Montag, 26. Juli 2010

Kakao-Markt: Chocolate Finger und Cornering

Die Nachfrage am Kakaomarkt übersteigt derzeit das Angebot. Der Kakao-Preis ist mittlerweile auf den höchsten Stand seit 30 Jahren gestiegen. Seit 2008 ist der Preis um 150% geklettert. Am Futures-Markt herrscht eine ungewöhnliche Preisstruktur: Backwardation. Das heisst, dass der Terminpreis günstiger (d.h. geringer) ist als der Spotpreis (d.h. der aktuell zu bezahlende Preis). Die Laufzeit der Futures ist bekanntlich vornherein begrenzt. So müssen die Futures-Kontrakte während der Laufzeit regelmässig getauscht („rollen“) werden. Da die Forward-Kurve fällt, winken Rollgewinne. Das bedeutet, dass der Investor mit dem Verlängern der Kontrakte in die nächstlängere Laufzeit („rollen“) eine Rendite verdient (Rollgewinne). Was und/oder wer steckt hinter der Entwicklung am Kakao-Markt? Vergangene Woche wurde bekannt, dass ein Handelshaus in Agrarrohstoffen aus Grossbritannien an der Terminböse NYSE Liffe in London Terminkontrakte auf Kakao im Wert von 1 Mrd. $ gekauft hat. Das Unternehmen heisst Armajaro, welches zugleich einen Hedge-Fonds (Assets: mehr als 1,5 Mrd. $) betreibt. Das von Anthony Ward im Jahre 1998 gegründete Unternehmen hat nun Anspruch auf Lieferung von 241'100 Tonnen Kakao-Bohnen, wie NYT („Trader’s Cocoa Binge Wraps Up Chocolate Market“) berichtet. Das entspricht 7% der globalen Jahresproduktion von Kakao. Der deutsche Kakao-Verband hat bereits einen Brief an die Londoner Terminbörse geschickt. Die Beschwerde betrifft Marktmanipulation.

Es zeichnet sich die Gefahr von kurzfristigen Lieferschwierigkeiten ab. Händler und Unternehmen sind gezwungen, eine hohe Prämie für Kakao zu zahlen. Ward, der ehemalige Kakao- und Kaffee-Händler wird in der britischen Presse indes als „Choc Finger“ genannt. Zu den Kunden von Armajaro, dem Grosshändler von Kakao und Kaffee mit Niederlassungen (buying operations) in der Elfenbeinküste, Indonesien und Ecuador, zählen Lindt & Sprüngli und Kraft. Ist es verboten, grosse Menge Kakao zu kaufen? Nein. Die Preisverzerrungen haben aber heute ohne Zweifel mit „market cornering“ (hier ist ein alter, aber ausgezeichneter Artikel von Krugman dazu) zu tun. Das heisst, dass es einem Handelshaus gelingt, den Markt in die Enge zu treiben. Wie ist es möglich? Betrachten wir einen Zwei-Perioden-Markt, beschreibt Paul Krugman in seinem Blog, mit der Möglichkeit, in der Periode 1 ein Gut zu lagern und es in der Periode 2 zu verkaufen. In einem wettbewerbsfähigen Markt ist es aber nicht Wert, so zu handeln. Denn der erwartete künftige Preis ist entweder niedriger als der gegenwärtige Preis oder der Preis ist nicht genug hoch, die Zins- und Lagerkosten zu decken.

Nun nehmen wir an, dass ein Händler es geschafft hat, heimlich (betrügerisch) einen grossen Teil der Lieferung der Periode 1 in Besitz zu nehmen, bevor die Lieferung auf den Markt geht. Hat er einen Anreiz, einen Teil des Angebots aus dem Markt zu halten und in der Periode 2 zu liefern? Ja. Angenommen der Händler besitzt eine Million Schokoriegel (candy bars). Indem er einen Schokoriegel bis zur Periode 2 aus dem Markt hält, kann er etwas Geld darauf verlieren. Aber er kann den Preis von anderen 999'999 Schokoriegeln hoch treiben, was ihm den Anreiz geben würde, einige seiner Schokoriegel in der nächsten Periode zu liefern, auch wenn es auf der Oberfläche wie ein Verlustgeschäft aussieht. Oder anders ausgedrückt dürfte der Chocfinger durch den Erwerb eines grossen Teils der Lieferung (des Angebots) in der Periode 1 eine Situation geschaffen haben, in welcher sein Grenzerlös aus der gegenwärtigen Periode (im Gegensatz zur künftigen Periode) des Candy Bar-Verkaufs ziemlich niedrig ist, was es profitabel macht, Schokoriegel aus dem Markt zu halten. Das hört sich wie eine Geschichte aus der Raubritter-Ära an, aus der Zeit von Jay Gould und Jim Fisk. Es gab weltweit einen Ansturm, die Finanzmärkte zu deregulieren, um die guten alten Tage des 19. Jahrhunderts zurückzubringen, wo Investoren Geld verdienen konnten, wo es ihnen passte, erklärt Krugman. Die Affäre erinnert uns daran, dass nicht alle profitablen Geschäfte, die ungezügelte Investoren mit ihrem Geld tun, sozial produktiv sind. Vielleicht wird uns das daran erinnern, warum die Finanzmärkte an erster Stelle reguliert waren, fasst Krugman zusammen.

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