Montag, 31. Mai 2010

Defizit-Angst führt zu mehr Schmerz

Was ist die grösste Bedrohung für die immer noch fragile Erholung der Wirtschaft? Gefahren, die wimmeln. Die gravierendste ist die Ausbreitung einer zerstörischen Idee: Nämlich die Auffassung, dass jetzt weniger als ein Jahr nach der schwachen Erholung von der schlimmsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg Zeit ist, die Unterstützung von Arbeitslosen zu stoppen und zu starten, Schmerzen zuzufügen, schreibt Paul Krugman in seiner Montagskolumne („The Pain Causus“) in NYT. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise haben die politischen Entscheidungsträger weltweit angemessen reagiert, indem sie die Zinsen gesenkt haben. Es war zudem richtig, das Defizit ansteigen zu lassen, fasst Krugman zusammen. Mit den Lehren, die sie aus den 1930er Jahren gezogen haben, ist ihnen gelungen, den Schaden zu begrenzen. „Es war furchtbar, aber es entstand keine zweite Grosse Depresion“, hält der Nobelpreisträger fest. Die Regierungen werden jetzt aber von der gängigen Meinung aufgefordert, dazu überzugehen, die Zinsen zu erhöhen und die Ausgaben zu kürzen. So lautet zumindest der Grundtenor des aktuellen OECD-Berichts.

Die OECD plädiert für eine kräftige Zinsanhebung über die nächsten anderthalb Jahre, wie von Krugman zitiert wird, um die Inflation abzuwehren. Doch die Inflation ist niedrig und sie sinkt, erklärt Krugman. Selbst die eigenen Prognosen der OECD zeigen keine Spur von einer inflationären Bedrohung. Warum sollen also Zinsen erhöht werden? Glaubt die OECD, dass die Inflationserwartungen im Markt steigen werden? Das ist aber derzeit nicht der Fall. Ein ähnliches Argument wird vorgebracht, um „fiscal austerity“ (Sparmassnahmen) zu rechtfertigen. Das Lehrbuch und die Erfahrung sagen aber, dass es eine schlechte Idee ist, die Staatsausgaben zu kürzen, wenn man unter einer hohen Arbeitslosigkeit leidet. Es würde nicht nur den Einbruch vertiefen, sondern verschafft auch kaum Aussichten auf eine Verbesserung des Haushaltes, weil die Regierung vieles von dem, was sie durch Ausgabenkürzung spart, verlieren wird, weil die depressive Wirtschaft die Steuereinnahmen drückt, erklärt Krugman. Die OECD prognostiziert eine lang anhaltende hohe Arbeitslosigkeit. Dennoch fordert die Organisation mit Sitz in Paris die Regierungen auf, die Konjunkturprogramme (fiscal stimulus) zu kündigen und im nächsten Jahr mit der Haushaltskonsolidierung zu beginnen. Warum? Investoren scheinen zur Zeit über die Zahlungsfähigkeit der USA nicht besorgt zu sein. Die Renditen der Staatsanleihen notieren auf historischen Tiefs. Die Ausbreitung der gängigen Meinung hat aber hässliche Folgen, schlussfolgert Krugman. Vergangene Woche haben konservative Mitglieder des Represäntantenhauses unter Berufung auf Defizit-Ängste einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Unterstützung für die Langzeitarbeitslosen fallen lassen. Folglich werden viele amerikanische Familien gezwungen, ihre Ausgaben zu kürzen, was wiederum die Arbeitsplätze von vielen anderen gefährden wird.

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