Mittwoch, 23. November 2011

Politik teilt mit der Finanzbranche dieselbe Ideologie

Die Euro-Krise ist nicht eine Staatsschuldenkrise. Die Eurozone-Krise ist eine Folge der globalen Finanzkrise (2008). Es ist die Finanzindustrie, die dem Fiskus in die Tasche gegriffen hat.

„Die Steuerprivilegien, die Subventionen und die Rettungsschirme für die Spekulanten in den Finanzcasinos haben die Staatsschuldenstände bei uns und anderswo in die Höhe getrieben. Die Folgen nennen die PR-Strategen „Staatsschuldenkrise“. Das ist nach dem Sprachtrick mit der „Systemrelevanz“ aller Banken der zweite Coup der Strategen der Finanzindustrie und der mit ihnen verbundenen Politik und Medien“, schreibt Albrecht Müller in einem lesenswerten Essay („Die Lüge von der Systemrelevanz“) in FAZ.

Der ehemalige Leiter des Planungsstabs unter den Kanzlern Brandt und Schmidt spricht sich für eine schärfere Regulierung der Banken aus und plädiert dafür, viele Transaktionen zu verbieten, die nichts mehr mit realen Geschäften zu tun haben. „Doch die Politik wagt es nicht, die Ausweitung des Kapitalmarktes zum Finanzcasino und die Vorherrschaft der Investmentbanker und Spekulaten in Frage zu stellen“.

"Lobbyisten gab es immer, aber ihr Einfluss ist rasant gewachsen und treibt exotische Blüten“, hebt Müller hervor.

Die Einflussnahme des Finanzsektors auf das Denken der Politik wird von Simon Johnson und James Kwak in ihrem lesenswerten Buch 13 Bankers als „cultural capital“ genannt.

Die politische Macht auf nationaler Ebene wird heute in den Industrieländern i.d.R. nicht durch einfache Korruption (durch den Austausch von Geld unter dem Tisch)  gekauft, sondern so, dass die Finanzbranche ein Arsenal von anderen, völlig legalen Waffen* verwendet, ihren Aufstieg an die Macht voranzutreiben.

Die Demokratie ist in Not geraten. „Vielleicht melden sich die mit wirklicher Wertschöpfung beschäftigten Unternehmen lauter zu Wort“, äussert Müller die Hoffnung. „Ein Pakt gegen Zyniker, Spieler und Spekulanten, ein Pakt aller Werte schaffenden und an Werten orientierten Bürgerinnen und Bürger ist vonnöten“ fasst der Herausgeber des lesenswerten Blogs „NachDenkSeiten“ zusammen.

PS: (*)

(1) Money: Die Finanzierung von politischen Kampagnen durch die Finanzbranche.

(2) Human Capital: Die Wall Street Veteranen, die nach Washington gekommen sind, um die Wirtschaftspolitik zu gestalten. Die Spitzenpositionen im US-Finanzministerium sind von ehemaligen Bankmanagern besetzt.

(3) Cultural Capital: Die Vertretung und die Ausbreitung der Idee, dass „ein grosser, komplexer Finanzsektor gut für die USA ist“. Raghuram Rajan, Wirtschaftsprofessor an der University of Chicago spricht in diesem Zusammenhang von „cognitive capture“.

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