Dienstag, 2. November 2010

Das „Lemons Problem“ und CDOs

Wie verheerend die Folgen sein können, wenn die Parteien bei Abschluss eines Vertrags nicht über dieselben Informationen verfügen, wird mit dem wirtschaftswissenschaftlichen Begriff „asymmetrische Information“ erklärt. Als ein aktuelles Beispiel aus der anhaltenden Finanzkrise sind die „Abacus“ genannten  CDO-Produkte von Goldman Sachs zu erwähnen. In einem neulich (h/t  FT Alphaville) vorgelegten  Research-Paper gehen Daniel Beltran und Charles Thomas der Frage nach, ob asymmetrische Information allein den Zusammenbruch der private gestalteten Verbriefungen verursacht hat. „Ein wesentliches Merkmal der Finanzkrise 2007/08 ist, dass der Wertpapierhandel für manche Klassen von Wertpapieren eingestellt wurde“, bemerken die Autoren. „Und wenn der Handel stattfindet, so scheint es, dass die Marktpreise deutlich unter dem inneren Wert der betreffenden Klasse des Wertpapiers liegen“, so Beltran und Thomas.


Verbriefung von Hypotheken-Krediten, Graph: Daniel Beltran & Charles Thomas in: „Could Asymmetrich Information Alone Have Caused the Collapse of Private-Label Securitization?”, October 2010.

Dies scheint v.a. für diejenigen Wertpapiere zu gelten, die in Bezug auf den Kapitalrückfluss besonders komplex sind, z.B. CDOs, argumentieren die Autoren weiter. Eine Erklärung dafür ist, dass Information über den inneren Wert der Wertpapiere asymmetrisch ist, sodass die Inhaber über bessere Informationen verfügen als die potenziellen Käufer, so die Autoren. Die beiden Ökonomen wollen zeigen, wie das sich daraus resultierende negative Selektionsproblem helfen kann, warum komplexere Wertpapiere zu einem signifikant tieferen Preis als der innere Wert gehandelt oder überhaupt nicht gehandelt werden. Bisher liest sich das Paper wie „Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder es bleibt wie es ist“. Also nicht spannend. Anschaulich ist aber auf alle Fälle die Abbildung, die aufzeigt, wie ein Wertpapier aus dem Kreditmarkt, welches „Pools von Krediten“ bündelt, erneut gepoolt, in verschiedene Tranchen mit einem neuen Risikoprofil (Wertpapiere mit verschiedenen Ratings) umgeformt, übersichert (overcollateralization) und verkauft wird. Es geht m.a.W. darum, das Risiko mit allen Tricks auf Dritte abzuwälzen.

„Wenn Marktteilnehmer pessimistisch über den Zustand der Wirtschaft in Zukunft sind, dann interagiert der zunehmende Pessimismus mit der asymmetrischen Inflation, sodass der CDS-Markt sich schliesst“, legen die Autoren dar. Interessanter wird es, wenn die Autoren Vorschläge unterbreiten, wie das sog. „Lemons Problem“ gelöst werden soll: (1) Die Regierung soll Wertpapiere mit relativ niedrigem Wert kaufen und sich verpflichten, diese bis zur Endfälligkeit zu halten. Die Regierung hat keine bessere Informationen als jeder andere am Markt, aber was sie speziell macht, ist, dass sie sich als einzigen Akteur glaubwürdig verpflichten kann, die Wertpapiere vor der Fälligkeit nicht zu verkaufen. Die restlichen Papiere im Markt würden folglich zu einem Preis, der nahe dem inneren Wert liegt, gehandelt, behaupten die Autoren. Die Kosten sind dabei geringer als der Nutzen, argumentieren die beiden Ökonomen weiter. (2) Die Schaffung einer „Bad-Bank“, welche alle Wertpapiere, die mit der Problematik der asymmetischen Information behaftet sind, aufkauft. Inhaber der Wertpapiere verkaufen ihre Wertpapiere an die Bad-Bank für einen bestimmten Preis. Die Bad-Bank finanziert die Käufe durch die Ausgabe von identischen Wertschriften, die dem Eigentümer das Recht gewähren, die Zinsen aus den Cash-Flows, welche durch diese Wertschriften generiert werden, zu kassieren und (3) die Regierung könnte die Bewertungskosten verringern, indem sie mehr Offenlegung der einzelnen Hypotheken, die den CDOs zugrunde liegen, fordert. Einige CDO-Strukturen sind aber so komplex, dass die Anleger selbst bei Kenntnis der zugrunde liegenden Vermögenswerte einem enormen Rechenaufwand gegenüberstehen, wenn sie versuchen würden, den inneren Wert zu berechnen. Folglich, wenn die Marktpreise für viele strukturierte Finanzprodukte verschwinden, suchen Investoren Fair-Value-Bewertung durch dritte Gutachter. Die Regulierungsbehörden sollen daher bessere Offenlegung und „due diligence“ fordern, fassen die Autoren zusammen.

Fazit: Derivative sind völlig undurchschaubar. Die Komplexität ist der Feind der Transparenz. Die Einfachheit ist das Kennzeichen für Vertrauen. Mit CDOs werden genau so wie mit vielen anderen Derivaten keine reale Werte geschaffen, sondern nur umverteilt.

PS: Der Grundgedanke George Akerlof’s „Lemons Problem“ ist, dass die Märkte zusammenbrechen, wenn es asymmetrische Information zwischen Käufer und Verkäufer gibt.






Keine Kommentare: