Dienstag, 13. Juli 2010

Sanierung der Finanzmärkte: Notwendig ist Rechtsstaatlichkeit

James Galbraith erklärt in einem lesenswerten Essay („Tremble, Banks, Tremble“) in The New Republic, dass die Rechtsstaatlichkeit („The Rule of Law“) an Wall Street der Schlüssel zur Sanierung der Finanzkrise ist. Die Finanzkrise ist noch im Gange, sie bleibt ungelöst und sie steht im Weg für die vollständige Erholung der Wirtschaft, bemerkt Galbraith. Die Ursache ist ein Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit gewesen, betont der an der University of Texas at Austin lehrende Wirtschaftsprofessor. Der erste Schritt in Richtung Prosperität ist die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im Finanzsektor, erklärt er. Es gab (1) eine Auflösung der Aufsicht (finance police). Der rechtliche Rahmen dafür wurde mit der Abschaffung des Glass-Steagall (1999) und des Commodities Futures Modernization Act (2000) gelegt. In der Zwischenzeit hat der Basel II-Prozess die internationale Bankenaufsicht gelockert, insbesondere indem die Verwendung von proprietären Modellen zur Bewertung von komplexen Vermögenswerten zugelassen wurde. Das war eine offene Einladung für voreingenommene Wertungen und Buchhaltungsbetrüge, hält Galbraith fest.

Die Reaktion auf die Deregulierung war (2) eine kriminelle Übernahme der „Home Mortgage Industrie“. Millionen von Subprime-Hypotheken wurden an Kreditnehmer mit undokumentierten Einkommen und schlechter oder nicht vorhandener Kreditwürdigkeit vergeben. Appraisers (amtliche Schätzer) wurden ausgewählt, um den Wert der Häuser, die verkauft wurden, aufzublasen. Das war kein Zufall. Die gefälschten Hypotheken wurden (3) gewaschen, so dass sie für die Investoren real aussahen. Das war die Rolle der Rating-Agenturen. Die Kernkompetenz der Ratingagenturen lag in Unternehmensanleihen, wobei sie die Performance und die Geschäftsaussichten von Grossunternehmen bewerten. Der Wert von Hypothekenanleihen hing vom Verhalten von zehntausenden von einzelnen Kreditnehmern ab, deren individuelle Qualität die Ratingagenturen nie haben überprüfen können. Die Ratingagenturen haben auf diese Weise statistische Modelle für aktuelle Anfragen ersetzt und die Augen vor der Tatsache zugeschlossen. Die Kredite waren daher dazu bestimmt, auszufallen. Die gewaschenen Güter wurden (4) an den Markt geführt. Die Investment- und Geschäftsbanken haben die faulen Hypotheken in Anleihen mit dem Rating „AAA“ verwandelt und den Mist an die amerikanischen Pensionsfonds, die europäischen Banken und an alle anderen verkauft.

Die europäische Krise, die jetzt im Gange ist, ist eine direkte Folge davon, dass die Banken und Investoren geplagt durch die Verluste von amerikanischen Hyptothekenanleihen, griechische Staatspapiere abstossen und die Sicherheit bei den US-Treasuries suchen, erklärt Galbraith weiter.

Als die Krise im August 2007 ausbrach, übernahm Henry Paulsons Schatzamt jeden Schritt, um einen endgültigen Zusammenbruch vor den Wahlen 2008 zu verhindern. Das hat funktioniert, bis es funktioniert hat. Bei seinem Amtsantritt hätte Präsident Obama eine Chance zu einem Kurswechsel gehabt. Aber er hat sie nicht wahrgenommen. Die Regierung hätte für eine saubere Überprüfung der Banken sorgen, das Top-Management ersetzen, die destruktive Vergütungspraktiken heilen und die Lobbymacht der Banken reduzieren können. Nichts davon ist passiert. Stattdessen hat das Finanzministerium unechte „Stresstest“ durchgeführt und die „mark-to-market“-Vorschriften für toxische Assets gelockert, sodass die Banken die Verluste aufgeschoben und den Müll weiter in ihren Büchen geschleppt haben. Wozu haben die Banken überlebt? Sie sind jetzt grösser, stärker und mehr quertreibend denn je und sie sind nicht interessiert, neue Kredite für kommerzielle, industrielle oder private Zwecke zu gewähren. Die ehemalige Mittelschicht ist heute weitgehend ruiniert, erklärt Galbraith weiter. Die Konjunkturförderung geht bald zu Ende. Die Ausfuhren könnten der Fiscal Austerity und dem rapide sinkenden Euro zum Opfer fallen. Mitterweile scheinen Defizit-Hysteriker entschlossen, die Arbeitslosenversicherung und die Hilfen an Bundesstaaten zu blockieren und die Sozialversicherung sowie Medicare zu kürzen. Der Finanzsektor lastet fatalerweise auf dem Wirtschaftswachstum.

Was ist zu tun? Um die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, ist vorerst eine strenge Prüfung der Banken und der US-Notenbank notwendig. Das bedeutet Untersuchungen, kriminelle Überweisungen, Anklagen, Strafverfolgung, Verurteilungen und Inhaftierungen. Das Modell muss sein wie die Sanierung von „Savings and Loans“ vor weniger als 20 Jahren, als tausende Branchen-Insider ins Gefängnis gingen. Die Banker müssen die Macht des Gesetzes in ihren Knochen spüren, betont Galbraith. Wie ist damit der Wirtschaft zu helfen? Der erste Schritt zur Sanierung ist Realismus. Zunächst muss damit aufgehört werden, sich zu verstellen, dass faule Kredite irgendwann zurückgezahlt werden. Schuldenkrise kann gelöst werden, wenn Schulden abgeschrieben und entledigt werden. „Wir befinden uns im Post-Crash. Was getan werden muss, ist, was die USA während des New Deal getan haben. Wir müssen neue Finanzinstitute wie die „Reconstruction Finance Corporation“ schaffen, die die Rolle, welche die Banken und die Kapitalmärkte abgeschafft haben, übernehmen, schlussfolgert Galbraith.

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