Mittwoch, 11. Mai 2011

Umschuldung im Vergleich: Argentinien vs. Griechenland

In Sachen Griechenland legt Mark Weisbrot in einem lesenswerten Kommentar („Why Greece Should Reject the Euro“) in NYT den Euro-Austritt nahe. Paul Krugman ist mit der Argumentation grundsätzlich einverstanden. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) bemerkt aber in seinem Blog, dass er noch immer nicht bereit ist, diesen Schritt zu raten.

Aus ein paar Gründen: (1) Argentinien ist zwar die richtige, aber unvollkommene Parallele. Argentinien hat eine vermeintlich unumkehrbare Anbindung des Wechselkurses an den US-Dollar (peg) gehabt. Aber das Land hatte noch Peso im Umlauf, sodass der Mechanismus zum Austritt aus dem Peg viel einfacher war als der Euro-Austritt es wäre. Und der Mechanismus ist entscheidend, was den ganzen Unterschied zwischen einem kurzen Schock und einem lang anhaltenden finanziellen Zusammenbruch ausmacht, erklärt Krugman.

(2) Griechenland ist ein relativ armes Land mit einer wackeligen Geschichte von Staatsführung (Governance), unterstreicht Krugman. Das Mittelmeerland hat als Mitglied des europäischen Projektes eine Menge an Ansehen zu gewinnen. Konkret: Hilfe aus Kohäsionsfonds, schwer quantifizierbare, aber wichtige Dinge wie stabilisierende Wirkung einer grossen demokratischen Allianz in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht.

Ein Euro-Austritt würde Griechenland daher auf lange Sicht mehr Schaden hinzufügen als eine Abwertung, mit der Argentinien konfrontiert war, beschreibt Krugman.

Weisbrot hat Recht, zu argumentieren, dass das Hilfsprogramm für Griechenland nicht funktioniert. Es funktioniert nicht einmal annähernd. Es muss zumindest eine Umschuldung geben, welche die Schuldenlast reduziert, anstatt auszustrecken. Und je länger diese Situation ungelöst bleibt, desto weniger Hoffnung hegt Krugman, dass Griechenland in der Lage wäre, im Euro zu bleiben, auch wenn es will.

Argentinien hat nicht nur (a) Peso abwerten lassen, sondern auch (b) seine Schulden nicht bedient (default) und (c) eine vorübergehende Einschränkung für Bankauszahlungen verhängt. Etwas Ähnliches würde auch beim Euro-Austritt passieren, hebt Krugman hervor.

Es gilt aber zu beachten, dass eine Schlussfolgerung heute eine abgemachte Sache ist: Jeder weiss, dass Griechenland seine Schulden nicht in vollem Umfang wird zurückzahlen können. Das Problem ist laut Krugman, dass das Land, selbst wenn es Zahlungsverzug (default) erklärt, dem Problem von Löhnen und Preisen, die aus der Linie der Kern-EU abweichen, gegenüberstehen wird. Folglich ist die Abwertung zwingend, wenn Zahlungseinstellung (default) nicht ausreicht.

Das Hauptargument gegen Euro-Austritt ist, dass jede Spur von Austritt sofort die Mutter aller Bank Runs (Sturm auf eine Bank) auslösen würde. Wie soll aber Euro-Austritt aussehen? Ein Austritt würde, wie Krugman erklärt, im Zusammenhang mit einer Bankkrise stattfinden, was eine vorübergehende Schliessung der Banken zwingen würden, so wie Corralito à la Argentinien.

Deshalb ist es schwer, zu sehen, dass eine europäische Regierung eine feierliche, bewusste Entscheidung treffen würde, den Euro zu verlassen, bekräftigt Krugman und deutet auf einen klassischen Artikel („The Euro: love it or leave it?“) von Barry Eichengreen hin. Eichengreen argumentiert, dass der Euro-Austritt Zeit und Vorbereitung erfordern würde. Und während der Übergangszeit würde es zu einem verheerenden Bank Run kommen. Eine Euro-Auflösung wäre also ein Rohrkrepierer (non-starter).

Krugman folgert aber daraus, dass Eichengreens Argument ein Grund, nicht ein Plan in Sachen Euro-Austritt ist. Was aber, wenn es zu Bank Runs und zu einer Finanzkrise kommt? In diesem Fall würden die Grenzkosten des Euro-Austritts dramatisch fallen, erklärt Krugman. Und die Entscheidung hätten die Politiker nicht mehr selbst in der Hand. Das ist in der Tat ein Aspekt des argentinischen Ausscheidens aus dem Konvertibilitätsgesetz, erinnert der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor. Die Bankkrise war in Argentinien im Jahr 2001 in vollem Gange ebenso wie die Not-Einschränkungen der Bank-Ausuzahlungen. Das Unmögliche wurde auf diese Weise möglich, legt Krugman dar.

Griechenland hat bestimmt nicht die Absicht, zu erklären, dass es den Euro verlässt. Aber die Ereignisse können leicht eine Situation auslösen, wo der Euro-Austritt als die am wenigsten schlechte Option erscheint, fasst Krugman als Fazit zusammen.


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