Sonntag, 3. Mai 2009

Depressionsangst

Seit Beginn der Wirtschaftskrise scheiden sich die Geister in der Frage, ob die anhaltende Rezession in eine Depression mündet oder nicht. Wie ist es um das Verbrauchervertrauen bestellt? Schliesslich hat der private Verbrauch die mit Abstand grösste Gewichtung in der Wirtschaftsleistung in den führenden Industrieländern. Was ist aber der wichtigste Indikator für die Stimmung der privaten Haushalte? Es gibt in den USA hauptsächlich zwei verschiedene Organisationen, die sich mit dem Thema Verbrauchervertrauen beschäftigen: (1) Verbrauchervertrauen (Conference Board) und (2) Das Konsumklima (Consumer Sentiment) der University of Michigan.


Consumer Sentiment (Uni of Michigan), Graph: FED St. Louis, National Economic Trends, May 2009

Sind Verbraucher glücklich, läuft auch das Geschäft gut. Die gute Laune der Verbraucher kurbelt die Wirtschaft an. Glückliche Verbraucher gehen einkaufen, fahren in den Urlaub usw. Konsumentenausgaben machen mehr als die Hälfte des Nachfragevolumens aus. Deshalb ist es wichtig, die Stimmung der Verbraucher genau zu beobachten. Depressionsängste kommen und gehen, schreibt Robert J. Shiller heute in der Sonntagsausgabe von New York Times. Shiller stützt sich dabei auf den Konsumklimaindex der University of Michigan und kommt zu dem Schluss, dass der gegenwärtige Ausbruch der Besorgnisse überraschend milde seien. Die Umfrage, welche die Uni Michigan zweimal monatlich erhebt, beinhalte indes auch die spezifische Frage über die Ängste einer anhaltenden Depression. Je tiefer der Index fällt, desto schwächer entwickelt sich der private Verbrauch. Ein Indexstand unter 85 gilt i.d.R. als eine Schwächephase.


Contribution of components to Real GDP Growth, Graph: FED St. Louis, National Economic Trends, May 2009

Shiller schreibt, dass der Index seit 1960 im Durchschnitt 94 Punkte betrage. Einen Indexstand unter 65 Punkten beschreibt der Wirtschaftsprofessor von der Uni Yale als Depression. Und diese Phasen gab’s seit 1951 viermal. Von 1974 bis 1975: 47 Punkte. Von 1978 bis 1982: 41 Punkte. Von 1990 bis 1992: 54 Punkte und von 2008 bis 2009: 59 Punkte. Es fällt auf, dass der aktuelle Indexstand nicht tiefer liegt als in den vorhergehenden Abschwungsphasen der Wirtschaft. Es ist ferner ein offenes Gehemnis, dass Verbraucher auf den Verlust empfindlicher reagieren als auf den Gewinn von Geld. Deshalb haben sich Verbraucher, wie Bernard Baumohl in seinem Buch „Die Geheimnisse der Wirtschaftsindikatoren“ ausführlich erläutert, in den vergangenen Jahren als ziemlich gute Prognostiker beginnender wirtschaftslicher Abschwünge erwiesen. Shiller sieht es als „good news“, dass der Indexstand im Hinblick auf die spezifische Depressionsfrage von März bis April von 63 auf 81 Punkte gestiegen ist. Die aktuelle Wirtschaftskrise ist zweifelsohne durch ernsthafte Probleme gezeichnet. Es ist daher nicht einfach, zu erwarten, dass das Blatt sich schnell wieder wendet. Warum ist aber die gegenwärtige Depressionsangst gemessen an der Verbraucherstimmung schwächer als die anderen? Shiller vertritt die Ansicht, dass man darüber nur spekulieren kann. Der Erdölpreis hat sich inzwischen gemässigt. Die Inflation ist unter Kontrolle. Viele Menschen seien von der Arbeitslosigkeit und Zwangsversteigerungen nicht persönlich betroffen. Aber auch der optimistische Tenor des US-Präsidenten und der Fed haben die Ängste indes möglicherweise gelindert. „Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst“, hatte FDR während der „Grossen Depression“ (1929/30) gesagt.

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