Donnerstag, 31. Mai 2012

Wie problematisch ist Spaniens Verschuldung?


Die schiefe Haushaltslage am Rande der Euro-Zone ist eine Folge der geplatzten Spekulationsblase am Immobilienmarkt. Da die Regierungen nach dem Ausbruch der Krise die notleidenden Banken retten mussten, sind die Haushaltsdefizite und die Schulden gestiegen.

Die fiskalischen Probleme an der Peripherie sind m.a.W. die Konsequenz der Depression, nicht deren Ursache. Es grenzt daher fast an einem religiösen Fanatismus, dass die EU trotzdem am rigorosen Sparkurs festhält.

Der Kapitalzustrom aus dem Kern der EU an die Peripherie hat zu einem Immobilienboom geführt, wobei gleichzeitig Lohnerhöhungen damit einhergegangen sind. Die Lohnstückkosten, die im Kern der EU, z.B. in Deutschland stagnierten, sind in Südeuropa in den vergangenen 10 Jahren stark gestiegen.

Nach dem Platzen der Spekulationsblase bleibt der private Sektor im Süden immer noch hoch verschuldet. Der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) setzt sich zwar fort. Aber die Bilanzrezession (balance-sheet recession) führt zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. In einer Bilanzrezession sind staatliche Ausgaben nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ansonsten droht eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale aus Rezession und Deflation. Die öffentliche Hand wird aber gezwungen, den Sparkurs fortzufahren.


Spaniens Gesamtverschuldung, Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley

Die Verschuldung ist weitgehend auf den nicht-finanziellen Unternehmenssektor zurückzuführen.

German Bonds: Finanzmärkte fordern keine Fiscal Austerity


Die Rendite der deutschen Schuldtitel mit 2 Jahren Laufzeit ist gestern zum ersten Mal auf Null Prozent gefallen.

Auch deutsche Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit haben gestern mit einer Rendite von 1,261% so niedrig wie noch nie zuvor notiert.

Die German Bonds haben im Mai alles in allem einen Ertrag von 3,7% abgeworfen, während der Dax um mehr als 7% nachgelassen hat. Der Ertrag der deutschen Bundesanleihen hatte sich im Vorjahr laut Bloomberg auf 9,7% belaufen.

Die Bundesfinanzagentur hat sogar neulich eine zweijährige Anleihe mit einem Kupon von Null Prozent begeben.

Das alles bedeutet, dass die Finanzmärkte keine Fiscal Austerity in einem tiefen Abschwung fordern und in den nächsten 5 Jahren keine Inflation erwarten. Die Inflation ist in der gesamten Euro-Zone mittlerweile auf 2,4% gefallen. Die Kerninflation beträgt 1,6%.

Es gibt weit und breit keine Spur von Bond Vigilantes zu sehen. Ganz im Gegenteil: Die Märkte senden das Signal, dass die öffentliche Hand mehr Kredit aufnehmen soll, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln und das anhaltende menschliche Elend zu beenden.

Rendite der deutschen Bundesanleihen mit 2 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg

Schweiz und Keynes


Das Bruttoinlandprodukt (BIP) hat in der Schweiz im ersten Quartal 2012 gegenüber dem vierten Quartal 2011 um 0,7% zugenommen.

Die Ausgaben für den privaten (+0,6%) und den öffentlichen (+2,0%) Konsum lieferten positive Impulse, während Bruttoanlageinvestitionen (-1,5%) und der Aussenhandel (Exporte: -0,4%) negativ zum BIP-Wachstum beitrugen, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) heute morgen mitgeteilt hat.

Während die Unternehmen sich mit Investitionen zurückhielten, expandierte der Staatskonsum um 2,0% in den ersten Monaten des Jahres.

Fazit: Der Aufschwung, nicht der Abschwung ist der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen.

Während die EU am rigorosen Sparkurs, der bereits kläglich gescheitert ist, apodiktisch festhält, und das millionenfache menschliche Leid an der Peripherie in Kauf nimmt, erhöht die Schweiz die Staatsausgaben, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Während die EZB einem sich abzeichnenden Bank Run in der Eurozone tatenlos zuschaut, denkt die SNB über Abwehrmassnahmen nach, wie ein Run auf den sicheren Hafen Franken zu unterbinden ist.


Schweizer BIP im I. Quartal 2012, Graph: SECO, Staatssekretariat für Wirtschaft

Mittwoch, 30. Mai 2012

Euro und Abwertung


(nur für Streber)

Stellen Sie sich eine kleine offene Volkswirtschaft mit festen Wechselkursen vor. Angenommen, die Zentralbank gibt bekannt, die Währung in einem Jahr ab heute um 50% abzuwerten. Was sind die Konsequenzen dieser Ankündigung?

Das war das ganze Argument für den Euro, dass Fragen wie solche keinen Sinn machen und daher nie gestellt werden würden, sodass wir nicht hässlichen Antworten gegenüberstehen müssten, schreibt Nick Rowe in seinem Blog.

Die Frage ist nun aber zurück, und zwar in einer weniger eindeutigen Form, hebt der an der Carleton University, Kanada lehrende Wirtschaftsprofessor hervor. Niemand weiss genau, welche Vermögenswerte in inländischer Währung denominiert und welche Vermögenswerte in ausländischer Währung denominiert sind. Vielleicht werden die Bankeinlagen abgewertet, die Banknoten aber nicht, unterstreicht Rowe. Einige Schulden werden abgewertet, aber andere nicht. Niemand weiss genau, wieviel Devisenreserven die Zentralbank hat oder wieviel sie von ausländischen Zentralbanken leihen kann.

Die Leute wollen die heimische Währung verkaufen, um ausländische Vermögenswerte zu kaufen. Die BP-Kurve verschiebt sich nach oben, indem sie die Nominal-Zinsen anhebt. Die Zentralbank wird Devisen verlieren und versucht daher, Reserven aus anderen Zentralbanken (Target 2) auszuleihen.


Wenn der Zentralbank die Reserven ausgehen und sie nicht genug Geld aus anderen Zentralbanken leihen kann, wird sie gezwungen, die Währung sofort abzuwerten, eher heute als in einem Jahr, erklärt Rowe.

Warum die Austerität-Debatte wichtig ist


Junge, Junge! Es tut weh, zu lesen, dass Dirk Elsner in seinem ausgezeichneten Blog schreibt, dass die Austerität-Debatte ihn wirklich nervt. Wie kann man aber im Angesicht der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit weltweit (d.h. auch im Euroland) davon reden, dabei müde zu werden?

Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Spanien und Italien inzwischen über 50% gestiegen. Auch in anderen EU-Ländern finden junge Menschen kaum eine Beschäftigung.

Es ist augenfällig, dass das Krisenmanagement und die pro-zyklische Wirtschaftspolitik der Verfechter der Austeritätspolitik in der Euro-Zone an empirischen Befunden gescheitert sind. Spanien hat aufgrund des von Brüssel aufgenötigten rigorosen Sparkurses das Budget für Bildung, Kultur und Sport um 21% gesenkt. Die Jugend in Europa geht vor die Hunde.

Ist es aber möglich, durch die Senkung der Staatsausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln? Ja. In der Tat gibt es zwei Wege, wie Paul Krugman in seinem neuen BuchEnd This Depression Now!“ darlegt, wodurch Ausgabenkürzungen grundsätzlich zu einem Anstieg der Nachfrage führen können: (1) durch die Senkung der Zinsen, und (2) dadurch, dass die Wirtschaftssubjekte veranlasst werden, in Zukunft mit tieferen Steuern zu rechnen.

Wie sieht der Weg via Zinsen aus? Eine Regierung, die sich bemüht, das Haushaltsdefizit zu kürzen, kann die Investoren beeindrucken, ihre Erwartungen in Bezug auf die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand in Zukunft nach unten zu korrigieren und damit auch ihre Erwartungen in Bezug auf den Verlauf der Zinssätze anzupassen.


Stimulus versus Austerity, Graph: Prof. Paul Krugman

Dienstag, 29. Mai 2012

Euroland in Krise


Der Euro hat in diesem Monat gegenüber dem US-Dollar um 5,2% an Wert verloren. Mit 1,2496 Dollar hat die Gemeinschaftswährung am 25. Mai den tiefsten Wert gegen den Dollar seit Juli 2010 verbucht.

Die Repo-Kurve für den Euro ist in den vergangenen Wochen eine inverse (fallende) Form angenommen. Die Rede ist von Eurepo-Zinsstruktur, dem Verhältnis von Zinssätzen mit unterschiedlichen Laufzeiten zueinander. Eine inverse Kurve deutet auf Stress im Markt hin.

Die Banken sind allem Anschein nach nicht bereit, sich im Repo-Markt in Bezug auf die erforderlichen Sicherheiten (collateralized lending) von mehr als einem Monat zu engagieren. Das Repo-Geschäft mit einer Laufzeit von einem Tag scheint zur Zeit von Marktteilnehmern bevorzugt zu werden. Das heisst, dass die Banken die kurzen Laufzeiten vorziehen.

Vor einem Monat noch war die Eurepo-Kurve aufwärts gerichtet.


Euro Repomarkt (Laufzeiten für Kreditaufnahme von einem Tag bis zu einem Jahr), Graph: Sandy Chen, via FT Alphaville

Superreiche und Politik


Es gibt viel mehr reiche und mächtige Republikaner als Demokraten, schreibt Andrew Gelman im Blog The Monkey Case basierend auf Extrapolation von Präferenzen der Top 5%, Daten über Wahlkampfspenden und Daten über die politischen Einstellungen im oberen Drittel der Einkommen.

Während die Extrapolation aus dem oberen Drittel oder sogar aus der Top 5% auf die „Superreichen“ gefährlich scheint, unterstützen einige neue Daten über Wahlkampfspenden Gelmans Behauptung freigebig, bemerkt Larry Bartels (h/t to Mark Thoma) im gleichen Blog dazu. 

Diese Daten scheinen zwar im Hinblick auf die parteipolitische Ausrichtung der Superreichen zwingend, aber sie sprechen nicht für die zusätzliche Behauptung von Gelman, dass die reichen Demokraten tendenziell moderat seien, wobei die reichen Republikaner tendenziell in ökonomischer Hinsicht konservartiv sind, hebt der Professor für internationale Beziehungen an der Vanderbilt University hervor.




Die ideologische Verteilung von Demokraten (blau) und Republikaner (rot) und von Forbes 400 (schwarz), GraphAdam Bonica via Prof. Larry Bartels

Austerian‘s Apocalypse: Euroland


Paul Krugman hält heute an der London School of Economics (LSE) im Peacock Theatre ein Referat über die Great Recession.

Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) stellt zugleich auch sein neues BuchEnd This Depression Now!“ vor. Das ausgezeichnete Werk ist eine Pflichtlektüre für alle, die die Austeritätsdebatte („deficit spending vs. expansionary austerity“) aus makroökonomischer Sicht besser verstehen wollen.

Legt man das gute alte IS-LM-Modell zugrunde, erkennt man die wahren Ursachen der Krise besser. Und man kann dementsprechend auch Lösungswege ausarbeiten.

Die Verfechter der Austeritätspolitik behaupten, dass die Staatsausgaben weder Nachfrage ankurbeln noch Arbeitsplätze schaffen können. Der Standpunkt beruht darauf, dass es immer crowding-out gibt. Das heisst, dass privatwirtschaftliche Investitionen durch das staatliche Handeln zu 100% verdrängt würden.

Es stimmt aber nicht. Gäbe es immer crowding-out, müsste es auch immer crowding-in geben. Das heisst, dass die Kürzung der Staatsausgaben als Ausgleich zu einem Anstieg der privaten Ausgaben führen müsste. Das ist aber nicht der Fall, wie der Verlauf der aktuellen Krise v.a. im Euroland zeigt. Die rigorose Sparpolitik der EU, die auf Wachstum und Beschäftigung lastet, vertieft den Abschwung, wie am zunehmenden menschlichen Leid besonders am Rand der Eurozone zu beobachten ist.

Der crowding out-Effekt kann theoretisch nicht ausgeschlossen werden, wenn die Wirtschaft sich in der Nähe von Vollbeschäftigung befindet. Wenn die Volkswirtschaft aber in einer Liquiditätsfalle steckt, d.h. die Zinsen auf der Nullgrenze liegen, stellt die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand keine Konkurrenz für die privaten Schuldner dar.


Langzeitarbeitslosigkeit, Graph: Prof. Paul Krugman in: LSE-Referat, May 29, 2012

Montag, 28. Mai 2012

Israelische Zentralbank belässt Leitzins unverändert


Die Bank of Israel (BoI) hat heute den Benchmark-Zins auf 2,50% unverändert belassen.

Die Verbraucherpreise (CPI) sind im April um 0,9% gestiegen. Der Anstieg ist auf Wohn- und Energiepreise zurückzuführen. Die Inflation beläuft sich damit annualisiert in der Nähe der Mitte des Inflationszielbandes von 1 bis 3%. Im April betrug sie 2,1 Prozent.

Die Entscheidung, die Zinsen auf 2,50% zu belassen, steht im Einklang mit der Geldpolitik, die auf die Stabilisierung der Inflation innert Zielkorridor von 1-3% in den kommenden 12 Monaten ausgerichtet ist und dient der Förderung des Wachstums bei gleichzeitiger Wahrung der Finanzstabilität, erklärt die BoI.

Der Pfad des Zinssatzes in Zukunft hängt von den Entwicklungen im Umfeld der Inflation, des Wirtschaftswachstums in Israel, der globalen Wirtschaft, der Geldpolitik der grossen Notenbanken und den Entwicklungen des Wechselkurses von Schekel ab.


Israel, Inflationserwartungen, Graph: Tevfik Aksoy, Morgan Stanley

Euro-Krise und sozialer Abstand


Grexit ist die Abkürzung dafür, dass Griechenland Zahlungsunfähigkeit (default) erklärt und die Währungsunion verlässt.

Das ist aber nicht ein Ergebnis, das jemand will. Auch wenn die Abwertung der Währung helfen würde, Griechenlands Ausfuhren anzukurbeln und Tourismus zu beflügeln, käme es zu schrecklichen Kosten, was Wohlstand zerstören und dem BIP des Landes ernsthaft schaden würde. Das Ganze wäre auch für den Rest des Kontinents kostspielig.

Der Preis, die Griechen loszuwerden, ist also sehr hoch und teurer als das Land im Euro zu belassen. Vernunft legt nahe, dass diese Pattsituation mit einem Kompromiss enden müsste: Lockerung der drakonischen Sparmassnahmen. Der Haken ist aber, dass Europa nicht darüber streitet, was die vernünftigste Wirtschaftspolitik ist, sondern was fair ist, hebt James Surowiecki in einem lesenswerten Essay („The Fairness Trap“) in The New Yorker hervor.

Deutsche Wähler und Politiker denken, dass es unfair ist, Deutschland darum zu bitten, die Rechnungen für die Länder, die über ihre Verhältnisse leben, zu begleichen. Es ist unfair, zu erwarten, dass Deutschland eine unbefristete Verpflichtung für die Länder in Abwesenheit von sinnvollen Reformen eingeht.

Aber auch griechische Wähler sind sicher, dass es unfair ist, von ihnen zu erwarten, dass sie angesichts eines knappen Haushalts mehrere Jahre unter Massenarbeitslosigkeit leiden, um ausländische Banken und reiche nördlichen Nachbarn zu bezahlen, die bisher übergrosse Vorteile aus der europäischen Integration gezogen haben. Die Beschwerden sind nicht unvernünftig, unterstreicht Surowiecki. Aber der Fokus auf Fairness erschwert es, überhaupt eine Einigung zu erreichen, was sich am Ende als verheerend erweisen könnte.

Schwindler in Haushaltsdebatte


Die Haushaltsdebatte ist in den USA in erster Linie eine nationale Angelegenheit, kein grosses Thema auf der Ebene der Bundesstaaten. Angeheizt wird die Thematik v.a. von Paul Ryan, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Repräsentantenhauses.

Ryan hat irgendwie den Ruf eines strengen fiskalpolitischen Falken, obwohl er Vorschläge unterbreitet, welche weit davon entfernt sind, das Haushaltsdefizit zu senken, weil der republikanische Politiker sich hauptsächlich auf die Steuersenkungen für Reiche konzentriert und gleichzeitig für die Streichung von staatlichen Hilfsmitteln für die Arme und notleidene Menschen plädiert. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Ryans Pläne das Haushaltsdefizit erhöhen würden.

Das selbe gilt auch für Mitt Romney, wie Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Fiscal Phonies“) am Montag in NY Times hervorhebt. Romney behauptet zwar, den Haushalt in Ordnung zu bringen, aber sein Vorhaben besteht hauptsächlich aus riesigen Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche, plus einem Versprechen, die Verteidigungsausgaben nicht zu senken.

Sowohl Ryan als auch Romney sind falsche Defizit-Falken. Die Indizien für ihren Schwindel ist nicht einfach ihre schlechte Arithmetik, sondern die Tatsache, dass ihre tiefe Besorgnis über die angeblichen Haushaltslücken nicht ausreicht,  von ihrem Anliegen etwas abzugeben, was sie und ihre Geldgeber wollen, argumentiert Krugman.

Die beiden Politiker sind bereit, geradezu Lebensmittel aus dem Mund von Babies zu schnappen, durch die  Kürzung von Ernährungshilfsprogrammen. Fragt man sie danach, ist es eine gute Sache, weil, wie Ryan formuliert, das soziale Netz nicht „eine Hängematte“ werden darf, wo die nicht-behinderten Menschen in Abhängigkeit und Selbstgefälligkeit leben. Die Kürzung der Steuern auf Gewinne und Kapitalerträge und weitere Senkung der Steuern sind hingegen sakrosankt, unterstreicht Krugman.


Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft, New Jersey (blau), New York (rot) und Pennsylvania (grün) im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman

Sonntag, 27. Mai 2012

Euro-Krise: SNB und Kapitalverkehrskontrollen


Die in den vergangenen Wochen immer öfters aufgeworfene Frage, ob Griechenland aus der Währungsunion austritt oder nicht, tangiert auch die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied.

Es geht vor allem auf den Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken. Ansonsten sind die direkten Wirtschaftsbeziehungen mit Griechenland gering. Die finanziellen Verflechtungen stellen in Bezug auf die Banken keine wesentliche Gefahr dar. Gefährlich sind die indirekten Auswirkungen.

Die Situation hat sich in den vergangenen Tagen verschlechtert. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) will daher auch in Zukunft selbst unter schwersten Bedingungen  mit aller Konsequenz den Mindestkurs durchsetzen und die Geldpolitik darauf ausrichten, dass dieser Mindestkurs aufrechterhalten bleibt“, sagt Thomas Jordan heute in einem Interview mit SonntagsZeitung aus Zürich.

Der SNB-Präsident räumt ein, dass er die Forderungen nach einer Erhöhung des Mindestkurses verstehe. Für viele Unternehmen sei die Situation sehr schwierig.

Die SNB will aber die Landeswährung nicht beliebig manipulieren, weil es (1) in einer schlimmeren Krisenlage fatal und kontraproduktiv wäre und (2) der Mindestkurs legitimiert werden muss. Der aktuellen Mindestkurs ist laut Jordan realistisch und hat der Schweizer Wirtschaft geholfen.


Grund Nr.1 für autonome Geldpolitik: Unterschiede im Mandat der Zentralbanken, Graph: Prof. Thomas Jordan, SNB in: Geldpolitik in Krisenzeiten, May 2012

Makroökonomie und die schreckliche Trinität


Die amerikanische Präsidentschafts-Kampagne 2012 erinnert an die 1960er Jahre, bemerkt Ed Dolan im Blog EconoMonitor.

Damals hat John F. Kennedy die Präsidentschaft mit dem Versprechen gewonnen, um das Land wieder in Bewegung zu bringen. Es kann nun eine gute Zeit sein, einen Blick zurück auf diesen Zeitraum zu werfen, bemerkt der Wirtschaftsprofessor, der von 1990 bis 2001 in Russland Ökonomie unterrichtet hat.

Wie hat es aber in den 1960er Jahren ausgesehen? An der Yale University sei damals gelehrt worden, dass es die Aufgabe eines jeden Makroökonomen sei, sich einzumischen, schreibt Ed Yardeni in seinem Blog. „Ohne unsere Einmischung würde die Wirtschaft sonst in eine Rezession geraten. Unsere Professoren haben uns gelehrt, wie man sehr komplexe mathematische Modelle verwendet, um genau die richtige Mischung von Fiskal- und Geldpolitik zu gestalten, um die Wirtschaft zu führen“, schildert der Präsident und Chief Invesment Strategist von Yardeni Research.

Dolan hingegen erinnert sich sehr genau an den Begriff „fine-tuning“. Gardner Ackley, Otto Eckstein und Arthur Okun seien die drei bedeutendsten Ökonomen der damaligen Zeit gewesen, die in ihrem Wirtschaftsbericht 1966 an den US-Präsidenten festhielten, dass „es nun im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt, sich ehrgeizigere Ziele zu setzen. Wir bemühen uns, immer wiederkehrende Rezessionen zu vermeiden, die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten, die Preisstabilität auf Vollbeschäftigung aufrechtzuerhalten und in der Tat die volle Prosperität zu einem normalen Zustand der amerikanischen Wirtschaft zu machen. Es ist ein Tribut an unseren Erfolg, dass wir nicht nur das wirtschaftliche Verständnis haben, sondern auch den Willen und Entschlossenheit, die Wirtschaftspolitik als ein wirksames Instrument für den Fortschritt zu nutzen“.


Inflation und Arbeitslosigkeit in den USA zwischen 1961 und 1969, Graph: Prof. Ed Dolan

Britische Wirtschaft und Sparpolitik


Die britische Zeitung The Telegraph nennt Paul Krugman in einem wunderlichen Artikel („Britain can’t afford to fall for the charms of the false economics Messiah Paul Krugman“) als den „falschen Messias“ mit „satanischer Absicht“.

Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises wundert sich, ob jemand nun versuchen werde, ihn mit Weihwasser zu besprengen, um zu sehen, ob er in einer Wolke aus beissendem Rauch verschwindet.

Eine Idee wäre, dass Krugman an der University of Princeton einen neuen Kurs einführt: „Economics 666“.

Im Grunde genommen hat Krugman alle Fragen, die in dem oben genannten Artikel aufgeworfen werden, in seinem aktuellen Buch („End This Depression Now!“) ausführlich geklärt.

Kann aber Cameron tatsächlich keine Schuld für die Double-Dip Rezession zugeschrieben werden, weil es in Grossbritannien bislang angeblich noch keine wirklichen Sparmassnahmen ergriffen worden sind?

Es stimmt aber nicht, dass die britische Regierung keine Sparmassnahmen getroffen hat. Die öffentlichen Investitionen sind in Grossbritannien bereits regelrecht eingebrochen, wie Jonathan Portes in seinem Blog berichtet.


Netto-Investitionen der öffentlichen Hand in Grossbritannien, Graph: Jonathan Portes

Samstag, 26. Mai 2012

Internal Devaluation


Im Mittelpunkt der Euro-Krise stehen die Handelsbilanz-Ungleichgewichte. Die Aussenhandelsdefizite haben v.a. mit der Einführung der Gemeinschaftswährung in Südeuropa zugenommen. Der Kapitalzufluss aus dem Kern Europas an den Rand Europas hat zunächst einen Boom im Immobilienmarkt ausgelöst. Damit gingen Lohnerhöhungen einher. Während die Lohnstückkosten an der Peripherie der EU stark gestiegen sind, stagnierten sie aber im Kern der EU.

Der asymmetrische Schock, der durch das Platzen der Spekulationsblase eingesetzt hat, zwingt die Länder an der EU-Peripherie, die Kosten und Preise in die Reihe zu bringen. Wie soll es aber vonstatten gehen?

Ein möglicher Weg ist, dass die EZB die Geldpolitik weiter lockert und Deutschland sich für Fiscal Stimulus engagiert, wie Paul Krugman beschreibt. Das würde zu Vollbeschäftigung in Deutschland führen, während Spanien weiterhin einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit gegenüberstehn würde. Die Löhne in Spanien würden zwar kaum steigen, aber in Deutschland stark zulegen. M.a.W. würden die Kosten in Deutschland zunehmen, in Spanien aber gleichbleiben.

Der ganze Prozess würde für eine relativ einfache Anpassung für Spanien sorgen. Da die deutsche Regierung Inflation nicht zulassen will, bleibt Spanien nicht anderes übrig, als die Kosten durch Deflation anzugleichen, was im Euro-Jargon „internal devaluation“ heisst. Es handelt sich dabei jedoch um eine Herkulesaufgabe. Warum? Weil die Löhne nach unten starr (wage rigidity) sind. Die Löhne sinken nur langsam und widerwillig, auch im Angesicht der massiven Arbeitslosigkeit.

FDIC: Banken-Bericht fürs I. Quartal 2012


Die amerikanische Einlagensicherungsbehörde (FDIC: Federal Deposit Insurance Corporation) hat gestern ihren Quartalsbericht vorgelegt.

Der aggregierte Gewinn von Banken und Sparkassen, die von der FDIC versichert werden, betrug im ersten Quartal 2012 35,3 Mrd. $. Das bedeutet eine Verbesserung um 6,6 Mrd. $ im Vergleich zum ersten Quartal 2011.

Es handelt sich um das 11 Quartal in Folge, wo die Banken eine annualisierte Gewinnsteigerung vermelden. Allerdings hat sich das Darlehenvolumen in den vergangenen drei Monaten um 56,3 Mrd. $ (0,8%) verringert.

Mehr als zwei Drittel aller Institutionen (67,5%) haben Verbesserungen in Bezug auf die Quartalüberschüsse im Jahresvergleich verbucht. Auch der Anteil von Institutionen, die Verlust meldeten, ist im Quartal von 15,7% auf 10,3% gefallen. Die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität (ROA: return on assets) ist von 0,86% vor einem Jahr auf 1,02% gestiegen.

Die Anzahl der „Problem“-Institutionen ist das vierte Quartal in Folge gesunken: von 813 auf 772. Das ist die kleinste Zahl von „Problem“-Banken seit Ende des Jahres 2009. Die Bilanzsumme der „Problem“-Institutionen hat sich von 319 Mrd. $ auf 292 Mrd. $ verringert.

Während des ersten Quartal sind 16 von der FDIC versicherten Banken gescheitert. Das ist auch die niedrigste Zahl in einem Quartal seit dem vierten Quartal 2008, wo die Anzahl 12 betrug.


Ertragskraft US-Banken im Quartal, Graph: FDIC Quarterly: Quarterly Banking Profile, 2012, Volume 6, Number 1

Freitag, 25. Mai 2012

Eine nicht-lustige Moralfabel an Wall Street


Im Gefolge der verheerenden Finanzkrise hat Präsident Obama eine bescheidene und offensichtlich notwendige Regulierung verordnet. Er hat vorgeschlagen, ein paar unerhöhte Steuerschlupflöcher zu schliessen und er hat nahegelegt, dass Mitt Romneys Geschichte des Kaufens und des Verkaufens von Unternehmen, häufig mit Entlassungen von Arbeitnehmern einhergehend, zeige, dass Romney nicht der richtige Mann ist, um Amerikas Wirtschaft zu führen, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Egos and Immorality“) am Freitag in NYTimes.

Wall Street hat mit Jammern und Wutanfällen darauf reagiert, wie vorauszusehen war, schildert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Doch bevor Krugman näher darauf eingeht, will er vorerst eine Fabel als falsch entlarven, welche wir von der Wall Street und ihren verlässlichen Verfechtern öfters hören: eine Erzählung, in welcher der unglaubliche Schaden, den der ausser Kontrolle geratene Finanzsektor der US-Wirtschaft aufgenötigt hat, im Erinnerungsloch heruntergespult wird und die Finanzier stattdessen zu Helden werden, die Amerika gerettet haben.

Es war einmal, erzählt die Fabel, dass Amerika ein Land der faulen Manager und der faulenzenden Arbeitnehmer war. Die Produktivität erlahmte und Amerikas Industrie vor der ausländischen Konkurrenz verblaste.

Dann kamen kantige und störrische Buyout-Könige wie Mitt Romney oder der fiktive Gordon Gekko zu Hilfe, indem sie Finanz- und Arbeitsdisziplin verhängten. Einige Leute hatten keinen Gefallen daran gefunden. Einige haben Geld daran verdient. Das Ergebnis war aber ein grosser wirtschaftlicher Aufschwung, dessen Vorteile zu jedem durchsickerte, beschreibt Krugman.

Wer sind Bond Vigilantes?


Der Begriff Bond Vigilantes wurde von Ed Yardeni geprägt. Der Betriebswirt hat damit den Widerstand der Investoren beschrieben, die in den 1980er Jahren nach eigenen Angaben das Vertrauen in die Geld- und Fiskalpolitik der Regierung verloren und sich daher geweigert hatten, Staatsanleihen zu kaufen.

Die Angst vor dem Haushaltsdefizit ist also hauptsächlich auf die Angst vor einem Angriff der Bond Vigilantes zurückzuführen. Die Verfechter der Fiscal Austerity plädieren deswegen für die Kürzung von Staatsausgaben, um die Anleihemärkte zu beruhigen.

Die Defizit-Falken befürworten rigorose Sparmassnahmen, weil die Zinsen sonst durch die Decke schiessen würden. Die niedrigen Kreditkosten in den USA, Japan, Grossbritannien und in der Schweiz deuten aber heute darauf hin, dass die Investoren am Anleihemarkt nicht besorgt sind. Ganz im Gegenteil: Die günstigen Kreditkosten legen nahe, dass der Staat mehr Schulden aufnehmen soll.

Wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, ist nicht einmal die Nullzinsgrenze tief genug, die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben anzukurbeln und die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. In einem depressiven Umfeld der Wirtschaft gilt es daher, über das Haushaltsdefizit neu nachzudenken. Denn Schulden sind nicht gleich Schulden. Ist die Wirtschaft in einer Depression, konkurrieren die Haushaltsdefizite nicht mit dem privaten Sektor um die Finanzierungsmittel am Markt. Die öffentliche Hand findet einfach eine Verwendung für die überschüssige Ersparnisse (excess savings) der Privatwirtschaft.



US-Treasury Bonds (10 Jahre) Rendite (2007-2012), Graph: FRED Fed St. Louis

Donnerstag, 24. Mai 2012

Schweizer Franken vor Abwehrdispositiv?


Die Euro-Krise lastet auf Schweizer Wirtschaft. Keine Frage. Die Ausfuhren in die EU gehen zurück. Aber auch die Einfuhren aus der EU sind rückläufig.

Und die Devisenhändler finden das Geschäft mit dem Wechselkurs des Euro gegen den Schweizer Franken seit der Festlegung des Mindestkurses durch die SNB am 6. September 2011 äusserst langweilig.

Heute gab es aber etwas Aufregung. Der Euro legte im Tagesverlauf gegen den Franken plötzlich stark zu. Es gibt laut FT Alphaville Gerüchte, wonach die Schweiz Überlegungen anstelle, das auf Schweizer Franken lautende Bankguthaben durch Ausländer zu besteuern.

Ferner soll, wie die Gerüchteküche brodelt, JP Morgan grosse Euro-Kaufaufträge bei nahe 1,20 Franken platziert haben.

Die Attraktivität des Schweizer Frankens im Ausland ist ein seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bekanntes Phänomen. Es gibt verschiedene Gründe dafür, wie z.B. die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes. Doch gab es in der Schweiz zuletzt in der Zeit vor 1980 Massnahmen gegen die sog. „Internationalisierung des Frankens“, in Form von z.B. Kapitalimport- und Kapitalexport-Beschränkungen.


Euro/CHF Wechselkurs (Intraday), Graph: swissquote.ch

Merkel hat die Peitsche, aber nicht das Zuckerbrot


„Sich ins eigene Fleisch schneiden“ sollte der neue, offizielle Slogan der deutschen Politiker sein, schreibt Tim Duy in seinem Blog (h/t to Mark Thoma).

Es ist ziemlich klar, dass die finanziellen Rahmenbedingungen sich mit dem freien Fall des Euro in Europa verschlechtern, bemerkt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die europäische Politik wurde über den Winter viel zu selbstgefällig, durch den Glauben, dass die EZB das Problem mit zwei LTROs (langfristige Refinanzierungsgeschäfte) gelöst hätte. In gewisser Weise hat es auch danach ausgesehen, nur für den Moment. Aber wie es immer offensichtlicher wurde, dass die EZB weg vom Fenster war, ist alles schief gegangen, hält Duy fest.

Die ökonomischen Realitäten kamen zurück ins Spiel. Darüber hinaus wurden herzlich wenige Massnahmen getroffen, um die Probleme zu lösen. Im Wesentlichen fehlt die institutionelle Struktur einer Fiskalunion, welche eine Gemeinschaftswährung funktionieren lassen würde, erläutert Duy weiter.

EU-Gipfel wie Speed-Dating


Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich in Brüssel getroffen. Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst. Ohne Happy Ending wie nach einem Speed-Dating. Die Teilnehmer waren sich in Bezug auf das Thema Griechenland, Einführung von Eurobonds, Krisenmechanismus ESM, Planung eines Wachstumspakts usw. wieder uneinig.

Niemand weiss genau, wieviele EU-Gipfel inzwischen stattgefunden haben. Im Fokus stand Griechenland. Es hängt wie Damoklesschwert über dem ganzen Euroland. Aber Griechenland ist eigentlich eine Fussnote in der ganzen Euro-Krise. Es ist die EU-Elite, die sich seit Jahren weigert, die wahren Ursachen der Krise zu erkennen. Es mangelt an Leadership.

Europa leidet heute unter den Schwierigkeiten, die die Gemeinschaftswährung mitbringt. Da die europäischen Länder 60% des Handels miteinander treiben, treffen die von der Theorie des optimalen Währungsraums nahegelegten Vorteile auf die EU zu: Effizienzgewinne einer Einheitswährung, rückläufige Business-Kosten, Verbesserung der Business-Planung usw. Es gibt aber auch Nachteile, welche von sog. „asymmetric shocks“ herrühren, wie z.B. das Platzen eines Immobilienmarkt-Booms.

Als die Idee der europäischen Gemeinschaftswährung sich vor rund 20 Jahren realisierte, machten einige Ökonomen auf die zu schwache die Mobilität der Arbeitskräte im Euroland im Vergleich zum Vorbild USA aufmerksam. Ausserdem fehlte es der EU an einer zentralen Regierung und an einer automatischen Buffering.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Facebook Börsengang und Spielerei mit Greenshoe


Der Börsengang (IPO) von Facebook (FB) war eine Enttäuschung, um es milde auszudrücken. Es wäre nicht überzogen, von einem Debakel für das soziale Netzwerk mit mehr als 900 Mio. Mitgliedern zu reden.

Die Aktie hat in den ersten drei Handelstagen insgesamt um mehr 18% an Wert verloren. Gemessen daran verbucht Facebook laut WSJ den schlechtesten Börsenstart von total 23 IPOs seit 2007.
Was ging aber schief?

Die ganze Affäre scheint viel mit Greenshoe (Mehrzuteilungsoption) der an dem Börsengang beteiligten Banken (Konsortialbanken) im Rahmen des Bookbuildungsverfahrens zu tun zu haben. Die Greenshoe-Option hat Vor- und Nachteile. Die Struktur ist jedoch aus Sicht der Erstinvestoren undurchsichtig.

Es sind die Altaktionäre, die über Greenshoe Aktien zur Verfügung stellen. Es ist die Aufgabe der Konsortialbanken, anhand von Greenshoe, den Kurs der Aktien nach Handelsbeginn je nach Ablauf zu „stabilisieren“. Von Anfang an zeichnet sich die Qualität der Serviceleistung der am Börsengang beteiligten Banken dadurch aus, einen angemessen Preis für eine Aktionärsstruktur zu finden, die dem Unternehmen langfristig nützt. Davon kann aber hier keine Rede sein.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, worauf Henry Blodget in BusinessInsider aufmerksam macht, ist, dass die Konsortialbanken mitten in der IPO-Roadshow ihre Schätzungen für das Unternehmen  nach unten korrigiert haben, was höchst ungewöhnlich ist und auf alle Fälle ein negatives Ereignis darstellt.

Dienstag, 22. Mai 2012

Null Prozent Zinsen und Sparpolitik


Die Bundesrepublik Deutschland will eine Staatsanleihe mit zwei Jahren Laufzeit mit einem Null-Kupon ausgeben.

Die Versteigerung des zweijährigen Papiers in Höhe von 5 Mrd. Euro findet am Mittwoch statt.

Die Rendite der German Government Bonds mit 2 Jahren Laufzeit beträgt aktuell 0,064%.

Die Verfechter der Fiscal Austerity warnen in Deutschland seit mehr als drei Jahren vor der Inflationsgefahr: „Wir dürfen nicht über unsere Verhältnisse leben. Wir müssen die Gürtel enger schnallen“.

Die Anhänger des Marktfundamentalismus der Österreichischen Schule halten trotz der Massenarbeitslosigkeit im Euroland am rigorosen Sparkurs fest. Begründung: Das Vertrauen am Markt soll wiederhergestellt werden.

Der Markt signalisiert aber durch die niedrigen Kreditkosten, dass der Bund mehr Kredit aufnehmen soll. Es ergeben sich sogar um die Inflation bereinigt negative Renditen.

Die Defizit-Falken wollen aber auch im Angesicht der wachsenden Jugendarbeitslosigkeit die Staatsausgaben kürzen.


Deutschland Breakeven-Satz (5 Jahre), Graph: Bloomberg

Abwertung in der Eurozone


Brauchen die Volkswirtschaften am Rande der Euro-Zone eine reale Abwertung oder nicht? Wolfgang Münchau und Richard Portes vertreten die Ansicht, dass eine grosse Abwertung für Spanien und andere periphere Länder nicht nötig sei, weder internal noch auf eine andere Weise.

Die Verwerfungen in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten der Eurozone sind zwar wichtig, aber kurzfristig zu ignorieren, schreibt Münchau in einem Artikel („The only way to stop a eurozone bank run“) in FT.

Die Lücke in Wettbewerbsfähigkeit (siehe dazu mehr hier) sei nicht so gross, wie manche Schätzungen nahelegen, so Münchau. Deutschland habe der Eurozone mit einem bereits überbewerten Wechselkurs beigetreten, was das Ausmass der nachträglichen Anpassung Deutschlands im Vergleich mit anderen Länder überzeichne.

Paul Krugman bemerkt dazu in seinem Blog, dass er die Ansicht nicht teile.

Wie lauten aber die Gegenargumente? PS: Bemerkenswert ist, dass Krugman Wolfgang Münchaus Artikeln in FT sonst i.d.R. zustimmt.

(1) Die Divergenz zwischen Spanien und dem Durchschnitt des Euroraums ist nicht mal annähernd so gross wie die Divergenz zwischen Spanien und Deutschland. Aber der Euro-Durchschnitt umfasst Spanien und andere GIPSI, welche insgesamt rund 1/3 des BIP der Eurozone ausmachen, sodass der Spanien-Euroraum-Unterschied die tatsächlich erforderliche Anpassung herunterspielt.


BIP-Deflator in der Eurozone, Graph: Prof. Paul Krugman
Auch die Abbildung Lohnstückkosten in der Eurozone sieht sehr ähnlich aus

Montag, 21. Mai 2012

Kerninflation verbleibt in der Schweiz negativ


Die Kerninflation verharrt in der Schweiz den 7. Monat in Folge negativ. Im April belief sich die Inflation (ohne frische und saisonale Produkte, Energie und Treibstoffe) auf Minus 1,2%.

Wie dem von der SNB heute vorgelegten Monatsheft (Mai 2012) zu entnehmen ist, verbleibt auch der getrimmte Mittelwert (TM15), der wie die Kerninflation ein geeigneteres Bild der Entwicklung der allgemeinen Inflation liefert, unter der Null Marke: Minus 0,1%. Der TM15 betrug auch im Vormonat Minus 0,1%.

Die Schätzungen der Kerninflation sind nützlich, weil die am Konsumentenpreisindex (CPI) gemessene Teuerung kurzfristigen Schwankungen unterliegt.

Gemessen am Produzenten- und Importpreisindex betrug der Preisrückgang in der Schweiz im  April 2012 innert Jahresfrist Minus 2,3%.


Schweiz: Kerninflation und der getrimmte Mittelwert, Graph: ACEMAXX ANALYTICS

PS: Der vorübergehende Anstieg der Teuerung im März 2011 ist im Wesentlichen auf einen Sondereffekt aufgrund eines höheren Erhebungsrhythmus der Preise für Bekleidung und Schuhe zurückzuführen.

Makroökonomie – bildlich gesprochen


Peter Dorman nimmt es in seinem Blog Econospeak mit der Vorlage der von Robert Shiller in einem Artikel in NY Times am Sonntag beschriebenen ruchlosen Metapher „Gürter-enger-schnallen“ auf.

Er erläutert, warum es aus makroökonomischer Sicht irreführend ist, einzelwirtschaftliche (Familie) und gesamtwirtschaftliche (Staat) Motive gleichzustellen. Eine Familie kann u.U. anfangen, weniger Geld auszugeben, wenn sie mit dem Haushalt nicht mehr zurechtkommt. Es klappt, weil die Einnahmen konstant bleiben. Der Staat kann nicht wie ein privater Haushalt sparen, weil seine Einnahmen nicht gegeben sind. Spart eine Volkswirtschaft stark, dann stürzt die Konjunktur ab und die Einnahmen fallen weg.

Dorman gefällt aber die neue Metapher („ein Winter auf der Familienfarm“) von Shiller nicht. Wenn das Land mit Schnee bedeckt ist, dann macht es Sinn, die Zeit mit Reparatur alter Geräte zu verbringen, in neue Methoden zu investieren usw. Da hat Prof. Shiller natürlich recht. Aber seine Metapher umgeht die Makroökonomie, hebt Dorman hervor. Weil die neue Metaphar den „Winter“ als eine exogene Kraft annimmt und daran scheitert, aufzuklären, wie „ökonomische Winter“ durch das Verhalten der Bauern selbst erzeugt werden.

Als Alternative legt Dorman die Familienfarm-Version von baby sitting coop von Paul Krugman (siehe dazu hier und hier) nahe. Wir haben offensichtlich alle bäuerliche Wurzeln und reagieren auf ertragsarme Landwirte besser als auf Yuppies, die einen Ort suchen, wo sie ihre Babys „parken“ können.