Dienstag, 29. Dezember 2009

US-Notenbank bietet eine neue Termineinlage-Fazilität

Die Fed hat gestern ein neues Programm („a term deposit facility“) vorgeschlagen: Es geht dabei um die Einrichtung von zinstragenden Einlagenkontos für Geschäftsbanken. Ziel ist, einen Teil der Überschussliquidität in Höhe von 1'000 Mrd. $ abzuschöpfen. Auf diese Weise soll Inflationsgefahr entgegengewirkt werden, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt. Das Vorhaben habe laut Fed keinen Einfluss auf den geldpolitischen Kurs in naher Zukunft.


Adjusted Monetary Base, Graph: Fed St. Louis, Dec. 2009

Die Fed will unter diesem Vorhaben verzinsliche Termineinlage für die Geschäftsbanken (wörtlich heisst es: „eligible institutions“. Dazu gehören auch die Filialen und Vertretungen von ausländischen Banken) durch Versteigerungsverfahren anbieten. Einlagenkonto sei eines der Instrumente, welche von der Fed eingesetzt werden könnte, um die Reserven zu absorbieren, damit die Wirksamkeit der Geldpolitik verstärkt werden kann, teilte die US-Notenbank mit. Die Termineinlagen können in verschiedenen Formen strukturiert werden. Beispielsweise kann das Einlagenkonto zu einer festen oder zu mehreren Laufzeiten angeboten werden. Die Verzinsung kann durch Auktionen, administrativ oder eine Formel festgelegt werden. Ein vorzeitiger Rücktritt aus den Termineinlagen ist nicht erlaubt.

Montag, 28. Dezember 2009

Aktien 1999-2009: Das schlimmste Jahrzehnt

Wenn man heute die vergangenen 10 Jahre Revue passieren lässt, stellt man fest, dass die Aktien das schlimmste Jahrzehnt seit zwei Jahrhunderten erlebt haben. Der S&P-500 Index hat von 1999 bis 2009 nominal 20% an Wert verloren. Grund: Realgewinne endeten das Jahrzehnt 80% niedriger als zu Beginn.

Hier sind ein paar anschauliche Abbildungen in Econbrowser.

Dazu ein weiterer Eintrag von Barry Ritholtz.

Bank of Israel verkündet Zinserhöhung auf 1,25 Prozent

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute den Leitzins (zum dritten Mal in diesem Jahr) um 0,25% auf 1,25% erhöht. Die Entscheidung, die Zinsen für Januar anzuheben, wurde im Hinblick auf die Inflation, die sich im oberen Bereich der Preisstabilität befindet, und vor dem Hintergrund des Wirtschaftswachstums, welches immer stärker werde (einschliesslich des Immobilienmarkts), getroffen worden, teilte die BoI heute mit. Doch selbst nach dieser Zinserhöhung bleibe die Geldpolitik expansiv, betont die BoI. Der Zinsanstieg sei ein Teil des schrittweise erfolgenden Prozesses der Rückkehr zur Normalisierung. Das geschehe im Einklang mit dem Grad der Festigkeit des Wachstums, sowohl global als auch in Israel, so die BoI.


Israel Benchmark Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Die Inflation betrug in den vergangenen 12 Monaten 3,8 Prozent. Die Inflationserwartungen (1 Jahr) liegen knapp unter der oberen Grenze des Zielbands und werden von den Erwartungen des weiteren Zinsanstiegs im nächsten Jahr begleitet. Die BoI verweist darauf, dass die jüngsten wirtschaftlichen Indikatoren zeigen, dass die Wirtschaft auf dem Weg aus der Rezession ist. Die israelischen Währungshüter rechnen damit, dass der Zinsanstieg sehr wahrscheinlich eine gewisse Wirkung auf den Wechselkurs des Schekels gegenüber anderen Währungen haben wird.

Das BIP kletterte in Israel im III. Quartal annualisiert um 2,2%. Der Aktien-Index TA-25 legte 2009 um 75% zu.


Israel TA-25 Index, Graph: Bloomberg.com

1999-2009: Ein wertloses Jahrzehnt

Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends hat nichts gebracht: Eine grosse Null, schreibt Paul Krugman heute in seiner Kolumne in NYT. „The Big Zero“: Es gab eine Reihe von nichts, gemessen am wirtschaftlichen Fortschritt und Erfolg, hält er fest. (1) Es war eine Null, was die Schaffung von Arbeitsplätzen betrifft, (2) Es war eine Null, was ökonomischen Nutzen für die typische Familie betrifft, (3) Es war eine Null, was Gewinne für Hausbesitzer betrifft und (4) Es war eine Null, was die Aktienbörsen betrifft. „Was wirklich beeindruckend über die vergangenen 10 Jahre war aber unsere fehlende Bereitschaft, als eine Nation, aus unseren Fehlern zu lernen“, bemerkt Krugman.

Kaum war die dot.com-Blase geplatzt, begannen leichtgläubige Banker und Investoren an einer neuen Blase (Immobilinemarkt) zu arbeiten, kritisiert Krugman. Die Republikaner: Ihre Politik der Steuersenkungen und der Deregulierung führte in eine wirtschaftliche Miesere. Ihr Rezept für die Erholung sei Steuersenkungen und Deregulierung. Die Demokraten: Sie sind selbst jetzt, einschliesslich Barack Obama, schwer zu bekommen für eine lauthalse Kritik an den Praktiken, die uns dieses Durcheinander beschwert haben, schlussfolgert Krugman. Wird das nächste Jahrzehnt besser sein? „Bleiben Sie daran und happy New Year“.

Fiskalstimulus 2010: Quo vadis?

Die Frage, die zum Jahresende viel Anlass für wirtschaftspolitische Diskussionen gibt, ist, ob man nun abwarten soll, bis die Konjunkturerholung sich bestätigt. Es gibt nämlich eine Menge Verwirrung über den Zeitpunkt der Auswirkungen der Konjunkturprogramme. Die US-Regierung hat bekanntlich Konjunkturmassnahmen (ARRA: American Recovery and Reinvestment Act, 2009) in Höhe von 787 Mrd. $ (ca. 7% des BIP) beschlossen, um die Produktion und die Beschäftigung anzukurbeln. Paul Krugman unternimmt in seinem Blog in NYT den Versuch, anhand eines einfachen Zahlenbeispiels darzulegen, wie die Erhöhung der Staatsausgaben die Konjunktur stimuliert. Er stützt seine Berechnung auf drei Kriterien. (a)Rate“: Die Summe der Ausgaben pro Quartal. (b)Change“: Veränderung der Ausgaben gegenüber dem Vorquartal. (c)Cumulative“: Die Gesamtausgaben bis heute. Dann stellt Krugman drei Fragen:

(1) Um wieviel Prozent würde das BIP in diesem Quartal ohne Stimulus höher liegen? Das hängt von der Rate ab, d.h. von der Menge an Waren und Dienstleistungen, welche vom Staat gekauft werden. (2) Wie viel schneller würde das BIP in diesem Quartal ohne Stimulus wachsen? Das hängt von der Veränderung ab, d.h. von dem Ausmass, um das der Staat mehr Dinge kauft als im Vorquartal. (3) Wie viel Stimulus-Gelder wurden bisher ausgegeben? Das hängt von der „Cumulativ“ ab, d.h. von dem Gesamtbetrag. Das Kriterium „Rate“ verfolgt einem inversen Verlauf in U-Form, erklärt Krugman. Das heisst, dass der Spitzeneffekt auf das BIP-Niveau auf dem Gipfel der Kurve erreicht wird. Der Spitzeneffekt auf das BIP-Wachstum hingegen kommt erst später, bevor die Kurve also flacher wird. Die Staatsausgaben werden demnach ihren Spitzenwert im II. Quartal 2010 erreichen. Aber der Spitzeneffekt auf das BIP-Wachstum erfolgte bereits im III. Quartal 2009. Das liegt also hinter uns. Wenn die Ausgaben zu Ende gehen, wird sich der Effekt auf das BIP-Wachstum ins Negative drehen, hält Krugman fest. Zur Veranschaulichung seiner Besorgnisse über die lauter werdenden Stimmen, die nach einem Schluss des Konjunkturprogramms fordern, verweist Krugman auf eine Abbildung in Econbrowser via Menzie Chinn. Prof. Chinn befasst sich auch mit den Auswirkungen des Konjunkturprogramms auf das BIP. „Selbst wenn der Stimulus (Antrieb durch das Fiskalpaket) vom Wachstum substrahiert wird, beginnend in der zweiten Jahreshälfte von 2010, liegt das BIP-Niveau höher als das, was der Fall ohne Stimulus wäre. Kritiker, die das Fiskalpaket ablehnen, sollten diesen Aspekt berücksichtigen“, schlussfolgert Chinn.

Fazit: Die Stimulusprogramme reichen nicht. Eine zweite Runde von Konjunkturpaketen ist nötig, um der Gefahr eines erneuten Verfalls in Rezession entgegenzuwirken.

Sonntag, 27. Dezember 2009

Robert Shiller plädiert für Verkauf von Anteilen am BIP

Unternehmen beschaffen sich Geld durch die Ausgabe von Fremd- und Eigenkapital. Aktien implizieren bekanntlich Gewinnbeteiligung in Zukunft. Der Staat soll auch so was tun, und sich nicht nur auf Schulden stützen, schlägt Robert Shiller in einem bemerkenswerten Essay in NYT von Sonntag vor. Angelehnt an das Konzept von Unternehmen könnte der Staat eine neue Art von einem Wertpapier verkaufen, welches zur Auszahlung von Anteilen am nationalen „Gewinn“ verpflichtet, wie dieser z.B. anhand von BIP gemessen wird. Solche Wertpapiere würden Zweifel ausräumen, dass der Staat das notwendige Deficit Spending aufrechterhalten kann, um die Konjunktur anzukurbeln und die Wirtschaft vor einer Rezessionsgefahr zu schützen. Shiller schlägt als Bezeichnung „Trills“ (Engl. Abkürzung von „Trillionths“, das Billionste) vor. Jedes „Trill“ würde ein Billionstel des BIP des Landes darstellen und auf Dauer und in inländischer Währung eine vierteljährliche Dividende in Höhe von einem Billionsten des viertieljährlichen nominalen BIP zahlen, erklärt Prof. Shiller von der Yale University.

Könnten sich dafür wesentliche Märkte einrichten lassen, würde „Trill“ eine wichtige Finanzierungsquelle für den Staat werden, so Shiller. Da Trills vom Staat ausgegeben werden, würden sie Vertrauen und allgemeine Akzeptanz geniessen. Beispielsweise würden in Kanada dieses Jahr 1,50 Kanada Dollar für die Dividende ausbezahlt. In den USA würde die Dividende 14 Dollar für 2009 betragen. Der S&P-500 Aktienindex hat heute eine Dividende-Rendite von 2,3%. Ein Trill hätte eine viel niedrigere Dividenden-Rendite, weil langfristige Wachstumsaussichten fürs BIP viel höher liegen. Da Trills am nominellen BIP gebunden sind, besteht ausserdem keine Inflationsgefahr, erläutert Shiller, ähnlich wie die inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS). Zudem würde die Gefahr eines Staatsbankrotts eliminiert, weil die Dividende in ökonomisch schweren Zeiten abnehmen würde, wenn das BIP zurückgeht. Shiller vertritt die Meinung, dass die Ausgabe von Anteilen am BIP als eine Politik betrachtet werden kann, die das breite Spektrum von Ungleichgewichten in den Kapitalströmen systematisch korrigieren würde. Leute, die ein starkes Wirtschaftswachstum in einem Land erwarten, würden die Gebote für den Anspruch auf Gewinnbeteiligung am BIP des betreffenden Landes erhöhen und dadurch eine günstige Finanzierungsquelle für den Staat schaffen. China könnte eines Tages Aktien aus seinem BIP ausgeben und internationale Investoren würden gern einen hohen Preis dafür zahlen, um in den Genuss des hohen Wachstums von China zu kommen, behauptet Shiller. Die Idee sei nicht neu. Er habe bereits 1993 in seinem Buch „Macro Markets“ darauf hingewiesen. Die Vorschläge von anderen Wissenschaftlern wurden bisher nicht beachtet, aber das aktuelle Marktumfeld könnte nun besser geeignet sein, hebt Shiller hervor.

Finanzderivate: Eine graue Welt

Die spekulativen Aspekte der Derivate sind unumstritten. Derivate machen die Märkte nicht effizient. Ganz im Gegenteil: Finanzderivate wie Credit Default Swaps (CDS) destabilisieren die Wirtschaft. Die verwendeten Modelle, um Finanzinstrumente zu bewerten, wie die „Gauss-Copula“-Formel sind von vornherein fehlerhaft. In einem Gastbeitrag im Blog naked capitalism wird in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Studie, die von Ökonomen der Princeton University und Computerwissenschaftlern vorgelegt wurde, hingewiesen. Die Wissenschaftler zeigen, dass die Finanzderivate von Natur aus für betrügerische Preissetzung anfällig sind. Princeton’s Befund lautet, dass die Verkäufer bewusst Ausfallrisiken in die Produkte einpacken könnten, welche die Käufer selbst mit leistungsfähigsten Computer nicht erkennen können. Die Forschung konzentriert sich auf Collateralized Debt Obligations (CDO). Das sind Wertpapiere aus dem Kreditmarkt, welche aus einer Gruppe von Hypotheken gebündelt und umgeformt in verschiedenen Tranchen verkauft werden.

Das Forschungsteam untersucht, was passieren würde, wenn der Verkäufer minderwertige Hypotheken in CDOs verpacken würde, um selbst davon zu profitieren. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Manipulation für den Käufer unmöglich zu erkennen ist, weder zum Zeitpunkt des Verkaufs noch später, wenn die Finanzderivate Geld verlieren. Das Team besteht aus Sanjeev Arora, dem Direktor des Center for Computational Intractability, seinem Kollegen Boaz Barak, Ökonomie-Professor Markus Brunnermeier und dem Informatik-Student Rong Ge. Arora verweist darauf, dass das Problem aus der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Verkäufer und Käufe herrührt und sich gegen die konventionelle Weisheit der ökonomischen Theorie richtet, die besagt, dass die Derivate die negatien Auswirkungen dieser ungleichen Informationsverteilung reduzieren würden. Brunnermeier sagt, dass die Standard-Ökonomie betone, dass die Verbriefung die Kosten der asymmetrischen Information mildert. „Wir betonen, dass bestimmte Finanzderivate zusätzliche Komplexität einführen und daher eine neue Ebene der asymmetischen Information generieren, die so schlimm ist, dass der anfängliche Vorteil sich auflöst“, so Brunnermeier.

Samstag, 26. Dezember 2009

Derivate und die Kammer des Schreckens

Ergänzend zu dem vorhergegangenen Eintrag lässt sich der folgende fiktive Fall konstruieren, um etwas mehr Licht in die dunkle Angelegenheiten der Derivate-Geschäfte zu bringen. Die Bank A rechnet mit weiter ansteigenden Immobilienpreisen. Sie ist also bullish auf Immobilienmarkt und baut deshalb eine long-Position auf, um Gewinne zu erzielen. Sie hat aber gleichzeitig Angst, Verluste zu erleiden, falls sich der Markt gegen ihre eigene Wette entwickelt. Die Bank A will daher zugleich eine short-Position eingehen, um die long Position zu hedgen. Das Hedging kostet aber Geld. Denn es gilt immer der Grundsatz „there is no free lunch“. Die Bank A geht jedoch einen Schritt weiter. Sie lässt es sich nicht nehmen, sich auch die Absicherung absichern zu lassen. Das heisst, dass sie die Kosten aus dem Hedging-Geschäft abwälzen will. An wen? An Investoren und/oder die eigenen Kunden, die bereit sind, die neuen derivativen Produkte der Bank A zu kaufen. Die Bank kauft sich dafür vorerst ein CDS als Schutz. Dann kreiert sie eine synthetische CDO, welche wiederum das CDS, das die Bank gekauft hat, weiter verkauft.

Die Bank muss aber dafür vierteljährlich eine Versicherungsprämie an die CDO zahlen. Die synthetische CDO bekommt also regelmässig Prämien dafür, dass sie eine Leistung erbringen muss, falls ein Versicherungsfall (d.h. ein Credit Event, Auslöser wäre in diesem Beispiel ein drastischer Preisabsturz am Immobilienmarkt) vorliegt. Stürzen die Preise am Immobilienmarkt ab, kann die Bank keine Gewinne mehr einstreichen, aber ihre Verluste, falls überhaupt, bleiben wegen der Absicherung äusserst begrenzt. Je nach Höhe der Leerverkäufe kann die Bank A sogar trotzdem immense Gewinne einfahren. Wer verliert? Die Investoren, die der Bank A die neuen Wertpapiere (synthetische CDOs) abgekauft haben. Warum? Weil die Hypotheken, die als Verbriefung für die CDOs gedient haben, „default“ geworden sind oder die Kreditnehmer pleitegehen. Manche Banken hatten jedoch im 5-6-fachen Wert des Nominalwertes der ausstehenden CDOs Absicherungsgeschäfte gegen fallende Preise am Immobilienmarkt abgeschlossen. Der drastische Absturz der Immobilienpreise hat sich daher für short-Sellers (Verkäufer von synthetischen CDOs) extrem gewinnträchtig erwiesen. Dass die Derivateprodukte versteckte Verluste enthalten, die schliesslich zu Tage treten, wie Satyajit Das in seinem ausgezeichneten Buch beschreibt, hat sich auch in diesem Fall bestätigt. Dazu kommt, dass die fehlende Transparenz (ausserbörsliche Märkte ohne Aufsicht) Emittenten der Derivate und Händlern enorme Gewinnmöglichkeiten verschafft. Viel wichtiger ist aber, sich zu vergegenwärtigen, dass solche Aktivitäten vollkommen unproduktiv sind und es keine Wertschöpfung stattfindet. Volkswirtschaftlich ergibt sich also keinen Nutzen.

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Synthetische CDOs: verpackt, verhökert und verzockt

US-Behörden führen derzeit Ermittlungen, ob Banken wie z.B. Goldman Sachs ihren Kunden absichtlich besonders riskante mit Hypotheken besicherte Wertpapiere verkauft haben. Goldman Sachs war natürlich nicht die einzige Bank, die solche Wertschriften, die als synthetische CDOs („collateralized debt obligations“) bekannt sind, verkauft und dann selbst dagegen gewettet hat. Das heisst im Grunde genommen, dass sie die eigenen Produkte „leer verkauft“ (in Wall Street Jargon: „short selling") haben. Das berichten Gretchen Morgenson und Louise Story in einem langen, aber lesenswerten Beitrag in New York Times. Wie diese Wertschriften, die sich katastrophal entwickelt haben, konzipiert wurden, ist nun der Gegenstand der Prüfungen durch die Ermittler im Kongress, bei der SEC und der Financial Industry Regulatory. Die Behörden gehen der Frage nach, ob Wertpapiergesetze oder Regeln des fairen Umgangs damit verletzt wurden, und zwar von Unternehmen, welche die (strukturierten) Produkte erstellt, gebündelt und an ihre Kunden verkauft haben, um dann dagegen zu wetten.

Die betroffenen Banken argumentieren, dass die synthetischen CDO’s eingesetzt werden, um Investitionen abzusichern und sich gegen Verluste zu schützen. Morgenson und Story schreiben aber in ihrem Bericht, dass Goldman Sachs und andere Banken die CDO’s eventuell für ungewöhnlich grosse negative Wetten platziert haben, die nicht in erster Linie zu Absicherungszwecken gedient haben, im Widerspruch zu den Interessen ihrer eigenen Kunden. Der gleichzeitige Verkauf von Wertpapieren an Kunden und Leerverkauf, weil die Bank damit gerechnet hat, dass diese Produkte ausfallen („default“) werden, sind eine der besonders zynischen Verwendungen von Informationen im Hinblick auf die Kreditforderungen. Das ist etwa so, wie wenn Sie eine Feuerschutzversicherung auf das Haus Ihres Nachbarn abschliessen und dann das Haus selber in Brand setzen würden, um an das Geld heranzukommen. Nicht nur Investmentbanken, sondern auch einige Hedge Fonds haben auf diese Weise reiche Ernte gemacht. Die Schaffung und der Verkauf von synthetischen CDOs haben sicherlich zu einer Verschlimmerung der Finanzkrise beigetragen. Die Verluste wurden multipliziert, weil immer mehr solche Wertpapiere wegen negativer Wetten bereitgestellt wurden. Einige 8 Mrd. $ in diesen Wertschriften stecken noch in den Büchern von AIG, die im September 2008 vom Staat gerettet worden ist, berichten die beiden Autorinnen. Einschätzungen zufolge sind allein zwischen 2005 und 2007 solche Wertpapiere in Höhe von 108 Mrd. $ emittiert worden. Da der Markt für synthetische CDOs nicht reguliert ist und keinen Berichtszwang gibt, bleibt das aktuelle Volumen verborgen.

Exkurs: CDO ist ein komplex strukturiertes ABS (asset backed security), d.h. ein (besichertes, durch Forderungen gestütztes) Wertpapier, welches ein Pool von Krediten bündelt und in Wertpapiere verschiedener Bonität (genannt auch Tranchen) umwandelt. Während bei einer „gewöhnlichen“ CDO die Firmenkredite oder Anleihen als Sicherheit hinter den emittierten Tranchen stehen, ist es bei einer synthetishen CDO ein Credit Default Swap (CDS), welches diese Rolle übernimmt.

US-Gesundheitsreform: Offener Brief von Ökonomen an Senat

Das von US-Präsident Barack Obama angestrebte Sanierungsprojekt im Gesundheitswesen hat gestern im Senat eine weiter Hürde überwunden. Heute findet die Schlussabstimmung statt. Erforderlich ist eine einfache Mehrheit von 100 Senatoren. Es geht dabei um die Sicherung der Gesundheitsversorgung für alle amerikanischen Bürger. Eine Reihe von renommierten US-Ökonomen haben sich beim Senator Reid in einem offenen Brief dafür bedankt. Frei übersetzt beginnt der Brief so:

Sehr geehrter Herr Senator Reid,
Wir schreiben Ihnen, um uns nochmals für Ihre Bemühungen im Senat für die Gesundheitsreform zu bedanken. Wir freuen uns sehr, dass die wichtigsten Bestandteile der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in „Manager’s Amendment“ eingeschlossen sind
...“

Hier ist der Link zum Brief in Original im Blog von Brad DeLong:

Warum ist aber Paul Krugman, der sich unermüdlich und redlich für die Gesundheitsreform einsetzt, nicht dabei? Er ist als Kolumnist bei The New York Times tätig. Und die Zeitung erlaubt ihren Kolumnisten nicht, sich an Petitionen zu beteiligen. Krugman findet den Entwurf des Senats „enttäuschend“ und „mangelhaft“, aber er hält ihn dennoch für „einen progressiven Triumph“ und sagt: „ pass it now“.

Mittwoch, 23. Dezember 2009

US-Anleihenmarkt: Rendite-Kurve wird steiler

Die amerikanische Zinsstrukturkurve wird steiler. Die Renditedifferenz (Spread) zwischen den 10-jährigen und den 30-jährigen Staatsanleihen weitete sich diese Woche bis auf 288 Basispunkte aus. Das ist der höchste Wert seit Jahrzehnten. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die monetären und fiskalpolitischen Impulse. Theoretisch deutet die derzeitige Neigung der Renditekurve darauf hin, dass die Anzeichen einer Erholung der globalen Konjunktur sich verstärken, was in der Tat z.Z. der Fall ist. In diesem Marktumfeld ist jedoch die Gefahr gross, dass die Analyse der Renditekurve zu falschen Schlüssen verleiten kann. Da die Kapazitätsauslastung in der Industrie schwach bleibt, die Situation am Arbeitsmarkt tragisch ist und die Unsicherheiten anhalten, hat der steilere Verlauf der Zinskurve gegenwärtig mit zunehmenden Inflationserwartungen nichts zu tun.


Adjusted Monetary Base, Graph: Fed St. Louis

Was inflationär ist, ist das anhaltende Geschwätz von Inflationsgefahr. Die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik, die eingeführt wurde, um eine wachsende Nachfrage zu befriedigen, erfolgt über den Zinskanal. Die Risikoprämien am Interbankenmarkt bilden sich daher kontinuierlich zurück. Die realen Zinssätze fallen. Investoren schichten vom langen Ende der Renditekurve auf das kurze Ende um. Warum? Weil die Fed angekündigt hat, dass die Leitzinsen noch eine lange Zeit unverändert verlaufen werden. Die Öffentlichkeit zieht also angesichts der verbleibenden Unsicherheiten Liquidität vor. Der Geldschöpfungsmechanismus funktioniert nicht. Wichtig ist daher eine mengenmässige Analyse, die u.a. zeigt, dass die Notenbankgeldmenge gegegenüber dem Höchststand am Ende des ersten Quartals 2009 weiter sinkt. Eine rasche Korrektur der expansiven Geldpolitik ist deshalb derzeit nicht angezeigt.


Consumer Credit, Graph: Fed St. Louis

Israel: State-of-the-Economy Index legt im November weiter zu

Der State-of-the-Economy Index ist im November um 0,6% gestiegen. Der Anstieg zeigt, dass der positive Trend im Hinblick auf die Wiederbelebung der Wirtschaftsaktivitäten anhält. Verantwortlich dafür sind im vergangenen Monat der Anstieg der Industrieerzeugnisse, der Absatz aus Handel & Dienstleistungen und Gütereinfuhren.

Die Arbeitslosenquote beläuft sich in Israel im Oktober den dritten Monat in Folge auf 7,7%. Im Oktober im Vorjahr lag sie noch bei 6,3%. Mit 7,8% erreichte die Arbeitslosenquote in diesem Jahr jeweils im April, Mai und Juni einen Spitzenwert.

Dienstag, 22. Dezember 2009

Schweizer Zinsentwicklung

In der Schweiz hat sich die Zinskurve in den vergangenen drei Monaten etwas abgeflacht. Während die Zinsen am kurzen Ende fast unverändert blieben, sanken sie am langen Ende zwischen Mitte September und Mitte Dezember leicht. Die Renditedifferenz zwischen schweizerischen und deutschen Anleihen hat sich in dieser Zeitperiode kaum verändert. Die Rendite der 10-jährigen Anleihen der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist indes unter die Marke von 2,0% gesunken.


Zinsstruktur von schweizerischen Staatsanleihen, Graph: SNB Quartalsbericht 4/2009


Geschätzter Realzins, Graph: SNB Quartalsbericht 4/2009

Der Realzins lag im IV. Quartal 2009 mit 0,1% etwas tiefer als im Vorquartal. Das ist ein Verdienst der SNB. Das tiefere Realzinsniveau wirkt stimulierend auf die Wirtschaft. Der Realzins ist, wie die SNB erklärt, eine wichtige Bestimmungsgrösse für das Spar- und Investitionsverhalten der Haushalte und Unternehmen.


Geldmarktsätze, Graph: SNB Quartalsbericht 4/2009

Der 3-jährige Realzins wird in der Schweiz als die Differenz zwischen dem 3-jährigen Nominalzins und dem (über den gleichen Zeitraum erwarteten) Anstieg der Konsumentenpreise gemessen.

Interview: Satyajit Das, Risk Consultant

Paul Volcker, legendary former chairman of the Fed argued recently that financial innovation has not brought any great benefits to society. Derivatives are, as you write in your book, complex instruments. But complexity destroys transparency. Simplicity would generate confidence. What can be done to break this kind of abuse and cheating due the complexity?

Industry lobbyists focus on the use of derivatives to hedge and manage risk promoting investment and capital formation. While derivatives can play this role, derivatives are now used extensively for speculation - "manufacturing" risk and "creating" leverage.

Derivative volumes are inconsistent with "pure" risk transfer. In the credit default swap market (CDS) market, volumes were in excess of four times outstanding underlying bonds and loans. Speculators may facilitate markets but recent experience suggests that in stressful conditions they are users rather than providers of scarce liquidity and amplify systemic risks.

Relatively simple derivative products provide ample scope for risk transfer. Increasingly complex and opaque products are used to increase risk and leverage as well as circumvent investment restrictions, bank capital rules, securities and tax legislation.

Few, self interested industry participants are prepared to admit the unpalatable reality that much of what passes for financial innovation is specifically designed to conceal risk or leverage, obfuscate investors and reduce transparency. The process is entirely deliberate. Efficiency and transparency is not consistent with high profit margins on Wall Street and the City. Financial products need to be opaque and priced inefficiently to produce excessive profits.

To control this would require banning certain types of derivative and preventing them form being used other than for hedging, exactly the same as insurance.

Until regulators and legislators understand and are prepared to address these central issues, no meaningful reform in the control of derivative trading will be possible.

The sheer importance and size of derivative profits means that it will continue to attract the best and the brightest who will continue to play these time honoured games.

Warren Buffet once described bankers in the following terms: “Wall Street never voluntarily abandons a highly profitable field. Years ago… a fellow down on Wall Street…was talking about the evils of drugs…he ranted on for 15 or 20 minutes to a small crowd…then…he said: “Do you have any questions?” One bright investment banking type said to him: “yeah, who makes the needles?

Derivatives and debt are the needles of finance and bankers will continue to supply them to for the foreseeable future as long as there is money to be made in the trade.

What role did financial innovations like CDS play in the crisis? What has to be done to reduce a systemic risk of a major dealer failing with derivatives for the entire economy?

CDS contracts and other innovations allowed inceased leverage and speculative positions to be created. For example, the simplest analogy is that CDS contracts are like insuring your house except that you don’t have to have a house and anybody can buy the insurance contracts. This has the effect of amplifying the given losses for a specific event. For example, CDS contracts amplified the losses as a result of the bankruptcy of Lehmans by (up to) approximately 50%. It increases the embedded leverage in the financial system to a specific event namely the default of the reference entity. It also may absorb available liquidity and capital creating systemic issues.

The CDS market entails complex chains of risk. This is similar to the re-insurance chains that proved so problematic in the case of the Lloyds market. The CDS markets have certain similarities with the reinsurance markets. The CDS fees like the reinsurance premiums are received up front. In both cases the risks are both potentially significant and “long tail” – they do not emerge immediately and may take some time to be fully quantified.

The transfer of risk assumes that all parties along the potential chain perform their contracts. Any failure in the chain of risk transfer exposes other parties to the risk of insolvency and default. Defaults and failures in CDS contracts may quickly cause the financial system to become “gridlocked” as uncertainty about counterparty risks restricts normal trading. The bankruptcy of Lehmans set off a chain of just these events causing financial markets to become “frozen” in September and October 2008.

As in the re-insurance market, the long chain of CDS contracts may create unknown concentration risks. Derivatives markets generally may have higher concentration risk than considered desirable or acceptable. The CDS market is similar in structure to the overall derivative market with less than 10 dealers having the major share of the market. The potential impact of a bankruptcy filing by Bear Stearns and AIG on the OTC Derivatives market, including CDS contracts, was probably one of the factors that influenced the Federal Reserve and US Treasury’s decision to support the rescue of the two firms.

If the CDS contracts fail then “hedged” banks are exposed to losses on the underlying credit risk. Recently, one analyst suggested that losses from failure of CDS protection sellers to perform could total between $33 billion and $158 billion *. Barclays Capital estimated that the failure of a dealer with $2 trillion in CDS contracts outstanding could potentially lead to losses of between $36 billion and $47 billion for counterparties. This underlines the potential concentration risks that are present.

CDS contracts may under certain circumstances create volatility and uncertainty instead of reducing risk. For example, the coupling of participants and long chains of risk transfer may mean that uncertainty about the financial position or solvency of any firm is quickly transmitted throughout the financial system rather than being confined to firms directly exposed to the distressed entity. Attempts to hedge this risk or close out positions may increase volatility. There are also negative feedback loops. If reference entities start to default then insurers, hedge funds and banks are affected. If the economic climate worsens and defaults rise then the overall ability to rely on these hedges may decline. The extent of the diversification of risk may diminish exactly when it is most needed.

* See Andrea Cicione "Counterparty Risk: A Growing Cause of Concern" (25 January 2008) Credit Portfolio Strategy - BNP Paribas Corporate & Investment Banking.

What is the most important cause of the current crisis?

The Global Financial Crisis is the result of too much debt in the financial system. The early 2000s were a period of “too much” and “too little” – too much liquidity, too much leverage, too much complex financial engineering, too little return for risk, too little understanding of the risks. Steven Rattner (from hedge fund Quadrangle Group) summed it up in the pages of the Wall Street Journal: “No exaggeration is required to pronounce unequivocally that money is available today in quantities, at prices and on terms never before seen in the 100-plus years since U.S. financial markets reached full flower.”

It is also the result of the increase in the role of finance in modern economies. New paper economies emerged directly from the demise of the gold standard that removed restrictions on the ability to create money, especially debt. Advances in computing, developments in economic thought, shifts in regulation and changes in social attitudes transformed the world. Finance inexorably displaced industry with trading and speculation becoming major activities. People increased consumption, often fuelled by ever increasing levels of borrowing. In industry, financial engineering replaced real engineering.

In the U.S.A., financial services’ share of total corporate profits increased from 10% in the early 1980s to 40% in 2007. The combined stockmarket value of these firms grew from 6% to 23% over the same period. Similar trends were evident in many other countries. Financial services moved from being a traditional support function to a major driver of economies.

Much of this new activity was not productive. It did not generate true value and did not represent direct additions to the good and services produced in the economy. Much of it was directed at increasing the level of debt, the circulation of money as well as trading and speculation. New financial techniques became ways to move money back and forth with bankers getting a cut at every turn. New products allowed everything to be traded facilitating speculation and enabling the manufacture of new risks for investors seeking to make money. Banks, investment managers and hedge funds gloried in using capital supplied by investors to trade. The process may have created little value but provided extraordinary rewards for the immediate practitioners.

Thank you very much.




Satyajit Das, a well-known risk consultant and author of the Bestseller „Traders, Guns & Money”: Knowns and Unknowns in the Dazzling World of Derivatives“.

US-Treasury-Markt: Durchschnittliche Laufzeit steigt

Die Debatte um Zinserhöhungen erscheint derzeit vollkommen verfrüht. Dennoch ist es für die Positionierung von Portfolios wichtig, einzuschätzen, wie sich die Anleihenmärkte entwickeln werden. Die niedrigen Zinsen werden Ben Bernanke zufolge eine ganze Weile Bestand haben. Zur Finanzierung der Staatsverschuldung dürften die USA jedoch allein 2010 rund 2'600 Mrd. $ aufnehmen, schätzt Igor Cashyn von Morgan Stanley ein. Das wäre ein massiver Anstieg von ca. 40% im Vergleich zum Vorjahr. Da die Versteigerungen von US-Staatsanleihen 2009 selten enttäuschend verlaufen sind, ist anzunehmen, dass die Märkte dieses Volumen verkraften könnten. Bemerkenswert ist ferner die Erwartung des Fixed Income Analysten im Hinblick auf die durchschnittliche Laufzeit der US-Treasuries. Cashyn rechnet damit, dass die durchschnittliche Laufzeit der Staatsanleihen von 6 Jahren 2009 auf 6,7 Jahre 2010 steigen wird. Warum? Er stützt sich dabei auf den Refinanzierungsausblick des US-Schatzamtes vom Oktober 2009.


Average Maturity of New and Outstanding UST Debt, Graph: Courtesy of Igor Cashyn, Morgan Stanley

Die durchschnittliche Laufzeit der US-Staatspapiere dürfte sogar 2011 auf 8 Jahre klettern. Das würde die durchschnittliche Laufzeit der ausstehenden Treasuries von derzeit 4 ½ Jahren auf 5 Jahre erhöhen. Mit der Steigerung der Laufzeit will sich das US-Schatzamt gegen unvorhergesehene Fälle von Kapitalbedarf wappnen und damit ein Sicherheitspuffer aufbauen. Abgesehen davon hat das Treasury erklärt, dass es die durchschnittliche Laufzeit bis 2015 auf 6-7 Jahre anheben will. Das Volumen an Neuemissionen dürfte daher mit dem Anstieg der Laufzeit erst 2011 abnehmen.

Montag, 21. Dezember 2009

Schweiz: Geldmultiplikator hat sich halbiert

In der Schweiz hat sich der Geldmultiplikator im Sog der Finanzkrise fast halbiert. Es kam zwar in den vergangenen Wochen zu einem Anstieg. Aber die SNB hält den jüngsten Anstieg des Multiplikators geldpolitisch für unbedenklich, da „er vorwiegend auf einen Rückgang der Notenbankgeldmenge und nicht auf eine vermehrte Geldschöpfung der Banken zurückzuführen ist“. Das steht im aktuellen Quartalsbericht 4/2009 der SNB zu lesen. Der M3-Geldmultiplikator gibt das Verhältnis zwischen dem Geldaggregat M3 und der Geldbasis (Notenbankgeldmenge) an. Er zeigt, dass die Banken seit dem Ausbruch der Finanzkrise sich gegenseitig weniger Kredite als vorher gewähren und daher mehr Liquidität halten. Aus Vorsichtsgründen. Das schlägt sich in einem Rückgang des Geldmultiplikators nieder.


Geldmultiplikator, Graph: SNB Quartalsheft 4/2009


Monetäre Aggregate, Graph: SNB Quartalsheft 4/2009

Der SNB zufolge kann der Multiplikator wieder zu seinem Normalwert aufschliessen. Das kann geschehen, (1) wenn der Multiplikator bei unveränderter Notenbankgeldmenge ansteigt, was geldpolitisch bedenklich wäre, weil der damit einhergehende Anstieg von M3 zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen könnte. Das heisst Inflationsgefahr. (2) Wenn die SNB die Liquidität aus dem Interbankenmarkt abschöpft. Das würde bedeuten, dass das Wachstum von M3 unter Kontrolle bleibt und daher kein Inflationsdruck entsteht.

Notenbankgeldmenge = Giroguthaben der Banken bei der SNB + Notenumlauf.

Schweiz: Produktionslücke von -2,6%

Die Produktionslücke hat sich in der Schweiz im III. Quartal weiter in den negativen Bereich geöffnet. Dem Quartalsbericht 4/2009 der SNB zufolge zeigt der Produktionsfunktionsansatz eine Lücke von Minus 2,6% des Potenzialoutputs an. Das Potenzialwachstum habe sich laut SNB in den vergangenen Quartalen zurückgebildet und es dürfte sich weiter abschwächen. Zum einen, weil die Einwanderung gering ist und zum anderen, weil die Investitionstätigkeit der Unternehmen sich vermindert hat.


Produktionslücke, Graph: SNB Quartalsbericht 4/2009


Kapazitätsauslastung der Industrie, Graph: SNB Quartalsbericht /2009

Die SNB verweist darauf, dass die Rezession die Produktionssektoren sehr unterschiedlich betroffen hat.

Die verarbeitende Industrie 76,5%: Unterauslastung,
Der Maschinenbau: 72,1%: Unterauslastung,
Der Dienstleistungsektor: Unterauslastung, aber deutlich weniger ausgeprägt als in der Industrie,
Der Bausektor: überdurchschnittliche Auslastung.

Fazit: Ein Nachfrageüberhang signalisiert einen steigenden Inflationsdruck. Ein Angebotsüberhang hingegen deutet auf einen Deflationsdruck hin. Da derzeit eine Produktionslücke vorherrscht, besteht keine Inflationsgefahr. Eine Zinserhöhung ist also derzeit wegen des Deflationsrisiko nicht angezeigt.

Schuldenabbau durch Inflation

Der Anteil der Staatsausgaben am BIP (debt-to-GDP) bewegt sich in den USA im Sog der Finanzkrise in Richtung 80%. Besteht die Gefahr, dass die Entscheidungsträger die Schulden durch Inflation abbauen? "Theoretisch, ja", sagen zwei Wirtschaftswissenschaftler in einem Beitrag („Using Inflation to erode the US public debt“) im Blog voxeu.org. Joshua Aizenman und Nancy Marion verweisen dabei mit zahlreichen anschaulichen Abbildungen auf die Zeitperiode nach dem II. Weltkrieg. Zwischen 1946 und 1955 habe sich die Staatsquote um fast 50% halbiert. Es gebe jedoch zwei grosse Unterschiede zwischen damals und heute. (1) Ein grösser Teil der US-Staatsanleihen befindet sich heute (fast 48%) in der Hand von ausländischen Investoren. Das würde den Anreiz erhöhen, die Schulden mit Inflation abzutragen. (2) Die Laufzeit der amerikanischen Staatsanleihen beträgt heute um die Hälfte kürzer als in der Nachkriegszeit. Das würde den Anreiz senken, die Schulden mittels Inflation loszuwerden. Die beiden Faktoren gleichen sich aus, betonen die Autoren.

Federal Debt, Graph: Fed St. Louis, National Economic Trends, Dec. 2009

Das netto Ergebnis im Rahmen eines einfachen Optimierungsmodell sei, dass die prognostizierte Inflationsrate höher sei als nach dem II. Weltkrieg, aber nur für eine kurze Zeitdauer.

Hat tip to FT Alphaville.

Traders, Guns & Money

Buchbesprechung

Satyajit Das: Traders, Guns & Money. Die dunklen Machenschaften im internationalen Börsenhandel. FinanzBuch Verlag, München, 2010.

Nicht zu Unrecht wurden Derivate von Warren Buffet einst als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet. Ein Kreditderivat wie z.B. Credit Default Swap (CDS) kann auch von jemandem gekauft werden, der die zugrunde liegende Anleihe gar nicht besitzt. Das nennt Wolfgang Münchau, FTD- und FT-Kolumnist „zerstörische Spekulation“. Mit CDS sichern sich Investoren gegen den Zahlungsausfall einer Anleihe ab.

Investoren wetten aber mit diesen Finanzprodukten heute hauptsächlich aus spekulativen Gründen um den Default-Fall eines Unternehmens oder eines Staats. Die Derivate haben die gegenwärtige Finanzkrise zwar nicht ausgelöst, aber bestimmt erheblich verschärft. Satyajit Das, der derzeit als Risk Consultant tätig ist, hat 25 Jahre lang in dem Sektor Erfahrungen gesammelt. In diesem Buch, das aus einem bizarren Mix von Schuldgefühl und Erklärungsbedürfnis entstanden ist, zeigt er schonungslos auf, wie die Branche funktioniert. Er nimmt aber in dieser Hinsicht weder pro- noch contra-Stellung ein.

Da dieses äusserst informative Buch 2006 vorgelegt wurde, behandelt es die derzeitige Krise nicht. Dennoch ist es eine rund 500 Seiten umfassende einzigartige Informationsquelle. Der Hauptzweck ist, eine verständliche Einführung in die Welt der Derivate, die zuerst als risikostreuende Finanzinnovation gefeiert wurden und nun zum Teil verflucht werden, zu bieten. Dem Autor gelingt es, einleuchtend darzulegen, dass das Risiko durch Derivate nicht gesenkt, sondern stärker konzentriert wird, was zwei Jahre nach der Publikation des Buches vom Markt tatsächlich bestätigt wurde. Der lebende Fall ist der US-Konzern AIG. Die einst weltgrösste Versicherungsgesellschaft wurde mit Staatshilfe in Höhe von 182 Mrd. $ gestützt. Das Kreditausfallrisiko der gesamten Welt war nämlich bei der AIG akkumuliert. Ein anderes Beispiel: Larry Summers, der die Wirtschaftspolitik der Obama-Administration gestaltet, hat in seiner Funktion als Harvard-Präsident mit Interest Rate Swaps 1 Mrd. $ der Universität in den Sand gesetzt. Harvard’s Swaps sind so toxic, dass nicht einmal Summers sie erklären kann, titelte vergangene Woche Bloomberg.

Des Autors Fazit: Banken, Aufsichtsbehörden und Anleger sind weit davon entfernt, diese komplexen Instrumente zu beherrschen. Strukturierte Produkte sind nicht nur für die Nutzer, sondern im allgemeinen undurchschaubar. Transparenz wird durch Komplexität überschattet. Dabei würde Einfachheit Vertrauen schaffen. Die Forderung nach einer Verschärfung des Regulierungsrahmens ist daher nicht aus der Luft ergriffen. Zumal einige der angesehensten Banken als moralische Betrüger enttarnt wurden, wie Prof. Robert Skidelsky kürzlich in einem Essay beschrieben hat. Im Anhang dieses klar und einfach geschriebenen Buches befindet sich noch ein praktisches Glossar mit Erläuterungen von allen wichtigen Fachausdrücken. Ein unverzichtbares Standardwerk für alle, die Derivate verstehen wollen.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Inflationsziel vs. Beschäftigung

Die US-Notenbank (Fed) verfolgt geldpolitisch hauptsächlich zwei Ziele: (1) Preisstabilität und (2) einen hohen Beschäftigungsstand. Die Arbeitslosenquote ist in den USA bekanntlich im Sog der Finanzkrise auf 10% geklettert. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand dürfte sie nicht vor 5 Jahren auf ein einigermassen normales Niveau zurückfallen. Ben Bernanke, der Fed-Chef fokussiert derzeit allem Anschein nach nur auf den Aspekt der Preisstabilität als auf den der Vollbeschäftigung. Das ist vielen renommierten Ökonomen ein Dorn im Auge. Brad DeLong beispielsweise fragte neulich Bernanke, warum die Fed nicht ein Inflationsziel von 3% pro Jahr angenommen hat. Bernanke antwortete darauf, dass die Öffentlichkeit von der Fed erwarte, zur Preisstabilität beizutragen, indem sie dafür sorgt, dass die Inflationserwartungen verankert bleiben. Das erhöhe die Wirksamkeit der Geldpolitik, erklärte Bernanke.


Real Interest Rate, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends

Die Fed habe laut Bernanke nicht dem Vorschlag von manchen Ökonomen gefolgt, ihr Inflationsziel anzuheben. Theoretisch würde ein solcher Ansatz zu einer Reduzierung der Realzinssätze führen und die Ausgaben und den Output antreiben, erklärte Bernanke. Aber das theoretische Argument ignoriere die Gefahr, dass eine solche Politik das Vertrauen der Öffentlichkeit an die Fed verspielen könnte. Würde die Fed ihren Widerstand aufgeben, einen Inflationsschub zu verhindern, würde dies die Wirksamkeit der Geldpolitik untergraben. Deshalb bleibe es die geldpolitische Strategie der Fed, die Inflationserwartungen zu verankern, so Bernanke. Der Fed-Chef hat also Angst davor, dass die Fed sonst ihre Kreditwürdigkelt verliert. Da Bernanke einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Kauf nimmt, wird er auch von Paul Krugman gerügt. Krugman schreibt in seinem Blog in NYT, dass die Zinsen real zu hoch sind, auf PPE-Basis. Er verweist angesichts der schwachen Nachfrage auf die Unterauslastung der Wirtschaft. Die Kosten der unzureichenden Nachfrage sind enorm, erläutert Krugman. Nicht nur gemessen in Verschwendung des Outputs in Dollars, sondern auch in schweren sozialen und psychologischen Schäden bei den Arbeitslosen. Die Zinsen sind nominal so tief wie sie sein könnten, aber real sind sie zu hoch. Die Fed könnte laut Krugman die Realzinsen auf zwei Wegen reduzieren: (a) indem sie langfristige Anleihen aufkauft, und auf diese Weise den Spread zwischen dem kurz- und langfristigen Anleihen verkürzt, und (b) indem sie Inflationserwartungen erhöht. Oder die Fed könnte beides gleichzeitig tun, so Krugman. Die Fed sehe jedoch das Trade-off zwischen dem realen Schmerzen von heute und dem hypothetischen Schmerzen von viel später nicht. Die Vorstellung eines unveränderlichen Inflationsziels habe mittlerweile eine mystische Kraft erworben. Es werde mit dem Begriff der Zivilisation identifiziert, so Krugman ironisch, in einer ähnlicher Weise wie die frühere Generation dem Goldstandard eine mystische Bedeutung beigemessen hat.

Stanley Fischer: Wirtschaftswachstum von mehr als 3% nötig

In einer Ansprache an das „Institute for National Security Studies“ hat Stanley Fischer, der Präsident der Bank of Israel (BoI) am Wochenende erklärt, dass die Prognosen für das Wirtschaftswachstum weiter ansteigen und die globale Wirtschaft sich derzeit in weit besserem Zustand befindet „als wir vor einem Jahr je erhofft hatten“. Dennoch gebe es grosse Unterschiede zwischen den Wachstumswegen der verschiedenen Volkswirtschaften. Zudem sei es nicht klar, ob der Anstieg der Nachfrage bestehe bleibe und damit zu einem anhaltenden Wachstum beitrage. Auch unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass die Regierungen sich auf einen schrittweisen Ausstieg aus ihren expansiven Finanzpolitik vorbereiten müssen. In den USA und in Israel seien die Arbeitslosenzahlen gestiegen. Es zeige sich aber, dass sich die zeitliche Verzögerung (time lag) zwischen dem Wachstum und der Beschäftigung verkürzt habe. Seiner Ansicht nach bedarf es deshalb einer relativ hohen Wachstumsrate von mehr als 3%, um einen positiven Effekt auf die Beschäftigung auszuüben, um die Arbeitslosigkeit zu verringern.

Der IWF hat neulich Israel’s Performance während der Finanzkrise positiv gewürdigt. Dennoch gebe es eine Reihe von Herausforderungen, so Prof Fischer. Einige schwierige Entscheidungen müssen getroffen werden: (1) Was ist die richtige fiskalpolitische Kombination für das nächste Jahr, was Staatsausgaben und Steuersätze betrifft? (2) Wie soll die Verschuldungsquote reduziert werden? Und (3) Wie lässt sich die Aufsicht über das Finanzsystem verbessern?

Samstag, 19. Dezember 2009

Ehrlichkeit und Integrität

Alle Mitglieder des britischen Oberhauses müssen vom nächsten Jahr an, wenn sie ihren Eid auf die Königin leisten, eine schriftliche Erklärung unterzeichnen, in der sie sich zu Ehrlichkeit und Integrität verpflichten. Das schreibt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Essay („In Regulation We Trust?") in Project Syndicate. Er ist selbst ein Mitglied des britischen Oberhauses. Der Auslöser war ein Skandal über Spesenabrechnungen der Abgeordneten: „Ein Symptom einer Gesellschaft, in der Geld anstelle der Ehre getreten ist“, hält Skidelsky fest. „In einer vom Geld besessenen Gesellschaft besteht die einzige Möglichkeit, dieser Neigung entgegenzuwirken, darin, externe Sanktionen durchzusetzen“, bemerkt Skidelsky. Das heisst, dass die Leute reglementiert werden müssen, damit sie sich gut benehmen. „Der Markt hat sich in heimtückischer Weise in viele gesellschaftliche Sphären eingeschlichen, die traditionell durch marktfremde Normen geregelt wurden“, bemerkt der emeritierte Professor für politische Ökonomie. „Die Marktlogik der freien Entscheidung des Individuum ist laut Skidelsky geschäftig dabei, die soziale Logik vom Gemenwesen zu zerstören. Wie wahr!

Ähnlich argumentiert Roger de Weck, Schweizer Publizist: „Ist der Markt die Moral, dürfen Marktteilnehmer auch mal unmoralisch handeln. Das Gesetzt lässt vieles zu, was der Anstand verbietet“. „Das Streben nach marktwirtschaftlicher Effizienz hat zudem zu einer fruchterregenden Zunahme der Komplexität geführt. Die Systeme, mittels derer heute die meisten Dienstleistungen erbracht werden, sind für ihre Nutzer völlig undurchschaubar“, erklärt Skidelsky. Komplexität ist der Feind der Transparenz. Kein Wunder, dass die Finanzprodukte immer kompliziert werden. Wie die gegenwärtige Finanzkrise entlarvt hat, steht für die meisten Banken das kurzfristige Gewinnstreben im Vordergrund, um nicht zu sagen: Abzocke.

US-Bankpleiten: Anzahl klettert auf 140

Die Behörden haben am Freitag laut Reuters 7 weitere Banken geschlossen. Zwei davon in California und der Rest in Alabama, Florida, Georgia, Michigan und Illinois. Damit ist die Anzahl der Banken, die 2009 im Zuge der Krise dichtgemacht haben, auf 140 gestiegen. Das ist der höchste Wert seit 1992. Die FDIC versucht das Vermögen der Banken zu verkaufen und deckt zugleich die Einlagen der Sparer. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt. Die FDIC rechnet mit einem Tempoanstieg der Fehlschläge im kommenden Jahr. Die Behörde hat daher ihren operativen Rahmenplan für 2010 um 55% auf 4 Mrd. $ angehoben, um die entstehenden Kosten zu bewältigen.

Bankpleiten:
2009: 140 Banken
2008: 25
2007: 3

Die Kosten der Schliessung der genannten sieben Banken beziffert die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) auf mehr als 1'803 Mio. $ für die öffentliche Hand. Die FDIC schätzt die Kosten der Bankenschliessungen in diesem Jahr auf rund 25 Mrd. $. Die Summe dürfte nach Einschätzungen der Behörde bis 2013 auf 100 Mrd. $ ansteigen.

Der Fonds der Behörde ist vor rund drei Monaten ins Minus gerutscht. Die FDIC hat vergangene Woche erstmals die von ihr regulierten ca. 8'100 Banken gebeten, die die Gebühren für die nächsten 3 Jahre im Voraus zu zahlen. Auf diese Weise will die FDIC 45 Mrd. $ einnehmen. Die Banken zahlen an die FDIC 12 bis 16 Cents pro 100 $ Kundeneinlagen.

Freitag, 18. Dezember 2009

Euro sinkt auf 9-Monatstief zum Schweizer Franken

Der Schweizer Franken hat sich heute gegenüber dem Euro weiter aufgewertet. Erstmals seit März 2009 kostet ein Euro erneut weniger als 1,50 Franken. Vor rund 9 Monaten hatte die starke Euro-Abwertung die SNB veranlasst, am Devisenmarkt zu Lasten des Frankens zu intervenieren. Es fragt sich daher, ob die SNB nun wieder Euro gegen den Franken kaufen wird? Am 10. Dezember teilte die SNB anlässlich der geldpolitischen Lagebeurteilung mit, dass sie (1) an ihrer expansiven Geldpolitik festhält, (2) die Wirtschaft weiterhin grosszüzig mit Liquidität versorgt, (der Kauf von CHF-Anleihen privater Schuldner wurde eingestellt) und (3) einer übermässigen Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro entschieden entgegenwirken wird.


Euro/CHF (Tagesverlauf), Graph: swissquote.ch

Bemerkenswert ist jedoch, dass die Kursbewegungen wegen des niedrigen Handelsvolumens verzerrt sein dürften. In diesem Marktumfeld würde eine Intervention seitens der SNB vielleicht nicht viel Sinn machen.


Euro/CHF (1 Jahr), Graph: swissquote.ch

O du fröhlicher Bonze!

„Wachen Sie auf, meine Herren, eure Antwort war unangemessen!“, sagte Paul Volcker neulich bei einem Dinner in London vor den mächtigsten Bankern der Welt. Es war in den vergangenen 12 Monaten ziemlich ruhig um Volcker, den Präsident Barack Obama persönlich als Mitglied in den Ausschuss „Transition Economic Advisory Board“ gewählt hatte. Volcker ist zugleich Vorsitzender des Gremiums „Economic Recovery Board“, den den US-Präsidenten berät. Volcker, der legendäre ehem. Fed-Chef hat sich bisher selten mit Obama getroffen. Dieses Privileg geniessen v.a. Tim Geithner, der Finanzminister und Larry Summers im Weissen Haus. Aber auch Peter Orszag („Office of Management and Budget“) und Christina Romer („Council of Economic Advisers“) treten im Oval Office öfters auf. Mit dem ihm eigenen ironischen Humor sagte Volcker im Oktober, dass er in der Obama-Administration an Einfluss verloren habe. Er könne da nicht mithalten, so Volcker lakonisch.

Volcker plädiert für eine Aufspaltung von Grossbanken und die Wiedereinführung von „Glass-Steagall Act (1933)“, um zu verhindern, dass Gewinne privatisiert und die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden. Seiner Ansicht nach ist das, was die Regierung vorschlägt und der Kongress als Regulierungsrahmen verabschieden will, einfach Unsinn.

Simon Johnson verweist in einem lesenswerten Beitrag im Blog The Baseline Scenario darauf, dass Volcker am vergangenen Montag seinem Standpunkt kräftig Ausdruck verliehen hat, dass es keinen Sinn ergibt, ein Finanzsystem mit hohen Risiken für die Gesellschaft und hohen Erträgen für Top-Banker zu haben. Die meisten Finanzinnovationen sind laut Volcker nicht nur wertlos, sondern sie gefährden die ganze Wirtschaft. Für die meisten Menschen sei die Einführung der ATM-Maschine viel wichtiger als alle asset-backed securities (besicherte Wertschriften). Es wird Zeit, dass Volcker zeigt, wo der Hammer hängt.

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Massnahmenkatalog

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat gestern ein Papier (pdf, 80 Seiten) mit Vorschlägen für neue Regeln präsentiert. Der endgültige Regelkatalog soll Ende 2010 veröffentlicht und bis Ende 2012 realisiert werden. Das heisst, dass die Finanzbranche für die Umsetzung noch viel Zeit hat.

Es geht kurz um Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen. Das Ziel ist, das Finanzsystem so zu gestalten, dass es zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum beiträgt. Die Ziele lassen sich (1) durch präventive Massnahmen wie höhere Kapital- und Liquiditätsanforderungen und (2) Resolution-Massnahmen, wie die SNB formuliert, erreichen. Diese erfordern Werkzeuge, die dazu dienen, die Kosten einer Krise, wenn sie einmal eingetreten ist, zu reduzieren.

Der Massnahmenkatalog des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht enthält zusammengefasst folgende fünf Punkte:

(I) Die Qualität, Beständigkeit und Transparenz des Kapitals. Diese werden erhöht.

(II) Risikoabdeckung. Das wird verschärft.

(III) Leverage Ratio: eine Obergrenze für Verschuldung, d.h. das Verhältnis von EK zu Bilanzsumme wird neu geregelt.

(IV) Sicherheitspuffer: In guten Zeiten und in Stress-Situationen. Ziel: Die Reduzierung der Wahrscheinlichkeit einer systemischen Krise.

(V) Liquiditätsanforderungen: Mindestgrösse, global gültig.

Fazit: Ausgehend vom Prinzip der Nachhaltigkeit gilt es festzuhalten, dass die Tatsache, dass sog. „systemrelevante“ Banken über eine faktische Staatsgarantie verfügen, (in einer freien Marktwirtschaft) nicht mehr haltbar ist und vom Bankensektor als Problem anerkannt werden muss.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Türkische Zentralbank belässt Leitzinsen unverändert

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute Nachmittag auf ihrer regulären Sitzung ihre Leitzinsen unverändert belassen. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) verharrt also auf 6,50%, der Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) auf 9,00%. Die türkischen Währungshüter haben die Leitzinsen in den vergangenen 13 Monaten angesichts der anhaltenden Weltwirtschaftskrise und der Nachfrageschwäche um insgesamt 1025 Basispunkte gesenkt. Der Leitzins beträgt nun seit einem Monat real null.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph: CBT


Growth Figures, Graph: Turkish Treasury

Der geldpolitische Ausschuss der türkischen Zentralbank begründete den heutigen Zinsentscheid damit, dass die jüngsten Daten auf eine moderate Erholung der Wirtschaftsaktivitäten hindeuten. Es gebe jedoch immer noch Unsicherheiten, was die aggregierte Nachfrage und die Beschäftigungslage betrifft. Die Kapazitätsauslastung bleibe mittelfristig erwartungsgemäss niedrig.

US-Verbraucherpreise im November

Die Verbraucherpreise (CPI) stiegen im November um 0,4% im Vergleich zum Vormonat. Die Kernrate (d.h. ohne Berücksichtigung der volatilen Nahrungsmittel- und Energiepreise) blieb unverändert. Der CPI legte annualisiert um 1,8% zu, wie das US-Arbeitsministerium (BLS) gestern mitgeteilt hat. Die Kernrate kletterte auf Jahresbasis auf 1,7%.


CPI 12-month percent changes, Graph: BLS, Dec. 2009


CPI monthly percent changes, Graph: BLS, Dec. 2009

Fazit: Die US-Konjunktur begibt sich auf Erholungskurs. Die Löhne sind jedoch real rückgängig. Und die ganze Wirtschaft befindet sich mitten in einem Deleveraging-Prozess. Es besteht daher kein Grund für Inflationssorgen.

Fed-Sitzung vom 16. Dezember

Die US-Notenbank hat gesgtern die Leitzinsen erwartungsgemäss auf dem historischen Tief von 0% bis 0,25% unverändert belassen und keine konkreten Signale für eine geldpolitische Wende gegeben. Der Offenmarktausschuss hat zwar darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftsaktivität weiter angezogen hat und die Verschlechterung am Arbeitsmarkt sich abschwächt, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Fed die Zinsen vor sechs Monaten anheben würde.


Fed Funds Effective (1y), Graph: Bloomberg.com

Der Zinsbeschluss der Fed hat Umschichtungen am Anleihenmarkt ausgelöst. Die Händler haben am langen Ende verkauft, um mit den Erträgen am kurzen Ende zu kaufen. Die Rendite-Kurve wurde steiler. Der Spread zwischen 2- und 10-jährigen Staatspapieren hat sich auf ein historisches Niveau ausgeweitet: 276 Basispunkte stellt ein Rekordwert (seit mehr als 30 Jahren) dar. Die Marktteilnehmer betrachten die Zinsen am kurzen Ende allem Anschein nach als relativ stabil. Wie die gestern vorgelegten Verbraucherpreise (CPI) zeigen, besteht derzeit keine Inflationsgefahr. Die Kernrate des CPI entwickelt sich ziemlich verhalten.

Fazit: Die Fed will die Überschussliquidität allmählich absaugen, aber eine Zinserhöhung steht nicht unmittelbar bevor.

Citigroup: Eine Hand wäscht die andere

Citigroup sorgt für Schlagzeilen. Das Emirat Abu Dhabi fordert die Auflösung einer Vereinbarung und verklagt die amerikanische Bank. Abu Dhabi hatte zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt in die Citigroup investiert. Es geht beim Streit um die Umwandlung einer Anleihe in Aktien von Citigroup. Andererseits wurde inzwischen bekannt, dass die amerikanische Bank ihren Ausstieg aus dem Bankenrettungsprogramm TARP mit dem US-Schatzamt clever ausgehandelt hat. Die Bank zahlt zwar 20 Mrd. $ TARP-Gelder an den Staat zurück, sie behält aber Steuervergünstigungen in Höhe von 38 Mrd. $, weil die US-Steuerbehörde ihr vergangene Woche eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat. Zugleich wird die Citigroup die staatlichen Obergrenzen für Managervergütung los.

„Das ist Steuerhinterziehung“, kommentiert Barry Ritholtz in seinem Blog wütend. Der Vermögenstransfer von der Mittelschicht an die Top 1% hält unvermindert an.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Paradox of toil

Ein neuer Ausdruck bereichert die Wirtschaftswissenschaft im Sog der anhaltenden Finanzkrise: „paradox of toil“. Paul Krugman hat kürzlich im Zusammenhang mit einer aktuellen Forschungsarbeit von Gauti Eggertsson darauf Aufmerksam gemacht. Wenn die Wirtschaft in der Liquiditätsfalle steckt, haben manche Arten von Steuersenkungen perverse Auswirkungen. Steuersenkungen für Kapitaleinkommen zum Beispiel ermutigen dazu, mehr zu sparen, was natürlich schlecht ist, weil die Wirtschaft bereits unter dem „paradox of thrift“ (Sparparadoxon) leidet. Eine Reduzierung der Steuern für Kapitaleinkünfte führt zu einem Rückgang der Investitionen, erklärt Krugman. Was aber versteht man genau unter „paradox of toil“? Werden Steuern auf Arbeitseinkommen (labor income) gekürzt, erhöht sich das Arbeitsangebot, was die Löhne unter Druck setzt. Schliesslich steigen Deflationserwartungen, was wiederum einen Anstieg der Realzinsen zur Folge hat. Das führt dazu, dass der Output und die Beschäftigung sinken, so Krugman. Das alles passiert natürlich nur, wenn die Zinsen bei Null liegen, wie z.B. in der heutigen Wirtschaftssituation.

Heute nimmt auch Casey Mulligan in einem kurzen Essay in NYT dazu Stellung, indem er die Ansicht vertritt, dass „paradox of toil“ von geringer praktischen Bedeutung sei, wie die gegenwärtige Rezession zeige. Das „paradox of toil“ stelle die Wirtschaft auf den Kopf und werde v.a. von den Ökonomen gern vertreten, welche für eine aktive Fiskalpolitik plädieren, um die Wirtschaft anzukurbeln, findet Wirtschaftsprofessor an der University of Chicago. Sollte dieses Paradox die heutige Rezession beschreiben, würde ein Anstieg des Arbeitsangebots, was zu Beginn des Sommers passiert, wenn die Studenten einen Job suchen, dann müsste das zu einem Rückgang der Beschäftigung führen. Oder ein Anstieg des Mindestlohns würde die Beschäftigung erhöhen, weil dadurch die Preise und Kosten steigen, was zu Inflation führt. In Wahrheit habe der Arbeitsmarkt laut Mulligan auf die Ereignisse in der herkömmlichen Art und Weise reagiert, mit keinem Paradox. Der Anstieg des Arbeitsangebots habe 2009 nicht zu einem Rückgang der Beschäftigung geführt, behauptet Mulligan. Die Beweise belegen, dass die Gesetze der Ökonomie in vollem Umfang gelten, obwohl die Wirtschaft gegenwärtig in der Liquiditätsfalle stecke, so Mulligan.

Fazit: Das „paradox of toil“ ist derzeit eher im Kontext mit der aktuellen Debatte um die Lage am Arbeitsmarkt zu beleuchten. Immer mehr Stimmen (wie z.B. Fox TV oder Greg Mankiw) fordern nämlich laut, dass die Obama-Administration die Steuern senken sollte, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Prof. Krugman erläutert heute in seinem Blog erneut, warum eine Senkung des Mindestlohns die Beschäftigung nicht erhöht.

Norwegen erhöht Zinsen auf 1,75 Prozent

Die Norges Bank hat heute ihren Leitzins erhöht. Der Schlüsselsatz (overnight deposit rate) für Refinanzierungsgeschäfte klettert nun um 25 Basispunkte auf 1,75%. Die Notenbank des skandinavischen Landes war die erste Zentralbank in Europa, die im Oktober eine Zinsstraffung vollzogen hat. Norwegen ist weniger stark von der Krise betroffen als die meisten anderen Volkswirtschaften Europas. Das ölreiche Land hatte ein Konjunkturpaket im Verhältnis von 4,7% zum BIP aufgeschnürt hat, um die Investitionen in der Erdölindustrie kräftig anzukurbeln. Der weltweit 5. grösste Exporteur von Öl kam im II. Quartal aufgrund der wiederbelebten Inlandsnachfrage wieder aus der Rezession heraus. Norwegen und Australien sind zwei Länder, die von der Krise dank ihrem Rohstoffreichtum relativ milde erfasst worden sind. Norwegen ist das einzige Industrieland der Welt mit einem Haushaltsüberschuss von nahezu 10 Prozent.


Norway Interest Rates, Graph: Norges Bank

Die Norges Bank begründete die Zinserhöhung mit dem Hinweis auf die Belebung der Konjunktur und die Inflation (nahe 2,5%). Das Wirtschaftswachstum sei ferner auch in den USA und den meisten europäischen Ländern wiederbelebt. Der private Konsum ist stark und die Hauspreise steigen kräftig, teilte die Norges Bank heute in Oslo mit. Die Arbeitslosigkeit bleibe niedrig. Da jedoch die Aussichten laut Norges Bank unsicher sind, dürften Unternehmensinvestitionen und Investitionen im Erdölsektor stark fallen.

Norway GDP, Graph: Norges Bank

$/NOK: 5,7456
€/NOK: 8,3882
CHF/NOK: 5,5495.

EZB: Der 3. Repo-Tender des Jahres (LTRO)

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat heute die Geschäftsbanken zum dritten Mal in diesem Jahr langfristig mit billigem Geld versorgt. Insgesamt haben 224 Banken am Repo-Tender (LTRO = Long Term Refinancing Operations) der EZB mitgeboten. Zugeteilt wurden rund 97 Mrd. Euro. Damit wurde mehr Geld als im September in die Märkte gepumpt. Der Tender wird diesmal nicht zum Leitzins, sondern zu einem variablen Zinssatz zugeteilt. Die Höhe des Zinssatzes wird erst im kommenden Jahr bekanntgegeben (indexation).


ECB Refi Rate, Graph: Bloomberg.com

EZB-Zinstender mit 1 Jahr Laufzeit:
Juni: 442 Mrd. €
Sept: 75 Mrd. €
Dez.: 97 Mrd. €

Die LTROs belaufen sich in diesem Jahr insgesamt auf 669 Mrd. €, wobei davon 614 Mrd. € 12-Monat Tender umfassen.

Da die Händler mit einer Nachfrage von 100 Mrd. € gerechnet hatten, bleiben manche Fragen offen: Sind die Banken immer noch auf die EZB angewiesen, was die Refinanzierung betrifft? Oder hat sich der Cash-Bedarf der Banken etwas zurückgebildet?

Der Tagesgeldsatz (EONIA), zu dem Banken einander über Nacht Geld leihen, legte nach der Bekanntgabe des 3. Refinanzierungsgeschäft (mit einer Laufzeit von 12 Monaten) um 2-3 Basispunkte zu. Der EONIA beträgt damit derzeit 0,35%, d.h. deutlich niedriger als der Leitzins. Normalerweise versucht die EZB, diesen Satz nahe am Leitzins (Main Refinancing Operations Minimum Bid Rate) zu halten. Zu Jahresbeginn lag der EONIA bei 2,2%.

US-Erzeugerpreise im November

Die Erzeugerpreise (PPI) stiegen im November überraschend stark um 1,8% im Vergleich zum Vormonat. Auch die Kernrate (d.h. ohne Berücksichtigung der volatilen Nahrungsmittel- und Energiepreise) erhöhte sich um 0,5%. Der PPI legte annualisiert nach 11 Monaten Minus Trend um 2,4% zu, wie das US-Arbeitsministerium (BLS) gestern mitgeteilt hat. Die Kernrate stieg auf Jahresbasis um 1,2%.


PPI 12-month percent changes, Graph: BLS, Dec. 2009


PPI monthly percent changes, Graph: BLS, Dec. 2009

Fazit: Die US-Konjunktur begibt sich auf Erholungskurs. Die Industrieproduktion ist auf Monatssicht um 0,8% gestiegen. Da aber die Kapazitätsauslastung mit 71,3% niedrig bleibt, besteht kein Anlass für Inflationssorgen.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Gold-Blase

Heutige Gold Bugs argumentieren, dass der Goldpreis bis auf 2'000 Dollar je Unze klettern könnte. Der jüngste Preisschub sieht aber verdächtig nach einer Blase aus, wobei der Anstieg nur teilweise durch die Fundamentaldaten der Wirtschaft gerechtfertigt sind, schreibt Nouriel Roubini in einem lesenswerten Essay in Project Syndicate. Goldpreis steigt nur in zwei Situationen, erklärt Roubini: (1) Wenn Inflation hoch ist und weiter steigt. Das gelbe Metall wird dann als Schutz gegen die Inflation nachgefragt (hedging) und (2) Wenn es die Gefahr einer Depression bevorsteht und Anleger sich um ihre Ersparnisse sorgen. Gold wird dann zu einem sicheren Hafen. Die Depressionsgefahr ist inzwischen abgewendet worden und es existiert keine Inflation. Warum steigt aber der Goldpreis weiter?


Gold Price, Graph: wsj.com

Roubini sagt, dass es mehrere Gründe für den Preisanstieg von Gold gibt. (a) „Wir befinden uns nach wie vor in einer Welt der globalen Deflation und die Haushaltsdefizite werden monetisiert“. Das führt zu Besorgnissen, was die mittelfristigen Inflationserwartungen betrifft. (b) „Eine massive Liquidität“ angetrieben durch die Politik des billigen Geldes jagt nach Vermögenswerten, einschliesslich nach Rohstoffen, was „eventuell die Inflation anheizen“ könnte. (c) Durch US-Dollar finanzierte „Carry-Trades“ drücken den Greenback weiter nach unten. Es gibt „eine inverse Beziehung zwischen dem Dollar und dem Dollar-Preis von Commodities“: je niedriger der Dollar ist, desto höher ist der Dollar-Preis für Erdöl, Energie und andere Rohstoffe, einschliesslich Gold. (d) Das Gold-Angebot ist begrenzt. Die Nachfrage hingegen steigt. Ein Teil der Nachfrage stammt von den Zentralbanken, z.B. aus China, Indien und Südkorea. Da das „Angebot an Gold unelastisch“ ist, führt ein kleiner Schub in den Portfolios der Notenbanken zu einem signifikanten Preisanstieg für Gold. (e) Das Risiko für ein Staatsbankrott nimmt derzeit zu: Dubai, Griechenland und andere Schwellenländer, zählt Roubini auf. Marktteilnehmer befürchten, dass die Regierungen vielleicht nicht in der Lage sind, das Finanzsystem zu retten, so Wirtschaftsprofessor an der Stern School of New York University. Da aber das Gold keinen inneren Wert hat, gibt es ein signifikantes Risiko einer steilen Korrektur, warnt Roubini. Sollten Zentralbanken aus der Politik des extra billigen Geldes (quantitative easing) aussteigen, droht Druck auf alle Risikoanlagen, einschliesslich Rohstoffe. Ein weiterer Grund wäre, wenn die globale Erholung der Wirtschaft sich als fragil und anemisch erweisen sollte, dann käme es zu einem bearishen Sentiment für Rohstoffe, was den Dollar Wechselkurs beflügen würde, erläutert Roubini. Der neuliche Preisanstieg fürs Gold ist also spekulativ. "Wenn Sie wirklich einen globalen Zusammenbruch der Wirtschaft befürchten, sollten Sie Kanonen, Konserven und andere Rohstoffe aufstocken, damit Sie sie Ihrer Holzhütte benutzen können", schlussfolgert Roubini.

Fed’s neue Rolle: Gegen Spekulationsblasen vorgehen

Eine der wichtigsten Lehren der gegenwärtigen Finanzkrise ist, dass die Ökonomen bessere Modelle entwickeln müssen, weil die bisherigen Annahmen sich als äusserst problematisch erwiesen haben. Die Geldpolitik steht nun vor einem Scherbenhaufen. Soll die Fed von jetzt an, auch die Spekulationsblasen in Erwägung ziehen oder nicht. Kurz vor der Wiederernennung des Fed-Präsidenten Ben Bernanke für weitere vier Jahre ist dies eine Frage, mit der sich Jon Hilsenrath in einem langen Beitrag in WSJ ausführlich befasst. Bisher lautete die Fed-Politik, „nichts unternehmen“. Nun redet aber Bernanke davon, dass die „financial booms wahrscheinlich das schwierigste Problem für die Geldpolitik in diesem Jahrzehnt“ sind. Während Bernanke erkennen lässt, im Rahmen der regulatorischen Kompetenzen der Fed Spekulationsblasen präventiv bekämpfen zu wollen, scheint der Banking-Ausschuss des US-Senats entschlossen, Fed’s regulatorische Macht in dieser Hinsicht einzuschränken. Wie auch immer: Die US-Notenbank kommt nicht darum herum, künftig gegen Spekulationsblasen vorzugehen.


Froth Factor, Asset Prices, Graph: wsj.com

Eine Blase auf den Vermögensgüter-Märkten (Wertpapiere, Immobilien, Rohstoffe usw.) entsteht, wenn die Preise von Fundamentaldaten der Wirtschaft radikal abweichen. Fest steht, dass die bisherige Politik auf alle Fälle versagt hat. Es gibt jedoch zwei Wege, um eine Vermögensgüter-Preisblase zu bekämpfen: (1) durch Zinserhöhung und (2) durch Regulierung. Eine Zinserhöhung könnte zwar die Blasen zum Stoppen bringen, aber u.U. auf Wirtschaftswachstum lasten. Bernanke neigt daher eher dazu, den zweiten Weg zu gehen, indem er für die Anwendung von aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Methoden zur Bändigung von übermässigen Risikobereitschaft plädiert, um das Finanzsystem widerstandsfähiger zu gestalten, wenn Spekulationsblasen platzen.

Fazit: Die Fed ist angehalten, ihre Informationspolitik fundamental zu modifizieren. Und die Ideologie des „Mehr Markt, weniger Staat“ gehört ad acta gelegt.