Samstag, 10. Dezember 2011

Fiskal-Union à la Orwell

Der ökonomische Grundsatz des EU-Gipfels war, durch kontraktive wirtschaftspolitische Massnahmen die Gemeinschaftswährung zu retten. Die EZB hat auch unter dem Regie des neuen Präsidenten Mario Draghi bestätigt, dass die Zentralbank die Geldpolitik in Bezug auf den Output und die Beschäftigung als neutral betrachtet. Merkel und Sarkozy scheinen, die Nachfrageseite weiterhin auszuschliessen, um das Wachstum zu fördern.

„Eine Lektion, die die Welt seit der Finanzkrise 2008 gelernt hat, ist, dass eine kontraktive Fiskalpolitik bedeutet, wie es heisst: kontraktiv. Seit 2010 hat ein europaweites Experiment die Idee, dass kontraktive Fiskalpolitik expansiv sei, endgültig widerlegt“, schreibt Kevin O’Rourke in einem lesenswerten Kommentar („A Summit to the Death”) in Project Syndicate.

Die zweite, damit zusammenhängende Lehre ist, dass es schwierig ist, die Nominallöhne zu kürzen und dass sie nicht flexibel genug sind, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Das ist selbst in einem Land wahr, welches flexibel, klein und offen ist, wie Irland, wo die Arbeitslosigkeit im vergangenen Monat auf 14,5% geklettert ist, ungeachtet der Auswanderung und wo die Steuereinnahmen im November 1,6% unter dem Zielwert verblieben, erklärt der an der University of Oxford Wirtschaftsgeschichte lehrende Professor.

Wenn die aus dem 19. Jahrhundert stammende Strategie der internen Abwertung (internal devaluation) durch Senkung der Löhne und der Preise im Inland Wachstum zu fördern, sich in Irland als schwierig erweist, wie erwartet die EU, dass es in der gesamten Peripherie der Eurozone funktioniert?, argumentiert O’Rourke.

Der offensichtlichste Punkt des letzten EU-Gipfels ist daher, dass die vorgeschlagene „Fiskal-Stabilitäts-Union“ nichts dergleichen ist. Anstatt einen interregionalen Versicherungs-Mechanismus zu schaffen, einschliesslich antizyklischen Transfers, würde die präsentierte Version pro-zyklische Anpassung in den von der Rezession angeschlagenen Ländern verankern, ohne Ausgleichsmassnahmen zu verlangen, um die Nachfrage anderswo in der Eurozone anzukurbeln. Dies als eine „Fiskal-Union“ zu beschreiben, stellt einen nahezu orwellschen Missbrauch der Sprache dar, hält O’Rourke fest.

Was die europäischen Entscheidungsträger als Fiskal-Union darstellen, ist fast genau das Gegenteil, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog.

Die unerbittliche Starrköpfigkeit der Europäer, ihr Beharren darauf, die Krise als etwas zu betrachten, was sie nicht ist, und darauf mit Massnahmen zu antworten, die die reale Krise vertiefen, war ein Wunder zu beobachten, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) dar. In den 1930er Jahren hatten die Politiker eine Ausrede der Unkenntnis. Es gab niemanden, der erklärt hat, was gerade geschehen ist. 

Heute gipfelt das Handeln der europäischen Entscheidungsträger an einer vorsätzlichen Missachtung der Grundlagen der Volkswirtschaftslehre (Economics 101), unterstreicht Krugman als Fazit des EU-Gipfels.

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