis zum früheren 20. Jahrhundert bereit, seine Dollar-Noten für Gold zu einem festgelegten Kurs von 20,67$ pro Unze Gold einzulösen. Der Preis von einem Dollar war m.a.W. im Wert von 1/20 Unzen Gold festgelegt.

Um die Bequemlichkeit des Papiergeldes mit der Sicherheit von Gold zu kombinieren, gilt es für einen Goldstandard, dafür zu sorgen, dass die Menschen Vertrauen in die Bereitschaft und die Fähigkeit der Regierung gewinnen, das Papier mit dem angegebenen Kurs einzulösen.

Eine Möglichkeit, das Vertrauen in die Fähigkeit zu stärken, ist eine Reserve an Gold zu kaufen bzw. zu bilden, und zu versprechen, alle Auszahlungen aus der Reserve zu erfüllen. Unter einer solchen Politik ist zu erwarten, dass das Geldangebot (Papier) sich im Verhältnis zu den Goldreserven der Regierung entwickelt. 

Die praktische Bedeutung einer solchen Politik ist, die Fähigkeit der Regierung zur Finanzierung ihrer Ausgaben durch das Geld-Drucken (money printing) zu beschränken, erklärt der an der Federal Reserve Bank of St. Louis tätige Wirtschaftsprofessor. Das heisst, dass neues Geld nur gegen eine entsprechende Abnahme des Goldes ausgegeben (emittiert) werden kann. Und damit bleibt kein Geld für andere Zwecke übrig.

Abgesehen von der Abschaffung von „inflation tax“ als eine Methode zur Finanzierung der Staatsausgaben betonen Verfechter des Goldstandards gern die Vorzüge eines „nominalen Ankers“: eine Kraft, die das Preisniveau über längere Zeit relativ stabil behält. Unter einem Goldstandard ist das Preisniveau und der Verlauf des Preisniveaus durch den Zeit-Pfad von Angebot und Nachfrage nach Gold bestimmt. Da Gold kostspielig zu produzieren ist, wächst das Angebot mit einem bescheidenen Tempo, sodass die Wirkung darin besteht, Inflation unter Kontrolle zu halten.

Wirtschaftswachstum: Outlook 2013


Euroland und Japan befinden sich in einer Rezession. Die US-Wirtschaft erholt sich allmählich. Warum? Weil die USA sich von einer harschen Austeritätspolitik, die in der Euro-Zone vorherrscht, klugerweise fernhielten.

Die US-Regierung hat, wenn auch nicht viel, Kredite (deficit spending) aufgenommen, um die Wirtschaft im Land anzukurbeln. Das Ziel ist, mit den erzielten Mehreinnahmen, wenn die Erholung gelingt, das Defizit wieder abzubauen. Die EU setzt hingegen auf die Vertrauen Fee (confidence fairy). Eine kontraktive Fiskalpolitik bleibt aber kontraktiv, wie die anhaltende Massenarbeitslosigkeit und der deflationäre Druck im Euro-Raum belegen.

Vor diesem Hintergrund legte das Global Economics Team von Morgan Stanley gestern Abend „2013 Outlook“ vor. Investoren wechseln flink zwischen „Nacht“, „Twilight“ und „Tag“, je nach politischen Entwicklungen, schreibt Joachim Fels, Morgan Stanley in der erwähnten Forschungsarbeit.


Globales BIP-Wachstum, Graph: Morgan Stanley, Global Economics Team

Montag, 19. November 2012

Schattenbanken


Das Schatten Bankensystem (shadow banking system) stand im Mittelpunkt der Finanzkrise von 2008. Angaben einer regulatorischen Gruppe zufolge ist das Schatten Bankensystem im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand von 67‘000 Mrd. $ gewachsen, wie NYTimes am Sonntag meldet.

Es handelt sich dabei um ein System der Kreditvermittlung, woran Unternehmen und Tätigkeiten ausserhalb des regulären Bankensystem beteiligt sind: Zweckgesellschaften (wie z.B. SIV, SPV). Geldmarktfonds (MMF), Investmentfonds (wie z.B. ETF), Finanzierungsgesellschaften (die Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen durchführen) , Versicherer und Rückversicherer.

Der Bericht des Financial Stability Board (FSB) bestätigt damit die Bedenken, dass Schattenbankenwesen ausserhalb der Reichweite des regulatorischen Nets weiter wächst. Der FSB fordert stärkere regulatorische Kontrolle des Shadow Banking.


Schatten Bankensystem (shadow banking system), Graph: FSB in: Global Shadow Banking Monitoring Report 2012, Nov 18, 2012

Bemerkung: 20 jurisdictions (flow of funds): Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Chile, China, Hong Kong, Indien, Indonesien, Japan, Korea, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, die Schweiz, die Türkei, Grossbritannien und die USA.

Twinkie und die alte Zeit


Die Twinkie wird für immer mit den 1950er Jahren in Erinnerung bleiben. Und der Niedergang der Gastgeberin hat eine Welle von Nostalgie durch die Baby-Boomer für eine scheinbar unschuldige Zeit entfesselt, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Twinkie Manifesto“) am Montag in NYTimes.

Es ist unnötig, zu sagen, dass die Zeit nicht wirklich unschuldig war. Aber die 1950er Jahre bieten Lektionen, die im 21. Jahrhundert relevant sind, hebt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) hervor. Man denke an die Frage der Steuersätze für Wohlhabende. Die modernen amerikanischen Rechten und ein grosser Teil der angeblichen Mitte sind von der Vorstellung besessen, dass  niedrige Steuersätze für die Top für das Wirtschaftswachstum wesentlich seien.

In den 1950er Jahren waren die Steuern auf Unternehmensgewinne zweimal so gross. Den besten Schätzungen zufolge hat die Top 0,01% ca. 1960 einen effektiven Steuersatz von mehr als 70% gehabt, das heisst, doppelt so hoch wie heute.

Die hohen Steuern waren nicht die einzige Last für reiche Geschäftsleute, die einer Arbeitskraft mit einem Mass an Verhandlungsmacht gegenüberstanden, die heute schwer vorstellbar ist, unterstreicht Krugman. Im Jahr 1995 waren ein Drittel der amerikanischen Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglieder. In den grössten Unternehmen handelten das Management und Arbeitskräfte als Gleichberechtigte.

Zusammengedrückt zwischen hohen Steuern und einer selbstmächtigen Arbeitnehmerschaft waren die Führungskräfte relativ verarmt nach den Standards der früheren oder späteren Generation. Zwischen den 1920er Jahren und den 1950er Jahren fielen die Einkommen für die reichsten Amerikaner stark zurück, legt Krugman dar.

Geldpolitik in der Finanzkrise


Die Zentralbanken haben nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008 die kurzfristigen Zinssätze gesenkt, um das Finanzsystem zu stabilisieren und die sich abzeichnende Rezession zu mildern. Die Zinssenkungen dienten weiter dazu, Deflationserwartungen entgegenzuwirken und eine negative Preisspirale zu verhindern.

Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat am vergangenen Freitag in einem Referat („Monetary policy in the financial criss – Measures, effects, risks“) in Zürich die Wirkungen und Risiken der verschiedenen konventionellen und unkonventionellen Massnahmen in den letzten Jahren zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise diskutiert.

Die konventionelle Geldpolitik bedeutet die Steuerung der Wirtschaft über die kurzfristigen Zinssätze. Liegen die kurzfristigen nominalen Zinssätze nahe bei Null, gibt es Instrumente, die weiterhin eingesetzt werden können. Während die Fed und die Bank of England (BoE) mit dem Einsatz von unkonventionellen Massnahmen darauf abzielten, den Expansionsgrad der Geldpolitik zu erhöhen, hatte die SNB laut Jordan eine andere Motivation. 

Die SNB tritt einer unangemessenen Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen aufgrund der Frankenstärke entgegen, was ihren Ursprung in internationalen Entwicklungen hat.

Jordan erklärt, dass die unkonventionellen Massnahmen hauptsächlich eine der drei Formen annehmen: (1) forward guidance: die Ankündigung, die kurzfristigen Zinsen für eine bestimmte Periode tief zu belassen, (2) quantitative easing (QE): die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik, und (3) die Devisenmarktinterventionen.

Sonntag, 18. November 2012

Lectures on Behavioral Macroeconomics


Buchbesprechung

Paul De Grauwe: Lectures on Behavioral Macroeconomics. Princeton University Press. Princeton and Oxford, 2012:


Es ist schwer, ein Modell zu bilden, welches von rationalen Erwartungen abweicht, bemerkt Paul De Grauwe bereits am Anfangs seines neuen Buches über Behavioral Macroeconomics. Denn es war riskant, gegen das mächtige Argument vorzugehen, dass es keine Hoffnung gebe, zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen, wenn man einmal in die „Welt der Irrationalität“ eintrete. Dennoch unternimmt De Grauwe den Versuch, von Mainstream abweichend neue Wege des Denkens über die Makroökonomie zu erforschen.

Der an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor stellt zu diesem Zweck „rationalen Erwartungen“ (mainstream macroeconomic model) „kognitive Einschränkungen“ (behavioral macroeconomic model) gegenüber. Es handelt sich dabei um ein neues Modell, welches von einer „unterschiedlichen Vorstellung“ von Rationalität ausgeht, um v.a. die Schwankungen von Output und Inflation in der realen Welt zu verstehen.

De Grauwe zeigt in seiner Analyse auf, wie exogene Schocks in das Behavioral Modells übermittelt werden. In einer ersten Erweiterung stellt der Autor die Asset Markets im Modell vor. Eine zweite Erweiterung verkörpert ein reiches Menü an Prognose-Regeln, die im Basis-Modell verwendet werden. Am Schluss untersucht der Autor empirische Fragen in Bezug auf die Problematik, um herauszufinden, wie es um die theoretischen Voraussagen bestellt ist, wenn die dazu gehörigen Daten konfrontiert werden.

Im Mittelpunkt steht die Tatsache, dass die freie Marktwirtschaft durch „booms“ und „busts“ gekennzeichnet ist. Jede makroökonomische Theorie ist daher aufgefordert, zu versuchen, endemische Konjunkturzyklus-Bewegungen zu erklären.

Arbeitslosigkeit und transatlantische Unterschiede


In der früheren Phase der Finanzkrise ist die Arbeitslosigkeit in den USA viel schneller gestiegen als in Europa, was die Differenzen im Hinblick auf die Institutionen widerspiegelt. In den USA ist es einfacher, Arbeitnehmer zu entlassen als in Europa.

Aber ab 2010 hat sich die Situation in den USA allmählich verbessert. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist jedoch zum Teil darauf zurückzuführen, dass einige Menschen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog.

Aber es gab in jüngster Zeit auch mässige Gewinne im Hinblick auf die Beschäftigungsquote für die betreffende Population, was die Anpassung der Alterung (d.h. Erwerbsquote) betrifft.

Die Eurozone befindet sich mittlerweile ausdrücklich in einer Rezession und die Menschen gehen vor die Hunde. Warum? Die Antwort lautet: Die harsche Austeritätspolitik der EU. Im Euro-Raum hat die Austerität die Oberhand gewonnen.


Verlauf der Arbeitslosigkeit in transatlantischen Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman