Mittwoch, 30. September 2009

Robert Shiller sieht stagnierende Hauspreise für 5 Jahre

In einem Interview mit WSJ äussert sich Robert Shiller zu dem Thema Rezession und US-Immobilienmärkte. Shiller, der Professor an der Yale Universität ist, antwortet auf die Frage, ob sich der S&P/Case Shiller Home Index für eine Weile seitwärts bewegen wird, „ja, für eine Weile, das heisst 5 Jahre“.

Auf die Frage, was die wichtigsten Faktoren sind, die die US-Hauspreise treiben, antwortet Shiller, dass der wichtigste Faktor die Weltwirtschaftskrise sei und die Anstrengungen der Regierungen auf der ganzen Welt, die Wirtschaft anzukurbeln. Teile dieser Bemühungen seien auf den Wohnungsmarkt gerichtet. In den USA gebe es eine Steuergutschrift im Wert von 8'000 $ für diejenigen, die zum ersten Mal ein Haus kaufen. Die Frist für diese Steuergutschrift gehe im November zu Ende. Das sei ein Grund zur Sorge. Ein Teil des Problems sei, dass die Leute lieber jetzt kaufen als später. Aber später könnte es zu einem Abschwung kommen, so der Autor des Bestsellers „Animal Spirits“.

Türkei: Aussenhandelszahlen vom August 2009

Nach Angaben des türkischen Statistik-Institutes sind die Ausfuhren im August um 29,1% zurückgegangen. Die Einfuhren haben im vergangenen Monat um 34% abgenommen. Das Handelsbilanzdefizit hat sich damit von 8'205 Mio. $ um 40,6% auf 4'876 Mio. $ verringert. Von Januar bis Ende August ist das Defizit im Aussenhandel im Vergleich zur Vorjahresperiode um 56,9% geschrumpft. Die Ausfuhren deckten die Einfuhren im August zu 61,6% ab. Zum Vergleich: 57,4% im Jahre 2008.


2008-2009 External Trade August 2009, Graph: Turkish Statistical Institute

Die Ausfuhren in die EU (total: 3'534 Mio. $) sind um 24,3% zurückgegangen. Der Anteil der EU-Länder am türkischen Export betrug im August 45,1%. Im Vergleich 42,3% im Jahre 2008. Der Haupthandelspartner der Türkei war im August Deutschland mit 820 Mio. $ (das ist ein Minus von 19,5%), gefolgt von GB mit 474 Mio. $, Irak mit 434 Mio. $ und Frankreich mit 412 Mio. $. Die Türkei hat im August am meisten aus Russland Waren eingeführt: 1'925 Mio. $, gefolgt aus Deutschland mit 1'331 Mio. $ und aus China mit 1’148 Mio. $. Importiert wurden hauptsächlcih Mineralölprodukte (2'849 Mio. $), Maschinen, mechanische Geräte, Boilers, Equipments und Teile, elektrische Maschinerie usw. Die Türkei ihrerseits hat v.a. Fahrzeuge (700 Mio. $), Equipment und Teile (662 Mio. $) und Bekleidung (584 Mio. $) exportiert.


Export & Import August 2009, Graph: Turkish Statistical Institute

EZB bietet ein zweites Mal 12-Monatstender

Die EZB hat heute Banken in der Eurozone zum zweiten Mal Gelder mit einer Laufzeit von einem Jahr angeboten. Zugeteilt wurden 75,24 Mrd. € zu einem Zinssatz von 1 Prozent. Analysten hatten im Vorfeld der Versteigerung mit einem Volumen von 137 Mrd. € gerechnet. Die erste Auktion hatte im Juni stattgefunden. Die Nachfrage war damals rege und es wurden insgesamt 442 Mrd. € zugeteilt. Die EZB hat heute nach eigenen Angaben die Gebote von 589 Banken (im Juni 1'121 Banken) bedient. In der Regel nehmen rund 700 Bieter an den Auktionen der EZB teil. Geplant ist, dass die EZB am 16. Dezember 2009 das dritte Mal 12-monatige Kredite wird versteigern lassen. Warum ist aber das zweite Refinanzierungsgeschäft mit einjähriger Laufzeit nicht auf eine hohe Nachfrage gestossen?


EONIA, Overnight Index Average, Graph: Bloomberg.com

Doch es gilt vorerst festzuhalten, dass trotz der geringeren Nachfrage „genügend“ Überschussliquidität am Markt bleibt, wie Analysten von Morgan Stanley betonen. Was ist insgesamt vom Ergebnis der heutigen Auktion zu halten? (1) Die Auktion zeigt, dass nicht die Liquidität, sondern die Insolvenz das Hauptproblem ist. Der Geldmarkt in der Eurozone funktioniert zwar mittlerweile besser als zu Jahresbeginn, aber immer noch eingeschränkt, da die Banken einander nicht ganz trauen. (2) Eine weitere Interpretation ist im Markt, dass manche Banken nicht über angemessene Collateral verfügen, also Wertpapiere, die sie dafür bei der EZB hinterlegen könnten. (3) Die Attraktivität der Refinanzierungsgeschäfte auf 12 Monate ist wegen der inzwischen weiter fallenden Renditen am Anleihemarkt erheblich abgenommen.

Crowding In: Definition

Paul Krugman kommt mehr und mehr zu dem Schluss, dass die öffentliche Debatte über Fiskal Stimulus (Konjunkturpakete) das Ganze völlig grundlos als ein qualvolles trade-off (Austauschbeziehung) zwischen möglichen Vorteilen jetzt und bestimmten Kosten später betrachtet. Um es klarzustellen, erklärt er in seinem Blog, was Crowding in bedeutet: Es geht um Fiskal Stimulus in einer Liquditätsfalle. Das heisst, unter Bedingungen, bei denen die konventionelle Geldpolitik an Zugkraft verliert und die Fed die Zinssätze viel niedriger festlegen würde, wenn sie könnte, so Krugman. Die expansive Fiskalpolitik verdrängt deshalb keine privaten Investitionen. Ganz im Gegenteil: Es gibt sogar Crowding in. Expansive Fiskalpolitik erhöht das künftige Wachstumspotenzial, anstatt zu senken.


Output Losses and Macroeconomic Stimulus, Graph: IMF

"Und ja, es gibt Hinweise darauf (prozyklisches Verhalten der Investitionen)", betont Krugman. Er zitiert aus dem aktuellen Bericht des IWF („Analysis of Medium-Term Effects of Financial Crisis“). Laut IWF liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Volkswirtschaften auf kurze Sicht den Abschwung nach einer Krise abfedern können, wenn für sie antizyklische fiskal- und geldpolitische Impulse gelten, und daher auf mittlere Sicht zumeist tendenziell geringere Outputverluste aufweisen. Als Fazit bemerkt Krugman, dass expansive Fiskalpolitik gut für künftiges Wachstum ist. Dennoch belastet sie den Staat mit einer höheren Verschuldung und erfordert in Zukunft höhere Steuern oder andere Opfer. „Oder etwa doch? Na ja, wahrscheinlich, aber nicht annähernd so viel wie im allgemeinen angenommen wird“. Warum? Weil (1) die expansive Fiskalpolitik auf kurze Sicht zu einem Anstieg des BIP führt, was höhere Einnahmen bedeutet. Das kompensiert dann einen erheblichen Teil der anfänglichen Kosten. Eine Milliarde Dollar an Stimulus führt wahrscheinlich nur zu 600 Mio. Dollar oder weniger an zusätzlichen Kosten. (2) Crowding in erhöht das BIP, was künftige Steuereinnahmen steigert. Und der Anstieg der Einnahmen macht mindestens einen Teil der Schuldenlast wett.

Mehr zum Thema „Crowding in“ von Mark Thoma hier.

Thoma beschreibt, dass Crowding out sich aus dem Anstieg der Zinssätze durch Defizite ergibt, während Crowding in sich aus dem schnelleren, realen Wirtschaftswachstum, welches manchmal von Defiziten erzeugt wird, ergibt.

S&P/Case-Shiller Home Price Index: Juli 1,7%,
-13,3% y/y

Die gestern vorgelegten Daten von Standard & Poor’s Case/Shiller Index zeigen, dass der annualisierte Rückgang der US-Hauspreise, obwohl nach wie vor negativ, im Vergleich zum Vormonat eine Verbesserung aufweist. Der 10-City und 20-City Composite Indizes sind im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 12,8% resp. 13,3% gefallen. Das Tempo des jährlichen Rückgangs der Hauspreise scheint sich zu verlangsamen.

Composite-10: Juli 2009: 1,7%, y/y: -12,8%
Composite-20: Juli 2009: 1,6%, y/y: -13,3%



S&P/Case-Shiller Home Price Index, Graph: Standard & Poor’s

Die Abbildung zeigt die Index-Werte für die 10-City und 20-City Composite-Indezes. Seit Juli 2009 sind die durchschnittlichen Hauspreise in den USA auf dem ähnlichen Niveau, wo sie im Herbst 2003 waren. Vom Höhepunkt im II. Quartal 2006 bis April 2009 ist der 10-City Composite um 33,5% und der 20-City Composite um 32,6% zurückgefallen.

Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt.

Dienstag, 29. September 2009

FDIC verlangt von Banken Vorauszahlung

Die Krise erfasst auch die FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation). Die Kapitalausstattung des Fonds ist arg gebeutelt. Seit Jahresbeginn sind insgesamt 95 Banken zusammengebrochen. Der Fonds sichert bis zu 250'000 $ pro Kunde ab. Ende Juni war das Geld der Behörde auf 10,4 Mrd. $ geschrumpft. Nach eigenen Schätzungen könnte der Fonds Ende Quartal ins Minus rutschen. Zu Jahresbeginn verfügte die FDIC noch über 34 Mrd. $. Die US-Einlagensicherungsbehörde will daher jetzt ihren leeren Fonds wiederauffüllen. Der Fonds verlangt eine Vorauszahlung. FDIC-Chefin Sheila Bair hat vorgeschlagen, dass die von ihr regulierten Banken die Gebühren für die nächsten 2 Jahre im Voraus zahlen. Auf diese Weise könnte die FDIC 45 Mrd. $ einnehmen. Die Banken zahlen an die FDIC 12 bis 16 Cents pro 100 $ Kundeneinlagen.

Die FDIC revidierte heute ihren geschätzten Finanzbedarf um 40% auf 100 Mrd. $. Die Behörde hat eine Kreditlinie im Volumen von 500 Mrd. $ beim Finanzministerium. Sheila Bair will aber kein Geld beim Schatzamt leihen, weil sie denkt, dass es in diesem Marktumfeld kontraproduktiv sein könnte.

Die FDIC ist in den 1930er Jahren eingerichtet worden, um nach Bank-Run während der Depression das Vertrauen wiederherzustellen. Die Behörde steht heute hinter rund 4'800 Mrd. $ Deposits. Der Fonds wird von der Branche finanziert und hat die Möglichkeit aus der Staatskasse jederzeit mit der Zustimmung des Finanzministers und der Fed 100 Mrd. $ zu leihen.

Derivate Debatte um Wert - rechnerisch vs. real

Der jüngste Bericht der US-Behörde OCC hat die Debatte in der Blogosphäre um den Wert der Derivate in Bezug auf „notional“ (rechnerisch) und „real“ (echt) erheblich angeheizt, wie FTAlphaville berichtet. Der rechnerische Wert der Derivate in den Büchern von US-Banken belief sich im II. Quartal auf 203'500 Mrd. $. The Huffington Post schrieb, dass „Derivative“ eines der dreckigsten Wörter der Finanzkrise ist. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass die Banken, die mit den Geldern des Staates gerettet wurden, nach wie vor mit riskanten Wetten Milliarden Dollars Gewinn einstreichen.

Vincent Fernando bemerkt in Clusterstock in einer Antwort auf Felix Salmon, dass es sicherlich schwierig sei, zu begreifen, was 200'000 Mrd. $ bedeuten. Tatsächlich seien es 203'500 Mrd. $, was nicht unbedingt befürchtet werden müsse. Das liege daran, dass die Höhe des rechnerischen (notional) Wertes der meisten Derivate nicht die Menge des Geldes, das in Gefahr ist, repräsentiere. Wären diese Exposures noch immer nur ein paar Billionen, wäre ich nicht allzu besorgt, antwortet Felix Salmon unmittelbar. „Aber Leute wie Fernando scheinen nicht zu verstehen, dass die rechnerischen Forderungen, die um mehr als zwei Grössenordnungen zunehmen, ganz neue systemische Risiken ins Spiel bringen können“, so Felix zurecht.

In einem von uns neulich zitierten hervorragenden Essay schrieb Satyajit Das, dass die Komplexität der modernen Derivate mit Risikotransfer wenig zu tun hat. „Alles hat mit Profit zu tun“, betont der Derivate Experte. Wie die neuen Produkte sofort von den Wettbewerbern kopiert werden, müssen Händler (Trader) „innovativ“ sein, um Profite durch das zunehmende Volumen oder die Schaffung von neuen strukturierten Produkten zu generieren, hebt Das hervor. Die Komplexität verzögert laut Das den Wettbewerb, hält die Kunden davon ab, Produkte zu entflechten und reduziert die Transparenz.

Häufig dienen die verwendeten Modelle zu Preisbildung, Hedging und Bestimmung der Profitabilität auch dazu, Führungskräfte und Aufsichtsbehörden zu verwirren, indem sie den Händlern erlauben, durch die Buchung von fiktiven Profits, Boni für sich einzusacken“, die ja auf Umsatz mit diesen strukturierten Produkten basieren. „Die schiere Grösse und Bedeutung der Gewinne aus Derivaten bedeuten, dass die besten und die hellsten Köpfe angezogen werden, dieses Spiel weiter zu spielen“, erklärt Das. Seine Schlussfolgerung: „Derivate und Verschuldung sind die Ärgernisse des Finanzwesens und die Banker werden sie weiterhin für alle liefern, solche wie Dr. Jekylls und Mr. Hydes, für eine absehbare Zukunft, solange im Handel Geld damit gemacht werden kann“.

Paul Krugman erklärt Haushaltsdefizit

Der tiefe Abschwung hat tiefe Spuren hinterlassen. Das Haushaltsdefizit ist in aller Munde. Paul Krugman geht in seinem Blog in NYT der Frage nach, warum Budgetdefizite eine schlechte Sache sind. Das Lehrbuch nennt zwei Gründe. (1) Die fiskalische Belastung: Defizite von heute bedeuten höhere Schulden von später, d.h. höhere Steuern oder weniger Ausgaben. (2) Crowding out: Fährt der Staat Defizit ein, steht er im Wettbewerb mit dem privaten Sektor für Finanzmittel (Funds), d.h. staatliches Handeln verdrängt privatwirtschaftliche Aktivitäten, was das Wachstumspotenzial reduziert. All dies macht Sinn, betont Krugman, unter normalen Bedingungen. Aber wir leben derzeit nicht unter normalen Bedingungen.

„Wir sind in einer Situation, in der die Wirtschaft zutiefst depressiv ist und die Geldpolitik, die übliche Verteidigungsline gegen Rezession, wegen Null-Zinsen gebunden“ ist. Es ist klar, so Krugman, dass ein Anstieg der Staatsausgaben künftige Schulden erhöht. Aber nicht eins zu eins: Weil höhere Ausgaben das BIP erhöhen und auf diese Weise zu höheren Einnahmen führen. Berechnungen zeigen laut Krugman, dass die Schulden zu 40% ausgeglichen werden. Das heisst, dass das Konjunkturpaket nur 60% dessen kostet, was es am Anfang gewesen ist. Aber der wirklich dramatische Unterschied sei für das Argument (2) zu machen. Der ausschlaggebende Faktor für Unternehmensinvestitionen ist der Zustand der Wirtschaft, hält Krugman fest, wie der Absturz der Investitionen während dieser Krise belegen. Das bedeutet wiederum, dass alles, was den Zustand der Wirtschaft verbessert, zu mehr Investitionen führt und damit das künftige Wachstumspotenzial der Wirtschaft erhöht.

Fazit: Unter den gegenwärtigen Bedingungen wird das Deficit Spending nicht zu Crowding out führen. Das Schlimmste, das wir der künftigen Generation antun können, ist in der Tat, dass wir derzeit nicht ausreichend grosses Defizit einfahren, schlussfolgert Krugman überzeugend.

Montag, 28. September 2009

Derivate Trading: OCC Bericht

Die Behörde des „Comptroller of the Currency“ (OCC) hat nun den vierteljährlichen Bericht über das Trading und die Derivative-Aktivitäten der Banken für das II. Quartal 2009 vorgelegt. Der Nominalwert der Derivate von US-Geschäftsbanken ist im I. Quartal um 1'500 Mrd. $ auf 203'500 Mrd. $ geklettert. Die US-Geschäftsbanken berichteten einen Umsatz von 5,2 Mrd. $ an Trading cash und derivativen Instrumenten, verglichen mit einem Rekordumsatz von 9,8 Mrd. $ im I. Quartal und einem Velust von 9,2 Mrd. $ am Ende des IV. Quartals. Der Umsatz im zweiten Quartal sei nach Angaben von OCC der 6. stärkste Wert seit dem Beginn der Datenaufnahme. Die Netto-Kreditforderungen, d.h. die Verbindlichkeiten gegenüber den Kreditinstituten, wenn alle Derivate Kontrakte sofort liquidiert werden, und das wichtigste Instrument, das von der OCC verwendet wird, um Kreditrisiken im Derivate-Handel zu messen, sind um 20% auf 555 Mrd. $ gesunken. Am Ende des IV. Quartal lag diese metrische Grösse bei 800 Mrd. $.


OCC’s Report on Banks Trading II. Q. 2009, Graph: The Office of the Comptroller of the Currency

Derivate Kontrakte bleiben auf Zinsprodukte fokussiert, die rund 85% des Nominalwertes der ausstehenden Kredit-Derivate ausmachen. Der rechnerische Wert der Kreditderivate ist um 8% auf 13'400 Mrd. $ zurückgegangen.

Fazit: Während die End-Users ihr Exposure in Derivaten auf ein 7-Jahrestief reduziert haben, haben die Dealers ihre Positionen auf einen historischen Höchststand gebracht. Mit Dealers sind gemeint: JP Morgan Chase, Goldman Sachs, Bank of America und Citibank. Felix Salmon hat sich Zeit genommen und gerechnet, dass jedem US-Dollar Exposure der End-Users nom. 78 $ Exposure der Dealers gegenüber steht. Die Zahlenverhältnisse haben mittlerweile solche absurde Grössenordnungen erreicht, (die mit der Realität nichts mehr zu tun haben), dass es unumgänglich ist, zu fragen, ob es sich dabei um eine Wertschöpfung handelt? Die Antwort ist Nein. Welche Bedeutung soll aber diesen Zahlen beigemessen werden?

Nassim Taleb für Optionen, aber gegen Derivate

Während Robert Shiller sich leichtgläubig im allgemeinen für die sog. Finanzinnovationen einsetzt, spricht Nassim Taleb eine Warnung aus. Taleb sagte, dass gewisse Finanzprodukte einschliesslich komplexer Derivate nicht gehandelt werden sollten, um die Volatilität an den Finanzmärkten einzudämmen. Während Produkte wie Optionen akzeptabel seien, verstehe er einige Derivate immer noch nicht, obwohl er seit 21 Jahren in der Branche tätig sei, so Taleb vor einem Forum in Hong Kong. Taleb schrieb 2007 den Bestseller „The Black Swan“. Es geht dabei um die Auswirkungen der höchst unwahrscheinlichen Ereignisse. Die Theorie des „Schwarzen Schwan“ stammt aus dem alten Irrtum, dass alle Schwäne weiss sind.

Wegen ihrer dramatischen und zufälliger Natur trotzen solche Ereignisse Vorhersage und Prognose. Die Daten, die derzeit von Regierungen und führenden Ökonomen verwendet werden, basieren auf Routine, und nicht auf Ereignisse, die dazu führen könnten, dass Aktienportfolios an einem Tag 50% ihres Werts verlieren, erklärt Taleb.

Robert Shiller verteidigt Finanzinnovationen

Viele scheinen zu denken, dass die zunehmende Komplexität der Finanzprodukte die Quelle der globalen Finanzkrise ist, schreibt Robert Shiller in einem Essay in FT von heute. In Reaktion darauf werde häufig argumentiert, dass die Regulierungsbehörden die Komplexität aktiv entmutigen sollten. Shiller zitiert dafür das White Paper des US-Schatzamtes von Juni 2009 und das von Juli 2009, wo gesagt werde, dass eine neue Verbraucherschutz-Agentur ( CFPA) ermächtigt werden sollte, zwecks einfache Preisgestaltung zugelassene Standards für sog. „ Plain Vanilla“-Produkte zu definieren. Und die Agentur sollte erfordern, dass alle Lieferer und Vermittler neben legalen Produkten auch diese Produkte anbieten sollten. Shiller gesteht, dass unnötige Komplexität ein Problem sein kann, wenn die Komplexität eingesetzt wird, um zu verschleiern und zu täuschen, oder wenn man keine guten Ratschläge hat, wie diese Produkte richtig benutzt werden.

Komplexität sei in der Tat in der Krise von manchen Banken verwendet worden, um mittels SIV Ratingagenturen und Investoren für dumm zu verkaufen. Aber jeder Versuch, mit diesen Produkten umzugehen, muss, so Shiller, die gestiegene Komplexität erkennen, dass sie auch potentielle Vorteile wie Risiken bieten. Neue Produkte müssen eine Schnittstelle mit den Verbrauchern haben, denkt Shiller, dass es einfach genug ist, diese verständlich zu machen, damit die Verbraucher diese Produkte richtig benutzen können. Aber die Produkte selbst brauchen nicht einfach zu sein, ist Shiller überzeugt. Leider haben die Menschen kein Vertrauen in einige gute Innovationen, klagt Shiller, die sie besser schützen könnten: Als erstes Beispiel nennt Shiller die Innovationen in Hypotheken in den letzten Jahren (unter Einbeziehung von option-variabel verzinslichen Hypotheken). Diese seien keine Produkte von anspruchsvollen Finanztheorien. Als zweites Beispiel verweist Shiller auf „Target-date Funds“, welche Altersruhegelder in einer Art und Weise investieren, die dem Alter der betreffenden Personen entspricht. Das dritte Beispiel betrifft die Rentenversicherung („retirement annuities") und Lebensrente („life annuties“). Bei allem Respekt präsentiert Prof. Shiller eine ziemliche naive Vorstellung von Innovationen. Die Krise hat gezeigt, dass die Mehrzahl von Finanzprodukten, die als Innovation vermarktet wurden, nichts anderes als Schwindel sind. Altersvorsorge ist mit Risiken verbunden. Für Pensionskassen sollte daher das Ziel sein, die Mittel optimal zu investieren, sich also nicht an kurzfristigen Gewinnen zu orientieren, sondern zu versuchen, die langfristige Rendite zu steigern.

Sonntag, 27. September 2009

SNB zu Bankenregulierung: Spielregeln werden geändert

Die SNB ist fest entschlossen, die Finanzstabilität zu gewährleisten. Die Währungshüter wollen deswegen, (1) Eigenkapitalvorschriften für Grossbanken stärken, (2) Liquiditätsregulierung für Grossbanken robuster gestalten und (3) Einlegerschutz ausbauen. Flankierend verfolgt die SNB drei grundsätzliche Strategien, um der too-big-to-fail (TBTF)-Problematik einen Riegel vorzuschieben: (a) systemrelevante Finanzinstitute in Bezug auf Eigenmittel und Liquidität besonders strengen Anforderungen unterwerfen, (b) die gesetzlichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass eine geordnete Liquidation grosser Finanzinstitute in extremen Situation vereinfacht bzw. ermöglicht werden und (c) die Grösse von Finanzinstituten beschränken. Bemerkenswert ist, dass der Gegensatz zwischen der SNB und der Schweizer Regierung in dieser Hinsicht unverkennbar ist. Die Grossbanken wehren sich gegen die sich abzeichnende neue Vorschriften lautstark. Der designierte SNB-Präsident Philipp Hildebrand wird von Boni-Banker hemmungslos attackiert.

In einem Referat am Freitag in Chicago hat Hildebrand drei zwingende Gründe genannt, warum eine grundlegende Regulierung des Finanzsektors gewährleistet werden muss. Der 1. Grund: Viele der Risiken, die im Finanzsektor eingegangen werden, schliesslich beim Steuerzahler liegen. Das gesamte Potential der Kosten der verschiedenen Massnahmen (Kapitalspritzen, Kauf von Vermögenswerten und Garantien für Bankkredite usw) belaufen sich in den USA auf etwa 40% des BIP, so Hildebrand. Für einige europäische Länder seien die Zahlen sogar noch höher. Der 2. Grund: Die Krise erzeugt wichtige immaterielle Kosten, die oft übersehen werden. Das Vertrauen in den Finanzsektor ist laut Hildebrand schwer beschädigt. Darüber hinaus, sei der Glaube an die Vorteile eines marktorientierten Wirtschaftssystems untergraben worden, weil „eine kleine Anzahl von Individuen die Märkte dogmatisch mit ungezügelter Verfolgung von kurzfristigen Gewinnen gleichsetzen“. Das ist eine lobenswerte Haltung von SNB. Die staatliche Reaktion auf die Krise habe den Boden für noch mehr Moral Hazard in Zukunft bereitet, so Hildebrand. Der 3. Grund: Diese Finanzkrise werde nicht die letzte sein. Zwischen 1973 und 1997 waren allein 139 finanzielle Krisen in verschiedenen Teilen der Welt dokumentiert. Die derzeitige Krise habe deutlich die Grenzen der komplexen Regulierung und Modelle aufgezeigt. Auch die komplexen Modelle sind niemals unfehlbar, hebt Hildebrand hervor. „Was wir tun können und sollten, ist, die Wahrscheinlichkeit und die Folgen von künftigen Krisen limitieren“. Es wäre ein unverzeihbarer Fehler, die Gelegenheit zu verpassen, die Regulierung grundlegend zu reformieren, betont Hildebrand. Er setzt sich für einen zweigleisigen Ansatz zur Reform des globalen Finanzsystems: vorbeugende Massnahmen in Verbindung mit vereinfachten Massnahmen für eine geordnete Liquidation von grossen internationalen Banken in Krisensituationen in Zukunft.

Fazit: Die SNB ist in der Tat weltweit vorbildlich, wie sie auf die Krise reagiert hat und wie sie dagegen in Zukunft halten will.

Samstag, 26. September 2009

Behörden schliessen die 95. Bank in diesem Jahr

Die US-Aufsichtsbehörden haben am Freitag eine weitere Bank geschlossen: Georgian Bank. Die in Atlanta ansässige Bank verfügt über Vermögenswerte über 2 Mrd. $ und über Einlagen von 2 Mrd. $. Die Anzahl der Banken, die im Zuge der Krise dichtegemacht haben, ist damit auf 95 gestiegen. Die FDIC schätzt die Kosten der Schliessung für die öffentliche Hand auf rund 892 Mio. $.

Bankpleiten:
2009: 95 Banken
2008: 25
2007: 3

FDIC-Vorsitzende Sheila Bair sagte letzte Woche, dass sie alle Optionen berücksichtigen will, einschliesslich Kreditaufnahme beim Schatzamt, um die Kassen ihrer Behörde wiederaufzufüllen. Zu den Optionen zählen u.a.: Beantragung von Darlehen bei finanziell gesunden Banken, Einführung einer Sondersteuer im Bankensektor oder Anzapfen der Kreditlinie von 500 Mrd. $ beim Finanzministerium. Die Einlagensicherungsbehörde schätzt die Kosten der Sicherung im Sog der Krise auf rund 70 Mrd. $ bis 2013. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt.

Meinungsmache

Buchbesprechung:

Albrecht Müller: Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen. Droemer, München, 2009.



Allein die Tatsache, dass der Autor sich dieses politisch brisanten und soziologisch wichtigen Themas annimt, verdient Anerkennung. Denn Meinungsmache ist, um es mit den Worten von Albrecht Müller auszudrücken, eine radikale und die Realität ausblendende Agitation. Sie ist das sanfte Mittel zur Machtausübung und zur Machterhaltung ordinärer Art. Die unmittelbare Folge davon ist Entdemokratisierung des öffentlichen Lebens. Meinungsmache ist m.a.W. ein heimtückischer Raub der Freiheit des Einzelnen. Hinterhältig und arglistig, weil wer vom Vampir gebissen wird, nolens volens selber zu einem Vampir wird. Die Propaganda ist so umfassend, dass man jenen, die darauf hereinfallen, keinen Vorwurf machen kann. „Wer den Sirenen des demographischen Niedergangs glaubt, wer fürchtet, die gesetzliche Rente sei perdu, ist Opfer, nicht Täter“, hebt Müller mit einem praktischen Beispiel hervor.

Wie kann aber Meinungsmache gedeihen? „Das Interesse an Politik schwindet“, klagt der Autor. Er verweist darauf, dass jeder dritte Bürger kein Vertrauen mehr in die demokratische Staatsform hat. Die Bürger fühlen sich ohnmächtig, weil sie „die politischen Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen können oder sogar als gegen sich gerichtet sehen“. Die Resignation führt dazu, dass Menschen „schnell zum Opfer von bewusst angelegten Kampagnen der Meinungsbeeinflussung werden. Diese Kampagnen werden systematisch und strategisch geplant“. Die PR-Agenturen und die damit verbundenen Beratungsunternehmen sind die eigentlichen Produzenten der Meinungsmache, ist der Autor überzeugt. “Unsere Demokratie befinden sich am Rand ihrer Existenz“, hält er zu Recht fest. „Mit der Manipulation von Meinung wird Politik gemacht“, so Müller kurz und prägnant. Anhand einer Reihe von konkreten Beispielen zeigt der Autor überzeugend auf, wie Meinungsmache das politische Geschehen bestimmt. „Mindestlohn, Sozialstaat, Lohnstückkosten, Privatvorsorge fürs Alter, Heuschrecken, der Markt regelt alles, Banken sind systemrelevant, Finanzkrise, Privatisierung“ u.v.m. gehören zu Themen der Meinungsmache. Wie die einschlägigen Botschaften lauten und die Inhalte gestaltet werden, erläutert Müller sogar einleuchtend tabellarisch.

Albrecht Müller; Industriekaufmann, studierte Nationalökonomie und war Redenschreiber von Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller, von 1973 bis 1982 Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt bei Willy Brandt und Helmut Schmidt, von 1987 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er lebt als Publizist in der Südpfalz und betreibt zusammen mit Wolfgang Lieb das Blog www.NachDenkSeiten.de.

Gegen den roten Faden des Buches lässt sich objektiv nichts einwenden. Enttäuschend ist jedoch, dass die unrühmliche Debatte um die „Leitkultur“ unter den gängigen Beispielen der Meinugsmache nicht erwähnt wird. Immerhin handelt es sich dabei um eine der übelsten Sorten der Meinungsmache. Nicht nur Inländer mit fremdem Pass werden auf diese Weise perfid diffamiert, sondern ein Teil der Gesellschaft wird kulturell ausgegrenzt. Durch eine künstliche Hierarchisierung wird sogar ein Grundsatz der Verfassung („Würde des Menschen ist unantastbar“) vorsätzlich unterhöhlt. Kulturrassismus ist heute gefährlicher als Inflation. Jemandem seine Herkunft zum Vorwurf zu machen, ist eine primitive Stigmatisierung. Nicht die kulturellen Unterschiede lösen Konflikte aus, sondern deren Instrumentalisierung für politische Zwecke. Gerade in Anhängerkreisen der „Leitkultur“ wird lieber die sog. Aktienkultur gepflegt, damit ahnungslose Bürger ihre Ersparnisse in sog. Finanzinnovationen (die vorwiegend nichts anderes als Schwindel sind) anlegen und den Casinobetrieb der internationalen Finanzmärkte stützen. Für sie hat Spekulationsmaschinerie Vorrang vor dem Gleichheitsgrundsatz. Die Protagonisten der „Leitkultur“ befassen sich gern mit dem „Migrationshintergrund“ der steuerzahlenden Bürger, und nehmen die Manipulierung der Lebensmittelpreise mit perversen Wetten auf weiche Rohstoffe in Kauf, sodass Millionen von Menschen dem Hunger ausgesetzt werden. Meinungsmacher betrachten das Land als eine AG. Selbst nach einer beinahe-Depression fordern sie lediglich ein Krisenmanagement, weshalb Sanktionen für Verantwortliche ausbleiben und Vorhaben einer neuen wirtschaftspolitischen Orientierung (Abbau der einseitigen Exportabhängigkeit, Stärkung der Binnennachfrage, gerechte Einkommensverteilung usw.) nicht realisiert werden. Unternehmen werden bekanntlich autoritär geführt.

Wie kann man gegen die Meinungsmache halten? Durch „Checks & Balances“ und durch die Schaffung von Transparenz, indem man Hintergründe aufzeigt und die Zusammenhänge erläutert. Zum Beispiel im Internet mittels Blogs. „Nötig wären wachsame und unabhängige Medien“, schreibt Müller. „Doch wir haben Kampagnen statt kritischen Journalismus. Wir bekommen Kommerz statt Aufklärung, Verblödung statt Bildung“. Deswegen plädiert Müller für den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit. Der Mensch steht daher im Mittelpunkt. Das ist ohne Zweifel ein starkes Buch. Eine unverzichtbare Pflichtlektüre für die politische Weiterbildung. Möge die Wahrhaftigkeit sich gegen die Macht behaupten.

Freitag, 25. September 2009

Bailout Kosten sinken auf 11'600 Mrd. US-Dollar

Die Fed lässt einen Teil der Hilfsprogramme, die sie nach der Kreditkrise im August 2007 erstellt und ausgeweitet hat, auslaufen oder schrumpfen, wie Bloomberg berichtet. Das hat für den ersten Rückgang in der Menge des Geldes gesorgt, die im Namen der Steuerzahler verpflichtet worden war, gegen die Rezession zu kämpfen. Barry Ritholtz schreibt nun in seinem Blog, dass er davor alle direkten Liquiditätsspritzen, Darlehen, Aufnahme von Schulden, Zusagen, Garantien und andere Verpflichtungen zusammenaddiert hatte und auf die unvorstellbare Summe von 14'000 Mrd. $ gekommen war. Deswegen merkt er an, dass er sich um ein paar Milliarden vertan hat, dank der Sparsamkeit der Fed.

Die neue Summe scheint nun geradezu vernünftig. Ein perfektes Schnäppchen! Erschwingliche Kosten für die neue Ära der Sparsamkeit, hebt Ritholtz etwas ironisch hervor. Er bittet aber, etwas auseinanderzuhalten, da die Fed sich weigert, die Sicherheiten für ihre gewährten Darlehen offenzulegen. „Aus meiner eigenen Forschung kann ich sagen“, schreibt Ritholtz, dass sie sogar Müll als Kollateral akzeptiert hat. Ritholtz vermutet, dass weniger als 75% der Gelder gesichert sind. Er bezweifelt, dass die Fed auf ihre Kredite 100% Erträge sehen wird. Unabhängig davon, die Ausgaben für die Rettungsaktionen sind eine wirklich unergründliche Menge Geld, erklärt Ritholtz. „Wir sind aber weit davon entfernt, die wahren Kosten in Dollars zu erfahren“, sieht er kritisch.

TBTF: To Be or Not To Be

Paul Volcker, ein hoher Wirtschaftsberater im Weissen Haus, bemerkte gestern, dass die von der Obama Regierung vorgeschlagene Überarbeitung der Finanzmarktregeln nach wie vor von der Politik von „too big to fail“ (TBTF) nicht weggekommen ist, was künftig zu weiteren Rettungsaktionen von Banken führen könnte. Volcker, ehem. Fed-Chef, sagte vor dem Kongress, dass die Benennung von manchen Unternehmen als „kritisch für das Finanzsystem“ die Erwartung nähren würde, dass diese Unternehmen in schwierigen Zeiten staatliche Unterstützung geniessen würden. Das bedeute, dass diese Unternehmen durch den Zugang zu einem staatlichen Sicherheitsnetz geschützt würden. Volcker forderte ferner die Gesetzgeber, klarzustellen, dass Nicht-Banken Unternehmen nicht mit Staatsgeldern gerettet würden.

Was ist daraus zu schliessen? (1) Volcker scheint misstrauisch, dass die Politik noch immer keinen Abstand davon nimmt, manche Banken und Unternehmen als „too big to fail“ (TBTF) zu betrachten. (2) Da es keine Investmentbanken mehr gibt, darf man fragen, welche non-bank Institutionen eigentlich gemeint sind? Wieviele gibt es davon? Abgesehen von GE und Citadel, wie Felix Salmon in seinem Blog festhält. Werden also Banken und Versicherungen aus der Regulierung letztlich doch ausgeschlossen? Eigenartige Entwicklung.

Schweizer Franken und Finanzmarktkrise

Die SNB hatte anlässlich ihrer vierteljährlichen Lagebeurteilung vergangene Woche mitgeteilt, dass sie ihre expansive Geldpolitik unverändert fortführen und einer Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro weiterhin entschieden entgegenwirken will.

Thomas Jordan, Mitglied des Direktoriums der SNB hat heute in einem Referat in Luxembourg zu der Frage Stellung genommen, wie die Zukunft des Frankens aussieht. Prof. Jordan hält fest, dass die Finanzkrise aufgezeigt habe, dass der Franken immer noch den Status eines „Safe Haven“ besitzt. Die SNB nimmt das „Vertrauen, welches die Finanzmärkte damit der Schweiz und dem Franken aussprechen“, mit „Stolz“ zur Kenntnis, aber sie ist sich der dadurch verursachten prozyklischen Wechselkursschwankungen bewusst. „Wegen seiner Bedeutung für Inflation und Konjunktur wird die SNB auch in Zukunft, d.h. auch nach dem Abklingen der Finanz- und Wirtschaftskrise, den Wechselkurs des Franken genau verfolgen und ihn ihrer Geldpolitik entsprechend berücksichtigen“, so Jordan. Nach dem Ausstieg aus der Nullzinspolitik werde dies aber wieder weitgehend über die konventionelle Zinssteuerung erfolgen, sichert Jordan.


Schweizer Exporte und Frankenkurs, Graph: Prof. Thomas Jordan, SNB, Sept 25, 2009

Der Schweizer Franken und der Finanzsektor zählen zu zwei wichtigen Wachstums- und Konjunkturtreibern in der Schweiz. Im Jahre 2008 betrugen die Exporte laut Jordan 57% des gesamten BIP. Das heisst, dass mehr als jeder zweite Franken im Ausland verdient wird. Die realen Ausfuhren sind seit 1989 jährlich im Durchschnitt um 4,4%, die Einfuhren um 3,8% gestiegen, was beides deutlich über dem durchschnittlichen realen Wirtschaftswachstum von 1,6% in diesem Zeitraum liegt, so Jordan. Die Schattenseite der hohen Exportabhängigkeit ist jedoch die hohe Volatilität der Exporte. Der Konjunkturzyklus wird in der Schweiz also klar vom Export getrieben. Die Entwicklung des Frankens ist daher für die Entwicklung der Exporte von grosser Bedeutung.

Die Finanzkrise hat zu einem massiven Einbruch der Nachfrage nach Schweizer Exporten geführt. Vom II. Quartal 2008 bis Mitte Oktober 2009 seien die Exporte von Gütern und Dienstleistungen nach Angaben von Jordan real um insgesamt 16% zurückgegangen. „Ein Exportrückgang in dieser Grössenordnung ist für die Schweiz absolut einmalig“, so Jordan. Nie zuvor hat die Schweiz einen annähernd grossen Rückgang ihrer Ausfuhren erlebt. Da zugleich auch die Aufwertung des Frankens auf der Exportindustrie lastete, sah sich die SNB veranlasst, im März 2009 auf den Devisenmärkten zu intervenieren.


Realer effektiver Frankenkurs, Graph: Prof. Thomas Jordan, SNB, Sept 2009

CDS-Prämien für israelische Staatsanleihen

Die Risikoprämien der CDS auf Staatsanleihen Israels sind in diesem Monat von 1,15% auf 1,0% gesunken. Es handelt sich dabei um die Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte. Das heisst, dass Investoren 1,0% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 100’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.

Die BoI hat ihre Prognosen für BIP nach oben revidiert.
2009 BIP: 1% (bisher: -1,5%)
2010 BIP: 2,5% (bisher: 1,0%)

Die Inflationserwartungen (abgeleitet vom Kapitalmarkt) belaufen sich zur Zeit im Durchschnitt annualisiert auf 2,3%. Im August betrug der Konsumenten-Preisindex (CPI) 3,1%.

Donnerstag, 24. September 2009

Bank of Israel behält Leitzins bei 0,75 Prozent

Die Bank of Israel (BoI) hat auf ihrer Sitzung am heutigen Nachmittag ihren Leitzins bei 0,75% unverändert belassen. Die BoI hat zudem angekündigt, dass sie die expansive Geldpolitik beibehalten sowie ihre Interventionen am Devisenmarkt fortsetzen will. Nachdem die Inflation sich zurückgebildet hatte und die Landeswährung Schekel auf 9-Monatshoch gegenüber dem Dollar geklettert war, hob die BoI den Leitzins im vergangenen Monat an. Die israelischen Währungshüter unterstrichen, dass dieser Beschluss helfen werde, die Inflation in den Zielbereich zurückzubringen und die Erholung der Wirtschaft zu stützen. Die wichtigsten Überlegungen hinter der Zinsentscheidung sind:


BoI Benchmark Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

(1) Die Inflation lag in den vergangenen 12 Monaten leicht über dem Zielbereich der BoI. Die Teuerungsrate bewege sich jedoch ohne Berücksichtigung von Effekten der erhöhten Steuersätze und saisonbereinigt in der Mitte des Zielbandes. Auch die Inflationserwartungen liegen in der Mitte des Zielbandes. (2) Die anhaltende Erholung der Konjunktur und die Erwartung eines schnelleren Wachstums in Israel und weltweit zeigen, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen eine Erholung von der Rezession darstellen. Das heisst, dass das niedrige BIP-Wachstum in den letzten drei Quartalen sich in einer Produktionslücke (output gap) und Arbeitslosigkeit niedergeschlagen hat und daher den Inflationsdruck gedämpft hat. Darüber hinaus gebe es Unsicherheiten bezüglich der Stärke des Aufschwungs in Israel, zum Teil aber wegen der Unsicherheit über die Erholung der Weltwirtschaft. (3) Die Zinssätze der führenden Zentralbanken überall auf der Welt sind niedrig und es wird erwartet, dass sie während der nächsten Monate unverändert bleiben werden.

Die BoI will mit der Entscheidung von heute, den Zinssatz für Oktober unverändert bei 0,75% zu belassen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Notwendigkeit, die Inflation in den Zielbereich der Preisstabilität zurückzubringen, und die Beschäftigung zu fördern, sowie die finanzielle Stabilität zu wahren, erreichen.

SNB stellt weiterhin Liquidität via Devisenswaps zur Verfügung

Die Schweizerische Nationalbank (SNB), die EZB, die Zentralbank Polens und die Zentralbank Ungarns haben heute mitgeteilt, dass sie bis Ende Januar 2010 weiterhin €/CHF-Devisenswaps mit einer Laufzeit von 7 Tagen durchführen, um Franken gegen Euro zur Verfügung zu stellen. Das Ziel der Massnahme ist, den kurzfristigen CHF-Geldmarkt zu stützen.


Zielband der SNB, Graph: SNB, Sept 2009

Zu SNB und Devisen-Swaps mehr hier.

Norges Bank belässt Leitzins unverändert bei 1,25 Prozent

Die Zentralbank Norwegens hat gestern den Leitzins auf einem Rekordtief belassen. Die Währungshüter haben verlauten lassen, dass sie über eine Zinserhöhung nachgedacht haben, da die wirtschaftliche Erholung an Stärke gewonnen habe. Die in Oslo ansässige Norges Bank hat den Zinssatz für täglich anfällige Einlagen das zweite Treffen in Folge bei 1,25% belassen. Der stellvertretende Gouverneur sagte laut Bloomberg, dass die Notenbank die Alternative einer Zinserhöhung betrachtet habe. Die Norges Bank hat in den vergangenen 11 Monaten die Leitzinsen insgesamt um 4,5% gesenkt, obwohl die Inflation über 2,5% geklettert ist.


Norges Bank Deposit Rate, Graph: Bloomberg.com

Norwegen hat ein Konjunkturpaket im Verhältnis von 4,7% zum BIP geschnürt. Im Vergleich: In den 16 Ländern der Euro-Zone beträgt das Stimuluspaket im Durchschnitt rund 0,7% des BIP. Die Norges Bank rechnet mit einem Wirtschaftswachstum (non-oil economy) von 2,5% für 2010, nach einer Schrumpfung von 1,5% in diesem Jahr. Die Inflationsprognose der Notenbank für 2009 lautet 2,5%. Für 2010: 1,75%. Norwegen ist der 2. grösste Gas-Exporteur der Welt.


CPI, Norway, Graph: Statistics Norway

Staatliche Milliardengarantien und Profiteure

Die Bank of America (BoA) hat neulich staatliche Milliardengarantien aufgegeben. Das Finanzinstitut hat die Vereinbarung mit der US-Regierung gekündigt und dafür 425 Mio. $ gezahlt. James Kwak nimmt diese Vereinbarung im The Baseline Scenario genauer unter die Lupe und kommt zu dem folgenden Schluss: Die Steuerzahler bekommen 425 Mio. $ zurück. Die BoA behält jedoch 4 Mrd. $ für sich. Wie kommt das? Am Anfang hatten das US-Schatzamt, die FDIC und die Fed eine Garantie für ein riskantes BoA-Portfolio im Volumen von 118 Mrd. $ abgegeben. Die BoA würde davon 10 Mrd. $ absorbieren und 10% eines weiteren Verlusts übernehmen. Das heisst, dass das Exposure der Regierung sich auf 97 Mrd. $ belief. Ein Teil der Garantie enthielt eine non-recource Darlehen (für Definition) Verpflichtung der Fed. Das bedeutet eine Kreditzusage der Fed gegenüber der BoA.

Im Gegenzug würde der Staat bekommen: (a) Eine jährliche Gebühr von 20 Basispunkten. Das bedeutet 0,20% von 97 Mrd. $ = 194 Mio. $ p.a. (b) 4 Mrd. $ Vorzugsaktien mit einer Dividende von 8%. Das bedeutet eine Dividendenauszahlung von 320 Mio. $ p.a. Die BoA kann natürlich diese Aktien zurückkaufen, wenn sie 4 Mrd. $ an die Regierung zahlt. (c) Optionsscheine auf 400 Mio. $ BoA-Aktien. Da der Kurs der Aktie seither von 7,18$ auf 17,61$ gestiegen ist, wären die Warrants heute 580 Mio. $ wert.

In der Vereinbarung heisst es: „Institution hat das Recht, die Bürgschaft jederzeit zu kündigen und die Parteien werden Verhandlungen im guten Glauben führen, was als angemessenes Entgelt oder Vergütung im Zusammenhang mit der Kündigung zulässig ist“.

Eine angemessene Gebühr wäre 9/12 von 194 Mio. $ = 145 Mio. $. PS: Die Vereinbarung hat 9 Monate gedauert. Was ist aber mit den Vorzugsaktien und Optionsscheinen? Die BoA tut jetzt so, als ob sie damals im Gegenzug für die Staatsgarantie keine 4 Mrd. $ Vorzugsaktien an die Regierung übertragen hätte. Warum fragt aber die Regierung jetzt nicht nach diesen 4 Mrd. $? Weil, wie es im einem Bericht von Bloomberg zu lesen ist, damals angeblich keine Vereinbarung unterzeichnet worden ist, während die staatliche Garantie im Januar angekündigt wurde. Das wäre ja ein Skandal. Deswegen ist James Kwak ziemlich frustriert. Zu Recht. Denn am Schluss dieses Deals erhält die Regierung zwar 425 Mio. $ zurück, aber die BoA behält 4 Mrd. $ Vorzugsaktien. Es ist etwa so, dass jemand, der sein Haus gegen Brandgefahr sagen wir der Einfachkeit halber für 1'000 $ im Jahr versichert, Ende Jahr zu der Versicherungsfirma geht, und seine 1'000 $ zurückverlangt, da das Haus inzwischen nicht abgebrannt worden ist. Unsinn, oder? So hat sich aber der Staat in diesem Deal über den Tisch ziehen lassen. Staatliche Garantie bedeutet im Klartext, dass die betreffende Bank vor Pleite geschützt ist. Vertrauenerweckende Zusagen der Regierung haben dafür gesorgt, dass die Aktien der Bank gestiegen sind. Im Übrigen sind auch mündliche Vereinbarungen rechtskräftig. Armer Staat!

Systemgefährliche Banken

Die Obama-Administration setzt die Politik der Bush-Regierung fort, klagt Bill Black in einem vollkommen interessanten Gast-Beitrag in naked capitalism, indem sie sich weigert, dem Gesetz „Prompt Corrective Action“ (PCA) nachzukommen, so der ehemaliger Regulator. Beide Regierungen seien laut Black in eine äusserst mangelhafte Doktrin „too big to fail“, welche Vetternwirtschaft verankert, verwickelt. Historisch gesehen war die Bezeichnung „too big to fail“ irreführend. Denn während der S&L-Krise wurden insolvente Banken und Sparkassen unter Zwangverwaltung gestellt und ihr Risikokapital, d.h. Aktionäre und nachrangige Kapitalgeber bekamen nichts. Diese Behandlung ist fair, betont Black, weil sie die Kosten für die Steuerzahler und „Moral Hazard“ minimiert.

In dieser Krise hingegen haben die Regulierungsbehörden den Begriff in Immunität verdreht, erläutert Black. Massiv insolvente Banken sind nicht unter Zwangverwaltung gestellt worden. Ihre leitenden Führungskräfte sind an Ort und Stelle verblieben. Der Steuerzahler subventioniert heimlich ihr Risikokapital. Diese Politik ist unverantwortlich, hält Black fest. Sie ist auch rechtswidrig, betont der Professor für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an der University of Missouri, Kansas City. Das Schatzamt habe die Art der Institutionen grundlegend falsch charakterisiert, indem es diese als „too big to fail“ betrachtete. Diese Institutionen sind nicht massiv, weil die Grösse Effizienz bringt. Sie sind massiv, weil die Grösse Markt- und politische Macht bringt. Ihre Grösse macht sie ineffizient und gefährlich, so Black.

Jede Bank/Institution, die vom Finanzministerium als „too big to fail“ betrachtet wird, sollte in ein öffentliches Verzeichnis „systemgefährliche Institutionen“ („systemically dangerous institutions“ = SDIs) aufgenommen werden. Die SDIs sollten regulatorischen und steuerlichen Anreizen unterliegen, um zu einer Grösse verkleinert zu werden, wo sie nicht mehr als „too big to fail“ gelten und dementsprechend reguliert und gemanagt werden. Keinem einzigen Finanzinstitut sollte erlaubt sein, so zu werden oder zu bleiben, dass es ein systemisches Risiko darstellt.

Ausgezeichnet geschrieben!

Fed-Sitzung von 23. September

Die Fed hat gestern beschlossen, die Fed Funds Rate unverändert in der Spanne zwischen 0% bis 0,25% zu belassen. Sie liess wissen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit sich nach ihrem schweren Abschwung erholt hat. Die amerikanischen Währungshüter gehen weiterhin davon aus, dass die wirtschaftlichen Bedingungen über einen längeren Zeitraum hinaus aussergewöhnlich niedrige Zinsen erfordern. Die Notenbank erklärt, dass die Verbraucherausgaben sich zu stabilisieren scheinen, aber wegen der anhaltenden Jobverlusten, stagnierenden Einkommen, niedrigeren Preise auf dem Immobilienmarkt und schwierigen Kreditbedingungen beschränkt bleiben.


Real GDP, US, Graph: Fed St. Louis

Die Fed will, um die Hypothekenkredite und die Immobilienmärkte zu unterstützen, insgesamt 1'250 Mrd. $ Mortgage-Backed Securities (MBS) und bis zu 200 Mrd. $ Agency Schuldtitel kaufen. Der geldpolitische Ausschuss der Fed will aber das Tempo der Käufe allmählich verlangsamen, um einen reibungslosen Übergang in den Märkten zu fördern und rechnet damit, das Kaufprogramm bis Ende des I. Quartals 2010 zu Ende zu führen. Wie bereits angekündigt, will die Fed den Kauf von 300 Mrd. $ Staatsanleihen bis Ende Oktober 2009 abgeschlossen haben.

Fazit: Wann kommt aber die Wende? Die Fed lässt sich nicht in die Karten schauen, wann sie beginnen wird, die Zinsen wieder anzuheben (2010/11). Die Normalisierung dürfte noch auf sich warten lassen, solange die Fed langfristige Inflationserwartungen für stabil hält und die Inflation für geraume Zeit gedrückt sieht.

Mittwoch, 23. September 2009

Bank of Israel vor Zinsbeschluss

Stanley Fischer, BoI-Gouverneur dürfte morgen die Zinsen unverändert belassen, so das Ergebnis einer von Bloomberg durchgeführten Umfrage. Acht von dreizehn Ökonomen rechnet damit, dass die BoI auf ihrer Sitzung von morgen die Leitzinsen bei 0,75% behalten wird. Fischer war der erste Notenbank-Chef, der die Zinsen angesichts der ersten Anzeichen einer Entspannung der globalen Rezession angehoben hat. BoI dürfte bemüht sein, ein Gleichgewicht zwischen der Eindämmung der Inflation und der Förderung des Wirtschaftswachstums zu finden. Die Inflation verlangsamte sich den zweiten Monat in Folge im August auf 3,1% und liegt damit knapp über der oberen Grenze der Zielmarke der Regierung (1 bis 3%).


CPI, Israel, Graph: Bloomberg.com

Die Bank of Israel hat im vergangenen Monat den Leitzins um einen Viertelpunkt auf 0,75% erhöht, nachdem dieser seit April auf einem Rekordtief von 0,5% gelegen hatte. Die Bank teilte mit, dass ihre Entscheidung darauf abziele, die Inflation in den Zielbereich zu bringen.

Steuerzahler und Bonisucht der Banker

Die Bank of America hatte im September 2008 die US-Investmentbank Merrill Lynch gekauft. Es hiess damals, dass das auf Druck Washingtons geschehen ist. Der Staat hat deshalb eine Garantie auf 90% der Verluste aus dem Paket riskanter Papiere (Wert. 118 Mrd. $) in der Bilanz von Merrill Lynch abgegeben. Zudem erhielt BoA 45 Mrd. $ aus dem Bankenrettungsplan TARP. Nun will sich die BoA von Staatsgarantie trennen, weil sie sich der staatlichen Kontrolle entziehen will. Das kostet 425 Mio. $.

Das Geld muss die BoA an den Staat zurückzahlen. Inzwischen wurde bekannt, dass die BoA nach der Übernahme von Merrill Lynch die Auszahlung von Boni in Höhe von insgesamt 5,8 Mrd. $ an die Mitarbeiter von Merrill Lynch bewilligt habe, angeblich mit falschen Angaben an den Aktionären vorbei, wie der Presse zu entnehmen ist. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass die ehem. US-Investmentbank im IV. Quartal 2008 einen Verlust von 15,3 Mrd. $ verbucht hat. Das entsprach einem Minus von 9,62 $ pro Aktie. Eine Bank, die im Gesamtjahr 2008 einen Verlust von 27 Mrd. $ erleidet, bekommt vom Staat Geld zum Überleben und zahlt Boni an die Mitarbeiter aus. Neue Enthüllungen zeigen, wo und wie die Steuergelder versickern. Die Frage ist daher berechtigt, ob alle staatlich geretteten Banken tatsächlich systemrelevant sind, oder eher systemgefährlich, weil ihre Mitarbeiter sich auf Kosten der Steuerzahler hemmungslos bereichern.

Dienstag, 22. September 2009

Derivate Regulierung

Ein Jahr nach der Lehman-Pleite lässt sich heute beobachten, dass es zumeist bei Mahnungen und Drohungen bleibt, was die Reformvorhaben betrifft. Satyajit Das, der als der Experte in Sachen derivative Produkte gilt, macht in einem Gastbeitrag für naked capitalism via James Kwak (The Baseline Scenario) in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam: Initiativen sind zwar da, um z.B. allgemeine Offenlegung (disclosure) zu verbessern, Eigenkapitalvorschriften zu stärken und eine neue zentrale Kontrahenten-Stelle (centralised counterparty = CCP) einzurichten. Grundlegende Fragen aber, wie der Einsatz von derivativen Produkten für spekulative Zwecke, der missbräuchliche Verkauf von Instrumenten an die weniger anspruchsvollen Marktteilnehmer, Komplexität und Bewertungsschwierigkeiten werden inhaltlich nicht angegangen.

Das rechnet daher nur mit kosmetischen Veränderungen, welche die Funktionsweise der Märkte nicht beeinflussen werden. Das Geschäft werde als „business as usual“ in naher Zukunft so wie bisher weitergeführt. Es wird im Markt gemunkelt, dass die Derivative so kompliziert sind, dass nur Derivative-Händler sie angemessen regulieren können. Derivative haben laut Das eine „Dr. Jekyll“- und eine „Mr. Hyde“-Seite.

Die Realität sei, dass Hedging (Absicherung) und Risk-Management im Gegensatz zu anderen Verwendungszwecken sekundär sind, erläutert Das. Für Unternehmen ist die Fähigkeit, mit Derivaten zu handeln, um ihre traditionellen Gewinne zusätzlich zu erhöhen, unwiderstehlich. Für institutionelle und private Anleger ist der Einsatz von Derivaten, um durch Hebelwirkung Erträge zu steigern, und den Zugang zu verschiedenen Risiken zu verbesseren, jetzt ein wichtiger Bestandteil des Investmentprozesses, hält Das fest.

Warum versagen ökonomische Modelle bei der Vorhersage der aktuellen Krise?

Robert Shiller befasst sich in einem Essay in Project Syndicate mit der in den USA derzeit heiss debattierten Frage, warum es den Ökonomen nicht gelungen ist, die Finanzkrise vorherzusagen. Die Antwort liegt auf der Hand: Die Modelle sind fehlerhaft. Denn eine Generation von Mainstream-Theoretikern in der Makroökonomie akzeptiert laut Shiller „eine Theorie, die im Kern fehlerhaft ist: Das Axiom, dass Menschen vollkommen rational sind“. Wenn Wirtschaftsakteure immer rational handeln, dann sind Blasen nicht erlaubt, so Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University.

Haussen werden von einem Unklarheit suchenden Verhalten geprägt, Baissen von einem Unklarheit meidenden Verhalten, so Shiller, der Autor des Buches „Animal Spirits“.

Shiller ist überzeugt, dass Ereignisse wie die Grosse Depression und die jüngste Krise nie vollständig verstanden werden, ohne Blasen zu verstehen. Das Versagen der ökonomischen Modelle bei der Vorhersage der aktuellen Krise wird laut Shiller den Anfang ihrer Revision einläuten. Die Wirtschaftswissenschaftler sollen auf Wissenschaftler anderer Fachgebiete hören, rät Shiller. Er verweist v.a. auf die Elemente der verhaltensökonomischen Revolution.

TBTF: Systemrelevant - Systemgefährlich

Auf die Frage, was er als erstes tun würde, wenn er den Präsidenten Obama beraten würde, antwortet Bill Black in einem kurzenInterview mit bearishnews via The Big Picture: Enthalten und beginnen, „too big to fail“ zu beenden“. Finanzinstitute, die zu gross sind zum Scheitern, sind nicht wie sie heute genannt werden, systemrelevante, sondern systemgefährliche Einrichtungen (systemically dangerous institutions = SDIs), so Black. Erstens sollten sie nicht zugelassen werden, um zu wachsen. Zweitens sollte das Management entfernt werden, wenn es versagt (mismanagement). Drittens sollten sie auf den Punkt verkleinert werden, dass sie nicht mehr Gefahr für die Weltwirtschaf darstellen, erklärt Black, ein ehemaliger Regulator.

TBTF: Too Big To Fail.
Zur Definition: hier.

Weitere Zitate von Bill Black in diesem Blog hier und hier.

Montag, 21. September 2009

Krugman: Erholung wird „U-förmig“

Das Ende der Welt scheint verschoben worden zu sein, sagte Paul Krugman laut Bloomberg auf einer Konferenz in Helsinki. Die Weltwirtschaft scheint nicht in einen Abgrund zu fallen. Aber sie sei immer noch in Schwierigkeiten. Der Ausblick werde „sehr unscharf“ und die Erholung werde nicht mehr in einer „W-Form“, sondern „U-förmig“ ablaufen, so Wirtschaftsprofessor an der Princeton University.

Deutschland, Frankreich und Japan seien laut Krugman im letzten Quartal aus der Rezession. Das liefere den Beweis, dass einige der grössten Volkswirtschaften der Welt über den Berg sind. In den USA sei die Rezession voraussichtlich Ende Juli oder August zu Ende gegangen. Das Problem ist, dass das eine globale Krise ist, sagte Krugman. „Wie können wir eine exportgetriebene Erholung haben? Es sei denn, wir finden einen anderen Planeten, in den wir exportieren können“, so der Nobelpreisträger. Da klingelt manchen Mainstream-Ökonomen bestimmt die Ohren, die bisher einseitig auf den Export setzten und damit mitverursacht haben, dass die Entwicklung der Binnennachfrage stark vernachlässigt wurde. Eine Herausforderung der Krise ist daher, für exportlastige Länder, ein neues Wirtschaftsmodell zu entwickeln.

SNB: Notenbankgeldmenge im August 2009

Die Entwicklung der Notenbankgeldmenge in der Schweiz:
(In Millionen Franken)

2007: 44’198
2008: 77’418
2009 (März): 100’320
2009 (April): 117’953
2009 (Juni): 107’312
2009 (Juli): 109’306
2009 (Aug): 105’522

Die Notenbankgeldmenge setzt sich zusammen aus: Währungsreserven + Wertschriften + Devisenswaps + Geldmarktgeschäfte - Sonstiges.



Notenbankgeldmenge, Aug 2009 (Entstehung), Graph: SNB, Sept. 21, 2009

Währungsreserven beinhalten Gold und Forderungen aus Goldgeschäften + Devisenanlagen (ohne Devisen-Swaps) + Reservepositionen beim IWF + internationale Zahlungsmittel + Währungskredite.
Geldmarktgeschäfte umfassen Forderungen aus Repo-Geschäften in CHF + inländische Geldmarktforderungen + Lombardvorschüsse.
Sonstiges bedeutet Saldo der verbleibenden Bilanzpositionen (ab April 1998 inkl. Girokonten ausländischer Banken und Institutionen).

Auf der Seite der Verwendung sieht die Entwicklung so aus:
(In Millionen Franken)


Notenbankgeldmenge, August 2009 (Verwendung), Graph: SNB, Sept 21, 2009

Notenumlauf:
2007: 38’943
2008 (Dezember): 46’558
2009 (März): 45’596
2009 (April): 45’788
2009 (Juni): 44’859
2009 (Juli): 44’995
2009 (Aug): 44’433

Girokonten inländischer Banken:
2007: 5’255
2008: 8’256
2009 (März): 54’724
2009 (April): 72’165
2009 (Juni): 62’453
2009 (Juli): 64’311
2009 (Aug): 61’089

Notenumlauf + Girokonten inländischer Banken = Notenbankgeldmenge
44'433 + 61’089 = 105’522

Reform oder Pleite

Paul Krugman klagt in seiner Kolumne in The New York Times, dass der Finanzsektor, kaum ein paar Schritte zurück vom Abgrund, schnell wieder zur Tagesordnung (business as usual) zurückgeht. Selbst wenn der Rest der Nation weiterhin unter der steigenden Arbeitslosigkeit und der schweren Not leidet, sind die Gehaltsschecks an der Wall Street wieder zurück auf das Niveau vor der Krise, schreibt Krugman. Die Branche setze ihr politishes Gewicht ein, um die kleinsten Reformen zu blockieren.

Wenn wir wirklich stoppen wollen, dass an der Wall Street eine weitere Blase entsteht, gefolgt von einer weiteren Pleite, müssen wir die Anreize der Branche ändern. Das heisst vor allem Veränderungen in der Art und Weise, wie die Banker entlohnt werden, so Krugman. Was stimmt mit der Vergütung nicht, fragt er. Kurz formuliert: Die Führungskräfte werden reichlich belohnt, wenn sie kurzfristige Gewinne liefern. Sie werden aber entsprechend nicht bestraft, wenn sie später noch grössere Verluste hinnehmen müssen. Das fördert Entscheidungsgträger, übermässige Risiken einzugehen. Krugman ist sich aber nicht sicher, ob Obama sich Bankers vorknöpfen wird. Er ermutigt daher den Präsidenten zu populistischen Massnahmen. Machmal sei Populismus gerade das, was die Wirtschaft brauche.

US-Staatsanleihen: China bekommt nicht genug davon

Das amerikanische Schatzamt will diese Woche nach Angaben von Bloomberg US-Staatspapiere mit den Laufzeiten von 2, 5 und 7 Jahren im Wert von 112 Mrd. $ versteigern lassen. Das Angebot dürfte zweifelsohne auf eine rege Nachfrage stossen. Warum? Weil ausländische Investoren und insbesondere China nach wie vor stark US-Treasuries kaufen. Obwohl in den vergangenen Wochen in den Medien berichtet wurde, als ob China sich von US-Staatsanleihen losgesagt hätte. Das ist nichts anderes als Meinungsmache. Das Treasury hat seit Jahresbeginn Staatspapiere im Volumen von 1'410 Mrd. $ ausgegeben. 43,1% davon wurden von Investoren ausserhalb der USA auktioniert und erworben. Im Vergleich: In derselben Zeitperiode 2008 betrug die Quote 27,1% der Ausgabe von insgesamt einem Wert von 527 Mrd. $. China ist der grösste Käufer von US-Treasuries. Im Juli: 24,1 Mrd. $, nach einem Netto-Verkauf von 25,1 Mrd. $ im Vormonat. Der chinesische Bestand an amerikanischen Staatspapieren ist zuletzt um 3,1% auf 800,5 Mrd. $ geklettert. China hat den eigenen Anteil an US-Treasuries dieses Jahr um 10% gesteigert. Im Vergleich: 2008 52%.

Im III. Quartal bringen es die US-Treasuries auf eine Rendite von 2,8%. Obwohl der Dollar an Wert verliert und das US-Haushaltsdefizit auf 1'000 Mrd. $ steigt, reisst die Nachfrage nach sichersten und liquidesten Staatspapieren nicht ab. Folgende Gründe sprechen weiter für US-Treasuries:

(1) Ausländische Regierungen haben keine andere Wahl, was die Sicherheit und die Liquidität betrifft.

(2) Investoren haben weltweit Vertrauen daran, dass die US-Regierung die Fiskalsituation unter Kontrolle hat.

(3) Der Markt ist behaglich darüber, dass die US-Notenbank die Zinsen weiterhin niedrig halten wird.

Es gibt weit und breit keine Inflationsgefahr. Die Inflationserwartungen belaufen sich mit 1,82% deutlich unter dem 5-Jahres-Durchschnitt von 2,19%.

Ein ehemaliger Regulator

Ein interessantes Interview mit Bill Black, einem ehemaligen Regulator und Wirtschafts- und Juraprofessor ist in faz.net zu lesen.

Die Kursentwicklung an den Börsen hat wenig mit der realen Wirtschaft zu tun, betont Black. Er ist überzeugt, dass die Stimuli gut sind: „Mehr davon wären noch besser“.

Die Nullzinspolitik verhelfe den grossen Banken zu garantierten Einkommen. Es bringe der breiten Wirtschaft aber nichts. Black erinnert daran, dass ausserdem die Buchungsnormen geändert worden sind. Die Banken sind nicht mehr gezwungen, ihre Verluste anzugeben.

Die Finanzbrance sei eine Konjunkturmaschine der perversen Art gewesen: „Sie produzierte kein reales Wachstum, sondern nur wiederholte Kurs- und Preisblasen“. Black weist die Behauptung, dass die Geldpolitik mit tiefen Zinsen für die Probleme verantwortlich ist, als „pure Ironie“ zurück. Zu Recht.

Er kritisiert den Finanzminister Tim Geithner, der in den vergangenen Monaten den Begriff „staatliche Kapitalgarantien“ in Bezug auf die favorisierten grossen Banken benutzt hat. „Das ist Verlustsozialisierung zu Gunsten der Reichen und die Pervertierung kapitalistischer Prinzipien“, hält Black fest.

Er sieht bisher Null Fortschritt in regulatorischen Belangen. Black spricht von „Lügenkrediten“ und macht darauf aufmerksam, dass es im vergangenen Jahr 82'000 strafrechtliche Untersuchungen mit Bezug zu Hypothekengeschäften gegeben habe. Von den aktuellen Regulierungsvorschlägen hält Black nicht viel, weil (1) noch keiner umgesetzt wurde, (2) sie die Krise nicht hätten verhindern können und (3) sie nicht weit genug gehen.

Ratingagenturen müssen entweder verstaatlicht oder abgeschafft werden, so Black.

Lesenswert.

Sonntag, 20. September 2009

Aktienmärkte im Aufwind

Die wichtigsten Aktienindizes haben seit dem Frühjahr sowohl an der Wall Street als auch im Euroland um mehr als 50% zugelegt. Der S&P-500 Index kletterte seit dem 9. März um 64%. Seitdem befinden sich die Börsen in einem neuen Aufwind. Abgesehen vom Dollar Wechselkurs steigt praktisch alles. Die Aktienkurse legen zu. Die Nachfrage nach Anleihen reisst nicht ab. Rohstoffe sind gesucht. Der Goldpreis hat sogar die Marke 1'000 Dollar je Unze überschritten. Nach genau einem Jahr des dramatischten Konjunktureinbruchs mutet der DAX-Sprung über die 5’700er-Marke gespenstisch an. Die Rezession mag technisch vorbei sein. Aber es ist offensichtlich, dass die Erholung schwach vonstatten gehen wird. Denn die Konjunktur wird derzeit von staatlichen Konjunkturprogrammen und den Abbau der Lagervorräte gestützt. Das sind Faktoren, welche nur eine zeitlich begrenzte Wirkung haben. Für eine Euphorie gibt es also keinen Grund. Nach einer Theorie können die Aktienmärkte nach einem säkularen Bären-Markt 70% zulegen. Danach droht aber ein Absturz von 25%. Hier ist eine Abbildung via The Big Picture, wie der Markt nach einer grossen Baisse theoretisch verlaufen dürfte:


4 Stages of Secular Bear Market, Graph: via Barry Ritholtz, The Big Picture

Vier Phasen eines säkularen Bären-Marktes: Crash, Erholung, Korrektur und Seitwärtsbewegung.

Bemerkenswert ist, wie sich die Notenbanken zurückhalten. Sie wollen nicht intervenieren, da sie erstens nach wie vor über die Zerbrechlichkeit des Finanzsystems besorgt sind und zweitens derzeit nicht damit aufhören können, gegen die Deflation zu kämpfen. Manche übermutige Investoren (keine Retail Clients, die zur Zeit mit dem Schuldenabbau beschäftigt sind und ihre Sparquote erhöhen) scheinen aus dieser Situation Kapital schlagen zu wollen. Wie lange noch?

Samstag, 19. September 2009

Behörden schliessen zwei weitere Banken

Die US-Aufsichtsbehörden haben am Freitag 2 weitere Banken geschlossen: Irwin Union Bank of Louisville, Ky., und Irwin Union Bank and Trust of Columbus, Ind. Die Anzahl der Banken, die im Zuge der Krise dichtegemacht haben, ist damit auf 94 gestiegen. Die FDIC schätzt die Kosten der beiden zuletzt geschlossenen Banken für die öffentliche Hand auf rund 850 Mio. $.

Bankpleiten:
2009: 94 Banken
2008: 25
2007: 3

Hunderte von Banken dürften in den nächsten Jahren v.a. wegen der notleidenden Darlehen für gewerbliche Immobilien scheitern. Die Anzahl der Banken, die auf der Problemliste der FDIC erscheinen, ist Ende Juni auf 416 von 305 (von 252 im vierten Quartal) im ersten Quartal gesprungen. Das ist die höchste Zahl seit Juni 1994 während der „savings and loan“-Krise. Die Einlagensicherungsbehörde schätzt die Kosten der Sicherung auf rund 70 Mrd. $ bis 2013. Die Einlagen der Sparer sind bis zu 250'000 $ pro Konto geschützt.

Freitag, 18. September 2009

US-Behörde will Flash Orders sperren lassen

Die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) hat gestern vorgeschlagen, die sog. Flash Orders zu sperren, welche gestützt auf ein mächtiges Computersystem Einblick in die Orderliste der Investoren ermöglichen, bevor die Öffentlichkeit davon erfährt. Diese Praxis wird oft mit einem umstrittenen Eck des Finanzsystem, dem sog. Hochfrequenz-Trading verbunden. Mary L. Schapiro, die SEC-Chefin, sagte laut New York Times, dass die Behörde mit der Verbannung der Flash Orders versuche, die oft konkurrierenden Interessen von langfristigen Anlegern und kurzfristig orientierten Traders zu balancieren. Der Börsenplatz Nasdaq will jetzt Flash Orders verbieten. Das war eine Selbstverständlichkeit, schreibt Barry Ritholtz in seinem Blog zu Recht.

Die eigentliche Frage sei, die unbeantwortet bleibt, und eine gründliche Untersuchung fordert, welche Beamten der Börsen das gebilligt haben? Wer glaubte, dass es OK ist, den begünstigten Firmen (privilegierte Insider) zu erlauben, vor den anderen Investoren zu rennen? Ganz offen: Die ahnungslosen Tölpel, die Flash Orders erlaubt haben, müssen öffentlich bestraft, von ihren Jobs gefeuert und aus der Stadt auf einer Schiene vertrieben werden, bemerkt Ritholtz völlig zu Recht. „Ach ja, alle sollten die Gewinne aus diesem organisierten Diebstahl zurückgeben“, fordert Ritholtz. Denn dieses Geld sei gestohlen, urteilt der beliebteste Blogger (The Big Picture) an der Wall Street.

Fazit: Eines der Probleme der jüngsten Krise ist laut Barry Ritholtz, dass es keine Anprangerungen der verantwortlichen Parteien gegeben habe. Keine Rückgabe von unrechtmässig erworbenen Gewinnen sei bisher erfolgt. Das muss sofort geändert werden.

Exkurs:
Das Geschäft mit Flash Orders funktioniert etwa so: Investor A will eine gewisse Menge von Aktie X verkaufen. Investor B will eine gewisse Menge von Aktie X kaufen. Investor C, der über das Privileg (Zugang zu) „Flash Orders“ verfügt, kauft dem Investor A die Aktien X und verkauft sie an Investor B und kassiert dafür eine Transaktionsgebühr. Wem nützt diese Transaktion? Weder dem A noch dem B, sondern nur dem C, der vor der Öffentlichkeit einen Blick auf die Order-Bücher werfen darf, womit er erfährt, wer was zu verkaufen und wer was zu kaufen bereit ist. Streng genommen wird das Geschäft auf dem Rücken des Käufers B getragen.

Türkei: Moody’s revidiert Ausblick auf „positiv“

Die Ratingagentur Moody’s hat heute den Rating-Ausblick für die Türkei von „stabil“ auf „positive“ angehoben. Grund: verbesserte Widerstandsfähigkeit der türkischen Wirtschaft ohne fremde Hilfe gegen den Schock, der durch die globale Krise in den vergangenen zwei Jahren ausgelöst wurde.

Moody’s signalisierte eine höhere Einstufung von bisher „Ba3“-Rating, welches seit 2005 gültig ist. Während der Krise im Jahre 2001 hatte die Türkei das Rating „B1“. Die Reaktion im Markt blieb aber aus, da die CDS-Prämien (5 jährige Kontrakte) auf türkische Staatsanleihen bereits auf 190 Basispunkte gefallen sind und damit niedriger liegen als die der Länder mit einem besseren Rating wie z.B. Russland; Ungarn, Bulgarien usw., wie Tevfik Aksoy, Morgan Stanley Ökonom bemerkt. Zuletzt hatte Moody’s am 14. Dezember 2005 über das Rating der Türkei befunden.

US-Debatte über Gesundheitsreform

US-Präsident Barack Obama wird bekanntlich in den USA bisher wegen seiner Gesunheitsreform-Pläne zu Unrecht stark gescholten. Hier ist ein lesenswerter Artikel via „economy“ The New York Times zur aktuellen Debatte über das Gesundheitswesen. Der Inhalt des Artikel stützt sich auf den Ansatz des Gerechtigkeitsphilosophen John Rawls ab.

„Wollen Sie in einer Welt leben, wo jeder den Aufwand für die Versorgung der Krankheit allein trägt? Das wäre eine Welt, wo kranke Menschen zwangsläufig arm wären. Oder wollen Sie in einer Welt leben, wo jeder, ob krank oder gesund, auf einen Teil des Konsums verzichtet, wie z.B. jedes Jahr ein neues Breitbild-Fernsehen zu kaufen, und wo medizinische Hilfe für alle ohne zusätzliche Kosten verfügbar ist“, fragt der Autor.

Ein altes griechisches Sprichwort (frei übersetzt): „Betrachte keinen Menschen als gesund, bis er stirbt“.

US-Präsident und Wall Street

US-Präsident Barack Obama hat am Montag eine Rede gehalten: Thema: Wirtschaftskrise und Rezession. Adressant: Wall Street. Präsident legte die Schuld für die Krise direkt auf den Fuss des Finanzsektors. Was will Obama? (1) Ein sorgfältiges Risikomanagement, (2) Ein verantwortungsbewusstes Entschädigungssystem und (3) Eine bessere Unternehmensethik. Die Diagnose war richtig, urteilt Simon Johnson im Blog Baseline Scenario. Aber der Rest seiner Rede sei enttäuschend gewesen, fügt der ehemalige Chefökonom des IWF hinzu. Der Entwurf zur regulatorischen Reform sehe laut Johnson lahm aus. Die Banken seien in vollem Umfang dagegen mobilisiert. Zum Beispiel gegen die Einrichtung einer Verbraucherschutz-Agentur für Finanzprodukte. Der Aufruf des Präsidenten „please, dont do it again“ werde wohl auf taube Ohren stossen, so Wirtschaftsprofessor an der MIT’s Sloan School of Management.

Die eigentliche Nachricht vom Montag sei nicht der Inhalt der Rede oder das steinige Schweigen der Finanz-Elite im Publikum, sondern vielmehr die Tatsache gewesen, dass kein einziger CEO einer Grossbank anwesend war, kritisiert Simon Johnson zu Recht. Kein einziger Bank-Chef hat offenbar Zeit, um ein wenig Respekt und Dankbarkeit zu zeigen, und sogar ein Lippenbekenntnis zu einem besseren Verhalten in Zukunft abzugeben.

Türkei: S&P bestätigt Länderrating „BB-„

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Länderbonität der Türkei bestätigt: „BB-„ in Fremdwährungen, „BB“ in Lokalwährung. Der Rating-Ausblick hingegen wurde von „negative“ auf „stabil“ heraufgestuft.


Turkish Interbank Rates, Graph: Bloomberg.com

Die S&P hatte zuletzt am 13. November 2008 die Länderbonität der Türkei unter die Lupe genommen.

Donnerstag, 17. September 2009

Türkische Zentralbank senkt Leitzins auf 7,25 Prozent

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute auf ihrer 9. Sitzung dieses Jahres ihre Leitzinsen weiter gesenkt. Hintergrund: Die Inflation nähert sich dem langsamsten Tempo seit 39 Jahren. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) wurde um 50 Basispunkte von 7,75% auf 7,25% zurückgeschraubt. Die CBT hat auch den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 10,25% auf 9,75% reduziert. Damit haben die türkischen Währungshüter die Leitzinsen in den vergangenen 10 Monaten angesichts der anhaltenden Weltwirtschaftskrise und der Nachfrageschwäche um insgesamt 950 Basispunkte gesenkt.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph: CBT

Zukünftige Zinssenkungen hängen von der Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung ab, welche wohl „langsam“ und „schrittweise“ sein wird, teilte die CBT in dem dem Zinsbeschluss beigelegten Statement mit. Es gebe jedoch keine Anzeichen einer deutlichen Erholung am Arbeitsmarkt und eines Anziehens der Binnennachfrage im zweiten Quartal, hiess es. Das bedeutet im Klartext, dass weitere Zinssenkungen folgen werden.

Die türkische Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 7% geschrumpft, nachdem das BIP im ersten Quartal um 14,3% eingebrochen war. Die Arbeitslosigkeit kletterte inzwischen auf 13%.

Die Türkei und der IWF führen seit mehr als einem Jahr Gespräche über eine mögliche Kreditvereinbarung, welche die Wirtschaft gegen die Rezession stützen soll. Die Regieung hat gestern einen 3-Jahresplan („Medium Term Program) zur Reduzierung des Haushaltsdefizits präsentiert und gesagt, dass das Programm eine Grundlage für ein neues Stand-by Abkommen bilden wird.



CPI, Türkei, Graph: Bloomberg.com

US-Dollar/TRY: 1,4706
Euro/TRY: 2,1653
CHF/TRY: 1,4285.

Israel’s internationale Investment Positionen

Der Wert der Asset Portfolios israelischer Bewohner im Ausland ist in der ersten Jahreshälfte Angaben der BoI zufolge um rund 9,5 Mrd. $ (+5%) auf fast 199 Mrd. $ gestiegen. Diese stammen v.a. aus dem Anstieg von Fremdwährungsreserven der BoI (7,8 Mrd. $) und von Investitionen in handelbaren Wertpapieren (6 Mrd. $).

Der Wert der Finanzanlagen von nichtansässigen Investoren in Israel ist in der ersten Jahreshälfte 2009 um 12 Mrd. $ gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von 6,6%. Der Anstieg ist auf die steigenden Preise an der Tel Aviv Stock Exchange seit Jahresbeginn zurückzuführen.

Ende Juni 2009 lag der Überschuss Israels Vermögenswerte im Ausland mit 1,2 Mrd. $ über die Verbindlichkeiten im Ausland, was einem Rückgang von rund 2,7 Mrd. $ im Vergleich zum Überschusss am Ende des Jahres 2008 entspricht.

Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) sind in der ersten Jahreshälfte auf insgesamt 1,4 Mrd. $ gestiegen.

SNB setzt expansive Geldpolitik fort

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) lässt Vorsicht walten und setzt ihren gegenwärtigen geldpolitischen Kurs fort. Das bedeutet, dass die SNB an ihrer im März eingeleiteten expansiven Geldpolitik festhält. Grund: Die Unsicherheit über die künftige Entwicklung ist gross, obwohl zuletzt „ermutigende Konjunktursignale festzustellen waren“. Das Zielband für den 3-Monats-Libor wird bei 0%-0,75% belassen. Die SNB unterstreicht, dass sie (1) die Wirtschaft weiterhin grosszügig mit Liquidität versorgen wird, (2) Wenn nötig, mit ihren Käufen von CHF-Anleihen fortfahren wird und (3) einer Aufwertung des CHF gegen dem Euro weiterhin entschieden entgegenwirken wird.


Inflationsprognose, Graph: SNB, Sept 17, 2009

Die SNB passt aber ihre Wachstumsprognose für das reale BIP an:
2009: -1,5% bis -2% (Die Prognose von Juni 2009: -2,5% bis -3%)

Die Prognose für die Inflation bleibt unverändert:
2009: Minus 0,5%
2010: 0,6%
2011: 0,9%.

Fazit:Für die SNB besteht weiterhin ein Deflationsrisiko und eine unverzügliche Straffung der geldpolitischen Zügel ist nicht nötig.