Sonntag, 31. Januar 2010

Paul Volcker erklärt Finanzreform

Präsident Barack Obama hat vor 10 Tagen ein wichtiges Element für die notwendige strukturelle Reform des Finanzsystem dargelegt, schreibt Paul Volcker in einem Meinungsartikel in NYT. Niemand kann vernünftigerweise die Notwendigkeit einer solchen Reform bestreiten, weder in den USA noch in anderen Ländern, so Volcker, der ehem. Fed-Chef. Es handelt sich dabei um die schwerste Krise seit 75 Jahren, betont Volcker. Die Kosten sind enorm in Form von Arbeitslosigkeit und Produktionsausfall. Nun erholt sich die Wirtschaft wieder, wenn auch mit einer moderaten Geschwindigkeit. Die Diskussionen sind über bestimmte Reformen im Gange, die Kapitalanforderungen, Liquiditätsvorschriften und eine bessere Aufsicht der Banken betreffen. Wie Präsident Obama betont habe, seien einige zentrale strukturellen Fragen aber noch nicht gelöst, so Volcker. Eine grosse Sorge betrifft die „Moral Hazard“-Problematik, die aus den umfangreichen und erfolgreichen Rettungsbemühungen der Zentralbanken und Regierungen herrührt.

Das traditionelle Sicherheitsnetz (Einlagensicherung und „lender of last resort“-Krediterleichterungen) sei von Geschäftsbanken auf Investmentbanken und Hypotheken-Anbieter ausgedehnt worden. Der Ausdruck „too big to fail“ sei in unseren alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen. Dieser beinhaltet die Implikation, dass wirklich gross, komplexe und stark vernetzte Finanzinstitute in kritischen Zeiten auf die öffentliche Unterstützung zählen können. Der Sinn der öffentlichen Empörung über die scheinbar ungerechte Behandlung sei spürbar. Neben Emotionen läuft aber das Ergebnis auf die Förderung von solchen Institutionen mit einem Wettbewerbsvorteil aus, was ihre Finanzierung, Grösse und Fähigkeiten, Risiken einzugehen, betrifft, erklärt Berater der Regierung („Economic Recovery Advisory Board“). Wie die Dinge stehen, erhöhen die Folgen die übermässige Risikobereitschaft mit Auswirkungen auf ein noch fragiles Finanzsystem. Wir müssen effizientere „fail-safe“-Arrangements herausfinden. Der Vorschlag des Präsidenten, den Eigenhandel der Banken zu begrenzen, schreibt Volcker, nähere sich dem Problem aus „einer ergänzenden Richtung“ an. Der Ausgangspunkt sei, dass das Hinzufügen einer weiteren Risikoerhöhung zu den innewohnenden Risiken einer Geschäftsbank keinen Sinn macht. Vor allem dann nicht, wenn diese Risiken sich aus mehr spekulativen Aktivitäten ergeben, welche für andere Bereiche der Finanzmärkten besser geeignet wären. Zum Vorschlag, der den Besitz und das Sponsoring an und von Hedge Fonds und Private Equity betrifft, betont Volcker, dass Banken sich hier auf der Suche nach einem spekulativen Gewinn befinden, nicht als Reaktion darauf, Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Solche Aktivitäten werden von einer handvoll amerikanischen Mega-Geschäftsbanken betätigt. Vielleicht von 4 oder 5. Nur 25 oder 30 seien signifikant international. Abgesehen von den Risiken in diesen Handlungen stellen sie praktisch unlösbare Interessenkonflikte mit Kundenbeziehungen dar. Konflikte, die nicht einfach durch die Einrichtung der sog. „Chinese Walls“ zwischen verschiedenen Abteilungen eines Finanzinstitutes gelöst werden können. Der weitere Punkt ist, dass die drei Aktivitäten (welche an sich ein legitimer und nützlicher Teil der Kapitalmärkte sind) keineswegs davon abhängig sind, eine Geschäftsbank zu führen. Es gibt heutzutage buchstäblich Tausende von unabhängigen Hedge Fonds und Private Equity Fonds in sehr unterschiedlichen Grössen, die durchaus in der Lage sind, sich im innovativen Wettbewerb der Märkte zu behaupten. Diese unabhängigen Finanzinstitutionen sind i.d.R. privat finanziert und sind stark von Dienstleistungen von Geschäftsbanken abhängig, einschliesslich Prime-Brokerage. Sehr wenige von diesen Kapitalmarktinstitutionen können den Anspruch auf „too big to fail“ oder „too interconnected to fail“ erheben, sowohl von ihrer Grösse her als auch was ihre Finanzierungsquellen betrifft. In der Tat ist es so, dass eine nicht beträchtliche Anzahl von diesen Finanzinstitutionen in Krisensituationen ohne nachteilige Folgen für den Kapitalmarkt freiwillig den Betrieb einstellen, erklärt Volcker. Was wir benötigen ist Schutz gegen die Ausreisser. Es gibt eine begrenzte Anzahl von Investmentbanken, die, wenn sie scheitern, breite Marktstörung auslösen. In solchen Fällen wäre es wichtig, den Verschuldungsgrad dieser Institute durch die Behörden einzuschränken, betont Volcker.

Was jetzt wichtig sei, dass wir mit anderen Nationen, welche über grosse Finanzmärkte verfügen, zusammenarbeiten, um einen breiten Konsens über einen Entwurf für die notwendigen Strukturreformen zu erreichen, die solche Aspekte enthalten, wie sie vom Präsidenten vorgeschlagen worden sind. Volcker ist überzeugt, dass die einschlägigen internationalen und ausländischen Behörden bereit sind, sich für die Bemühungen zu engagieren. Es gebe keinen Ersatz für strukturelle Veränderungen. Die Implikationen seien klar. Wir müssen die notwendigen strukturellen Veränderungen in ein Gesetz eingiessen. Weniger zu tun, bedeute einfach ein endgültiges Scheitern, warnt Paul Volckert.

Rezessionen und Vertrauen

Der US-Wirtschaft und anderen entwickelten Volkswirtschaften dürfte ein langer Zeitraum träger und enttäuschender Wachstumsraten bevorstehen. Das ist eine weit verbreitete Sorge, wie jüngste Umfragen belegen. „Unter Studenten der Geschichte gibt es Befürchtungen, dass wir unter einer Art chronischen wirtschaftlichen Malaise wie nach dem Börsenkrach von 1929 oder Japan nach dem Platzen der doppelten Blase (Aktien und Immobilienmarkt) in den 1990er Jahren leiden werden“, berichtet Robert Shiller in einem Essay („Stuck in Neutral? Reset the Mood“) in NYT (Sonntagsausgabe). Die Post-Depression 1929 endete nicht vor einem Jahrzehnt. Auch Japan hat sich von Abschwung der 1990er Jahren noch nicht erholt, erinnert Shiller. Die Ängste sind ein integraler Teil des Problems, erklärt Wirtschaftsprofessor an der Yale University. Die Ökonomen nehmen an, dass jeder sich rational verhält. Aber der Post-Boom-Pessimismus ist ein Faktor, der auf die Wirtschaft auswirkt, und zwar so, dass diese Phase noch lange anhält, erläutert Shiller. In Wirklichkeit werden Rezessionen durch eine seltsame Mischung aus rationalem und irrationalem Verhalten verursacht.

Negative Feedbacks, in denen Pessimismus die Wirtschaftstätigkeit hemmt, sind schwer zu stoppen. Heute gewähren Banken keine neuen Kredite, was eindeutig mit einem Vertrauensverlust zusammenhängt. Als Gründe geben die Banken, warum sie keine Kredite vergeben, an: Eine reduzierte Risikobereitschaft, unsichere Konjunkturaussichten und eine Verschlechterung industrie-spezifischer Probleme. Wenn Banken kein Vertrauen haben, Kredite zu vergeben, dann können Unternehmen nicht gedeihen, erläutert Shiller. Und das mangelnde Vertrauen wird zu einer sich selbst erfüllenden Prohezeiung. Das war als ein grosses Problem während der Grossen Depression erkannt worden, hält Shiller fest. Heute nach dem Platzen der Spekulationsblase auf dem Wohnungsmarkt verlassen wir laut Shiller den irrationalen Überschwang, wenn viele Leute und Finanzinstitute ihre Zukunft wegen spekulativer Wetten, und nicht wegen eines echten wirtschaftlichen Beitrags aufs Spiel gesetzt haben. Die Spekulation ist eine gesunde kapitalistische Aktivität, aber sie verkommt zu einem Problem, wenn sie zu einer nationalen Bessesenheit wird, wie in der Boom-Phase vor der Krise zu beobachten war, erklärt Shiller. Die „Volcker-Regel“ betrachtet Shiller in diesem Zusammenhang als eine Reaktion der Enttäuschung auf die übermässige Spekulation. Die Lösungen für die Wirtschaft müssen daher nicht nur die strukturelle Instabilität der Finanzinstitute, sondern auch die Probleme in den Herzen und Köpfen der Arbeitnehmer und der Investoren angehen. Es sind Probleme, die ansonsten möglicherweise mehrere Jahre anhalten dürften, schlussfolgert Shiller.

Samstag, 30. Januar 2010

Sechs weitere amerikanische Bankpleiten im Januar

Die FDIC hat am Freitag 6 weitere Banken in California, Georgia, Florida, Minnesota und Washington geschlossen. Damit erhöht sich die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 pleite gingen, auf 15. Die grösste Bank davon verfügt über Anlagevermögen von 2,2 Mrd. $ und über Einlagen von 1,9 Mrd. $. California war einer der Staaten, die am härtesten vom Zusammenbruch des Immobilienmarktes betroffen sind. Im vergangenen Jahr scheiterten in der Region insgesamt 17 Banken. Die Federal Deposit Insurance Corp (FDIC) schätzt die Kosten der Schliessung der 6 Banken für die Behörde auf rund 1,8 Mrd. $ ein.

Bankpleiten:
2010: 15
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Die FDIC versucht das Vermögen der Banken zu verkaufen und deckt zugleich die Einlagen der Sparer. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt. Die FDIC erwartet einen Tempoanstieg der Fehlschläge in diesem Jahr. Die FDIC-Chefin Sheila Bair rechnet damit, dass die Ausfälle 2010 ihren Höchststand erreichen und dann beginnen werden, zu sinken.

Freitag, 29. Januar 2010

US-Wirtschaftswachstum IV. Quartal 2009

Das amerikanische Bruttoinlandspordukt (BIP) ist im IV. Quartal 2009 auf das Jahr hochgerechnet um 5,7% gewachsen. Die kräftige Erholung des realen BIP-Wachstums ist auf eine Tempoverlangsamung des Lagerabbaus durch Unternehmen zurückzuführen. Zugleich ist der BIP-Anstieg ein Ausdruck der Belebung der Unternehmensinvestitionen, hauptsächlich angetrieben von Investitionen in Hardware und Software. Darüber hinaus sind die Einfuhren in den drei letzten Monaten des Vorjahres weniger stark gestiegen als im III. Quartal 2009. Diese Beiträge zur Wirtschaftsleistung sind jedoch zum Teil durch den Rückgang der Staatsausgaben, die Verringerung der Verbraucherausgaben und die Schwierigkeiten im Immobilienmarkt wettgemacht worden.


US GDP Quarter to Quarter, Graph : BEA, Jan 29, 2010

BIP-Wert in US-Dollar
Im IV. Quartal 2009: 14'463 Mrd. $
Im Gesamtjahr 2009: 14'258 Mrd. $

Das verfügbare real Einkommen ist im IV. Quartal um 2,1% gestiegen, nachdem es im III. Quartal um 1,4% gesunken war. Die Sparquote ist von 4,5% auf 4,6% geklettert.


Annual Real GDP Growth, Graph : BEA, Jan 29, 2010

Fazit: Nach der Verringerung des Lagerabbau lautet die Frage nun, wie nachhaltig das Wirtschaftswachstum ist. Die Nachfrage (2,2%) bleibt milde ausgedrückt gedämpft, die Situation am Arbeitsmarkt ist miserabel und die Zwangsvollstreckungen im Häusermarkt halten an.

Ben Bernanke im Amt bestätigt: Was nun?

Ben Bernanke, der kürzlich von Time Magazin zur Person des Jahres gekürt worden ist, wurde gestern vom amerikanischen Senat für weitere vier Jahre an der Spitze der US-Notenbank bestätigt. Bei der Abstimmung votierten 70 Senatoren für die Ernennung. 30 Senatsmitglieder waren dagegen. Keiner Fed-Chef war bislang politisch so umstritten wie Ben Bernanke. Die kontroverse Debatte, die über die umstrittene Rolle der US-Notenbank („Geldpolitik für die Wall Street“) vor und nach dem Ausbruch der Finanzkrise stattfand, wirft Fragen über die politische Kultur des Landes auf. Bernanke hat die Politik seines Vorgängers hemmungslos weitergeführt. Während Millionen Bürger ihre Arbeit verloren haben, wurden zur Rettung von Boni-Banker Milliarden US-Dollar eingesetzt. Hinter den Kulissen haben die Demokraten (abgesehen von 2 Senatoren, die bereits vorher aus der Reihe getanzt hatten) die Republikaner überzeugen müssen, den Fed-Chef, der ein Republikaner ist, im Amt zu bestätigen. Gerade dieses unleidliche politische Tauziehen steht im Mittelpunkt der Freitagskolumne von Paul Krugman in NYT.

Die Art der Schwierigkeiten Amerikas ist einfach festzulegen, erklärt Krugman. „Wir stecken in den Nachwirkungen einer schweren Finanzkrise, die eine Massenarbeitslosigkeit ausgelöst hat. Das einzige, was uns vor dem Abgleiten in eine zweite Grosse Depression abhält, ist Deficit Spending. Und gerade jetzt brauchen wir mehr Staatsausgaben, weil die hohe Arbeitslosigkeit das Leben von Millionen von Amerikanern zerstört“, so Krugman. Die Regierung solle alles unternehmen, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Der langfristige Haushaltsdefizit sei vor dem Anschwellen des Budgetdefizits schlecht gewesen, hauptsächlich wegen des enormen Anstiegs der Kosten im Gesundheitswesen. Mit Blick auf die Zukunft muss aber ein Weg gefunden werden, der zu einem kleineren Defizit führt, hält Krugman fest. Wie lässt sich aber der scheinbare Widerspruch zwischen kurzfristigen Bedürfnissen und langfristigen Aufgaben lösen? Intellektuell sei es überhaupt nicht schwer. „Wir sollten Massnahmen zur Beschaffung von Arbeitsplätzen jetzt mit Massnahmen zur Defizitreduzierung später kombinieren“. Warum klappt das aber nicht? Die traurige Wahrheit sei jedoch, dass „unser politisches System nicht fähig zu sein scheint, das zu tun, was notwendig ist“, klagt Krugman. Obama sei nicht zu tadeln. Es gibt nur so viel, was ein Mann machen kann, selbst wenn er im Weissen Haus sitzt. Die politische Kultur, die anstatt ernsthafte Anstrengungen zur Lösung Amerika’s Probleme, Heuchelei und Verantwortungslosigkeit belohne, sei dafür verantwortlich. Die Verschleppungstaktik („filibuster“) von 41 Senatoren sei Schuld dran, die das Land unregierbar macht.

Kursaufschläge in der Krise

Hier ist eine anschauliche Abbildung aus dem Vortrag von Andrew Haldane, dem financial stability executive director der BoE. In der am Mittwoch gehaltenen Rede verweist Haldane darauf, dass der Nettogewinn der Banken 2009 voraussichtlich auf 60 Mrd. $ klettern werde, verglichen mit einem Verlust um etwa den Betrag im Jahr 2008. Erträge aus Market-Making-Tätigkeiten in verschiedenen Finanzprodukten seien aufgrund der hohen Spanne zwischen den Geld- und Briefkursen besonders gewinnträchtig gewesen. Die Extragewinne („windfall gain“) haben dazu beigetragen, die überstrapazierten Bank-Bilanzen zu reparieren, so Haldane. Grossbanken haben demnach seit Beginn des Jahres ihr Tier1-Kapital-Verhältnis um fast 3% gesteigert.


Bid-Ask Spread on selected assets, Graph: A. Haldane, BoE, Jan 2010

Hat tip Izabella Kaminska FT Alphaville.

Donnerstag, 28. Januar 2010

Interview: Prof. William K. Black, University of Missouri, Kansas City

William K. Black, Associate Professor of Economics and Law at the University of Missouri, Kansas City and a former senior S&L regulator and specialist in white-collar criminology.


What is your take on the so called “Volcker-Rule”? Are the new proposals heading in the right direction?

There is no economic justification for providing federal guarantees to institutions engaged in proprietary trading. Doing so creates a dangerous “put” that encourages fraud and other forms of moral hazard.

Does size really matter? Or are we supposed to talk more accurately about “too interconnected to fail”, if the right approach is to limit the liabilities of financial institutions?

Size matters because the senior regulatory officials think it matters. The key is whether they are willing to place a very large shop in a receivership that wipes out the “risk capital” (shareholders and subdebt holders). They are unwilling to do so in the U.S. If the question is, can a moderately large financial institution pose systemic risk because of its interconnections with other entities the answer is “yes.” Any institution that the regulators treat as “too big to fail” because it poses systemic risk is a systemically dangerous institution (SDI).

What is your suggestion? Who should regulate the banks?

SDIs should not be permitted to continue to exist. We should (1) stop them from growing, (2) shrink them to the point that they no longer pose a systemic risk (use tax incentives to cause them to trim down rather than having the regulators have to dictate the shrinkage strategy), and (3) regulate them far more intensively while they are in the process of shrinking but remain SDIs.


Thank you very much.


William K. Black, Associate Professor of Economics and Law at the University of Missouri, Kansas City and a former senior S&L regulator and specialist in white-collar criminology. He is the author of the must-read book “The Best Way to Rob a Bank is to Own One.

SNB stellt USD-Devisenswaps ein

Die SNB gab gestern bekannt, dass sie Swap-Abkommen mit der US-Notenbank (Fed) einstellt. Die SNB will die US-Dollar-Swaps per 1. Februar 2010 auslaufen lassen. Die Swap-Limiten hatten den Zweck, der weltweit angespannten Lage an den Geldmärkten (USD) entgegenzuwirken. Als Grund gaben die Schweizer Notenbanker an, dass sich die Situation an diesen Märkten im vergangenen Jahr verbessert hat. Vor Zehn Tagen hatte die SNB angesichts der rückgängigen Nachfrage nach Liquidität die Euro/CHF-Devisenswaps eingestellt.


$/CHF Exchange Rate (6 month), Graph: swissquote.ch

Zur Erinnerung: Die SNB hatte nach dem Ausbruch der Finanzkrise mit führenden Zentralbanken Swap-Vereinbarungen abgeschlossen, um in einer globalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise beizutragen. Die Zentralbanken (Fed, BoE, BoJ und EZB) waren dadurch in der Lage, die Finanzinstitute jeweils in ihrem Hochheitsgebiet mit Liquidität in Fremdwährung zu versorgen.

Die Swap-Vereinbarungen wurden zeitlich begrenzt gestaltet. Und die Zentralbanken trugen dabei kein Wechselkursrisiko, weil für die Rückbuchung derselbe Wechselkurs benutzt wird. Die mit Repo-Geschäften und Devisenswaps entstandene Liquidität war von Anfang an befristet und sie fliesst nun bei einer Nichterneuerung der Geschäfte automatisch zurück. Im Inland erfolgt die Abschöpfung der Liquidität in erster Linie mit der Ausgabe von SNB-Bills.

Fazit: Der aktuelle Schritt der SNB deutet also auf eine graduelle Rückführung der unkonventionellen Instrumente in der Krise hin.

Warum ein geringes Wachstum inmitten von Verschuldung zu erwarten ist

Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff befassen sich in einem lesenswerten Essay in FT damit, wie wie schnell ein Ausstieg aus dem heutigen ausserordentlichen Fiskal-Stimulus erfolgen kann, während staatliche Schuldenaufnahme im Sog der Finanzkrise explodiert. „Unsere Forschung auf die lange Geschichte der Finanzkrisen hat ergeben, dass die Entscheidungen diesbezüglich nicht einfach sind, unabhängig davon, ob man sich den Illusionen der Normalität der Märkte hingibt oder nicht“, betonen die beiden Ökonomen. Es sei denn, dass diesmal alles anders ist. Aber dem ist es nicht so. Denn die Krise von gestern verwandle sich rasch in eine Schuldenkrise der Staaten, bemerken die Wirtschaftswissenschaftler. In früheren Zyklen haben internationale Bankkrisen oft zu einer Welle von Staatsbankrotts („sovereign defaults“) geführt, betonen Reinhart (University of Maryland) und Rogoff (Harvard University). Die Dynamik sei kaum überraschend, da die öffentliche Verschuldung nach einer Finanzkrise im Durchschnitt über 80% steigt, und zwar innerhalb von drei Jahren.

Die Autoren erwarten keine dramatischen Defaults wie in den 1930er Jahren, als die USA und Grossbritannien den Goldstandard aufgaben. Als Grund heben sie v.a. (1) die stabile Position von Währungsinstitutionen hervor. „Während der genaue Mechanismus nicht sicher ist, vermuten wir, dass ab einem gewissen Punkt (2) die Zinsprämien auf unkontrollierte Defizite reagieren und die Staaten zu einer Straffung der Fiskalpolitik zwingen werden“, so die Autoren. Vor dem Hintergrund einer anhaltenden schwachen Konsumausgaben in den USA und in Europa könnte ein rascher Ausstieg aus den Konjunkturprogrammen zu einem erneuten Rückfall der Wirtschaft in eine Rezession führen, warnen Reinhart und Rogoff.

Wie stellt man die nächste Vermögensblase (bubble) fest?

Im vergangenen Jahr boomten alle Arten von risikobehafteten Anlageklassen von März bis Ende Dezember. Sind die Preise zu schnell und zu stark gestiegen? Nouriel Roubini hat vor diesem Hintergrund vor einer weltweiten Vermögensblase gewarnt. Er redete im November von der Mutter aller stark gehebelten Vermögensblasen. Kurz darauf erklärte Robert Shiller, dass so schnell keine neue Blase entsteht. Er bezeichnete die Sorgen als überzogen, dass sich eine neue gefährliche Spekulationsblase bildet. Wie weiss man aber, wann sich eine Blase bildet? Wenn die Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Investoren die Antwort wüssten, wären sie in der Lage, Vermögensblasen zu vermeiden. Robert Shiller hat einem Bericht von NYT zufolge am Mittwoch in Davos auf dem World Economic Forum (Schweiz) (einbisschen launig) angeregt, dass man Blasen mit der gleichen Methode, wie Psychologen psychische Krankheiten diagnostizieren, erkennen könne. Schliesslich sei eine Blase eine Form der psychischen Störung. Und wie psychischen Erkrankungen gibt es eine heikle Grauzone zwischen „wirklich-krank-sein“ und „nur-ein-paar-Probleme haben“, so Prof. Shiller. Hier ist seine Check-Liste:

(1) Ein starker Preisanstieg eines Vermögenswertes wie Immobilien oder dot.com-Aktien,

(2) Eine grosse öffentliche Aufregung über besagte Preisanstiege,

(3) Ein begleitender Medienrummel,

(4) Geschichten von Menschen, die viel Geld verdienen, was zu Neid unter Menschen führt, die nicht dabei sind,

(5) Ein wachsendes Interesse an Anlageklassen in der breiten Öffentlichkeit,

(6)New-era“-Theorien, um beispiellose Preisanstiege zu rechtfertigen,

(7) Eine Verschlechterung (Rückgang) bei den Kreditvergabe-Standards.

Bill Gross’ (Pimco) Februar Outlook 2010

Bill Gross, Co-Chef der US-Fondsgesellschaft Pimco hebt in seinen Beobachtungen in den entwickelten Märkten für festverzinsliche Anleihen drei Aspekte hervor: (1) Er würde das Geld angesichts der genügenden Liquidität und der gegenwärtigen Renditen lieber in Kanada investieren. Kanada’s konservative Banken haben sich laut Gross nie an der Immobilienkrise beteiligt. Und das Land bewege sich nahe einem ausgeglichenen Haushalt. (2) Deutschland ist die sicherste und liquideste souveräne Alternative, erklärt Gross. Er würde aber Deutschland’s Haltung innerhalb der EU gegenüber Rettungsaktionen für Griechenland und Irland genau beobachten. Denkt man an AIG und GMAC, dann hat man eine ähnliche Situation hier, so Gross. (3) Grossbritannien gilt auf alle Fälle zu vermeiden, hält Gross fest. Die Gilts (britische Staatspapiere) ruhen laut Gross auf einem Bett von Nitroglycerin. Darüber hinaus seien die Zinsen bereits durch Rechnungslegungsstandards künstlich beeinflusst, sodass das vergangene Jahr reale langfristige Zinssätze von ½% und weniger produziert habe, so Gross.


The Ring of Fire, Graph: Bill Gross, Pimco, Jan. 2010

Das letzte Jahrzehnt war wegen einer Reihe von Ereignissen bemerkenswert, erklärt Gross: „jobless recovery in den wichtigsten Volkswirtschaften, negative Aktienrenditen in den USA und anderen Industrieländern, Finankrise und ihre Folgen“. Das neue Jahrzeht werde vom Prozess des „debt deleveraging“ geprägt sein, prognostiziert Gross. Gut für Länder, die weniger verschuldet sind. Damit meint er v.a. Schwellenländer. Und schlecht für Länder, in denen das Wirtschaftswachstum bisher vom finanzmarkt-basierten Verbrauch („finance-based consumption“) angetrieben wurde. Seine Warnung lautet daher: „Beware the ring of fire“.

Zum „Deleveraging Prozess“ weitere Einträge in diesem Blog hier und hier.

Fed-Sitzung vom 27. Januar 2010

Die US-Notenbank (Fed) behält ihren lockeren geldpolitischen Kurs. Die amerikanischen Notenbanker teilten auf ihrer gestrigen Sitzung mit, dass die Nullzins-Politik fortgesetzt werde. Die Wirtschaftsaktivität habe an Stärke gewonnen und die Lage am amerikanischen Arbeitsmarkt habe sich nicht weiter verschlechtert, erklärte die Fed. Der Leitzins (Fed Funds Rate) wurde auf 0 % bis 0,25% bestätigt. Hauptsächlich, weil (1) die Kapazitätsauslastung niedrig verläuft, (2) der Inflationstrend gedämpft ist und (3) die Inflationserwartungen stabil sind. Der Ton im Begleittext zur Zinsentscheidung war „dovish“. Einzig Thomas Hoenig hat gegen den Beschluss votiert. Der Präsident der Fed von Kansas City hat sich v.a. gegen das Beibehalten der Formulierung „extended period“ ausgesprochen.


Effective Federal Funds Rate, Graph: Fed St. Louis

Hoenig vertrat die Meinung, dass das wirtschaftliche und finanzielle Umfeld sich ausreichend verändert habe, sodass die Erwartung eines aussergewöhnlich niedrigen Zinsniveaus für eine „längere Zeit“ nicht mehr gerechtfertigt sei. Angesichts des abweichenden Votums von Hoenig preisen die Fed Funds Futures nun eine Wahrscheinlichkeit von 52% bis Ende Juni ein, dass die Zinsen unverändert bleiben. Die Wall Street hat mit Aufschlägen auf die Zinsentscheidung reagiert.

Mittwoch, 27. Januar 2010

Kreditmärkte: CDS-Handel wächst rasant

Die Risikoprämien der CDS (Credit Default Swaps) auf Staatsanleihen Griechenlands kletterten heute laut CMA DataVision (via FT Alphaville) auf 375 Basispunkte. Das ist ein neuer Rekordstand. Es handelt sich dabei um die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte. Die CDSs gelten als Stimmungsbarometer am Derivatemarkt. Sie zeigen, wie viel die Absicherung einer Forderung gegen einen Staat oder ein Unternehmen kostet. Angesichts der steigenden Staatsverschuldung kaufen Händler derzeit um das Fünffache mehr CDS gegen Zahlungsausfälle von souveränen Staaten als von privaten Unternehmen, berichtet Bloomberg. Der Nettobetrag der ausstehenden CDS auf 54 Staaten von Japan bis Italien ist seit Oktober 2009 um 14,2% gestiegen. Im Vergleich: Der Betrag der CDS für private Unternehmen ist um 2,6% geklettert.

Der Netto-Nominal-Betrag der CDS auf Griechenland sind seit Oktober laut DTCC auf 8,8 Mrd. $ gestiegen. Für Portugal beträgt der entsprechende Wert 9,6 Mrd. $. Für Spanien 15,2 Mrd. $ (+16%) und für Italien 25,4 Mrd. $ (+13%).

Volcker-Regel: Mit Hammer gegen Banken

US-Präsident scheint es mit der umfassenden Finanzmarktreform endlich ernst zu meinen. Die neuen Vorschläge zielen darauf ab, die übermässige Risikobereitschaft der Banken zu verringern. Die Volcker-Regel will in erster Linie den Eigenhandel der Banken einschränken. Martin Wolf befasst sich in einem Essay in FT mit der praktischen Umsetzung neuer Massnahmen. Er bewundere Herrn Volcker und unterstütze seinen Wunsch nachdrücklich, einen Finanzsektor zu entwickeln, der der Wirtschaft im Allgemeinen dient. Ebenso stimme er zu, dass ein Teil der Lösung in der Tat strukturell ist. Aber diese Vorschläge seien, obwohl wünschenswert, weder praktisch noch relevant, so Wolf. Er bezweifelt, wie die Grösse einer Grossbank zu bemessen ist und verweist zu Recht auf die problematische Existenz von Schattenbanken-System. Es gehört bestimmt abgeschafft. Wolf plädiert aber für eine „radikalere“ Reform, ohne allerdings genauer zu erklären, wie sie aussehen soll.

In dieser Krise seien die Investitionen von Banken in Hedge Fonds, Private Equity und auch Eigenhandel (prop trading) nicht Kern dessen gewesen, was falsch gelaufen ist. Ooh, doch! Es sei einfach, gegen die Grossbanken in die Offensive zu gehen, aber der Ausfall eines kleinen hoch vernetzten Finanzinstitutes (Lehman) habe sich enorm wichtig erwiesen. Das stimmt auch nicht ganz. Da erstens die TBTF-Problematik auf jeden Fall auch die „too interconnected to fail“-Problematik umfasst. Und zweitens wird heute ein Jahr nach dem Ausbruch der Krise offenbar vergessen, dass Bear Stearns nach der Insolvenz von zwei hauseigenen Hedge Fonds in Schieflage geraten war. Wenn der Verschuldungsgrad der betreffenden Bank exzessiv ist, dann spielt es keine Rolle, wie gross das Finanzinstitut ist. Was zählt ist, wie hoch die Bank vernetzt ist (interconnected), weil es in Krisensituationen auf die enge Verknüpfung mit wichtigen Gegenparteien ankommt. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, die sog. „net capital rule“ nocheinmal in Erinnerung zu rufen. Die Regel war eingeführt worden, um sicherzustellen, dass die Wall Street Finanzinstitute über genügend Eigenkapital verfügen. Es galt ein Verschuldungsgrad (debt-to-net capital ratio) von 12 zu 1. Das heisst, dass ein Finanzinstitut auf 1$ EK höchstens 12$ FK aufnehmen darf. Im Jahre 2004 haben sich aber die fünf führenden Finanzinstitute (Goldman Sachs, Merrill Lynch, Lehman, Bear Stearns und Morgan Stanley) mit der Bitte an die US-Börsenaufsicht SEC gewandt, eine spezielle Ausnahme zu erlassen: Die Investmentbanken, welche über eine Marktkapitalisierung von mehr als 5 Mrd. $ verfügen, sollten von der Einhaltung der „net capital rule“ befreit werden. Die SEC ging auf den Wunsch ein. Die Ausnahmeregelung wurde ironischer Weise "Bear Stearns Rule" genannt. Prompt kletterte der Verschuldungsgrad der erwähnten Finanzinstitute auf 30, 35, ja bis sogar auf 40 zu 1. Nur vier Jahre danach ist Bear Stearns zusammengebrochen. Lehman ging pleite. Und die restlichen Finanzinstitute haben ihren Status als Investmentbank verloren.

Notwendig sind also (1) präventive Massnahmen und (2) Massnahmen, die dazu beitragen, die Kosten einer Krise zu reduzieren, wie die SNB vorschlägt. Ein Finanzinstitut muss scheitern können, ohne dass die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Es gilt auf alle Fälle, zu verhindern, dass Gewinne privatisiert, die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden. Dazu bedarf es international anerkannter Vorschriften, um die TBTF-Problematik wirksam anzugehen. Es führt kein Weg daran vorbei, Kapital- und Liquiditätsanforderungen zu erhöhen. Am wichtigsten ist es, den Verschuldungsgrad (leverage ratio) direkt zu beschränken. Dann ergibt sich die gesuchte Grösse von Finanzinstituten.

Griechenland: Nothilfe aus China?

Nach der gelungenen Ausgabe einer 5-jährigen Anleihe am Montag sucht Griechenland Hilfe in China. Athen bietet Peking einem Bericht von FT zufolge via Goldman Sachs Staatsanleihen in Höhe von 25 Mrd. € zur Zeichnung an. Der staatliche chinesische Devisenfonds hält sich aber bisher zurück. Unklar ist ausserdem, ob Peking bereits in Staatsanleihen Griechenlands engagiert ist und wenn ja, in welcher Höhe. Desweiteren bleibt die Frage offen, ob die chinesische Führung für den Fall eines nennenswerten Kaufs von griechischen Staatspapieren sich im Gegenzug eine signifikante Einflussnahme in der griechischen Industrie oder im Bankwesen des Landes wünschen würde.

Die Verzinsung der griechischen Anleihe liegt ca. 3,6% höher als die eines vergleichbaren deutschen Staatspapiers.

Dienstag, 26. Januar 2010

T-Bills zu Null

Das US-Schatzamt hat am Dienstag T-Bills (Laufzeit: 1 Monat) im Volumen von 10 Mrd. $ verkauft. Das Besondere in der T-Bills-Auktion war die Verzinsung. Die erfolgte nämlich zu Null Prozent. Damit hat das Treasury Department zum vierten Mal seit Dezember einmonatige T-Bills zum Null Prozent begeben. Die Nachfrage überstieg das Angebot an T-Bills um das 5-fache. Was ist aber davon zu halten? Es kommt darauf an, schreibt FT Alphaville, a) woher das Geld kommt und b) wie häufig Null-Versteigerungen stattfinden.


1 Month T-Bills, Graph: wsj.com

Zur Erinnerung: Die Flucht in den sicheren Hafen US-Staatsanleihen hatte bereits im Dezember 2008 die Rendite von 3-monatigen T-Bills ins Negative geschickt. US-Schatzwechsel mit der Laufzeit von 90 Tagen waren damals zu Minus 0,01% gehandelt worden.

update: Zum Handelsschluss lag die Rendite der vierwöchigen T-Bills bei Minus 0,003%. Händler reden von einem enormen Angebotsproblem.

Fazit: Die aktuelle Auktion von T-Bills mit der Laufzeit von einem Monat zu Null Prozent deutet darauf hin, dass die Liquiditätsfalle anhält. Die Wirtschaft ist also nach wie vor auf Stimulus angewiesen. Sowohl geldpolitisch als auch fiskalpolitisch. Eine Schuldenbremse ist daher derzeit fehl am Platz.

Schuldenbremse à la Obama

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat Präsident Barack Obama einen Sparkurs angekündigt. Vor seiner Rede zur Lage der Nation am Mittwoch Nachmittag wurde bekannt, dass Obama eine ganze Reihe von Haushaltsposten einfrieren will, um auf diese Weise 250 Mrd. $ über 10 Jahre zu sparen. Der Ausgabenstopp soll nach Angaben des Weissen Hauses nur für bestimmte Bereiche gelten. Vor dem Hintergrund einer extrem geringen Kapazitätsauslastung der Industrie, einer dramatisch gesunkenen Nachfrage und Massenarbeitslosigkeit plant die Obama-Administration eine Ausgabenkürzung. Kein Wunder, dass die ersten Reaktionen unter Ökonomen schockierend ausfielen, wobei angemerkt werden soll, dass das neue Sparprogramm auf der rechten Seite des politischen Spektrums von niemandem begrüsst wurde. Heftige Kommentare gab es jedoch auf der linken Seite: „Eine Haushaltssperre? Das ist die brillante Antwort der Obama-Regierung auf ihre erste ernsthafte politische Niederlage“, schreibt Paul Krugman in seinem Blog.

Es sei auf jeder Ebene erschreckend und ein Verrat an alles, wofür Obama’s Unterstützer zu arbeiten glaubten, bemerkt Krugman. Auch Mark Thoma ist enttäuscht. Brad DeLong kann es nicht fassen. Anstatt das Langzeit-Defizit zu bekämpfen, entweder über Steuererhöhungen (ausgelöst durch übermässige Defizite) oder über Deckelung der Ausgaben (ausgelöst durch übermässige Defizite) kommt die Regierung mit einem Vorschlag, der der Wirtschaft kurzfristig schadet, schreibt DeLong. Zugleich gibt er aber eine Entwarnung, dass es sich dabei offenbar nicht um einen Ausgabenstopp für nicht-sicherheitsrelevante diskretionäre Ausgaben handelt, sondern eine allgemeine Obergrenze für die nicht-sicherheitsrelevanten Ausgaben. Ausgenommen bleiben also Programme, die neue Arbeitsplätze schaffen. Inwiefern aber der neue Sparkurs konkrete Massnahmen zum Abbau von Arbeitslosigkeit enthält, bleibt bis zur Stunde ungewiss.

Vertrauen: Gefangen im Markt

"Wir würden das Vertrauen der Märkte erschüttern, wenn wir Ben Bernanke als Fed-Chef im Amt nicht bestätigen würden", sagte Tim Geithner, der amerikanische Finanzminister, als ob das Vertrauen im Markt alles bestimmen würde, was wir zu tun und zu lassen haben. Die „Tyrannei des Marktes“, nennt es Paul Krugman. Wenn jemand uns sagt, was wir tun müssen, nicht weil es wert oder richtig ist, sondern weil wir sonst Schaden einrichten würden. Das kann doch nicht sein. Abgesehen davon: Niemand weiss, wie der Markt reagieren würde. Bemerkenswert ist, dass auch Prof. Joseph Stiglitz neulich zudem Thema einwendend Stellung nahm. In einem Interview mit HuffPost sagte er, dass unsere Antwort auf die Krise zum Teil auf einer grundsätzlich mangelhaften Theorie (er meint die „efficient-marktes hypothesis“) beruhte.

Die Theorie sagte, dass wir es mit einem psychologischen Problem zu tun hatten und dass die Wirtschaft auf den richtigen Pfad zurückkehren würde, wenn wir das Vertrauen im Markt wiederherstellen würden. „Natürlich hatten wir ein psychologisches Problem: Die Spekulationsblase“, erklärt Stiglitz. „Wir sind jetzt aber zurück in der Realität“, fügt Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften hinzu. Die klassische Wirtschaftstheorie geht davon aus, dass Vertrauen auf rationalen Erwägungen beruht. Der Mensch treffe Entscheidungen, indem er im Vorfeld alle Informationen rational verarbeite. Vertrauen ist aber mehr als das, wie Keynes mit dem Terminus „Animal Spritis“ überzeugend beschrieben hat. Entscheidungen werden getroffen, weil sie sich richtig „anfühlen“, erklärt Robert Shiller. Es ist daher ein vorgeschobenes Argument, zu behaupten, dass die Ankündigung der „Volcker-Regel“ die Aktienmärkte weltweit auf Talfahrt geschickt hat. Die Aktien sind derzeit nicht günstig. Die Berichtssaison zeigt, dass die Finanzkrise immer noch tiefe Spuren in den Zahlen von Unternehmen hinterlässt. Unklar ist ferner, woher die Gewinne stammen: aus Umsatzanstieg oder aus Kostensenkungen. Es bestehen daher noch grosse Unsicherheiten, weil ein grosser Teil der Wachstumsimpulse durch die diversen Konjunkturprogramme der Staaten getrieben wurde. Offen ist aber, wann sich daraus ein nachhaltiges Wachstum wird herleiten lassen. Wenn die Wirtschaft moderat wächst, müssen Unternehmensgewinne sehr stark zulegen, um die aktuellen Aktienpreise zu rechtfertigen.

Grossbritannien: BIP wächst um 0,1% im IV. Quartal 2009

Die britische Wirtschaft entkommt der Rezession. Nach sechs Quartalen von Minus-Wachstum in Folge legte das BIP im IV. Quartal 2009 um 0,1% zu. Erwartet worden war ein Wirtschaftswachstum von 0,4%. Die Zahlen für das III. Q. 2009 wurden nicht revidiert, sondern bestätigt: Es bleibt bei Minus 0,2%. Es handelt sich bei den heute vorgelegten Daten um den ersten Anstieg der Wirtschaftsleistung seit dem I. Q. 2009 auf Quartalsbasis. Nach Angaben des britischen Office for National Statistics ist das BIP für das Gesamtjahr 2009 um 4,8% eingebrochen. Das entspricht dem stärksten Rückgang seit 1949. Der Anstieg der Wirtschaftsleistung im IV. Q. 2009 ist auf das Wachstum im Dientsleistungssektor und Produktion zurückzuführen. Am meisten haben Vertrieb, Hotels und Restaurants dazu beigetragen.



UK output increases by 0,1%, Graph: Office of National Statistics

Das britische Schatzamt hat mitgeteilt, dass die aktuellen Zahlen belegen, dass die Regierung zu Recht zuversichtlich sei, aber über die Wirtschaft dennoch vorsichtig bleibe. Die Wirtschaft werde weiter unterstützt, so das britische Schatzamt.

In einer ersten Reaktion auf die BIP-Zahlen kam es am britischen Anleihemarkt zu einer Rally. Das britische Pfund (Sterling) liess gegenüber dem US-Dollar (0,6196 $/GBP) etwas nach.

Montag, 25. Januar 2010

Griechenland: Neue Staatsanleihe mit verlockender Rendite

Es ist dem hochverschuldeten Griechenland heute gelungen, eine 5-jährige Anleihe (Laufzeit bis August 2015) zu platzieren. Die Verzinsung (350 Basispunkte über MidSwaps) entspricht ca. 6,2% im Jahr. Die Emission im Volumen von 8 Mrd. € war mehrfach überzeichnet. Über mehrere Hundert institutionelle Anleger gaben Gebote in Höhe von rund 25 Mrd. € ab. Darauf hin kam es im Markt zu Erleichterung. Die Angst vor einer Staatspleite Griechenlands legte sich etwas. Europäische, aber v.a. griechische Banken werden sich jetzt vor Freude die Hände reiben. Denn sie können bei der EZB zu 1,0% Geld ausleihen, um es in neue griechische Staatsanleihen mit einer Verzinsung von 6,2% anzulegen. Die Differenz streichen sie als Gewinn ein. Die Frage, die sich die Banken dabei stellen (müssen), lautet, wie gross das Risiko ist, dass Griechenland in den nächsten 5 Jahren ausfällt („default“)?


Greek spreads over German, Graph: Bloomberg.com

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf griechische Staatsanleihen sind von 350 Basispunkten in der vergangenen Woche auf 329 Basispunkte gesunken. Es handelt sich dabei um die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte. Das heisst, dass Investoren 3,29% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 329’000 Euro zu zahlen, um griechische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern. Es gibt aber eine zweite Möglichkeit, sich abzusichern. Die Banken könnten die langjährigen Staatsanleihen Griechenlands „shorten“ (leer verkaufen). Das heisst, long für 5-jährige, short für 10-jährige Staatspapiere. Mühselig ist dabei, zu wiederholen, dass die Volkswirtschaftslehre (v.a. „the efficient-markets hypothesis“) eine Mitschuld an der Finanzkrise trägt, wie Prof. Joseph Stiglitz hervorhebt. Das neoklassische Wirtschaftsmodell hat nämlich nicht nur die intellektuelle Basis für den dogmatischen Deregulierungsprozess gelegt, sondern auch dafür gesorgt, dass die sog. systemrelevanten Banken über eine faktische Staatsgarantie verfügen. Wovor sollen also Banken Angst haben, griechische Staatsanleihen zu kaufen? Denn sie können mit Vertrauen darauf ("moral hazard"), vom Staat gerettet zu werden ("bailout"), weiterhin riskante Wetten abschliessen. Damit wäre eigentlich eine Tragödie dem Theater der griechischen Antike nach perfekt. Der teleologischen Auslegung des Wortes „Tragödie“ zufolge wird Griechenland in der Tat „schuldlos schuldig“. Denn es sind die grossen Volkswirtschaften, die mit ihrer Lohn- und Währungspolitik Länder zur Finanz- und Wirtschaftskrise erheblich beigetragen haben.

Israelische Notenbank (BoI) belässt Leitzins unverändert bei 1,25%

Die Bank of Israel (BoI) hat auf ihrer Sitzung am heutigen Nachmittag den Leitzins bei 1,25% unverändert belassen. In der Begründung heisst es, dass der Zinsentscheid Teil des schrittweisen Prozesses der Normalisierung ist. Die Inflation soll dabei in den Zielbereich zurückgeführt werden, und zur weiteren Erholung der Wirtschaft beitragen, so die BoI in der Pressemitteilung. Der Verlauf des Zinssatzes werde in Übereinstimmung mit dem Inflationsumfeld, dem Grad der Festigkeit des Wirtschaftswachstums sowohl in Israel als auch weltweit und dem Satz, um den die Zinsen in den Industrieländern erhöht werden, bestimmt.


BoI Base Rate, Graph: Bloomberg.com

Der Konsumentenpreis-Index (CPI) fiel im Dezember (unverändert) überraschend niedrig aus, teilte die BoI mit. Die grösste Überraschung bilde der Rückgang der eigengenutzten Wohnraum-Komponente (minus 0,8%). 2009 lag die Inflation bei 3,9%. Die Prognose lautet, dass die Inflation im ersten Quartal 2010 zum Teil angesichts der Schekel-Aufwertung gering ausfallen dürfte. Die Inflationserwartungen belaufen sich auf 2,7% (aus Sicht der Kapitalmärkte) und 2,3% (aus Sicht der Analystenerwartungen). In beiden Fällen liegt die Teuerungsrate innert Zielband der BoI. Die jüngste Wirtschaftsaktivität entwickle sich weiter positiv, so die Einschätzung der israelischen Währungshüter. Vor diesem Hintergrund hat die BoI ihre Wachstumsprognose (BIP) für 2010 nach oben revidiert: von 2,5% auf 3,5%.

CDS-Prämien für israelische Staatsanleihen

Die Risikoprämien der CDS auf Staatsanleihen Israels sind in diesem Monat um 4 Basispunkte auf 1,24% gesunken. Es handelt sich dabei um die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte. Das heisst, dass Investoren 1,24% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 124’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.

Bernanke-Dilemma: Should I stay or should I go?

Die US-Notenbank (Fed) hat bei der Rettung der Grossbanken und der Boni-Banker zweifelsohne eine entscheidende Rolle gespielt. Während die hochbezahlten Wall Street-Leute staatlich gestützt wurden, wurde die Mittelschicht ihrem Schicksal überlassen. Die Arbeitslosigkeit kletterte über 10%. Der wachsende Zorn der Öffentlichkeit ist daher verständlich. Nach der jüngsten Wahlniederlage der Demokraten in Massachusetts haben die Senatoren begonnen, die Bestätigung von Ben Bernanke an der Spitze der Fed in Frage zu stellen. Simon Johnson hat kürzlich Paul Krugman als Fed-Chef vorgeschlagen. Krugman bezeichnet jedoch die Idee in seinem Blog als „wahnsinnig“. Heute schreibt er in seiner Kolumne in NYT, dass er Bernanke’s Arbeit bewundere, sowohl seine Expertise als Ökonom als auch seine Reaktion auf die Finanzkrise. Krugman lässt die Gelegenheit nicht aus, darauf hinzuweisen, dass er von Bernanke an die Universität Princeton geholt worden ist, bevor dieser zum Fed-Chef ernannt wurde.

Krugman ist für die Bestätigung der zweiten Amtszeit von Bernanke. Aber nur aus einem praktischen Grund, weil die Zurückweisung die Arbeit von Fed verschlimmern würde, anstatt zu verbessern. Bernanke sei ein hervorragender Forschungs-Ökonom. Vom Frühjahr 2008 bis Frühjahr 2009 habe sein wissenschaftliches Know-how und seine politische Rolle hervorragend zusammengespasst, um mit unorthodoxen Mitteln das Aufkommen einer zweiten Grossen Depression zu unterbinden. Das sei aber nicht die ganze Geschichte. Vor der Krise sei Bernanke ein herkömmlicher Mainsstream-Fed-Mitarbeiter gewesen, indem er die Selbsgefälligkeit der Fed voll mitgetragen habe. Noch schlimmer: Nach dem Ausbruch der Krise sei Bernanke wieder in Richtung Mainstream-Ökonomie abgerutscht. Krugman bedauert sehr, dass Bernanke die Selbstgefälligkeit der Fed vollkommen teile. Zwei Themen bieten sich da als Ansatzpunkt: Finanzreform und Arbeitslosigkeit. Bernanke ist gegen die Errichtung einer Konsumentenschutz-Agentur. Was beabsichtigt aber der Fed-Chef zu tun, um neue Arbeitsplätze zu schaffen? Nichts, schreibt Krugman. Bernanke habe nichts unternommen, was den Abbau von Arbeitslosigkeit betrifft. Er tue so, als ob der Auftrag nach der Rettung der Grossbanken bereits erledigt wäre. Was ist aber geschehen? Bernanke habe angefangen, die Welt durch die Augen der Banken zu betrachten, so wie Tim Geithner, der Finanzminister und Larry Summers, Obama’s Top-Ökonom. Es gibt Krugman’s Einschätzung nach andere Leute mit intellektuellem Gewicht und Köpfchen, wie z.B. Alan Blinder (ehem. Fed Vize-Präsident) und Janet Yellen (Fed San Francisco), die als Fed-Chef in Frage kämen. Jede gute Alternative für diese Position würde laut Krugman zu einem Bluterguss-Kampf im Senat führen. Die Wahl einer schlechten Alternative hätte aber verheerende Folgen für die Wirtschaft. Bernanke ist zwar über die Arbeitslosigkeit weniger besorgt als über die Inflation. Seine Kollegen sind aber noch schlimmer über die Inflation besorgt. Ihn durch jemanden zu ersetzen, der weniger etabliert ist, würde daher die Hand der Inflationsfalken stärken. Und das würde viel mehr Schaden einrichten, was die Beschaffung von neuen Arbeitspläten betrifft, so Krugman schlussfolgernd.

Sonntag, 24. Januar 2010

Volcker-Regel vs. Glass-Steagall-Gesetz

Der US-Präsident Barack Obama hat diese Woche mit einem drastischen Kurswechsel für eine allgemeine Überraschung gesorgt. Der neue Vorschlag, riskanten Handelsmodellen (v.a. das Zocken mit fremdem Geld) der Grossbanken einen Riegel vorzuschieben, erinnert an das Glass-Stegall-Gesetz von 1933. Der Glass-Stegall-Act, der für strikte Trennung der Banken in Geschäftsbanken (Einlagen- und Kreditgeschäft) und in Investmentbanken (Kapitalmarktgeschäften) sorgte, brachte ohne Zweifel ein halbes Jahrhundert Stabilität. Der Anlass für die Verabschiedung des Glass-Steagall-Gesetzes war die schwere Wirtschaftskrise nach dem Börsen-Crash von 1929. Die Trennung im Bankensystem wurde aber im Zuge der Deregulierung der amerikanischen Finanzmärkte 1999 aufgehoben. Nun verspricht Obama, dass nie wieder Amerikas Steuerzahler von einer Bank als Geiseln genommen werden, die zu gross zum Scheitern (TBTF) sind.

Paul Volcker will nicht mehr zulassen, dass eine Bank grösser wird als ihr volkswirtschaftlicher Nutzen. „Der Kern meines Arguments ist, wen wir retten werden und wen wir nicht retten werden“, so Volcker. Und er fügt hinzu: „Ich will nicht retten, was nicht im Mittelpunkt der Geschäftsbanken ist“. Geschäftsbanken („commercial banking“) verfügen bekanntlich über Privilegien wie Stütze durch die Einlagensicherung (FDIC) und Zugang zu günstigen Krediten der Zentralbank (Fed), was auch eine faktische Staatsgarantie („bailout“) nicht ausschliesst. Volcker will also Kundengeschäft und Eigenhandel voneinander trennen. Grund ist die übermässige Geschäftspraxis, die vorwiegend nicht nur unproduktiv ist, sondern im Falle eines Ausfalls hohe volkswirtschaftliche Schäden für die Allgemeinheit auslöst. Da das Konzept von Paul Volcker, dem legendären Fed-Chef der 1980er Jahre angestossen worden ist, trägt es seinen Namen, wie von Präsident Obama bestätigt wurde: Volcker-Regel. Die harte Vorgehensweise gegen die Grossbanken ist angesichts des enormen Grads der Finanzmacht-Konzentration zu begrüssen. Weil sonst eine akute Gefahr besteht, dass die Finanzmacht die politische Macht übernimmt und die Demokratie untergräbt.

Samstag, 23. Januar 2010

Ben Bernanke: Zweite Amtszeit des Fed-Chefs unklar

Bleibt Ben Bernanke an der Spitze der US-Notenbank (Fed) oder nicht? Nach der Wahlniederlage der Demokraten in Massachusetts wächst im US-Senat der Widerstand gegen den Fed-Chef. Warum? Die Rolle der Fed bei der Beilegung der Finanzkrise ist umstritten. Bernanke wird v.a. Nachlässigkeit gegenüber undurchsichtigen Finanzgeschäften der Grossbanken vorgeworfen. Simon Johnson erklärt es in The Baseline Scenario so: Bernanke sei ein Pilot, der eine wunderbare Landung abgezogen, aber seine „pre-flight“-Checks nicht gemacht habe. Und er zeige keine Anzeichen eines vorsichtigen Verhaltens in Zukunft. „Danke ihm, wenn du willst, aber warum sollte man mit ihm wieder fliegen?“, so Johnson, der ehem. Chefökonomen beim IWF. Die Unterstützung für Bernanke hängt an einem seidenen Faden. Das Weisse Haus erzählt zwar, dass in den Märkten ein Chaos drohen würde, falls Bernanke im Amt nicht bestätigt werden sollte. „Das stimmt nicht“, hält Johnson fest. Die Gefahr sei die Unsicherheit. Die Märkte befürchten ein längeres politisches Vakuum. Es gebe aber glücklicherweise eine Möglichkeit, so Johnson, dem entgegenzuhalten. Der Präsident soll Bernanke zurückziehen und Paul Krugman als Fed-Chef ernennen.

Paul Krugman ist in der Tat ein Experte für Geldpolitik, wie Johnson hervorhebt. Er hat das klassiche Papier über die Zahlungsbilanzkrisen geschrieben, wofür er den Nobelpreis hätte bekommen können, bemerkt Johnson. Krugman’s Arbeiten über Japan in den 1990er Jahren sind gut bekannt, was die Deflationsgefahr betrifft. Auch Krugman’s Einschätzungen im Hinblick auf die Reaktionen im Herbst 2008 sind aus geldpolitischer Sicht würdigungswert. Wäre Krugman eine populistische Wahl? Nein. Er wäre eine populäre Wahl, erklärt Johnson. Krugman ist der favorisierte Denker vieler Technokraten. Mit Krugman an der Spitze der Fed würde niemand die Unabhängigkeit der Fed in Frage stellen, bemerkt Johnson. Würden die Republikaner dagegen sein? Möglicherweise. Es käme im Senat bestimmt zu einem Streit. Die Idee, Paul Krugman als Fed-Chef zu sehen, ist sicherlich attraktiv. Ob aber Krugman mitmachen würde, bleibt offen.

Freitag, 22. Januar 2010

Volcker-Regel: Wie ein Hammer!

Präsident Barack Obamas Vorhaben, sowohl die Grösse der Banken als auch den Umfang besonders risikobehafteter Geschäfte zu begrenzen, stösst weltweit auf ein gewaltiges Echo. Die Idee für die Aufspaltung von Banken stammt von Paul Volcker, dem ehem. Fed-Chef, der seit der Amtsübernahme von Obama als Berater der Regierung („Economic Recovery Advisory Board“) agiert. So, was hält Paul Krugman von den neuen Vorschlägen? Er schreibt (Glass-Steagal, Part Deux), dass es (1) OK sei als Teil einer umfassenden Finanzreform und ein gutes Zeichen dafür, dass das Weisse Haus in Richtung Wall Street zu rumpeln beginnt. (2) Auch der Reform-Plan des Schatzamtes vom letzten Frühjahr habe ihm gut gefallen. Krugman betont aber, dass er die TBTF-Problematik nicht für das Herzstück „unserer finanziellen Probleme“ hält.

Er glaube auch nicht daran, dass eine scharfe Trennung zwischen schmalen Geschäftsbanken (die sich um Kundeneinlagen kümmern) und anderen Finanzakteuren (Investment Banking) ein Königsweg sei. Es sei denn, das Schattenbanken-System werde gezügelt. Die Finanzinstitute seien in der Lage, Dinge zu kreieren, die wie Einlagen aussehen und wirken, aber keine FDIC-Garantie beinhalten. Doch in einer Krise wird es starke Anreize geben, diese Institute wieder zu retten („bailout“). Dennoch muss man zugeben, so Krugman, dass das Wachstum des Schattenbanken-System zum Teil durch FDIC-gestützten Finanzinstituten („Players“), welche Kreditlinien angeboten haben und auf diese Weise ihre Schattenbanken-Arme verlängerten, angetrieben wurde. Die schiere Grösse von manchen Players habe die Behörden vor Schwierigkeiten gestellt, die Krise beizulegen. Kurzum: Im Zusammenhang mit einer breiteren Finanzreform könnten die neuen Vorschläge hilfreich sein, so Krugman.

Interview: Prof. James K. Galbraith, University of Texas at Austin

James K. Galbraith holds the Lloyd M. Bentsen, Jr. Chair of Government/Business Relations at the Lyndon B. Johnson School of Public Affairs, the University of Texas at Austin.


Is the proposal of the President to limit big banks heading in the right direction? What is your take on it?

Yes. It’s in the right direction, and it establishes some important points of principle. It does not go far enough, or make effective use of regulatory powers that the government already has.

How would you rate the chances of the new proposals for legislation by Congress?

I’m a poor judge but I would expect this legislation would have powerful popular backing.


What is the state of macro economic risk today? Does US-Economy need a second round of fiscal stimulus?

Yes, but it’s not so much a question of “stimulus” – a word with short-term connotations – as of taking necessary steps to stabilize incomes and state and local budgets, to restore employment, to resolve housing debts, and to set a new strategic direction for public and private investment. I see this as having medium-and long-term components not captured by the hit-and-run notion of “stimulus.”

Thank you very much.


James K. Galbraith holds the Lloyd M. Bentsen, Jr. Chair of Government/Business Relations at the Lyndon B. Johnson School of Public Affairs, the University of Texas at Austin. He is a Senior Scholar with the Levy Economic Institute, and Chair of the Board of Economist for Peace and Security, an international association of professional economist. Galbraith is the author of several books.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Banken und Kartellrecht-Aufklärung

Simon Johnson macht sich in einem lesenswerten Essay in NYT Gedanken über die Chancen der gesetzlichen Verankerung der neuen Vorschläge des US-Präsidenten („Volcker-Regel“). Johnson hält es für unwahrscheinlich, dass die neue Regelung den Senat passiert. Er rechnet mit Widerstand der Republikanischen Partei. Zum Glück gibt es aber eine Alternative, schreibt er. Anstatt mit der TBTF-Problematik in die Offensive zu gehen, könnte die US-Regierung im Hinblick auf die grössten Banken eine oder mehrere schwere Antitrust-Ermittlungen starten. Das sei eine sinnvolle Idee, die längst überfällig sei. Es gebe bestimmte Elemente des Oligopols in Grossmärkten, was z.B. Underwriting von Neuemissionen, Fusionen und Akquisitionen, sowohl in den USA als auch auf der ganzen Welt betrifft. Das sei ein Teil der Erklärung für die sehr hohen Gewinne der Grossbanken in den vergangenen zehn Jahren.

Die Frage ist komplex. Aber angesichts der Gewichtung des Bankensektors (7 bis 8%) an der gesamten Wirtschaftsleistung und in der Art und Weise, wie die konzentrierten Kreditmärkte die Weltwirtschaft auf und ab bewegen und destabilisieren, ist es notwendig, dass das Justizministerium mit Untersuchungen beginnt, um festzustellen, was die Grossbanken bisher getan haben, bemerkt Wirtschaftsprofessor an der MIT’s Sloan School of Management. Johnson, der ehem. Chefökonom beim IWF warnt zugleich davor, auf eine Situation a là Europa zuzusteuern, wo Banken so gross sind die Wirtschaft. Mit dem Hinweis auf Royal Bank of Scotland bemerkt Johnson, dass das keine gute Zielrichtung ist.

Volcker-Regel: Eigenhandel-Beschränkung

Der US-Präsident Barack Obama hat heute Nachmittag in Anwesenheit von Paul Volcker, dem ehem. Fed-Chef, Bill Donaldson, dem ehem. SEC-Chef, Barney Frank, dem Vorsitzenden des „House Financial Services“ und Chris Dodd, dem Vorsitzenden des „Banking Committee“ neue Beschränkungen für die Grösse und Reichweite von Banken und anderen Finanzinstituten gefordert, um übermässige Risikobereitschaft zu zügeln und Steuerzahler zu schützen, so beginnt die Pressemitteilung des Weissen Hauses. Der Vorschlag des Präsidenten werde die umfassende Finanzreform, die bereits durch den Kongress in Bewegung gekommen ist, stärken, heisst es weiter in der Pressemitteilung, die grundsätzlich zwei Aspekte hervorhebt:

(1) Beschränkung der Reichweite: Der Präsident und sein Wirtschaftsteam wollen mit dem Kongress zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass keine Bank oder Finanzinstitute einen Hedge Fonds besitzt, in einen Hedge Fonds investiert oder einen Hedge Fonds oder Private Equity Fonds sponsort oder Eigenhandel im eigenen Auftrag (nicht im Dienst von Kunden) betreibt.

(2) Beschränkung der Grösse: Der Präsident kündigt ausserdem einen neuen Vorschlag zur Begrenzung der Konsolidierung des Finanzsektors an. Der Vorschlag des Präsidenten basiert auf breiten Grenzwerten im Hinblick auf das übermässige Wachstum des Marktanteils der Verbindlichkeiten bei den grössten Finanzunternehmen, um bestehende Obergrenzen für den Marktanteil von Einlagen zu ergänzen.

Aus dem Wortlaut geht hervor, dass Eigenhandel nicht generell verboten wird, sondern im Auftrag/Interesse von Kunden erlaubt sein dürfte. Auf eine Rückkehr zum Glass-Steagall-Act, der im Jahre 1933 die Trennung von Investment- und Geschäftsbanken eingeführt hatte, aber 1999 wieder abgeschafft wurde, scheint der neue Vorschlag aber nicht abzuzielen. Eine Beschränkung des Verschuldungsgrads der Banken ist conditio sine qua non. Weil systemisches Risiko gerade aus einer exzessiven Risikobereitschaft hervorgeht. Bisher war es ja klar, dass nur Boni-Banker sich einen schwachen Staat leisten können. Endlich beginnt der Präsident, aufzuräumen, und zwar an der Stelle, wo der Schaden für die gesamte Volkswirtschaft am grössten anfällt, wenn eine grosse Bank die schweren Folgen ihrer unproduktiven Geschäfte nicht selber tragen kann.

SNB: Notenbankgeldmenge im Dezember 2009

Die Entwicklung der Notenbankgeldmenge in der Schweiz zeigt im Dezember einen Rückgang:

2007: 44’198
2008: 49’562
2009: 99’087
2009 (Dez.): 89’156
2009 (Nov.): 89’351
2009 (Okt.): 91’881
2009 (Sept.): 94’305
(Werte in Millionen Franken)

Die Notenbankgeldmenge setzt sich zusammen aus: Währungsreserven + Wertschriften + Devisenswaps + Geldmarktgeschäfte - Sonstiges.


Notenbankgeldmenge, Dez. 2009 (Entstehung), Graph: SNB, Jan 21, 2010

Währungsreserven beinhalten Gold und Forderungen aus Goldgeschäften + Devisenanlagen (ohne Devisen-Swaps) + Reservepositionen beim IWF + internationale Zahlungsmittel + Währungskredite.

Geldmarktgeschäfte umfassen Forderungen aus Repo-Geschäften in CHF + inländische Geldmarktforderungen + Lombardvorschüsse.

Sonstiges bedeutet Saldo der verbleibenden Bilanzpositionen (ab April 1998 inkl. Girokonten ausländischer Banken und Institutionen).

Auf der Seite der Verwendung sieht die Entwicklung so aus:
(Werte in Millionen Franken)


Notenbankgeldmenge Dez. 2009 (Verwendung), Graph: SNB, Jan. 21, 2010

Notenumlauf:
2007: 38’943
2008: 41’306
2009: 45’346
2009 (Dez.): 47’762
2009 (Nov.): 45’113
2009 (Okt.): 44’727
2009 (Sept.): 44’397

Girokonten inländischer Banken:
2007: 5’255
2008: 8’256
2009: 53’741
2009 (Dez.): 41’394
2009 (Nov.): 44’238
2009 (Okt.): 47’154
2009 (Sept.): 49’908

Notenumlauf + Girokonten inländischer Banken = Notenbankgeldmenge
47'762 + 41’394 = 89’156

Bankenregulierung: Wird Eigenhandel von Banken eingeschränkt?

US-Präsident Barack Obama will weitere Auflagen für US-Banken anregen, was v.a. die Grösse und die Risikobereitschaft von grossen Finanzinstituten betrifft, wie FT aus London heute berichtet. Obama dürfte den Vorschlag heute nach einem Treffen mit Paul Volcker, dem ehem. Fed-Chef, offiziell ankündigen. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Idee von Volcker, der mit einer Obergrenze den Eigenhandel („proprietary trading“) der Banken wirksam regulieren will. Das wäre ein wichtiger Kurswechsel, der zwar noch nicht abgeschlossen ist, aber sicherlich einen wichtigen Sieg für Volcker bedeuten würde, schreibt Simon Johnson in The Baseline Scenario. Die Ankündigung sollte laut Johnson auf drei Aspekte überprüft werden:

(1) Ob der Präsident eine klare Aussage darüber machen wird, warum wir Grenzwerte für Banken brauchen? Denn die Regierung hat bisher nie überzeugend dargelegt, was die Finanzkrise verursacht hat. Die TBTF-Problematik, die durch die von der Reagan-Administration angetriebene Deregulierungspolitik ausgelöst wurde, muss direkt angegangen werden. Und es muss betont werden, wie sich die Probleme unter Bush-Regierung verschlimmert haben. (2) Worauf genau beziehen sich die Obergrenzen? Auf die Aktiva oder den Eigenhandel der Banken? (3) Gibt es konkrete Vorschläge an den US-Kongress? Die Hauptfrage sei, ob das Weisse Haus den Mut habe, seiner Überzeugung nach in dieser Hinsicht den Kampf gegen die Banken aufzunehmen, bemerkt Johnson. Denn wenn das Weisse Haus halbherzig und unvorbereitet in die Offensive geht, ohne also das zugrunde liegende Problem genau zu verstehen, wird es scheitern, warnt Johnson.

Beim Eigenhandel handelt es sich um diejenigen Geschäfte, welche die Banken aus eigenem Interesse vorantreiben, also nicht im Auftrag eines Kunden. Da für den Eigenhandel keine Eigenkapital-Vorschriften vorgeschrieben sind, stellt die Sparte die riskantesten Geschäfte der Banken dar. Die Händler dürften dabei austoben, wie sie wollen. Schliesslich hängen Millionen-Boni nicht in erster Linie von der Performance, sondern vom Volumen des Eigenhandels ab.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Inflation: Reine Panikmache

Die Geldmengentheorie („Quantity Theory of Money“) besagt, dass das allgemeine Preisniveau proportional zum Anstieg der Geldmenge steigt. Wenn die Geldmenge wie im Vorjahr weltweit um 5% zugenommen hat, würden die Preise weltweit nach einer gewissen Zeit („time lag“) um 5% steigen. Allerdings lehrt Keynes, dass die Geldmengentheorie nur bei Vollbeschäftigung gilt. „Gibt es in einer Wirtschaft ungenutzte Kapazitäten, wird ein Teil des Anstiegs der Geldmenge für die Steigerung der Produktion und nicht für den Kauf produzierter Güter ausgegeben“, beschreibt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Essay in Project Syndicate. Mit „Geldmenge“ wird i.d.R. „M3“ gemeint. Das ist eine umfassende Masseinheit, zu der auch Einlagen der Banken gehören. Skidelsky verweist auf die Daten aus Europa und den USA, wonach M3 trotz aussergewöhnlich niedriger Zinsen und lockerer Geldpolitik 2009 gesunken ist.

„Worauf es ankommt ist nicht das Drucken von Geld, sondern es auszugeben. Erst wenn man Geld ausgibt, wird daraus mehr als ein Bündel nutzloses Papier“, so Skidelsky. Wird das Geld in Bankreserven oder auf Sparkonten gehortet, kommt es zu keinem Anstieg der Geldmenge, erklärt der emeritierte Professor für politische Ökonomie an der Warwick University. Deswegen deuten die offiziellen Daten trotz geld- und konjunkturpolitischen Programme auf extrem niedrige Inflationsraten hin. Das sei jedoch zugleich eine Warnung. Bleibt die Inflation bei einer nun viel höheren Arbeitslosigkeit niedrig, wird es in den nächsten fünf Jahren wenig wirtschaftliche Erholung geben, hält Skidelsky fest. „Die Tatsache, dass es keine Belege für höhere Preise gibt, bedeutet, dass es auch keine echten Beweise für eine wirtschaftliche Erholung gibt“, hebt Skidelsky, Mitglied des British House of Lords hervor. Über die Gefahren der Inflation zu sprechen ist Panikmache, schlussfolgert Skidelsky.

Dienstag, 19. Januar 2010

US-Staatsanleihen: Nachfrage und China's Rolle

Das US-Schatzamt dürfte 2010 zur Finanzierung der Staatsverschuldung einer aktuellen Schätzung von Morgan Stanley rund 2'400 Mrd. $ aufnehmen. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der Neuausgabe an US-Staatsanleihen um 583 Mrd. $. 2009 war, was das Angebot an UST betrifft, ein Rekordjahr. Die Papiere stiessen aber auf eine rege Nachfrage. Per Ende 2009 belief sich der Bestand der ausländischen Investoren auf 55% der ausstehenden T-Bills, US-Treasuries und TIPS. In den vergangenen drei Jahren hat sich die ausländische Nachfrage laut Igor Cashyn (Morgan Stanley) von 143 Mrd. $ auf 794 Mrd. $ erhöht. Als Prozentsatz des Gesamtvolumens der Emissionen in einem bestimmten Jahr ging aber die ausländische Nachfrage von 76% im Jahre 2008 auf 46% im Jahre 2009 zurück, so Cashyn. Die ausländische Nachfrage nach T-Bills lag im Vorjahr höher als die nach US-Treasuries.


China’s UST Purchases, Graph: Courtesy of Igor Cashyn, Morgan Stanley

Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass die Unelastizität der ausländischen Nachfrage, wie Cashyn betont, mit der Höhe des Handels zusammenhängt. Geht das amerikanische Leistungsbilanzdefizit zurück und Amerikaner beginnen, mehr zu sparen, dann sinkt das Angebot an US-Dollar gegenüber dem Rest der Welt. Diese Korrelation lässt sich anhand des chinesischen Bestandes an US-Staatspapieren veranschaulichen. Steigen die Devisenreserven Pekings, steigt auch der Bestand an UST des Landes an. Beim Anstieg der Renditen am Anleihenmarkt handelt es sich um einen Normalisierungsprozess. Angesichts einer kaum vorhandenen Inflationsgefahr und der hohen Arbeitslosigkeit dürften die Leitzinsen noch eine lange Zeit auf niedrigem Niveau verharren.

Contingent Capital: Neue Version – Regulatory Hybrid Securities

Robert Shiller will der Instabilität im Bankensystem mit einer kreativen Anwendung der Finanztheorie entgegenhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Finanztechnologie verbessert werden, schreibt Prof. Shiller in einem Essay in Project Syndicate. Eine schwere Finanzkrise führt bekanntlich unmittelbar zu einem Kapitalengpass. Die Banken haben dabei grosse Mühe, Kapital aufzubringen. Die damit zusammenhängende restriktive Kreditvergabe löst eine Abwärtsspirale aus. Eine Gruppe von Wissenschaftlern, die sich „Squam Lake Working Group“ bezeichnet, habe laut Shiller einen technischen Vorschlag zur Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise unterbreitet. Die Gruppe bezeichnet ihre Version von Contingent Capital als „regulatory hybrid securities“ (regulatorische Hybrid-Wertpapiere). Die Idee ist einfach, erklärt Shiller: „Auf Banken soll Druck ausgeübt werden, eine neue Art von Fremdkapital aufzunehmen, das sich automatisch in Eigenkapital verwandelt, sobald die Regulierungsbehörden das Vorliegen einer systemischen nationalen Finanzkrise feststellen“.

In normalen Zeiten geniessen regulatorische Hybrid-Papiere alle Vorteile von Fremdkapital, erläutert Shiller. In schlechten Zeiten aber erhöht sich das Bankkapital duch die Umwandlung von Fremd- zu Eigenkapital automatisch, so Professor für Wirtschaft an der Yale University. In dem Vorschlag wird auch die spezielle Rolle des Staats definiert. Vor allem, wenn es darum geht, die Ausgabe von Hybrid-Wertschriften durch die Banken zu fördern. Es muss irgendeine Art von Strafe vorgesehen werden, hält Shiller fest, damit die Banken diese Papiere ausgeben. Regulatorische Hybrid-Papiere würden nämlich die Kapitalkosten für Banken erhöhen. Shiller ist von der Idee begeistert. Er ist schliesslich bekannt für seinen Hang für Finanzinnovationen. Die Frage ist nur, (a) wie der Druck auf Banken zur Ausgabe von Hybrid-Papieren ausgeübt werden kann und mit welchen Mitteln? (b) Die Regulierungsbehörden sind dabei vollkommen überfordert, überhaupt festzustellen, wann eine Spekulationsblase vorliegt, geschweige denn eine systemische Finanzkrise (c) der Vorschlag zielt an der Kernproblematik vorbei.

Wenn es einen gemeinsamen Grundstein für die Krisen (Schulden-, Banken-, Währungskrise usw.) gibt, dann ist dieser eine exzessive Schuldenanhäufung, unabhängig davon, ob von Staaten, Banken, Unternehmen oder Konsumenten, wie Reinhart und Rogoff in ihrem hervorragenden Buch „This Time is Different“ überzeugend aufzeigen. Wo also massiv dereguliert wird, entstehen mittels übermässige Schuldenaufnahme Spekulationsblasen und das führt zu Finanzkrisen. Der Vorschlag der „Squam Lake Working Group“ ist daher nicht mehr als eine Augenwischerei: Eine Art intellektuelles Sandkastenspiel.

Weitere Einträge zum Thema Contingent Capital („Eventualkapital") in diesem Blog: Hier, hier, hier und hier.

Warum stockt Finanzmarkt-Reform?

Phil Angelides, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses (FCIC) nagelte während der Anhörung im US-Kongress vergangene Woche Llyod Blankfein, Goldman Sachs-Chef mit einem Metapher: „Die Wall Street verkauft in der Tat Autos mit defekten Bremsen und schliesst darauf eine Versicherung für die Käufer“. Blankfein antwortete darauf, dass er nicht denke, dass dieses Verhalten falsch sei. Peter Boone und Simon Johnson vergleichen in einem lesenswerten Essay in FT den gegenwärtigen Stand der Debatte um die Finanzreform mit den letzten Jahren des Niedergangs des Kommunismus. Sowjetische Bürokraten argumentierten damals vergeblich zugungsten von kleinen Gesetzesänderungen, um die Schlupflöcher für Spekulanten auf einen Schlag zu schliessen, in der Hoffnung, das unproduktive System mit unveränderten Anreizen zu behalten. Die USA, Grossbritannien und andere wichtige europäische Länder machen heute die gleichen Fehler. Anstatt die gefährlichen Mängel im Finanzsystem anzuerkennen, bieten politische Entscheidungsträger Verbände, welche im besten Fall eine andere, möglicherweise viel grössere Kernschmelze verschieben, halten Boone und Johnson fest.

Unser Finanzsystem führt einen „Doomsday“-Zyklus, schreiben die beiden Autoren. Scheitert es, setzen wir auf lockere Geld- und Fiskalpolitik, um es zu retten (bailout). Diese Reaktion lehrt die Finanzbranche eine einfache Lektion: Man müsse sich über Kosten keine Sorgen machen. Verspielt man sich gross, wird man belohnt. Denn die Kosten werden von (1) Steuerzahlern (fiscal bailout), (2) Sparern (Senkung der Zinsen auf Null) und (3) vielen Arbeitskräften (Verlust von Arbeitsplätzen) getragen. Das System stehe auf, um wieder zu spielen und dann wieder zu scheitern. Diese Zyklen haben sich seit den 1970er Jahren manifestiert und werden immer grösser, erklären die Wirtschaftswissenschaftler. Sie halten nicht viel von der geplanten Bank-Tax durch die Obama-Regierung. Die Logik dahinter sei äusserst mangelhaft. Warum sollten höhere Finanzierungskosten bedeuten, dass Banken weniger Gelder aufs Spiel setzen, wenn sie wissen, dass Tim Geithner darauf wartet, sie zu retten. Boone (London School of Economics) und Johnson (MIT’s Sloan School) plädieren (I) für eine deutliche Erhöhung der Kapitalanforderungen für Finanzinstitutionen mit Leverage, sodass Aktionäre die Hauptrolle spielen als Regulierer. Das bedeutet eine Verdreifachung der Eigenmittelanforderungen und eine Kernkapitalquote von mind. 20 bis 25%. (II) Beendigung der politischen Notwendigkeit, jede Finanzinstitution zu retten, die fehlschlägt. Auf diese Weise wird es einfacher, die Grösse der Banken zu beschränken, einschliesslich Goldman Sachs und Barclays, die gezwungen werden müssen, viel kleiner zu werden, so Boone und Johnson.

Staatsbankrott: Deregulierung-Verschuldung-Preisblasen

Staatsbankrott zählt zur Zeit zu den Top-Themen an den globalen Finanzmärkten. Die schwellenden Haushaltsdefizite und erhöhte Schuldenaufnahme befeuern Besorgnisse über Länderrisiko in vielen Industrieländern, schreibt Nouriel Roubini in einem Essay in Project Syndicate. Die Schwellenländer haben zum grossen Teil mit wenigen Ausnahmen in Zentral- und Osteuropa ihre Hausaufgaben gemacht: Durch Senkung der Defizite, Erzielung von hohen Primärüberschüssen, Verringerung der Schuldenquote, und Verkürzung der Laufzeitinkongruenzen ihrer öffentlichen Schulden. Die Gefahr eines Zahlungsausfalls eines Industriestaates ist aber heute grösser als die eines Staates in einer Emerging-Market-Wirtschaft, behauptet Roubini. Die Monetarisierung der Haushaltsdefizite bilde in den Industrieländern mittlerweile ein Muster, bemerkt Roubini, seit die Zentralbanken begonnen haben, die monetäre Basis durch massive Aufkäufe von kurz- und langfristigen Staatsanleihen anschwellen zu lassen.

Schliesslich dürfte die Monetarisierung der hohen Defizite zu einem fiskalpolitischen Zugunfall und/oder zu einem Anstieg von Inflationserwartungen führen, erklärt Roubini. Das würde dann einen starken Anstieg der Renditen von langfristigen Staatsanleihen auslösen und für eine bisher schwache Erholung der Wirtschaft sorgen. Ein Konjunkturprogramm ist eine heikle Angelegenheit, so Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business, New York University. Die politischen Entscheidungsträger sind verdammt, wenn sie es tun und sie sind verdammt, wenn sie es nicht tun. Wenn sie den Fiskalstimulus zu früh zurückfahren, indem sie Steuern erheben, Ausgaben kürzen und die überschüssige Liquidität absaugen, kann die Wirtschaft erneut in eine Rezession (double-dip recession) und Deflation abrutschen. Doch wenn die USA, die Schulden über Inflation abbauen wollten, dann würden sie einen regelrechten Zusammenbruch des US-Dollars erleben, warnt Roubini. Ausländische Gläubiger der USA würden nicht akzeptieren, dass sich der reale Wert ihrer Dollar-Anlagen drastisch verringert. Ein unordentlicher Ansturm auf Ausstieg könnte zu einem US-Dollar-Kollaps führen, langfristige Zinsen steigen lassen und eine schwere double-dip-Rezession auslösen, warnt Roubini.

Montag, 18. Januar 2010

SNB stellt Euro/CHF-Devisenswaps ein

Die SNB gab heute bekannt, dass sie Euro/CHF-Devisenswaps, mit denen Franken gegen Euro zur Verfügung gestellt wurden, einstellt. Gründe: (1) Die Nachfrage nach Liquidität ist rückläufig und (2) Die Bedingungen am Frankengeldmarkt haben sich verbessert. Laut SNB werde die letzte derartige Devisenswap-Operationen am 25. Januar 2010 durchgeführt.

Zur Erinnerung: Die SNB, die BoE, die EZB, die Fed und die BoJ hatten nach dem Ausbruch der Finanzkrise Swap-Vereinbarungen angekündigt. Das war ein Zeichen dafür, dass die Zentralbanken zusammenarbeiten, um den globalen Finanzmärkten Stabilität zu verleihen. Die Zentralbanken waren dadurch in der Lage, die Finanzinstitute jeweils in ihrem Hochheitsgebiet mit Liquidität in Fremdwährung zu versorgen.


$/CHF Exchange Rate (1Y), Graph: swissquote.ch

Exkurs: Die Swap-Vereinbarungen wurden zeitlich begrenzt gestaltet. Und die Zentralbanken trugen dabei kein Wechselkursrisiko, weil für die Rückbuchung derselbe Wechselkurs benutzt wird.

Der Schweizer Franken gilt im allgemeinen als Hort der Sicherheit. Deswegen suchen internationale Investoren im Sog der Finanzkrise besonders gern den Schweizer Franken. Andererseits hatten sich vor dem Ausbruch der Krise zahlreiche Unternehmen und Haushalte in Osteuropa (besonders in Ungarn, Tschechien und Polen) angesichts der niedrigen Zinsen in Schweizer Franken verschuldet. Nach der Zuspitzung der Finanzkrise sind die Investoren in dieser Region dazu übergegangen, eigene Währung gegen den Dollar und den Franken zu verkaufen, um die Schulden abzubauen. Die Mittel waren beschränkt. Da die EZB zu zögerlich gehandelt hatte und eindeutig hinter der Kurve stand, versuchte die SNB nach Kräften, durch Vereinbarung von FX-Swaps die Lage zu beruhigen. Nun werden diese Liquiditätsoperationen nicht mehr verlängert.