Freitag, 23. April 2010

Keine Tränen für Wall Street

Was ist eigentlich falsch an einem transparenten Derivatehandel? Warum wehren sich Banken mit allen Mitteln dagegen, den ausserbörslichen Handel mit Derivaten in einer zivilisierten Art und Weise zu regulieren? In einer Grundsatzrede in New York kritisierte US-Präsident Barack Obama die wütenden Versuche von Lobbyisten, die Reform zu verwässern. Obama arbeitet redlich daran, dass die Finanzreform bis Ende Mai beschlossen wird. Der Präsident setzt sich eine unabhängige Behörde zum Schutz der Verbraucher. Paul Krugman, der grundsätzlich mit den Reformvorschlägen der Obama-Regierung einverstanden ist, kann sich über den Inhalt der Rede des Präsidenten dennoch nicht ganz freuen. Denn seiner Meinung nach sollte die Reform Banken wehtun. Eine wachsende Zahl von Analysten deutet schliesslich darauf hin, dass die überdimensionierte Finanzindustrie die breitere Wirtschaft verletzt.

Eine schrumpfende Finanzindustrie würde also Wall Street gar nicht freuen. Was aber schlecht für Wall Street ist, wäre gut für Amerika, argumentiert Krugman. Er unterstütze die Reformpläne der Regierung. Das Problem sei aber, so Krugman, dass dei Reform das Finanzwesen sicherer, aber nicht kleiner machen will. Die Finanzbranche trage heute zu einem Drittel der gesamten inländischen Gewissen bei. Das ist doppelt so hoch wie vor zwei Jahrzehnten, erklärt Krugman. Die Bank-Branche will uns weismachen, dass die Profite gerechtfertigt sind. Sie kanalisiere das Kapital für produktive Zwecke, streue das Risiko und verbessere die finanzielle Stabilität. Keines dieser Argumente ist wahr, betont Krugman zu Recht. Das Kapital wurde nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen an Innovatoren kanalisiert, sondern in eine unhaltbare Immobilienblase. Das Risiko war nicht gestreut, sondern konzentriert. Als die Immobilienblase platzte, war es auch mit der „finanziellen Stabilität“ vorbei, hält Krugman fest. Die Folge: Die schwerste Rezession seit der Grossen Depression. Die Banker haben mit dem Geld von fremden Leuten gespielt. Sie haben zu hohe Risiken eingegangen, und zwar mit geliehenem Geld, bis zum geht nicht mehr. Sie haben Geld günstig borgen können, weil die Investoren nichts verstanden haben, was sie kauften und nicht wussten, wie fragil die Finanzindustrie war. Was ist also zu tun? Die Reform sollte der erste Schritt sein. Die Grösse der Banken müssen beschränkt werden, erklärt Krugman. Der Nobelpreisträger greift in diesem Zusammenhang auch auf den neulich in die Diskussion gebrachten „faszinierenden“ Vorschlag des IWF zur Einführung einer Bankenabgabe („Financial Activity Tax“: TAF) zurück. Eine solche Steuer, argumentiert der IWF, könnte die übermässige Risikonahme der Banken mildern, und darauf abzielen, die Grösse des Finanzsektors zu reduzieren. In dieselbe Kerbe haut auch Thomas Fricke in seiner Kolumne in FTD, dass die Banken zahlen müssen. Die deutschen Staatsschulden sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise um rund 180 Mrd. Euro gestiegen. Davon geht sage und schreibe 98 Mrd. Euro auf die Bankenrettungspakete zurück. Das heisst mehr als die Hälfte der neuen Lasten hat mit dem Versuch zu tun, die Finanzbranche vor dem Untergang zu retten.

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